Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das das Leben der Betroffenen nachhaltig verändern kann. Doch auch nach einem überstandenen Schlaganfall ist Vorsicht geboten, denn das Risiko für einen erneuten Schlaganfall, einen Reinfarkt, ist erhöht. Jedes Jahr erleiden in Deutschland etwa 70.000 Menschen einen erneuten Schlaganfall. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Risiken und Behandlungsmöglichkeiten, um einem Reinfarkt vorzubeugen und die Lebensqualität nach einem Schlaganfall zu verbessern.
Ursachen und Risikofaktoren für einen Reinfarkt
Ein Reinfarkt, also ein erneuter Schlaganfall, entsteht durch die gleichen Mechanismen wie der erste Schlaganfall. In den meisten Fällen ist eine Minderdurchblutung des Gehirns (Ischämie) die Ursache, die durch den Verschluss eines hirnversorgenden arteriellen Gefäßes verursacht wird.
Die Hauptursachen für einen Schlaganfall und somit auch für einen Reinfarkt sind:
- Arteriosklerose (Gefäßverkalkung): Ablagerungen an den Wänden der Hirngefäße oder der Halsschlagader führen zu Verengungen (Stenosen), die den Blutfluss behindern und die Bildung von Blutgerinnseln begünstigen.
- Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Vor allem Vorhofflimmern, aber auch andere Herzerkrankungen wie Herzklappenerkrankungen oder ein Myokardinfarkt erhöhen das Risiko für einen Schlaganfall. Bei Vorhofflimmern können sich Blutgerinnsel im Herzen bilden, die dann ins Gehirn geschwemmt werden und dort ein Gefäß verstopfen können.
- Bluthochdruck: Er gehört zu den größten Gefahren für die Entwicklung einer Arteriosklerose und begünstigt die Entstehung von Blutgerinnseln.
- Diabetes mellitus: Diabetes ist ein unabhängiger Risikofaktor für einen Schlaganfall oder ein Rezidiv.
- Weitere Risikofaktoren: Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht, hohe Blutfettwerte (Cholesterin), Stress, Schlafapnoe und bestimmte Gerinnungsstörungen können das Schlaganfallrisiko ebenfalls erhöhen.
Neben diesen beeinflussbaren Risikofaktoren gibt es auch nicht beeinflussbare Risikofaktoren wie:
- Höheres Lebensalter
- Weibliches Geschlecht
- Ethnie
- Genetische Prädisposition
Prävention und Behandlung zur Vermeidung eines Reinfarkts
Nach einem Schlaganfall ist eine konsequente Sekundärprävention entscheidend, um das Risiko für einen Reinfarkt zu minimieren. Dabei kommen sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Maßnahmen zum Einsatz.
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Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, die Risikofaktoren zu kontrollieren und die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Folgende Medikamente werden häufig eingesetzt:
- Plättchenhemmer: Diese Medikamente (z.B. ASS, Clopidogrel) verhindern, dass sich Blutplättchen an den Gefäßwänden anlagern und aneinanderhaften. Dadurch können sie die Bildung von Blutgerinnseln verhindern. Nach einem Schlaganfall wird in der Regel empfohlen, Plättchenhemmer einzunehmen. ASS kann bei einem leichten Schlaganfall auch mit Clopidogrel kombiniert werden. Die Behandlung mit beiden Wirkstoffen beginnt unmittelbar nach dem Schlaganfall und dauert etwa 2 bis 3 Wochen. Danach reicht es in der Regel aus, ein Präparat dauerhaft einzunehmen. Plättchenhemmer können Nebenwirkungen haben. Weil sie die Blutgerinnung verlangsamen, kann es leichter zu Blutungen kommen. Die meisten Blutungen sind leicht und harmlos, unangenehme Folgen wie Magenblutungen sind selten. Eine andere mögliche Nebenwirkung sind Magengeschwüre.
- Antikoagulanzien (Blutverdünner): Diese Medikamente (z.B. direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs) oder Vitamin-K-Antagonisten) werden vor allem bei Vorhofflimmern eingesetzt, um die Bildung von Blutgerinnseln im Herzen zu verhindern. Antikoagulanzien werden je nach Wirkstoff 1- oder 2-mal am Tag als Tablette eingenommen. Direkte Antikoagulanzien sind wahrscheinlich etwas wirksamer als Vitamin-K-Antagonisten. Zudem führen sie seltener zu Blutungen. Sie sind deshalb meist die erste Wahl. Für Menschen, die Vitamin-K-Antagonisten nehmen und gut eingestellt sind, gibt es aber keinen medizinischen Grund, auf ein DOAK zu wechseln. Die häufigste Nebenwirkung von Antikoagulanzien sind kleinere Blutungen wie Nasen- oder Zahnfleischbluten. Größere Blutungen, zum Beispiel in Magen oder Darm, sind selten. Die schwerwiegendste Nebenwirkung von Antikoagulanzien ist eine Hirnblutung. Das Risiko hierfür ist aber sehr klein.
