Die neurologische Forschung an der Radboud Universität Nijmegen und anderswo leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis und zur Behandlung neurologischer und psychischer Erkrankungen. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Forschungsbereiche, Projekte und Initiativen, an denen die Radboud Universität Nijmegen und andere Institutionen beteiligt sind.
Kognitive Kontrolle und Entscheidungsfindung: Das MediCoDe-Projekt
Prof. Dr. Markus Ullsperger von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg erhielt einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten ERC Advanced Grant für sein Forschungsprojekt „The Medial Frontal Cortex in Cognitive Control and Decision Making: Anatomy, Connectivity, Representations, Causal Contributions (MediCoDe)“. Über die nächsten fünf Jahre werden Ullsperger und sein Team mit neuen Methoden die neuronalen Mechanismen aufdecken, mit denen unser Gehirn Entscheidungen und Handlungen an auftretende Hindernisse anpasst. Dabei kommen radikal neue Forschungsansätze zum Einsatz. Im Gegensatz zum bisherigen Standard, eine Gruppe von Versuchspersonen mit wenigen Aufgaben und Messungen zu untersuchen, wird das sogenannte ‚dense sampling‘ angewendet. Das bedeutet, die Versuchspersonen nehmen an möglichst vielen Messungen mit Kernspintomographie und Hirnstrommessungen (EEG) teil. Dadurch werden Daten über die Struktur des zu erforschenden Kortexbereichs, seine Verknüpfungen und seine Aktivitätsmuster bei einer breiten Auswahl von Aufgaben, die kognitive Kontroll- und Entscheidungsprozesse benötigen, gesammelt. Computergestützte Modelle und moderne Auswerteverfahren decken anschließend Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Aktivitätsmustern der kognitiven Kontrolle auf und ordnen sie einzelnen Teilgebieten im Kortexbereich zu. Um den Nachweis zu erbringen, dass ein bestimmtes Teilgebiet der Hirnrinde tatsächlich für eine bestimmte Funktion verantwortlich ist, kommt auch mit der Ultraschallstimulation eine neue Methode der gezielten Hirnstimulation zum Einsatz. Während der Stimulation führen die Versuchspersonen bestimmte kognitive Kontrollaufgaben durch. So soll auch die Hochschulambulanz für psychologische Psychotherapie an der Universität Magdeburg weiter ausgebaut werden, um mehr Patientinnen und Patienten mit Angst- oder Zwangsstörungen und damit einhergehenden Problemen bei der Entscheidungsfindung gezielt helfen zu können.
Sehstörungen bei Parkinson-Patienten
Eine im März 2020 veröffentlichte Studie ergab, dass Sehstörungen bei Menschen mit der Parkinson-Krankheit weitaus häufiger sind als bei gesunden Menschen. Beeinträchtigungen des Sehvermögens stellen schon für ansonsten gesunde Menschen eine enorme Belastung dar - für Menschen, die an Parkinson leiden, bergen Augenprobleme weitere Risiken. Carlijn D. J. M. Borm, M. D., vom Radboud University Medical Center in Nijmegen, Niederlande, betont, dass bestmögliches Sehvermögen für Parkinson-Patienten besonders wichtig ist, da dies dazu beitragen kann, durch die Krankheit verursachte Bewegungsprobleme auszugleichen und das Sturzrisiko zu verringern. Die Studie ergab, dass Menschen mit Parkinson nicht nur Augenprobleme aufwiesen, die über den Alterungsprozess hinausgehen, sondern dass diese Probleme auch ihr tägliches Leben beeinträchtigen können. Ein Großteil der Augenprobleme ist jedoch behandelbar. An der Studie nahmen 848 Parkinson-Patienten teil, die durchschnittlich sieben Jahre lang Symptome aufwiesen. Die Kontrollgruppe bestand aus 250 Menschen ohne diese Erkrankung. Die Teilnehmer beantworteten einen umfassenden Fragebogen zu Seh- und Augenproblemen und wie diese ihre täglichen Aktivitäten beeinträchtigen. Die Forscher fanden heraus, dass 82 % der Parkinson-Patienten über ein oder mehrere Augenprobleme berichteten, wovon 68 % angaben, in ihrem täglichen Leben beeinträchtigt zu sein. Unter den Menschen ohne die Krankheit berichteten lediglich 48 % von Symptomen, hier fühlten sich 35 % in ihrem Alltag eingeschränkt. Menschen mit Parkinson, die zusätzlich an Sehstörungen leiden, sollten an einen Spezialisten überwiesen werden.
