Probiotika: Wirkung auf das Gehirn – Ein zweischneidiges Schwert?

In unserer schnelllebigen Zeit, in der psychische Erkrankungen zunehmen, rückt die Verbindung zwischen Darm und Gehirn immer stärker in den Fokus der Forschung. Probiotika, die lebenden Mikroorganismen, die bei Einnahme die Gesundheit fördern sollen, werden oft als Wundermittel für ein ausgeglichenes Mikrobiom angepriesen. Doch die Realität ist komplexer, und die Wirkung von Probiotika auf das Gehirn kann sowohl positiv als auch negativ sein.

Die Darm-Hirn-Achse: Eine bidirektionale Verbindung

Der Darm und das Gehirn kommunizieren auf vielfältige Weise miteinander. Diese Verbindung, bekannt als Darm-Hirn-Achse, umfasst neuronale, hormonelle und immunologische Signalwege. Der Darm, mit seiner riesigen Oberfläche und der Vielzahl von Mikroorganismen, die ihn besiedeln (das Darmmikrobiom), steht in ständigem Kontakt mit der Umwelt. Diese Interaktion beeinflusst nicht nur die Verdauung, sondern auch die Produktion lebenswichtiger Stoffe und die Abwehr von Krankheiten.

Wissenschaftler beginnen erst seit wenigen Jahren zu verstehen, wie unser Darm bzw. sein Mikrobiom mit unserem Gehirn kommuniziert. Beide Organe hängen eng miteinander zusammen, erklärt Stengel, der am Uniklinikum Tübingen als leitender Oberarzt und Stellvertretender Ärztlicher Direktor tätig ist. Verbunden seien beide direkt über die Nerven. Untersuchungen deuten darauf hin, dass Darm und Gehirn nicht nur kommunizieren, sondern sich auch gegenseitig beeinflussen könnten.

Probiotika: Helfer oder Störenfriede?

Probiotika werden oft eingesetzt, um die Darmflora nach einer Antibiotikatherapie wieder aufzubauen oder Verdauungsbeschwerden zu lindern. Sie enthalten lebende, gesundheitsfördernde Mikroorganismen wie Milchsäurebakterien. Studien haben gezeigt, dass bestimmte Probiotika positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben können. So wurde beispielsweise in einer Studie mit Patienten mit bipolarer Störung eine Verbesserung der kognitiven Flexibilität und der Gedächtnisleistung nach der Einnahme eines Multispezies-Probiotikums festgestellt.

Allerdings gibt es auch Berichte über negative Auswirkungen von Probiotika auf das Gehirn. Eine Studie der Augusta University zeigte, dass einige Patienten, die Probiotika einnahmen, unter "Gehirnnebel" litten, einem Zustand, der durch mentale Verwirrung, Konzentrationsstörungen und Gedächtnisprobleme gekennzeichnet ist. In diesen Fällen führte der Verzicht auf Probiotika und die Einnahme von Antibiotika zu einer deutlichen Verbesserung der Symptome.

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Der "Gehirnnebel"-Effekt: Wenn Probiotika zur Last werden

Der "Gehirnnebel"-Effekt könnte durch eine Dünndarmfehlbesiedlung (SIBO) verursacht werden, bei der sich im Dünndarm übermäßig viele Bakterien ansiedeln. Diese Bakterien können Zucker zu D-Laktat verstoffwechseln, das in hohen Konzentrationen toxisch auf Gehirnzellen wirkt. Eine Laktatazidose, eine Übersäuerung von Gewebe und Blut durch Laktat, kann ebenfalls zu neurologischen Symptomen führen.

Es zeigte sich: Die Darmflora war nur bei ungefähr der Hälfte der behandelten Probanden mehr oder weniger bereit, das zugeführte Probioten-Heer in ihren Reihen aufzunehmen. Die Darmflora der übrigen Testpersonen akzeptierte hingegen wenig bis gar keine Bakteriengäste. Was für Elinav bedeutet: „Die derzeitige Praxis, dass Millionen unterschiedlicher Menschen die gleichen probiotischen Kulturen einnehmen, bedarf einer Korrektur.“ Denn viele Konsumenten würden nur wenig oder gar nicht davon profitieren. „Probiotische Behandlungen müssten vielmehr auf den einzelnen Anwender abgestimmt sein“, sagt der Immunologe.

Probiotika und psychische Erkrankungen: Ein vielversprechendes Feld

Trotz der potenziellen Risiken gibt es vielversprechende Forschungsergebnisse über den Einsatz von Probiotika bei psychischen Erkrankungen. Studien haben gezeigt, dass die Darmflora von Menschen mit psychischen Erkrankungen oft von der gesunder Menschen abweicht. Dies deutet darauf hin, dass Probiotika möglicherweise eine Rolle bei der Behandlung von Depressionen, Angstzuständen und anderen psychischen Störungen spielen könnten.

Im Bereich der Depressionserkrankungen wurde gezeigt, dass eine achtwöchige Nahrungsergänzung mit einer Kombination aus L. helveticus R0052 und Bifidobacterium (B.) longum R0175 (CEREBIOME) Symptome bei Patienten deutlich verbesserte.

Die Rolle des Vagusnervs

Der Vagusnerv spielt eine Schlüsselrolle bei der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn. Dieser Nerv, der längste der zwölf Hirnnerven, verbindet den Hirnstamm mit zahlreichen Organen, einschließlich des Darms. Studien haben gezeigt, dass der Vagusnerv einige der Botschaften übermittelt, die zwischen Darm und Hirn hin- und hergeschickt werden.

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Die Bedeutung eines gesunden Mikrobioms

Ein gesundes Mikrobiom ist für die allgemeine Gesundheit unerlässlich. Die Darmbakterien helfen bei der Verwertung von Nahrungsbestandteilen, verhindern die Ausbreitung von Krankheitserregern und tragen zum Funktionieren des Immunsystems bei. Ein gestörtes Gleichgewicht der Darmbakterien kann zu verschiedenen Gesundheitsproblemen führen, darunter Verdauungsbeschwerden, Entzündungen und neurologische Symptome.

Möglichkeiten zur Förderung eines gesunden Mikrobioms

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein gesundes Mikrobiom zu fördern:

  • Eine ausgewogene Ernährung: Eine ballaststoffreiche Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten ist wichtig für die Ernährung der "guten" Bakterien im Darm.
  • Präbiotika: Präbiotika sind Ballaststoffe, die von den "guten" Bakterien im Darm bevorzugt verwertet werden. Sie sind in Lebensmitteln wie Chicorée, Topinambur, Zwiebeln, Knoblauch und Bananen enthalten.
  • Probiotika: Probiotika können helfen, die Darmflora wieder aufzubauen oder das Gleichgewicht der Darmbakterien zu verbessern. Es ist jedoch wichtig, die richtige Art von Probiotika für die jeweiligen Bedürfnisse auszuwählen und auf mögliche Nebenwirkungen zu achten.
  • Stressmanagement: Chronischer Stress kann die Darmflora negativ beeinflussen. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen und die Darmgesundheit zu fördern.
  • Vermeidung unnötiger Antibiotika: Antibiotika können die Darmflora schädigen. Sie sollten daher nur bei Bedarf und unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.

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