Folgen einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte: Ein umfassender Überblick

Das Gehirn, das Kontrollzentrum unseres Körpers, ist in zwei Hälften unterteilt, die Hemisphären. Diese Hemisphären sind durch den Balken miteinander verbunden und arbeiten zusammen, wobei jede Hälfte für bestimmte Funktionen zuständig ist. Die linke Hemisphäre steuert hauptsächlich die rechte Körperseite und ist oft für analytische und sprachliche Fähigkeiten verantwortlich, während die rechte Hemisphäre die linke Körperseite steuert und eine wichtige Rolle bei räumlicher Wahrnehmung, emotionaler Verarbeitung, Kreativität und nonverbaler Kommunikation spielt. Eine Schädigung der rechten Gehirnhälfte kann daher vielfältige Auswirkungen haben, die sowohl körperliche als auch kognitive und emotionale Bereiche betreffen.

Ursachen und Auswirkungen einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte

Eine Schädigung der rechten Gehirnhälfte kann verschiedene Ursachen haben, darunter:

  • Schlaganfall: Ein Schlaganfall, der durch eine Unterbrechung der Blutversorgung des Gehirns verursacht wird, ist eine der häufigsten Ursachen für Hirnschäden. Ein Schlaganfall kann entweder durch eine Blockade einer Arterie (ischämischer Schlaganfall) oder durch das Platzen eines Blutgefäßes (hämorrhagischer Schlaganfall) verursacht werden.
  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Ein SHT, das durch einen Unfall oder eine andere traumatische Einwirkung auf den Kopf verursacht wird, kann zu Schäden in verschiedenen Bereichen des Gehirns führen, einschließlich der rechten Hemisphäre.
  • Tumoren: Tumoren im Gehirn können Druck auf das umliegende Gewebe ausüben und zu Schäden führen.
  • Entzündungen: Entzündungen des Gehirns, die durch Infektionen oder Autoimmunerkrankungen verursacht werden, können ebenfalls zu Hirnschäden führen.
  • Genetische Erkrankungen: In seltenen Fällen können genetische Erkrankungen zu angeborenen Hirnschäden führen.

Die Folgen einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte sind vielfältig und hängen von der Art, dem Ort und dem Ausmaß der Schädigung ab. Einige der häufigsten Auswirkungen sind:

  • Halbseitenlähmung (Hemiplegie/Hemiparese): Da die rechte Gehirnhälfte die linke Körperseite steuert, kann eine Schädigung zu einer Lähmung (Hemiplegie) oder Schwäche (Hemiparese) der linken Körperhälfte führen. Dies kann sich in Schwierigkeiten beim Gehen, Greifen oder Bewegen des linken Arms oder Beins äußern. Die Lähmung kann vollständig (Hemiplegie) oder unvollständig (Hemiparese) sein. Die unvollständige Halbseitenlähmung (Hemiparese) kann sich in einer schlaffen oder starken Muskelspannung äußern und zu unkoordinierten oder überschießenden Bewegungen (Spastiken) führen. In manchen Fällen sind vor allem das Gesicht und/oder der Arm und weniger das Bein betroffen, sodass es noch möglich ist, selbstständig mit oder ohne Hilfsmittel zu gehen. Häufig erschweren jedoch Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen die eigenständige Fortbewegung.
  • Sensibilitätsstörungen: Betroffene können Schwierigkeiten haben, Berührungen, Schmerzen, Temperatur oder andere sensorische Reize auf der linken Körperseite wahrzunehmen. Die Wahrnehmung von Reizen (Temperatur, Schmerz, Berührung) ist gestört, vermindert oder nicht mehr vorhanden.
  • Neglect: Dies ist eine Störung der Aufmerksamkeit, bei der Betroffene die linke Seite ihres Körpers oder des Raumes um sie herum vernachlässigen oder ignorieren. Sie rasieren beispielsweise nur die rechte Gesichtshälfte, essen nur die rechte Hälfte des Tellers leer oder beachten Personen, die von links kommen, nicht.
  • Räumliche Wahrnehmungsstörungen: Schwierigkeiten bei der Orientierung im Raum, dem Erkennen von Entfernungen oder dem Verständnis räumlicher Beziehungen. Die Patienten verlieren ihre Fähigkeit, einen Raum im Ganzen wahrnehmen zu können. Beim Betroffenen entsteht das Gefühl, sich „im Raum zu verlieren“.
  • Gesichtsblindheit (Prosopagnosie): Schwierigkeiten beim Erkennen von Gesichtern, obwohl die Fähigkeit, andere Objekte zu erkennen, erhalten bleibt.
  • Emotionale Veränderungen: Die rechte Gehirnhälfte spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung und Regulation von Emotionen. Schäden in diesem Bereich können zu emotionaler Instabilität, Schwierigkeiten beim Erkennen und Ausdrücken von Emotionen oder Veränderungen der Persönlichkeit führen.
  • Kommunikationsprobleme: Obwohl die rechte Gehirnhälfte nicht das primäre Sprachzentrum ist, kann eine Schädigung dennoch die Kommunikation beeinträchtigen. Dies kann sich in Schwierigkeiten beim Verstehen von nonverbalen Hinweisen, Sarkasmus oder Ironie äußern. Auch Lähmungen einer Gesichtshälfte führen häufig zu eingeschränkter Mimik und Sprachstörungen.
  • Apraxie: Störungen beim Umsetzen von Handlungsabsichten in Bewegungen und Handlungen. Trotz erhaltener Bewegungsfähigkeit und Wahrnehmung werden Teile von Handlungen wiederholt, weggelassen oder Elemente vorangegangener Handlungen übernommen. Dies betrifft alltägliche Bewegungen wie eine Begrüßung und Handlungen wie das selbständige Zubereiten einer Tasse Kaffee. Patienten wissen oft nicht mehr, wie man mit bestimmten Objekten umgeht, zeigen im Umgang mit Objekten eine gewisse Ratlosigkeit und benutzen sie falsch. Sie versuchen beispielsweise, das Fleisch mit der Gabel zu schneiden. Auch vertauschen die Betroffenen bei mehrteiligen Handlungen die zeitliche Abfolge.
  • Veränderungen der Persönlichkeit: Wesensveränderungen kommen besonders häufig vor, wenn die Schädigung im Bereich des Frontal- und Temporallappens des Gehirns liegt. Sind der rechte und linke Frontallappen betroffen, begünstigt dies ein Plus-Syndrom (impulsiv, aufbrausend, aggressiv, zum Teil paranoide Verdächtigungen), Schädigungen der Temporallappen können eher zu einem Minus-Syndrom führen (antriebsarm, apathisch, desinteressiert, wenige Emotionen, emotionslose Sprechweise oder Mimik).

Diagnose

Die Diagnose einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte umfasst in der Regel eine neurologische Untersuchung, bildgebende Verfahren und neuropsychologische Tests.

  • Neurologische Untersuchung: Der Arzt prüft Kraft, Reflexe, Sensibilität, Koordination und andere neurologische Funktionen.
  • Bildgebende Verfahren: Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) können detaillierte Bilder des Gehirns liefern und helfen, die Art, den Ort und das Ausmaß der Schädigung zu bestimmen. Funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) kann die Durchblutung und Stoffwechselaktivität in bestimmten Gehirnregionen während einer Aufgabe darstellen. Elektroenzephalografie (EEG) kann die elektrische Hirnaktivität darstellen.
  • Neuropsychologische Tests: Diese Tests bewerten kognitive Funktionen wie Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sprache, räumliche Wahrnehmung und exekutive Funktionen.

Therapie und Rehabilitation

Die Therapie einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte zielt darauf ab, die verlorenen Funktionen wiederherzustellen oder zu kompensieren und die Lebensqualität des Betroffenen zu verbessern. Die Behandlung ist individuell und hängt von der Art und dem Ausmaß der Schädigung sowie den Bedürfnissen des Betroffenen ab. Häufig eingesetzte Therapieansätze sind:

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  • Physiotherapie: Zur Verbesserung der motorischen Fähigkeiten, der Kraft, der Koordination und des Gleichgewichts.
  • Ergotherapie: Zur Verbesserung der Alltagskompetenzen, der Feinmotorik und der Selbstständigkeit.
  • Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Kommunikationsstörungen sowie Schluckstörungen (Dysphagien). Bei Sprechstörungen (Dysarthrien) ist im Gegensatz zur Sprachstörung nur die Sprechmotorik gestört ist. Patienten mit einer Sprechstörung können ohne Probleme verstehen, lesen und schreiben, jedoch infolge ihrer Hirnverletzung Laute, Wörter und Sätze nicht mehr deutlich und verständlich aussprechen. Wenn auch die Atmung und die Stimmbildung beeinträchtigt sind, spricht man von Dysarthrophonie. Zu Schluckstörungen (Dysphagien) kommt es nach Hirnverletzungen häufiger als früher angenommen. Schluckstörungen können den Kau- und Schluckvorgang beim Essen und Trinken sowie das Zusammenspiel von Mund- und Gesichtsmuskulatur allgemein betreffen.
  • Neuropsychologische Therapie: Zur Behandlung kognitiver und emotionaler Störungen wie Neglect, Aufmerksamkeitsstörungen, Gedächtnisprobleme, Gesichtsblindheit oder emotionaler Instabilität.
  • Psychotherapie: Zur Unterstützung bei der Bewältigung emotionaler Probleme wie Depressionen, Angstzustände oder Persönlichkeitsveränderungen.
  • Medikamentöse Therapie: Zur Behandlung von Begleiterscheinungen wie Schmerzen, Spastik, Depressionen oder epileptischen Anfällen.
  • Hilfsmittel: Anpassung der Wohnumgebung, Einsatz von Rollstühlen, Orthesen oder anderen Hilfsmitteln zur Unterstützung der Mobilität und Selbstständigkeit. Die MyoPro® Orthese unterstützt Arm und Hand dabei, Bewegungen und Funktionen mit dem gelähmten oder spastischen Arm wieder auszuführen. Durch die Unterstützung der Myoelektrik, wird der Arm während der Nutzung gezielt vom betroffenen Anwender bewegt, sodass neue Verbindungen im Gehirn geknüpft werden können.

Die Rehabilitation nach einem Schlaganfall der rechten Gehirnhälfte kann intensive Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und psychologische Unterstützung umfassen. Es ist deswegen wichtig zu beachten, dass jeder Schlaganfall individuell ist und die Heilungschancen breitgefächert variieren.

Heilungschancen und Prognose

Die Heilungschancen nach einer Schädigung der rechten Gehirnhälfte hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Ursache, der Ort und das Ausmaß der Schädigung, das Alter und der allgemeine Gesundheitszustand des Betroffenen sowie die Intensität und Qualität der Rehabilitation. Generell gilt, dass eine frühzeitige und umfassende Rehabilitation die besten Ergebnisse erzielt.

  • Neuroplastizität: Das Gehirn besitzt die Fähigkeit, sich nach einer Schädigung neu zu organisieren und Funktionen von gesunden Bereichen in beschädigte Bereiche zu verlagern (Neuroplastizität). Durch gezieltes Training und Stimulation können neue Nervenverbindungen aufgebaut und verlorene Funktionen wiedererlangt werden.
  • Zeitfenster: Besonders in den ersten Monaten nach der Schädigung ist das Gehirn besonders plastisch und lernfähig. Eine intensive Rehabilitation in dieser Zeit kann die Heilungschancen deutlich verbessern.
  • Individuelle Unterschiede: Jeder Mensch ist einzigartig und reagiert anders auf eine Hirnschädigung. Einige Betroffene erholen sich vollständig, während andere dauerhafte Beeinträchtigungen haben.

Prävention

Einige Risikofaktoren für eine Schädigung der rechten Gehirnhälfte, wie z.B. ein Schlaganfall, können durch einen gesunden Lebensstil beeinflusst werden. Dazu gehören:

  • Regelmäßige Bewegung: 20 bis 30 Minuten Bewegung pro Tag, bei der man leicht schwitzt, ist ideal.
  • Gesunde Ernährung: Eine balancierte, ausgewogene, z.B. mediterrane Diät mit viel Gemüse, nicht zu viel Fleisch und wenig Alkohol.
  • Nichtrauchen:
  • Kontrolle des Blutdrucks:
  • Behandlung von Diabetes:
  • Vermeidung von Übergewicht:

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