Forschung zu Schlaganfällen bei jungen Erwachsenen
Ischämische Schlaganfälle sind weltweit eine der häufigsten Ursachen für Behinderung und Tod. Während die Prävalenz für Schlaganfälle bei älteren Menschen seit den 1980er Jahren abnimmt, gibt es bei jüngeren Patienten Hinweise auf eine Zunahme der Prävalenz. Da jedoch dennoch insgesamt nur ca. 10% aller Schlaganfallpatienten jünger als 45 bis 55 Jahre alt sind, rücken diese jungen Schlaganfallpatienten erst in letzter Zeit in den Fokus der Forschung. In Kooperation mit dem Albrecht Kossel Institut der Universität Rostock beteiligte sich eine Arbeitsgruppe zusammen mit weiteren Forschern an der SIFAP (Stroke in Young Fabry Patients) - und der FASEP (Fabry and Stroke Epidemiological Protocol)-Studie. Es handelt sich hierbei um zwei multinationale und multizentrische Studien, die prospektiv die Prävalenz von M. Fabry bei jungen Schlaganfall-Patienten untersuchen. SIFAP-FIND (Stroke in Young Fabry Patients - Follow-up of Post-Ischemic Consequences and Neurological Disability (SIFAP-FIND) ist die Fortsetzung der SIFAP-Studie. Ein weiteres Projekt ist die GOAL initiative: Global Outcome Assessment Life-long after stroke in young adults initiative. Ziel dieser Initiative ist es, Risikofaktoren und das Risiko für wiederkehrende vaskuläre Ereignisse zu untersuchen, einschließlich der Auswirkungen, die sekundäre Prävention haben kann, sowie das langfristige funktionelle Ergebnis.
Otto-Löwenstein-Preis für Forschung zu Kompensationsstrategien bei Parkinson-Krankheit
Dr. Anouk Tosserams wurde mit dem Otto-Löwenstein-Preis für ihre weitreichende Forschung zu Kompensationsstrategien für Gangstörungen bei Parkinson-Krankheit ausgezeichnet. In einer aufwändigen Fragebogenstudie mit über 4.000 Menschen mit Morbus Parkinson und Gehproblemen aus den Niederlanden und den Vereinigten Staaten fand Dr. Tosserams heraus, dass betroffene Menschen regelmäßig kompensatorische Strategien anwenden, um ihren Gang zu verbessern. In einer Beobachtungsstudie fand sie Belege dafür, dass diese Strategien für alle nützlich zu sein scheinen, aber die Wirksamkeit einer bestimmten Strategie auch von Person zu Person sehr unterschiedlich ist. In einer weiteren Beobachtungsstudie verglich Dr. Tosserams deren Gehirnaktivitäten beim kontinuierlichen Gehen auf dem Laufband bei drei vordefinierten Kompensationsstrategien. Sie fand heraus, dass je nach individueller Strategie unterschiedliche Wege und Areale aktiviert werden. Basierend auf diesen Forschungsergebnissen konnte eine interaktive Online-Plattform über Kompensationsstrategien für Gehbehinderungen bei Parkinson entwickelt werden.
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Resilienzforschung
Weltweit erkranken jährlich ca. eine halbe Milliarde Menschen an einer psychischen Erkrankung. Trotz der hohen Prävalenz stressassoziierter Erkrankungen führen auch starke Stressoren nur bei wenigen Menschen zu dauerhaften psychischen Beeinträchtigungen. Psychische Resilienz stellt also kein seltenes Phänomen dar. In den letzten Jahren wird Resilienz vor allem als Ergebnis bzw. Produkt am Ende des Anpassungsprozesses an Stressoren verstanden. Mittlerweile häufen sich Hinweise auf einen prozesshaften Charakter von Resilienz. Die heutige Resilienzforschung ist das Resultat eines Paradigmenwechsels: von der krankheitsorientierten Pathogenese hin zur ressourcenorientierten Salutogenese. Bislang wurden zahlreiche potenzielle Resilienzfaktoren untersucht, die in verschiedenen Populationen mit der erfolgreichen Anpassung an einen Stressor assoziiert sind. In der aktuellen Forschung wird Resilienz überwiegend dichotom operationalisiert. Kalisch et al. schlagen daher einen transdiagnostischen Ansatz vor. Demnach sollte sich die Erforschung von Resilienz und ihrer Mechanismen nicht auf Erkrankungen, sondern auf Dysfunktionen fokussieren. Da stressbedingte Dysfunktionen i. d. R. nicht einzeln auftreten, stellt sich die Frage nach der Existenz übergeordneter (genereller) Resilienzmechanismen, die vor mehr als einer Dysfunktion schützen. Die aktuelle Konzeptualisierung von Resilienz als dynamischer Prozess macht den Einsatz längsschnittlicher Untersuchungsdesigns erforderlich. Um die Resilienz eines Menschen valide zu erfassen, erscheint daher die Berücksichtigung der individuellen Stressorexposition dringend erforderlich.
Emily S. Cross: Forschung und Lehre
Emily S. Cross hat zahlreiche Publikationen und Vorträge veröffentlicht, darunter Arbeiten über neuronale Substrate von Ganzkörperbewegungssequenzen, die durch Handlung oder Beobachtung erworben wurden, und die Sensitivität des Spiegelneuronensystems bei Knotenknüpfern für physisches und beobachtendes Lernen. Sie hat auch Lehrmaterial für verschiedene Kurse an der Radboud Universität Nijmegen und anderen Institutionen entwickelt.
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