In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit Demenz, wobei die Alzheimer-Krankheit die häufigste Form darstellt. Angesichts dieser Zahlen und der demografischen Entwicklung ist es von entscheidender Bedeutung, Risikofaktoren zu identifizieren und anzugehen, um den Ausbruch der Krankheit zu verzögern oder sogar zu verhindern. Ein solcher Risikofaktor, der zunehmend in den Fokus der Forschung rückt, ist Stress. Dieser Artikel beleuchtet den Zusammenhang zwischen Stress und Demenz, insbesondere Alzheimer, und untersucht Symptome, aktuelle Forschungsprojekte und präventive Maßnahmen.
Die Rolle von Stress bei der Entstehung von Demenz
Es wird seit langem vermutet, dass chronischer Stress das Risiko einer Alzheimer-Krankheit erhöhen kann. Die zugrundeliegenden Mechanismen sind jedoch noch nicht vollständig geklärt. Vorangegangene Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass chronischer Stress zu einer Aktivierung des Immunsystems führt, wodurch Entzündungen im Gehirn entstehen können. Diese sogenannte Neuroinflammation spielt eine wichtige Rolle bei der Alzheimer-Krankheit.
Das Forschungsprojekt von Dr. Dianna de Vries
Dr. Dianna de Vries vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Bonn untersucht im Rahmen der Rheinland Studie, ob längere Zeiträume, in denen Stress empfunden wird, das Risiko für die Alzheimer-Krankheit erhöhen. Die Rheinland Studie hat das vorrangige Ziel, Strategien zur Prävention von Demenz und anderen altersbedingten Erkrankungen zu entwickeln. Die Wissenschaftler*innen haben vor, während und nach der Pandemie hochwertige Daten von Studienteilnehmenden zu Stressempfinden, Immunaktivierung und Hirngesundheit wie Kognition, Bildgebung und Blut-Biomarkern erhoben, die nun ausgewertet werden. Ziel des Forschungsprojekts ist es, den Zusammenhang zwischen empfundenem Stress und Hirngesundheit besser zu verstehen und herauszufinden, ob dieser Zusammenhang indirekt durch die Aktivierung des Immunsystems geschieht. Die Forschungsgelder werden für Gehälter, Publikationskosten und Labormaterialien wie Analysekosten von Blut-Biomarkern verwendet.
Dr. de Vries betont die Bedeutung ihrer Forschung, da es derzeit keine Behandlung für die Alzheimer-Krankheit gibt und es daher besonders wichtig ist, modifizierbare, weit verbreitete potenzielle Risikofaktoren, wie Stress, anzugehen, um den Ausbruch der Krankheit zu verzögern oder gar zu verhindern.
Stresssymptome und ihre Auswirkungen auf das Gedächtnis
Fast jeder Mensch hat zu einem gewissen Grad mit Stress zu kämpfen. Es ist allgemein bekannt, dass Stress sich negativ auf unsere Gesundheit auswirkt. Weniger bekannt ist vielleicht, dass Stress auch Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen auslösen kann, die uns im Alltag massiv beeinträchtigen, z.B. Vergessen von Vorhaben, Terminen, Aufträgen, Störungen der Merkfähigkeit und der Konzentration, Wortfindungsstörungen, Blockaden beim Abruf von Gedächtnisinhalten.
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Bei sehr großem, aber auch bei chronischem Stress können Stresshormone die Gedächtniszentrale im Gehirn überlasten, und es kommt zu Blockaden und Aussetzern. Außerdem neigen Menschen im Stress dazu, innerlich abgelenkt zu sein: Sie grübeln über vergangene Konfliktsituationen und zukünftige Schwierigkeiten. Wenn man nun diese Gedächtnisaussetzer an sich bemerkt, setzt manchmal ein psychischer Prozess ein, der in einen „Teufelskreis" einmündet: Man bemerkt die Gedächtnisfehler und macht sich Sorgen darüber, dass etwas mit einem nicht stimmen könnte. Nun schenkt man den Gedächtnisfehlern wiederum mehr Beachtung. So entsteht wieder neuer Stress und der Teufelskreis schließt sich.
Subjektive Gedächtnisprobleme und Stress
Forscher der Universität Göteborg weisen in einer aktuellen Studie darauf hin, dass subjektive Gedächtnisprobleme keineswegs immer auf einen beginnenden geistigen Verfall hindeuten. Stattdessen verursacht bei der Mehrzahl der Menschen, die sich um ihre geistigen Fähigkeiten sorgen, eher Stress die Symptome - insbesondere, wenn sie jünger als 60 Jahre sind. Im Gegensatz zur Alzheimerkrankheit lässt sich dieser Effekt jedoch mit therapeutischer Hilfe umkehren.
Stressbedingte Depression und Demenz
Tübinger Wissenschaftler haben kürzlich herausgefunden, dass eine Depression das Risiko einer Alzheimer-Demenz um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Es kommt vor, dass eine stressbedingte Depression mit beginnender Demenz verwechselt wird - oder mit ihr einhergeht.
