Probiotika bei Parkinson: Studienlage und therapeutisches Potenzial

Probiotische Lebensmittel, die eine entsprechende Menge an probiotisch wirkenden Bakterienstämmen enthalten, sind in der Gesundheitsprävention mittlerweile von großer Bedeutung. Laut aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte ihr Einsatz auch bei Menschen mit Parkinson-Krankheit zunehmend in Betracht gezogen werden.

Parkinson-Krankheit und ihre Begleiterscheinungen

Morbus Parkinson ist nach Morbus Alzheimer die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Etwa 1 % der Menschen über 60 Jahre sind betroffen. Obwohl meist zuerst die typischen Symptome wie Zittern (Tremor) wahrgenommen werden, können auch Beeinträchtigungen und Komplikationen im Magen-Darm-Trakt auftreten. So leiden beispielsweise 70 % der Betroffenen an Verstopfung, da die Darmbewegungen eingeschränkt sind. Interessanterweise treten diese ersten Anzeichen oft schon viele Jahre vor den anderen typischen Symptomen der Parkinson-Krankheit auf.

James Parkinson erwähnte bereits 1817 in seinem Essay über die „Shaking Palsy“ die prominenten gastrointestinalen Symptome und hob hervor, dass sie einen entscheidenden Anteil an dieser Erkrankung ausmachen. Gut zwei Jahrhunderte später erläuterte Prof. Dr. Aletta D. Kraneveld, warum bei Parkinson sinnvollerweise das Geschehen im Darm berücksichtigt werden sollte.

Charakteristische Merkmale der Parkinson-Krankheit sind Ruhetremor, Bradykinesie und Rigor - als Folge des Neuronenuntergangs in der Substantia nigra des Mittelhirns. Allerdings sind gastrointestinale Symptome ebenso charakteristische wie häufige Begleiterscheinungen. Dazu zählen Nausea, Erbrechen, verringerte Darmmotilität und vor allem die Konstipation, von der 70 % der Erkrankten betroffen sind. Die gastrointestinale Symptomatik tritt zudem bereits Jahre früher auf als die Beeinträchtigung der motorischen Funktionen.

Die Darm-Hirn-Achse im Fokus

Vor diesem Hintergrund ziehen es Mediziner mittlerweile in Betracht, einen vorteilhaften Einfluss auf die verantwortlichen neurologischen Veränderungen im Gehirn auch über die Darm-Hirn-Achse nehmen zu können. Die seither diskutierte und teilweise modifizierte Braak-Hypothese hat vor allem die Forschungen darüber befördert, wie sich die Darm-Hirn-Achse bei der Parkinson-Krankheit beeinflussen ließe. Könnte man die Dysbiose im Darm der Betroffenen positiv beeinflussen, ließen sich so vielleicht die neurologischen Verschlechterungen aufhalten.

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Schon zuvor war bekannt, dass bei Parkinson-Patientinnen und -Patienten das typischerweise pathologisch aggregierte α-Synuclein in den Neuronen des Plexus mesentericus des Darmes histologisch nachweisbar ist. Von dort könnten diese Aggregationen beispielsweise über den N. vagus ins Zentralnervensystem (ZNS) gelangen. Auch andere Einfallstore ins Gehirn werden diskutiert. Dort stellen die Lewy-Körperchen mit falsch gefaltetem α-Synuclein eine Parkinson-typische Pathologie dar.

Aktuelle Studienlage zu Probiotika bei Parkinson

Bislang sind zwar wenige aussagekräftige Studien zu einer positiven Auswirkung von Probiotika in diesem Zusammenhang veröffentlicht worden, dennoch sind unterschiedliche Belege für eine entsprechende Wirksamkeit vorhanden. Studien, die den Einfluss von Probiotika, Präbiotika oder den einer entsprechenden Ernährung auf die ZNS-Parkinson-Symptomatik zeigen könnten, sind jedoch rar. Lediglich in den Mausmodellen sind positive Effekte einer Mischung von 6 üblichen Probiotika-Stämmen (aus Laktobazillen und Bifidobakterien) auf die Motorik, den Gang, die Balance und die Koordination 16 Wochen nach Supplementierung beobachtet worden.

Ein aktueller Review vom September dieses Jahres konnte immerhin 6 randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) und 2 im Open-Label-Design zur Frage der Probiotika-Wirksamkeit bei Patienten analysieren. Obwohl die Zubereitungen variierten, ließ sich doch ein durchgehend positiver Effekt auf die Konstipation nachweisen. Zwei Studien stellten überdies einen günstigen Einfluss auf das metabolische Profil fest.

