Das Nervensystem ist die zentrale Steuereinheit unseres Körpers, die lebenswichtige Funktionen koordiniert und reguliert. Neurologische Erkrankungen, also Erkrankungen des Nervensystems, sind weit verbreitet und können unterschiedliche Ursachen, Symptome und Behandlungswege haben. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über verschiedene neurologische und sensorische Erkrankungen, ihre Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten.
Was sind neurologische Erkrankungen?
Neurologische Erkrankungen sind Störungen, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) oder das periphere Nervensystem (Nerven außerhalb von Gehirn und Rückenmark) betreffen. Eine Störung des Nervensystems liegt vor, wenn die normale Funktion von Gehirn, Rückenmark oder peripheren Nerven beeinträchtigt ist. Diese Beeinträchtigungen können erblich bedingt sein, degenerativ, entzündlich, neuromuskulär oder gefäßbedingt.
Arten von neurologischen Erkrankungen:
- Erbliche Nervenkrankheiten: Diese sind entweder seit Geburt vorhanden oder entwickeln sich im Laufe des Lebens aufgrund erblicher Veranlagung.
- Degenerative Nervenkrankheiten: Bei diesen fortschreitenden Erkrankungen sterben Nervenzellen nach und nach ab oder verlieren ihre Funktion. Dies beeinträchtigt Sprache, Bewegung oder Gedächtnis.
- Entzündliche Nervenkrankheiten: Autoimmunreaktionen, Infektionen oder sonstige Prozesse lösen diese aus.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Diese betreffen das Zusammenspiel zwischen Nervensystem und Muskulatur.
- Gefäßbedingte Nervenkrankheiten: Durchblutungsstörungen im Gehirn oder Rückenmark führen zu einer unzureichenden Sauerstoff- und Nährstoffversorgung.
Häufige neurologische Erkrankungen
Es gibt eine Vielzahl von Nervenkrankheiten, aber einige treten häufiger auf als andere:
- Schlaganfall: Eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu Lähmungen, Sprachstörungen oder Bewusstseinsverlust führen kann. Da Nervenzellen im Gehirn kaum regenerationsfähig sind, können bleibende Schäden entstehen, wie Persönlichkeitsveränderungen, Schwindel, Schluck-, Sprach- oder Sehstörungen.
- Hirnblutung: Ein Blutgefäß im Gehirn platzt, und Blut tritt in das umliegende Gewebe aus. Die austretende Blutmenge drückt auf das Gehirngewebe, was Nervenzellen zerstören oder ihre Funktion stark beeinträchtigen kann.
- Schädel-Hirn-Trauma: Eine äußere Gewalteinwirkung auf den Kopf, häufig durch einen Unfall oder Sturz. Die Symptome können von Kopfschmerzen und Schwindel bis hin zu Bewusstlosigkeit und neurologischen irreversiblen Schäden reichen.
- Morbus Parkinson: Eine neurodegenerative Erkrankung, bei der Dopamin produzierende Nervenzellen im Gehirn langsam absterben. Dies führt zu Zittern, Muskelsteifheit, verlangsamten Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen.
- Multiple Sklerose (MS): Eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die schützende Myelinschicht der Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark angreift. Die Schäden an der Myelinschicht führen dazu, dass Nervenimpulse langsamer oder gar nicht weitergeleitet werden, was zu Störungen an verschiedenen Körperfunktionen führt.
- Hirnhautentzündung (Meningitis): Eine bakterielle oder virale Infektion, die die Hirnhäute entzündet. Typische Symptome sind starke Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit, Fieber und in schweren Fällen Bewusstseinsstörungen. Unbehandelt kann sie zu schweren neurologischen Schäden wie Krampfanfällen oder Taubheit führen.
- Kopfschmerzen: Können viele Ursachen haben, darunter Stress, Verspannungen oder Durchblutungsstörungen. Migräne ist eine neurologische Erkrankung mit wiederkehrenden, meist einseitigen, pulsierenden Kopfschmerzen, oft begleitet von Übelkeit und Lichtempfindlichkeit.
- Polyneuropathie: Eine Schädigung mehrerer peripherer Nerven. Die geschädigten Nervenfasern leiten Reize nur noch fehlerhaft oder gar nicht weiter, was zu Empfindungsstörungen und unkontrollierter Muskelaktivität führt.