Demenzsymptome und ihre Abklärung
Es ist wichtig, Demenzsymptome immer abklären zu lassen. Wenn eines oder mehrere der folgenden Anzeichen bei Ihnen oder einem Familienmitglied wiederholt auftreten, sollten Sie ärztlichen Rat einholen. So können Sie frühzeitig Hilfe bekommen, wenn es sich um eine beginnende Alzheimer-Krankheit oder eine andere Form der Demenz handelt.
Frühe Symptome einer Demenz
Eine Demenz beginnt schleichend. Die ersten Warnzeichen für Demenz zeigen sich meist in Gedächtnis- und Orientierungsproblemen. Menschen mit einer beginnenden Demenz haben Schwierigkeiten mit gewohnten Aufgaben oder können dem Gesprächsverlauf in einer Gruppe nicht mehr richtig folgen. Auch auffällige Veränderungen in der Stimmungslage oder dem Verhalten können am Beginn einer Demenzerkrankung stehen. Wichtig ist: Alle Symptome können auch andere Ursachen haben.
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Typische Symptome einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung:
- Gedächtnisprobleme / Vergesslichkeit: Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, die sich auf das tägliche Leben auswirkt (z.B. Vergessen von Terminen, Herd nicht ausgeschaltet, Alltag nur mit Hilfe von Merkzetteln bewältigt).
- Schwierigkeiten beim Planen und Problemlösen: Schwierigkeiten, sich über einen längeren Zeitraum zu konzentrieren oder etwas vorausschauend zu planen und umzusetzen.
- Probleme mit gewohnten Tätigkeiten: Alltägliche Handlungen werden plötzlich als große Herausforderung empfunden.
- Schwierigkeiten, Bilder zu erkennen und räumliche Dimensionen zu erfassen.
- Schwierigkeiten, einem Gespräch zu folgen und sich aktiv daran zu beteiligen: Verlust des Fadens, unpassende Füllwörter, Wortfindungsprobleme.
- Verlegen von Gegenständen an ungewöhnlichen Orten: Vergessen, wo die Sachen sind und wozu sie gut sind.
- Verlust der Eigeninitiative: Immer weniger Hobbys, soziale oder sportliche Aktivitäten.
- Starke Stimmungsschwankungen ohne erkennbaren Grund.
Stressbewältigung und Prävention von Demenz
Da Stress ein potenzieller Risikofaktor für Demenz ist, ist es wichtig, Strategien zur Stressbewältigung zu entwickeln und anzuwenden.
Maßnahmen zur Stressbewältigung:
- Entspannungsphasen: Ausreichend Entspannungsphasen einplanen, um den Körper die Stresshormone abbauen zu lassen.
- Bewegung: Regelmäßige körperliche Aktivität hilft nachweislich bei depressiven Symptomen und kann die Stimmung und die mentale Gesundheit verbessern.
- Soziale Kontakte: Einsamkeit verstärkt Depressionen. Gespräche, Gruppentreffen oder Selbsthilfeangebote können entlasten.
- Vermeidung großer Veränderungen: Ein Umzug, der Verlust einer vertrauten Bezugsperson oder andere tiefgreifende Veränderungen können Ängste und depressive Phasen verschärfen.
- Ruhiger Alltag: Den Alltag so ruhig und angenehm wie möglich gestalten. Stressige Themen wie Geld, die Demenzerkrankung oder die damit verbundenen Einschränkungen vermeiden. Auch Lärm oder Orte mit vielen Menschen können überfordern.
- Sinnvolle Beschäftigung: Einfache, sinnvolle Beschäftigungen anbieten, die früher Freude gemacht haben (z.B. Kochen, musizieren oder gärtnern). Wichtig ist: nicht überfordern.
- Frühzeitige Behandlung von Depressionen: Wer seine Depression frühzeitig behandeln lässt - ob mit Medikamenten, Psychotherapie oder einer Kombination - kann das Risiko senken.
Die Bedeutung von Muskelgesundheit
Muskeln sind mehr als nur Kraftspeicher. Sie beeinflussen unsere Hormonlage, bremsen Stressreaktionen und wirken über sogenannte Myokine direkt auf das Gehirn. Wer seine Muskelmasse verliert, verliert damit auch ein Stück Schutz vor Erschöpfung, Überlastung und geistigem Abbau. Gezieltes Muskeltraining ist nicht nur körperliche Vorsorge, sondern kognitive Prävention. Es stärkt nicht nur Muskeln, sondern auch das Nervensystem, schützt vor Erschöpfung und kann ein entscheidender Faktor sein, um dem schleichenden Verlust geistiger Leistungsfähigkeit frühzeitig entgegenzuwirken.
Ernährungsempfehlungen
Eine gezielte, entzündungshemmende Ernährung kann systemische Entzündungen reduzieren und die Muskel- und Gehirngesundheit nachhaltig stärken.
- Omega-3-Fettsäuren: Aus Fisch, Lein- oder Algenöl hemmen stille Entzündungen und unterstützen Herz und Hirn.
- Antioxidantien: Aus Beeren, Gemüse oder grünem Tee neutralisieren freie Radikale und schützen Zellen vor Schädigung.
- Hochwertige Proteine: Aus Eiern, Hülsenfrüchten oder Milchprodukten sichern die Muskelerhaltung und Regeneration, gerade bei körperlicher oder mentaler Erschöpfung.
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