Eine aktuelle Zusammenfassung verschiedener Studien in diesem Bereich zeigte zudem auf, dass Probiotika bei den Verstopfungssymptomen von Parkinson-Patienten hilfreich sein können, um die Darmbewegungen wieder zu erhöhen. Außerdem konnten weitere positive Einflussmechanismen der Darmbewohner auf entsprechende Erkrankungen des Zentralnervensystems beobachtet werden.

Wissenschaftler der Capital Medical University in Beijing, China, untersuchten 46 Parkinson-Patienten im Rahmen einer randomisierten, kontrollierten Studie mit Verstopfung (Obstipation). In dieser Studie erhielten die Teilnehmer ein Probiotikum, eine Gruppe gesunder Personen diente als Kontrolle. Untersucht wurde vor und nach Therapie bei allen die Anzahl der vollständigen Darmbewegungen pro Woche sowie der Grad der Anstrengung bei der Entleerung. Die Auswertung der Studienergebnisse ergab, dass verglichen mit der Kontrollgruppe in der Gruppe der Parkinson-Patienten die durchschnittliche Anzahl der vollständigen Darmbewegungen pro Woche anstieg. Die Probiotika-Supplementierung verringerte zudem den Grad der Defäkationsanstrengung (Anstrengung bei der Darmentleerung). Insgesamt war die Verbesserungsrate der Obstipation in der Probiotika-Gruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe (52,2 % versus 8,7 %, P = 0.001). In den weiteren Untersuchungen zeigte sich, dass die Parkinson-Patienten im Vergleich zu den gesunden Kontrollpersonen Störungen der Darmflora aufwiesen.

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Mögliche Wirkmechanismen von Probiotika

Die vom enterischen Nervensystem (ENS) ausgehenden neuropathologischen Veränderungen (Braak’sches Schema) und das Auftreten gastrointestinaler Beschwerden vor den motorischen Symptomen sind nur einige Hinweise für eine Beteiligung des Darmes bei der Parkinson-Erkrankung. Auch tierexperimentelle Studien sprechen für eine Rolle der mikrobiellen Darmbesiedelung bei der Erkrankung - und damit für die potenzielle Beeinflussbarkeit durch Ernährungsinterventionen, bspw. durch die Zufuhr kurzkettiger Fettsäuren (Short Chain Fatty Acids, SCFA).

In etlichen Untersuchungen wurden signifikante Veränderungen der Darmmikrobiota bei Parkinson-Patienten gefunden. Bei Parkinson-Patienten signifikant seltener als bei den gesunden Kontrollen waren folgende potenziell „nützliche" Bakterien: Prevotellaceae, Faecalibacterium und Lachnospiraceae. Eine relative Häufung dagegen zeigten Bifidobacteriaceae, Ruminococcaceae, Verrucomicrobiaceae und Christensenellaceae - mithin keines wegs schädliche Bakterien, die aber mit fortgeschrittenen Krankheitsstadien assoziiert (und möglicherweise kompensatorisch vermehrt) sind.

Wie die Autoren zusammenfassen, kann diese Parkinson-assoziierte darmmikrobielle Dysbiose u.a. zu einer Beeinträchtigung der Darmwand-Permeabilität, des Lipidstoffwechsels und der Produktion kurzkettiger Fettsäuren (SCFA) wie Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure sowie von immunregulatorischen Funktionen führen, die allesamt zur Pathogenese des Morbus Parkinson beitragen (können). SCFA besitzen potenziell entzündungshemmende und antioxidative Eigenschaften, die dabei helfen könnten, die Neuroinflammation und Darm-Permeabilität zu regulieren und damit vor neuronalen Schäden zu schützen.

Ein Ungleichgewicht von SCFA-produzierenden Bakterien könnte die Mikroglia aktivieren und das Risiko von α-Synuclein-Ablagerungen bei Parkinso-Patienten zu erhöhen. In einer Untersuchung an 104 Parkinson-Patienten und 96 Gesunden ergab die 16S-rRNA-Gensequenzierung der Stuhlproben signifikante Unterschiede in der Zusammensetzung des Mikrobioms und des NMR-basierten Metaboloms. Betroffen waren bioaktive Moleküle mit mutmaßlichen neuroprotektiven Wirkungen wie kurzkettige Fettsäuren (SCFA), Ubichinon und Salicylat sowie andere, an der Neurodegeneration beteiligte Moleküle wie Ceramide, Sphingosin und Trimethylamin-N-oxid. Insbesondere verringerte SCFA gingen signifikant einher mit einer schlechteren Kognition und einem niedrigen BMI. Geringere Buttersäure-Spiegel korrelierten mit schlechteren Werten für Haltungsinstabilität und Gangstörung der Patienten.