- Gehirntumor: Eine gutartige oder bösartige Wucherung im Gehirn, die durch unkontrolliertes Zellwachstum entsteht. Abhängig von der Lage kann er Kopfschmerzen, Sehstörungen, Sprachprobleme oder Lähmungen verursachen.
Symptome neurologischer Erkrankungen
Die Symptome neurologischer Erkrankungen sind vielfältig und können die Motorik, die Sinneswahrnehmung oder die kognitive Leistungsfähigkeit betreffen. Es ist wichtig zu beachten, dass das Auftreten eines einzelnen Symptoms nicht unbedingt auf eine Nervenkrankheit hindeutet.
- Motorische Störungen: Probleme mit der Bewegung, Koordination oder Muskelkraft.
- Sinnesstörungen: Veränderungen in der Wahrnehmung von Berührung, Schmerz, Temperatur, Sehen, Hören, Riechen oder Schmecken. Sensibilitätsstörungen können sich als Taubheitsgefühl, Kribbeln oder Schmerzen äußern.
- Kognitive Störungen: Beeinträchtigungen des Denkvermögens, der Sprache, des Gedächtnisses oder der Aufmerksamkeit.
Diagnose neurologischer Erkrankungen
Bei Verdacht auf eine neurologische Erkrankung ist es wichtig, frühzeitig einen Arzt aufzusuchen. Die Diagnose umfasst in der Regel folgende Schritte:
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- Anamnese: Der Arzt erfragt die Symptome und den Krankheitsverlauf.
- Körperliche Untersuchung: Der Arzt untersucht den Körper, um neurologischeDefizite festzustellen.
- Weiterführende Untersuchungen und Tests: Diese können umfassen:
- Bildgebende Verfahren: MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie) des Gehirns oder Rückenmarks.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: EEG (Elektroenzephalographie) zur Messung der Hirnaktivität oder EMG (Elektromyographie) zur Messung der Muskelaktivität.
- Lumbalpunktion: Entnahme von Nervenwasser zur Untersuchung auf Entzündungen oder andere Erkrankungen.
- Blutuntersuchungen: Zur Suche nach Infektionen, Autoantikörpern oder anderen Hinweisen auf die Ursache der Erkrankung.
- Autonome Funktionsdiagnostik: Untersuchung der sudomotorischen, kardiovagalen und vasomotorischen Funktionen. Dies kann die Herzratenvariabilität, Stimulation mittels 10-Sekunden-Atmung sowie das Valsalva-Manöver umfassen. Auch die Kipptischuntersuchung kann durchgeführt werden.
Behandlung neurologischer Erkrankungen
Die Therapie von Nervenkrankheiten ist individuell und richtet sich nach der jeweiligen Diagnose, der Ursache und dem Krankheitsverlauf. Je nach Art der Erkrankung kann eine Kombination verschiedener Behandlungsansätze erforderlich sein, um die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Behandlungsmöglichkeiten:
- Medikamentöse Therapie: Zur Behandlung von Symptomen wie Schmerzen, Krämpfen, Entzündungen oder Depressionen.
- Physiotherapie: Zur Verbesserung der Beweglichkeit, Koordination und Muskelkraft.
- Ergotherapie: Zur Verbesserung derHandlungsfähigkeit im Alltag.
- Logopädie: Zur Behandlung von Sprach- und Schluckstörungen.
- Psychotherapie: Zur Bewältigung der psychischen Belastung durch die Erkrankung.
- Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen, z. B. bei Tumoren oder Gefäßerkrankungen, kann eine Operation erforderlich sein.
- Rehabilitation: Umfasst physiotherapeutische als auch psychotherapeutische Methoden. Die Behandlung soll die Symptome lindern, die Funktionalität des Körpers verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen erhöhen.
Erkrankungen des autonomen Nervensystems
Erkrankungen des autonomen Nervensystems (ANS) zeigen sich durch neurovegetative Über- oder Unterfunktion. Dabei können autonome Funktionsstörungen isoliert oder im Rahmen einer neurologischen Erkrankung auftreten. Die Beschwerden können das sympathische, parasympathische oder enterische Nervensystem isoliert oder in Kombination betreffen.
