Sensomotorische Polyneuropathie der Beine: Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung

Die sensomotorische Polyneuropathie (PNP) der Beine ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der es zu Schädigungen der Nerven kommt, die für die Übertragung von sensorischen Informationen (z. B. Berührung, Temperatur, Schmerz) und motorischen Signale zu den Muskeln zuständig sind. Die Nervenschädigung äußert sich durch Sensibilitätsstörungen, Missempfindungen und Muskelschwäche.

In Deutschland sind etwa fünf bis acht Prozent der erwachsenen Bevölkerung von einer Neuropathie betroffen, wobei ältere Menschen und Männer etwas häufiger betroffen sind. Die Polyneuropathie kann verschiedene Ursachen haben und sich in unterschiedlichen Symptomen äußern.

Ursachen der sensomotorischen Polyneuropathie

Die Ursachen für die Schädigung der peripheren Nerven bei einer Polyneuropathie sind vielfältig. In den westlichen Ländern zählen vor allem Alkoholkonsum (alkoholtoxische PNP) und Diabetes mellitus (diabetische PNP) zu den Hauptursachen.

Weitere wichtige Ursachen können sein:

  • Toxische Ursachen:
    • Diabetes mellitus: Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte können die peripheren Nerven schädigen.
    • Alkohol: Chronischer Alkoholkonsum kann zu Nervenschäden führen. Die alkoholische Polyneuropathie macht etwa 40 Prozent der Polyneuropathien aus.
    • Medikamente: Chemotherapeutika und andere Medikamente können toxisch auf die Nerven wirken (neurotoxisch).
    • Schwermetalle: Blei, Arsen und andere Schwermetalle können Nervenschäden verursachen.
    • Mangelernährung: Ein Mangel an bestimmten Nährstoffen, insbesondere B-Vitamine, kann die Nerven schädigen.
  • Infektiöse Ursachen:
    • HIV, Borreliose oder Influenza können in seltenen Fällen eine Polyneuropathie verursachen.
  • Entzündliche Ursachen:
    • Vaskulitiden (Gefäßentzündungen) oder Kollagenosen (Bindegewebserkrankungen) können die Nerven schädigen.
    • Guillain-Barré-Syndrom: Hier zeigen sich erste Polyneuropathie-Symptome in den Beinen mit plötzlich eintretender Schwäche. Danach breiten sie sich weiter nach oben aus.
  • Krebserkrankungen:
    • Im Rahmen einer Krebserkrankung (paraneoplastisch), insbesondere bei Lungenkrebs (kleinzelliges Bronchialkarzinom), kann eine Polyneuropathie auftreten.
  • Genetische Ursachen:
    • Seltene genetisch bedingte Formen der Polyneuropathie können bereits im Kindesalter zu schweren Ausfallerscheinungen führen.
  • Idiopathische Polyneuropathie:
    • Bei etwa jeder fünften erkrankten Person bleibt die Ursache der Polyneuropathie trotz umfassender Diagnostik unklar.

Symptome der sensomotorischen Polyneuropathie

Die Symptome einer Polyneuropathie können je nach Form und betroffen Nerven sehr unterschiedlich sein. Meist zeigen sich die Symptome durch Störungen der Sensibilität, aber auch motorische oder autonome Nerven können betroffen sein.

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Typische Symptome sind:

  • Sensorische Symptome:
    • Kribbeln und Taubheitsgefühle in den Füßen und Beinen, oft in einem strumpfförmigen Verteilungsmuster.
    • Missempfindungen wie Brennen, Stechen oder "Ameisenlaufen".
    • Brennende Schmerzen, vor allem nachts (Burning-Feet-Syndrom).
    • Koordinations- und Gleichgewichtsprobleme, die zu Stürzen führen können.
    • Störung des Temperatur- und Schmerzempfindens, was das Risiko für Verletzungen erhöht.
  • Motorische Symptome:
    • Muskelschwäche in den Beinen, die zu Schwierigkeiten beim Gehen und Stehen führen kann.
    • Muskelkrämpfe und Muskelzuckungen.
    • Muskelschwund (Atrophie) der Unterschenkelmuskulatur.
    • Lähmungen (Paresen) der Füße oder Beine.
  • Autonome Symptome (bei Beteiligung des vegetativen Nervensystems):
    • Herzrhythmusstörungen
    • Verdauungsbeschwerden wie Verstopfung oder Durchfall.
    • Blasenentleerungsstörungen oder Inkontinenz.
    • Potenzstörungen.
    • Übermäßiges oder ausbleibendes Schwitzen.
    • Verzögerte Anpassung der Pupille an wechselnde Lichtverhältnisse.