Allerdings gilt es immer, erkennbare Risiken mit zu bedenken. So können offenbar bestimmte Laktobazillus-Spezies die Aufnahme von L-Dopa beeinträchtigen. Man hat jedenfalls geringere Konzentrationen gemessen. Somit könnten Probiotika-Gaben die Bioverfügbarkeit der Parkinson-Medikamente verändern.

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Probiotika und Langlebigkeit

Weitere Forschungsarbeiten belegen, dass in den Probiotika grundsätzlich ein besonderes Potenzial steckt, um die Langlebigkeit der Menschen zu erhöhen. Bestimmte Bakterienstämme im Darm scheinen im Alter ausgeprägter und für die Gesundheit der älteren Generation besonders vorteilhaft zu sein. Dazu zählten unter anderem auch einzelne Bifidobakterium-Stämme, denen daher als sogenannte „next generation probiotics“ bereits eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Prof. Dr. Patrizia Brigidi ist daher jenen Mikrobiomstämmen auf der Spur, die manche Menschen uralt werden lassen. Sie untersucht mit ihrem Team verschiedene Kohorten im Alter von 22-48 und 65-75 Jahren sowie 2 Gruppen von „sehr alten Alten“ (Centenarians) im Alter von 99-104 und 105-109 Jahren. Dabei zeichnen sich Signaturen für besondere Langlebigkeit (extreme longevity) ab, die sich auch im Mikrobiom des Darms niederschlagen. Obwohl in den Alterskohorten der Centenarians die Diversität abnimmt, bleiben die Kernmikrobiota erhalten und einige subdominante Spezies nehmen zu. Zu den von diesen als besonders vorteilhaft eingeschätzten zählen Akkermansia, Bifidobakterium, Odoribacteriaceae und vor allem Christensenellaceae. Sie könnten mithin ein gesundes Altern befördern.

Ernährungsempfehlungen für Parkinson-Patienten

Neben der potenziellen Rolle von Probiotika ist eine ausgewogene Ernährung für Menschen mit Parkinson von großer Bedeutung. Eine gesunde Balance aus Gemüse, Obst und tierischen Produkten liefert nicht nur die notwendige Energie, sondern schmeckt auch noch. Eine gute Basis für eine ausgewogene Ernährung bietet die mediterrane Küche. Hierbei handelt es sich um eine traditionell in Mittelmeerländern verbreitete Art der Auswahl und Zubereitung von Speisen, die v. a. durch einen hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln gekennzeichnet ist. Diese werden schonend zubereitet, um Geschmack, Farbe und wertvolle Inhaltsstoffe zu erhalten.

Verzögerte Magenentleerung, Appetitlosigkeit, Völlegefühl nach dem Essen, Einschränkungen bei Geruch und Geschmack, Verstopfung, Schluckstörungen, Störungen der Feinmotorik und Depression sind häufige Probleme bei der Parkinson-Erkrankung und mit hohem Risiko für eine Mangelernährung verbunden. Eine Mangelernährung zeigt sich unter anderem durch einen Verlust von Gewicht, Kraft und Antrieb. Hierdurch wird die Lebensqualität beeinträchtigt aber auch das Risiko für einen schwereren Verlauf der Parkinson-Erkrankung und Komplikationen steigt deutlich.

Parkinson-Medikamente, insbesondere das häufig eingesetzte Präparat L-Dopa sollen idealerweise auf nüchternen Magen und mind. 30 Minuten vor der nächsten Mahlzeit eingenommen werden. Kommt also L-Dopa gleichzeitig mit einer großen, eiweißreichen Mahlzeit im Dünndarm an, verzögert sich der Übertritt von L-Dopa ins Blut und die Wirkung auf die Parkinson-Symptome tritt dann erst verzögert oder gar nicht ein.

Bei den Themen Ernährung und Essen darf natürlich auch die Verdauung nicht vergessen werden. Dies gilt für die Parkinson-Erkrankung in ganz besonderem Maße, da etwa 90 % aller Betroffenen im Erkrankungsverlauf an Verstopfung leiden.

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