Diagnostik:
Die sorgfältige Anamnese der neurovegetativen Funktionen ist für die Diagnose entscheidend. Gezielt sollte nach Störungen des Kreislaufs, der Verdauung, des Stoffwechsels, sekretomotorischen Störungen, Störungen der Blasenfunktion, Darmentleerung und der Sexualfunktionen gefragt werden.
Spezifische Erkrankungen und Symptome:
- Orthostatische Hypotonie (OH): Ein anhaltender systolischer Blutdruckabfall von mindestens 20 mm Hg und/oder 10 mm Hg diastolisch innerhalb von 3 min nach dem Aufrichten. Typische Beschwerden sind Schwindel, Verschwommensehen und Nackenschmerzen.
- Posturales Tachykardiesyndrom (POTS): Definiert durch einen Herzfrequenzanstieg innerhalb von 10 min nach dem Aufrichten um 30/min gegenüber dem Liegen bzw. durch einen Herzfrequenzanstieg auf 120/min. Betroffene klagen über ein Leeregefühl im Kopf, Herzrasen, Erschöpfung und Schwäche.
- Vasovagale Synkope: Ein plötzliches Versagen des Baroreflexes, das zu einem Blutdruckabfall und/oder einer Bradykardie führen kann. Es handelt sich um die häufigste Ursache für Synkopen.
- Hyperhidrose/Anhidrose: Generalisierte Hyperhidrose kann bei Hyperthyreose, Hyperkortisolismus und chronischen Infektionen auftreten. Eine generalisierte Anhidrose kann im Rahmen von Polyneuropathien, autoimmunen ganglionären Neuropathien, Small-Fiber-Neuropathien, myasthenen Syndromen, aber auch neurodegenerativen Erkrankungen auftreten.
- Blasenfunktionsstörungen: Überaktivierung führt zu vermehrtem Harndrang, Detrusorhypokontraktilität zu unvollständiger Blasenentleerung.
- Dysmotilität des Gastrointestinaltrakts: Störung der Ösophaguspassage, verzögerte Magenentleerung, Obstipation oder Diarrhö.
Therapie:
Die Behandlung autonomer Funktionsstörungen zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Grunderkrankung zu behandeln. Dies kann nichtmedikamentöse Maßnahmen, medikamentöse Therapien, immunmodulatorische Therapien, das Management von Diabetes oder die Behandlung der Amyloidose umfassen.
Seltene neurologische Erkrankungen
Neben den häufigeren neurologischen Erkrankungen gibt es auch eine Reihe seltenerer Erkrankungen:
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- Ataxien/Koordinationsstörungen: Spezialambulanz für diese seltenen Bewegungsstörungen.
- Huntington-Krankheit: Spezialambulanz für diese neurodegenerative Erkrankung.
- Dystonien: Bewegungsstörungen, die durch unwillkürliche Muskelkontraktionen gekennzeichnet sind.
- Leukodystrophien: Eine Gruppe von genetisch bedingten Erkrankungen, die die Myelinschicht der Nervenzellen im Gehirn und Rückenmark betreffen.
- Hereditäre spastische Paraparese: Eine Gruppe von genetisch bedingten Erkrankungen, die zu einer fortschreitendenSpastik derBeine führen.
- Autonome Small-Fiber-Neuropathien und autonome hereditäre sensorische Neuropathien: Treten unter anderem im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen, Ehlers-Danlos-Syndromen und spastischer Paraplegie auf.
Berufsunfähigkeit aufgrund neurologischer Erkrankungen
Neurologische Erkrankungen können schwerwiegende Auswirkungen auf die Lebensqualität haben und im schlimmsten Fall zur Berufsunfähigkeit führen. Es ist daher wichtig, sich frühzeitig mit dem Thema Berufsunfähigkeitsversicherung auseinanderzusetzen.
Berufsunfähigkeitsversicherung:
Zahlt eine monatliche Rente, wenn man aus gesundheitlichen Gründen seinen Beruf für mindestens 6 Monate zu mindestens 50 % nicht mehr ausüben kann.
Voraussetzungen für Berufsunfähigkeit:
Wenn man wegen Krankheit, Unfall oder Kräfteverfall seinem letzten Beruf nur noch zu max. 50 % nachgehen kann, gilt man in der Regel als berufsunfähig.
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