Theo Adam: Eine Bassbariton-Legende Deutschlands entschlief 92-jährig in Dresden

Der Kammersänger Theo Adam, eine der prägendsten Bassbariton-Stimmen Deutschlands, ist im Alter von 92 Jahren in einem Dresdner Pflegeheim verstorben. Dies bestätigte seine Familie der Deutschen Presse-Agentur am Freitag, nachdem zuerst "dnn online", die Onlineausgabe der "Dresdner Neuesten Nachrichten", darüber berichtet hatte. Adam litt seit über zehn Jahren an unheilbarer Demenz.

Eine Dresdner Musikerkarriere von Weltrang

Theo Adam wurde 1926 in Dresden geboren. Seine musikalische Laufbahn begann als Mitglied des Dresdner Kreuzchores. Nach dem Krieg studierte er Gesang und debütierte 1949 an der Staatsoper Dresden. Schnell wurde er an die Berliner Lindenoper berufen und startete seinen Siegeszug auf den großen Bühnen der Welt und als Wagner-Interpret in Bayreuth. Seiner Heimatstadt Dresden immer treu bleibend, gehörte er zu den singenden Devisenbringern der DDR, in der er auch eine eigene TV-Show hatte.

Die frühen Jahre und die Dresdner Kreuzchor-Tradition

Wie sein etwas jüngerer Tenorkollege Peter Schreier durchlief Theo Adam, Sohn eines Dekorationsmalers, eine typische Dresdner Musikerkarriere. Von 1937 bis 1944 war er Mitglied des Kreuzchores und erhielt dort seine erste profunde Gesangsausbildung. Nach dem Abitur folgten die Wehrmacht, letzte, furchtbare Schlachten und die Gefangenschaft. Von 1946 bis 1949 war er angehender Lehrer, nahm nebenbei privat Gesangsunterricht und erhielt 1949 ein Engagement an der Staatsoper Dresden.

Debüt und Durchbruch an der Dresdner Staatsoper

Theo Adam muss von Anfang an eine Naturgewalt gewesen sein: Er debütierte an diesem, seinem Haus bis zum Schluss (damals freilich ausgebombt im Schauspielhaus residierend) 23-jährig mit dem Eremiten aus Carl Maria von Webers an den Dresdner Elbhängen konzipierten Oper „Der Freischütz“.

Internationale Karriere und Wagner-Interpretationen

Ab 1952 sang er erstmals bei den Bayreuther Festspielen. Bis 1980 gastierte er regelmäßig auf dem Grünen Hügel und triumphierte in allen Wagner-Partien seines Fachs. Schon 1953 wurde Adam zudem zu einer der Stützen der Deutschen Staatsoper Berlin: an beiden ersten DDR-Häusern im Ensemble und trotzdem auch international gefragt. Seit 1954 konnte man ihn auch regelmäßig in Frankfurt, Wien oder London erleben.

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Glanzrollen und Repertoire

Berühmt wurde er unter anderen als Hans Sachs in Wagners „Meistersingern“ und als Wotan im „Ring des Nibelungen“. Er verkörperte zahlreiche Partien in Opern und setzte sich besonders auch für die Musik des 20. Jahrhunderts ein. Theo Adam leitete darüber hinaus unterschiedliche Opernhäuser als Intendant.

Als fliegender Holländer umschiffte er umdüstert, sterbensmüd die Bühnenmeere. Als Gralskönig Amfortas litt er verzweifelt an seiner Wunde, die vor allem eine des Glaubens war, als Gralshüter Gurnemanz versuchte er Linderung zu schaffen. Als souverän präsidialer Hans Sachs hatte er seine „Meistersinger“-Riege völlig im Griff. Als König Marke war er nicht nur balsamisch. Und als Wotan war er ein trauriger, aber auch ein aufmüpfig intellektueller Gott.

Er war groß, hatte fast einschüchternd strenge Gesichtszüge, ein herrscherhaftes Auftreten von größter Natürlichkeit. Er füllte und sprengte fast einen Raum. Schon früh wurde er weißhaarig, ohne eine kahle Stelle hatte selbst seine Frisur etwas Cäsarenhaftes. So war er auch als ideal aasig brutaler „Tosca“-Scarpia, ein eleganter Salonschurke. Oder eben Luciano Berios zuhörender König - „Un re in ascolto“, den dieser 1984 nach eine Italo-Calvino-Kurzgeschichte opernabendfüllend für die Salzburger Festspiele aufbereitet hatte.