- Blutdrucksenkende Medikamente: Ein erhöhter Blutdruck steigert das Schlaganfall-Risiko. Ihn durch Medikamente zu senken, verringert das Risiko für einen erneuten Schlaganfall. „Bei einem Bluthochdruck kann die Senkung des oberen Wertes um nur 10 mmHg das Schlaganfall-Risiko bereits um die enorme Zahl von fast 40 Prozent verringern“, erklärt Prof. Dr. med. Joachim Röther.
- Cholesterinsenkende Medikamente (Statine): Zur Senkung des Cholesterinspiegels werden meist Medikamente aus der Gruppe der Statine eingenommen. Sie schützen und stabilisieren die Gefäßwände und können dadurch der Bildung von Blutgerinnseln vorbeugen. Den meisten Menschen werden nach einem Schlaganfall Statine empfohlen. Statine senken zudem das Risiko für einen Herzinfarkt. In Deutschland sind mehrere Wirkstoffe zugelassen. Wer ein bestimmtes Statin nicht verträgt, hat also die Möglichkeit, auf ein anderes umzusteigen. Die meisten Menschen vertragen diese Medikamente jedoch gut. Eine mögliche Nebenwirkung sind schmerzende oder müde Muskeln. Dazu kommt es aber sehr selten. Es gibt weitere Medikamente, die den Cholesterinspiegel senken.
Operative Eingriffe
In bestimmten Fällen kann ein operativer Eingriff erforderlich sein, um das Risiko für einen Reinfarkt zu senken:
- Entfernung von Ablagerungen in der Halsschlagader (Karotis-Endarteriektomie): Ablagerungen in einer Halsschlagader können operativ entfernt werden. Dieser Eingriff wird meist innerhalb der ersten zwei Wochen nach dem Schlaganfall durchgeführt. Studien zeigen, dass dadurch das Risiko für einen erneuten Schlaganfall deutlich sinken kann.
- Einsetzen eines Stents in die Halsschlagader: Um ein Blutgefäß dauerhaft offen zu halten, wird manchmal ein Stent eingesetzt. Das sind spezielle Gefäßstützen aus Drahtgeflecht, die verhindern sollen, dass sich ein Gefäß erneut verengt oder verschließt. Das Einsetzen eines Stents in einer verengten Halsschlagader beugt Schlaganfällen vor und kann für jüngere Betroffene eine Alternative zur Entfernung von Ablagerungen sein. Dagegen wird nur selten empfohlen, Stents in verengten Gefäßen im Schädel einzusetzen. Denn Studien zeigen, dass der Eingriff erhebliche Risiken mit sich bringt. So treten bei dem Eingriff häufiger Hirnblutungen auf, die selbst zu Schlaganfällen führen können. Eine Behandlung mit einem Hirngefäß-Stent kommt höchstens infrage, wenn sich eine deutliche Gefäßverengung nicht anders behandeln lässt - üblicherweise mit Medikamenten.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Neben der medikamentösen Therapie spielen auch nicht-medikamentöse Maßnahmen eine wichtige Rolle bei der Prävention eines Reinfarkts:
- Gesunder Lebensstil:
- Rauchstopp: Wer mit dem Rauchen aufhört, kann sein Schlaganfall-Risiko ebenfalls senken. Denn Rauchen schädigt die Gefäßwände und begünstigt dadurch die Entstehung von Blutgerinnseln.
- Ausgewogene Ernährung: Es wird empfohlen, sich ausgewogen zu ernähren und viel zu bewegen. Empfohlen wird eine ausgewogene Ernährung, die sich zum Beispiel an der „mediterranen Kost“ (Mittelmeerkost) orientiert. Darunter verstehen Fachleute viel Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Olivenöl, Vollkornprodukte, Fisch und Geflügel. Eine solche Ernährung sorgt vielen Empfehlungen zufolge für eine günstige Zusammensetzung an Nährstoffen. Eine salzärmere Ernährung kann den Blutdruck senken, weil weniger Wasser im Körper gebunden wird. Es wird empfohlen, weniger als 6 Gramm Salz pro Tag zu sich zu nehmen. Dies kann gelingen, indem man beispielsweise nicht alle Speisen zusätzlich salzt und möglichst wenige Fertiggerichte isst, die viel Salz enthalten.
