Die sensorische axonale Neuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, bei der die Axone, die Nervenfortsätze, geschädigt sind. Das periphere Nervensystem umfasst alle Nerven, die außerhalb des Gehirns und des Rückenmarks liegen und für die Weiterleitung von Informationen zwischen dem Gehirn, dem Rückenmark und dem Rest des Körpers verantwortlich sind. Schäden an diesen Nerven können zu einer Vielzahl von Symptomen führen, die die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen können.
Diagnose der Polyneuropathie
Die Diagnose einer Polyneuropathie, einschließlich der sensorischen axonalen Neuropathie, basiert auf einer Kombination verschiedener Untersuchungsmethoden. Dazu gehören:
- Anamnese: Ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin, in dem die Beschwerden, die Krankengeschichte, bestehende Erkrankungen, die aktuelle Medikation und der Alkoholkonsum erfragt werden.
- Körperliche und neurologische Untersuchung: Diese umfasst eine Sensibilitätsprüfung, die Prüfung der motorischen Funktion, Gleichgewichts- und Koordinationsprüfung sowie die Prüfung der Reflexe.
- Laboruntersuchung: Hierbei werden Blutbild, Entzündungsparameter, Blutzuckerwerte und bei Bedarf Vitamin-Spiegel (wie Vitamin B12 und Folsäure) sowie Giftstoffe bestimmt. Die Laboruntersuchung kann Hinweise auf die Ursache einer möglichen Polyneuropathie geben.
- Neurophysiologische Untersuchung: Dazu gehören die Elektroneurographie (ENG) und die Elektromyographie (EMG). Mit der ENG kann die Nervenleitgeschwindigkeit der peripheren Nerven gemessen werden. Die Elektromyographie gibt hingegen die elektrische Aktivität von Muskeln an. Je nachdem, ob es sich um eine axonale oder demyelinisierende Polyneuropathie handelt, kommt es zu unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen.
- Weitere Untersuchungen: Bei Bedarf können weitere Untersuchungen durchgeführt werden, um die Ursache der Polyneuropathie zu ermitteln. Dazu gehören Nervenbiopsien oder eine bildgebende Diagnostik.
Ursachen der sensorischen axonalen Neuropathie
Die Ursachen für eine sensorische axonale Neuropathie sind vielfältig. Ärzte und Ärztinnen kennen mehr als 200 verschiedene Ursachen für die Nervenkrankheit Polyneuropathie. Die häufigsten Ursachen sind:
- Diabetes mellitus: Bis zu einem Drittel aller Menschen mit Diabetes Typ-1 und Diabetes Typ-2 entwickeln Schäden an den peripheren Nerven als Folge ihrer Zuckerkrankheit. Menschen mit Diabetes erkranken in der Regel besonders früh und schwer an der Neuropathie, wenn sie Schwierigkeiten mit der Einstellung ihrer Blutzuckerwerte haben oder sich nicht ausreichend um ihren Blutzuckerspiegel kümmern. Je länger die Zuckerkrankheit besteht, desto höher steigt auch das Risiko, eine Polyneuropathie zu entwickeln.
- Alkoholmissbrauch: Langjähriger, hoher Alkoholkonsum kann eine Neuropathie auslösen. Alkohol gilt als „Nervengift“ und stört die Weiterleitung von Reizen und Signalen. Bei der Polyneuropathie aufgrund chronischen Alkoholmissbrauchs könnte auch eine Mangelernährung eine Rolle spielen - sie führt zu einem Vitaminmangel, unter anderem zu einer Unterversorgung mit Vitamin B1.
- Vitamin-B12-Mangel: Ein Mangel an Vitamin B12 kann durch eine einseitige Ernährung entstehen, beispielsweise bei Menschen mit veganer Ernährungsweise, die komplett auf tierische Lebensmittel wie Fleisch, Eier und Milchprodukte verzichten. Auch nach einer Magenoperation, zum Beispiel wegen Magenkrebs, kann ein Mangel an Vitamin B12 eine Polyneuropathie hervorrufen.
- Weitere Ursachen: Daneben kann es noch weitere Gründe für die Neuropathie geben: Nierenkrankheiten (wichtige Nährstoffe werden vermehrt ausgeschieden), Lebererkrankungen, Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) oder Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), Infektionen mit Viren und Bakterien, z. B. Borreliose, Herpes simplex, Pfeiffersches Drüsenfieber, Autoimmunkrankheiten, z. B. Guillain-Barré-Syndrom - die Nervenscheiden der peripheren Nerven nehmen Schaden, Krebserkrankung - die Neuropathie kann ein erstes Warnsignal sein, Chemotherapie bei einer Krebserkrankung - besonders platinhaltige Zytostatika wie Cisplatin fördern die Polyneuropathie, Gifte, z. B.
Symptome der sensorischen axonalen Neuropathie
Die Symptome einer sensorischen axonalen Neuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nervenfasern betroffen sind. Typische Symptome sind:
- Sensible Reizerscheinungen: Kribbeln, Ameisenlaufen, Stechen, Elektrisieren
- Sensible Ausfallerscheinungen: Pelzigkeitsgefühl, Taubheitsgefühl, Gefühl des Eingeschnürtseins, Schwellungsgefühle sowie das Gefühl, wie auf Watte zu gehen.