Die Symptome beginnen meist schleichend in den Zehen, Füßen und Beinen und können sich im Verlauf der Zeit verschlimmern. Hände und Arme sind seltener oder später betroffen.

Diagnose der sensomotorischen Polyneuropathie

Die Diagnose einer Polyneuropathie basiert auf einer Kombination von Anamnese, körperlicher und neurologischer Untersuchung sowie neurophysiologischer Diagnostik.

  • Anamnese: Der Arzt erfragt die Beschwerden des Patienten, Vorerkrankungen (insbesondere Diabetes mellitus, Alkoholkonsum), Medikamenteneinnahme und Risikofaktoren.
  • Körperliche und neurologische Untersuchung:
    • Sensibilitätsprüfung (z.B. Vibrationsempfinden, Berührungsempfinden, Schmerzempfinden, Temperaturempfinden).
    • Prüfung der motorischen Funktion (Muskelkraft, Reflexe).
    • Gleichgewichtsprüfung.
    • Koordinationsprüfung.
  • Laboruntersuchung:
    • Blutbild, Entzündungsparameter, Blutzuckerwerte, Vitamin-Spiegel (B12, Folsäure), Schilddrüsenwerte.
    • Bei Bedarf Bestimmung von Giftstoffen oder Antikörpern.
  • Neurophysiologische Untersuchung:
    • Elektroneurographie (ENG): Messung der Nervenleitgeschwindigkeit der peripheren Nerven.
    • Elektromyographie (EMG): Messung der elektrischen Aktivität der Muskeln.
  • Weitere Untersuchungen (bei Bedarf):
    • Liquoruntersuchung (Analyse des Nervenwassers) zur Feststellung von Entzündungen.
    • Nervenbiopsie (Entnahme einer Gewebeprobe aus dem Nerv) zur Untersuchung unter dem Mikroskop.
    • Hautbiopsie zur Untersuchung der kleinen Nervenfasern der Haut (Small-Fiber-Neuropathie).
    • Genetische Untersuchung bei Verdacht auf eine genetisch bedingte Polyneuropathie.
    • Bildgebende Verfahren (MRT, CT) zum Ausschluss anderer Erkrankungen.
  • Quantitative Sensorische Testung: Hier werden durch sieben verschiedene Gefühlstests an der Haut 13 Werte ermittelt. Sie helfen zu erkennen, welche Nervenfasern genau geschädigt sind und wie stark die Schädigung fortgeschritten ist. Um das Temperaturempfinden exakt zu messen, kommen bei der sogenannten Thermode computergesteuerte Temperaturreize zum Einsatz.

Behandlung der sensomotorischen Polyneuropathie

Die Behandlung einer Polyneuropathie zielt darauf ab, die Ursache zu behandeln und die Symptome zu lindern.

  • Behandlung der Grunderkrankung:
    • Diabetische Polyneuropathie: Optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels durch Ernährungsumstellung, Bewegung und Medikamente.
    • Alkoholtoxische Polyneuropathie: Alkoholverzicht oder zumindest Reduktion des Konsums.
    • Medikamenteninduzierte Polyneuropathie: Wechsel des Medikaments (wenn möglich).
    • Vitaminmangel: Ausgleich des Mangels durch Nahrungsergänzungsmittel oder Injektionen.
    • Entzündliche Polyneuropathie: Behandlung der Entzündung mit Immunsuppressiva oder Kortikosteroiden.
  • Symptomatische Therapie:
    • Schmerzmittel: Nicht-opioide und opioide Schmerzmittel zur Linderung von Schmerzen.
    • Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Duloxetin): Wirken schmerzlindernd bei neuropathischen Schmerzen.
    • Antikonvulsiva (z.B. Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin): Wirken ebenfalls schmerzlindernd bei neuropathischen Schmerzen.
    • Capsaicin-Pflaster: Können lokale Schmerzen lindern und die Durchblutung fördern.
    • Lidocain-Pflaster: Können lokale Schmerzen lindern.
    • Physiotherapie: Gleichgewichtstraining und Muskelkräftigung zur Verbesserung der Koordination und Stabilität.
    • Ergotherapie: Hilfsmittel und Anpassung des Wohnumfelds zur Erleichterung des Alltags.
    • Elektrotherapie (TENS): Stimulation der Nerven zur Schmerzlinderung.
    • Akupunktur: Kann bei einigen Patienten Schmerzen lindern.
    • Regelmäßige Fußpflege und Hautpflege zur Vermeidung von Verletzungen.

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