- Regelmäßige Bewegung: Körperlich aktiv zu sein, stärkt das Herz und die Gefäße. Bewegung und Sport können sich günstig auf die Cholesterinwerte auswirken und den Blutdruck senken. Sport kann zudem eine Gewichtsabnahme unterstützen, stärkt Muskeln und Knochen, verbessert die allgemeine Fitness und das Wohlbefinden. Je nach körperlicher Verfassung und persönlichen Vorlieben bieten sich zügiges Gehen (Walking), Joggen, Radfahren oder Schwimmen an. Empfohlen wird, pro Woche an mindestens vier Tagen mäßig körperlich aktiv zu sein (insgesamt mindestens 150 Minuten) und zweimal wöchentlich alle großen Muskelgruppen zu trainieren (Krafttraining).
- Gewichtsabnahme bei Übergewicht: Menschen mit starkem Übergewicht (Adipositas) können von einer Gewichtsabnahme profitieren. Je ausgeprägter die Adipositas ist und je länger sie besteht, desto höher ist das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Je nach Ausgangsgewicht empfehlen Fachleute, innerhalb von 6 bis 12 Monaten zwischen 5 und 10 % des Körpergewichts abzunehmen.
- Einschränkung des Alkoholkonsums: Menschen mit einem erhöhten Schlaganfall-Risiko wird empfohlen, den Konsum von Alkohol zu beschränken. Denn neben anderen Erkrankungen kann Alkohol auch Schlaganfälle begünstigen. Alkohol erhöht - regelmäßig und ausgiebig getrunken - den Blutdruck. Welche Menge Alkohol „zu viel“ ist, lässt sich jedoch nicht genau sagen. Eine Orientierung geben die allgemeinen Empfehlungen der Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen zum Alkoholkonsum.
- Regelmäßige Kontrolluntersuchungen: Regelmäßige Blutdruckmessungen sind wichtig, da erhöhte Blutdruckwerte oft keine besonders auffälligen Beschwerden hervorrufen und daher häufig unentdeckt bleiben. Viele Mediziner empfehlen, ab dem 40. Lebensjahr mindestens in halbjährlichen Abständen den Blutdruck zu messen. Das gilt besonders, wenn Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorhanden sind. Dazu gehören Übergewicht, Rauchen, hohe Blutfettwerte (Cholesterin), Bewegungsmangel und Stress. Kommt in der Familie Bluthochdruck gehäuft vor, sollten die Messungen bereits ab dem 35. Lebensjahr erfolgen. Die regelmäßige Blutdruckkontrolle weist eventuell auch auf Vorhofflimmern hin.
- Rehabilitation: Auch wenn man durch einen Schlaganfall beeinträchtigt ist und sich nur sehr eingeschränkt bewegen kann, ist körperliche Aktivität wichtig. Es lohnt sich, möglichst wenig Zeit im Sitzen und Liegen zu verbringen, regelmäßig aufzustehen und zumindest einige kleine Schritte zu gehen. Selbst im Bett sind kleine Bewegungs- und Kräftigungsübungen möglich. Angehörige und Pflegekräfte können dabei unterstützen. Auch Physio- und Ergotherapie können helfen, Kraft und Beweglichkeit zu stärken. Nach einem Schlaganfall gibt es die Möglichkeit, regelmäßig am Rehasport teilzunehmen. Hierfür bieten Sportvereine beispielsweise Gymnastik, Bewegungsspiele oder Schwimmen an.
Schlaganfall-Warnzeichen erkennen
Um einem Schlaganfall vorzubeugen, ist es wichtig, Schlaganfall-Warnzeichen richtig zu deuten. Einem Schlaganfall gehen oft Vorboten voraus. Diese können Stunden, Tage oder Wochen vor dem Hirninfarkt auftreten. Meist handelt es sich um fast die gleichen Symptome wie bei einem Schlaganfall. Anders als bei einem „echten“ Schlaganfall verschwinden die Beschwerden nach kurzer Zeit jedoch wieder. Mediziner nennen diese Schlaganfall-Vorboten „Transitorische Ischämische Attacke“, kurz TIA.