- Gangunsicherheit: Insbesondere im Dunkeln
- Fehlendes Temperaturempfinden: Mit schmerzlosen Wunden
- Schmerzen: Eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit, z. B. auf Berührung, Wärme oder Kälte, ist möglich. Je nach Schädigung der Nerven kann aber auch das Berührungs- und Schmerzempfinden abgeschwächt sein.
- Motorische Symptome: Muskelschwäche, Muskelzucken, Muskelkrämpfe und Muskelschwund können auftreten, wenn auch die motorischen Nerven betroffen sind.
- Autonome Symptome: Herzrhythmusstörungen, Blähgefühl und Appetitlosigkeit, Aufstoßen, Durchfall und Verstopfung im Wechsel, Urininkontinenz, Stuhlinkontinenz, Impotenz, gestörtes Schwitzen und schlechte Kreislaufregulation mit Schwindel beim (raschen) Aufstehen (Orthostase) können auftreten, wenn die autonomen Nerven betroffen sind.
Behandlung der sensorischen axonalen Neuropathie
Die Behandlung der sensorischen axonalen Neuropathie zielt in erster Linie darauf ab, die Ursache der Erkrankung zu behandeln. Wenn die Ursache nicht behoben werden kann, konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome und die Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen.
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- Behandlung der Grunderkrankung: Bei Diabetes mellitus ist eine Verbesserung der Blutzuckereinstellung entscheidend. Bei Alkoholmissbrauch ist das strikte Vermeiden von Alkohol erforderlich. Bei einer Tumorerkrankung muss diese behandelt werden. Bei autoimmunvermittelten, entzündlichen Polyneuropathien gibt es verschiedene gegen die Entzündung wirkende Medikamente (Immunglobuline, Kortikoide, Immunsuppressiva).
- Symptomatische Therapie: Reizerscheinungen und Muskelkrämpfe lassen sich mit verschiedenen Medikamenten dämpfen. Zur Schmerzbekämpfung haben sich Antidepressiva und Medikamente gegen Krampfanfälle (Epilepsie), sogenannte Antikonvulsiva, bewährt. Capsaicin ist für die Schärfe der Chilischoten verantwortlich und hat sich in Form von Capsaicin-Pflastern auf der Haut in Studien als erfolgversprechendes Mittel gegen Polyneuropathie erwiesen. Es betäubt nicht nur den schmerzenden Bereich und steigert die Durchblutung, sondern scheint sogar die Neubildung kleiner Nervenfasern anzuregen. Bei der Elektrotherapie werden die Nerven durch Impulse aus einem speziellen Gerät so stimuliert, dass Erkrankte statt Schmerzen ein leichtes Kribbeln spüren. Von außen lässt sich dieses durch ein TENS-Gerät erreichen.
- Physikalische Therapie: In der physikalischen Therapie können vor allem sensible und motorische Symptome gelindert werden. Dazu nutzen wir Bäder, Elektrotherapie und Wärmeanwendungen In der Krankengymnastik, der Sporttherapie und der medizinischen Trainingstherapie (spezielles Krafttraining) lernen Sie spezielle Übungen und stärken Ihre geschwächte Muskulatur. Gegen die fortschreitende Gangunsicherheit wirkt Gleichgewichtstraining in der Physiotherapie.
- Weitere Maßnahmen: Regelmäßige Kontrolle der Füße auf Druckstellen, Tragen von bequemem Schuhwerk, Meidung von Druck, Nutzung professioneller Fußpflege, Verbesserung des Lebensstils mit regelmäßiger körperlicher Betätigung (150 min Ausdauersport/Woche z. B.
Prognose der sensorischen axonalen Neuropathie
Die Prognose der sensorischen axonalen Neuropathie hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Erkrankung ab. In vielen Fällen ist keine vollständige Heilung möglich, insbesondere wenn die Erkrankung erst spät erkannt wird und bereits irreversible Nervenschädigungen vorliegen. Bei bestimmten Ursachen, wie z. B. entzündlichen Neuropathien, ist die Prognose jedoch gut, da diese mit Medikamenten meist sehr gut zu behandeln sind und akute Formen oft komplett ausheilen.
Sensorische axonale Neuropathie im Alter
Das periphere Nervensystem (PNS) ist im Laufe des Alternsprozesses Veränderungen unterworfen. Die Inzidenz von Polyneuropathie nimmt mit dem Alter deutlich zu. Die Ursachen von Neuropathien sind auch im Alter mannigfaltig: Neben metabolischen, immunvermittelten, hereditären, toxischen und infektiösen Ätiologien treten PNP im Rahmen von Systemerkrankungen auf. Eine Besonderheit des Alters ist der hohe Anteil an Neuropathien ohne eindeutige Ursache, man spricht von kryptogenen oder chronischen idiopathischen Neuropathien. Angesichts der Polypharmazie im Alter sollten medikamenteninduzierte PNP nicht übersehen werden. Auch orthopädische Veränderungen wie Arthrosen oder Hallux valgus können die Gangunsicherheit einer Neuropathie vortäuschen, ebenso wie die altersbedingte Verschlechterung von Gleichgewicht, Sehen, Hören und zentraler Regulation der posturalen Kontrolle. All dies muss bei der Diagnose einer sensiblen Neuropathie im Alter bedacht werden. Das klinische Bild, der Krankheitsverlauf und die Therapie von Neuropathien sind im Alter und in jüngeren Jahren ähnlich. Die chronische idiopathische axonale PNP (CIAP) ist die häufigste Neuropathie im Alter.
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