Typische Symptome eines Schlaganfalls sind:
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- Plötzliche Gefühlsstörung oder Schwäche einer Körperseite bis hin zu schweren Lähmungserscheinungen
- Plötzlicher Verlust der Sprache, verwaschenes Sprechen oder Schwierigkeiten, Gesprochenes zu verstehen
- Plötzliche Sehstörungen, insbesondere auf einem Auge oder Doppelbilder
- Akut auftretende, ungewöhnlich heftige Kopfschmerzen
- Plötzlich einsetzender Schwindel, Gangunsicherheit oder Stürze
- Akute Bewusstseinsstörung (bis zum Koma)
Bei Verdacht auf Schlaganfall ist keine Zeit zu verlieren: unverzüglich die Notrufnummer 112 wählen und die Symptome schildern!
Juveniler Schlaganfall
Auch wenn der Schlaganfall eine Erkrankung des höheren Lebensalters ist, trifft er in Deutschland jedes Jahr 30.000 Menschen vor dem 55. Lebensjahr. Nur 40 Prozent kehren an ihren ursprünglichen Arbeitsplatz zurück, etwa ein Drittel bleibt dauerhaft arbeitsunfähig. Bei diesen »juvenilen« Schlaganfällen ist das Ursachenspektrum breiter und anders verteilt als beim älteren Menschen. Etwa ein Viertel kann auf eine kardiale Embolie zurückgeführt werden, wenngleich VHF mit 5 Prozent deutlich seltener als beim älteren Menschen ist. Eine weitere häufige Ursache juveniler Schlaganfälle ist mit 10 bis 25 Prozent die spontane zervikale Gefäßdissektion, hervorgerufen durch ein Hämatom in der Gefäßwand. Neben einer genetischen Prädisposition spielen Umweltfaktoren wie Bagatelltraumen oder Infektionen eine ursächliche Rolle. Bei circa 15 Prozent der Patienten bestehen sogar multiple Dissektionen, die mehr als eine Halsarterie betreffen. Da 70 bis 80 Prozent der Dissektionen unbehandelt zu einem Hirninfarkt führen, sind das rasche Erkennen und die frühzeitige Therapie entscheidend. Daneben gibt es noch eine Reihe seltener Ursachen wie Gefäßentzündungen (Vaskulitiden) oder Drogenkonsum. Migräne, besonders in Verbindung mit einer Aura, erhöht das Risiko etwa um den Faktor 2 bis 3. Das gilt vor allem für Frauen unter 45 Jahren. Mit der Zahl der Migräneattacken steigt das Risiko, das durch Rauchen und die Einnahme oraler Kontrazeptiva weiter potenziert wird. Auch die Applikationsform scheint eine Rolle zu spielen: Es treten weniger vaskuläre Ereignisse bei der transdermalen Applikation im Vergleich zur oralen Einnahme auf. Frauen mit zusätzlichen Risikofaktoren wie Migräne mit Aura oder Zigarettenrauchen sollten daher keine oralen Estrogen-haltigen Kontrazeptiva einnehmen, sondern mit reinen Progesteron-Präparaten (»Minipillen«) oder nicht hormonell verhüten.
Aktuelle Studienergebnisse zu Schlaganfallrezidiven
Eine aktuelle Studie, die auf GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen basiert, hat die Häufigkeit und den Zeitpunkt von Rezidiven nach einem erstmaligen Schlaganfall untersucht. Die Ergebnisse zeigen ein Rezidivrisiko von 1,2 % nach 30 Tagen, von 3,4 % nach 90 Tagen, von 7,4 % nach einem Jahr sowie 19,4 % nach fünf Jahren. Jahresbezogen lag das Risiko ein Rezidiv zu erleiden bei 7,4 % im ersten Jahr, 3,7 % im zweiten Jahr, 2,8 % im dritten Jahr, 2,9 % im vierten Jahr sowie bei 2,6 % im fünften Jahr nach dem Erstereignis. Die Studie konnte zeigen, dass Frauen ein geringeres Risiko haben ein Rezidiv zu erleiden. Zudem steigt das Risiko mit jedem zusätzlichen Lebensjahr an. Das Rezidivrisiko war nach Hirninfarkten und Schlaganfällen, die nicht als Blutung oder Infarkt klassifiziert wurden geringer als nach Subarachnoidalblutungen.
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