Doch war er in seinen früheren Jahren auch ein fulminanter Don Giovanni und zynischer Don Alfonso, als Interpret von Liedern von Brahms, Schubert, Richard Strauss und Wolf sowie als Oratoriensänger war er ebenso unterwegs.

DDR-Star und internationale Anerkennung

In den 70ern hatte Adam eine eigene TV-Sendung. Wie sein jüngerer Tenorkollege Peter Schreier gehörte er zum kulturellen Tafelsilber des sozialistischen Deutschland, hat diese Funktion makellos nach beiden Seiten hin bewältigt. Er trällerte sich auch als Dauergast durch den Deutschen Fernsehfunk. Als leidenschaftlicher Darsteller, als immer hungrig Lernender fand er im „Salome“-Jochanaan, als Wozzeck und Doktor Schön in „Lulu“, in den Titelrollen von Paul Dessaus „Einstein“ und Ernst Kreneks „Karl V.“ großartige Aufgaben.

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Inszenierungen und späte Jahre

1981 gestaltete er, ebenfalls in Salzburg, die Titelpartie in der Uraufführung von Friedrich Cerhas „Baal“. Als reflektierender Sänger begann er ab 1972 auch zu inszenieren, meist vorsichtig, traditionell. In Berlin, München und Dresden brachte er Werke von Wagner, Mozart, Tschaikowski und Strauss auf die Bühne.

Abschied von der Bühne

Natürlich war er 1985 mit von der Sängerpartie, als sich die DDR nach massiven sozialistischen Bedenken doch die Wiedereröffnung der geliebten Semperoper im historisch prunkvollen Haus abrang. Erst am symbolträchtigen 13. Februar, dem Jahrestag der Zerstörung, wiederum als Eremit in Joachim Herz’ „Freischütz“-Neuinszenierung, die letzte Oper, die hier vor dem Bombeninferno gespielt wurde. Am nächsten Abend als Strauss Ochs auf Lerchenau im hier uraufgeführten „Rosenkavalier“, eine andere seiner vielen Paraderollen.

Und im Dezember 2006 verabschiedete sich Theo Adam wiederum in Dresden und neuerlich als Eremit von der Opernbühne. Den kurzen, aber entscheidenden Auftritt hatte er seiner beginnenden Demenz noch abgeluchst, danach beförderte ihn seiner kluge Frau dezent aus dem Rampenlicht. Auch in der Königsloge des Hauses, wo er, fast zum Inventar gehörig, immer präsidial zu thronen pflegte, sah man ihn nicht mehr. Das letzte Jahrzehnt hatte das Nichtmehrwissen den Vorhang über diese der Öffentlichkeit entzogenen Persönlichkeit längst fest geschlossen.

Verbundenheit mit Dresden

Dresden und die Welt. So mag man die leidenschaftliche, bisweilen ein wenig sentimentale, sich sogar in einigen Gedichtbänden manifestierende Liebe zu seiner Heimatstadt verstehen, die ja nicht wenige der älteren Dresdner auszeichnet. Doch von Dresden-Loschwitz aus schallte Theo Adam immer in die Welt.

Ehrungen und Andenken

Theo Adam, der so ganz natürlich in die Nachfolge von Hans Hotter hineinwuchs, war immer schon Reisekader, ab 1979 Hochschulprofessor in Dresden, ab 1982 im Musikrat der DDR.

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Ausstellung im Carl-Maria-von-Weber-Museum

Die Ausstellung „Peter Schreier und Theo Adam - zwei Jahrhundertsänger aus Dresden“ im Carl-Maria-von-Weber-Museum war bis Mitte August 2021 zu sehen. Im Zuge der Vorbereitung und bei Gesprächen mit den Familien wurde deutlich, dass enorm viel Material in den Nachlässen vorhanden ist, das aufgearbeitet und vor allem auch gezeigt werden sollte: neben Urkunden, Auszeichnungen und Bildern sind es vor allem persönliche Dokumente wie Briefe, Alben und Erinnerungsstücke, die einen Einblick in ihr Leben und Wirken ermöglichen. Beim Stöbern trat beispielsweise eine Reisebeschreibung des zwölfjährigen Theo Adam zutage, der die Tournee des Kreuzchores 1938 in die USA kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges dokumentarisch festhielt. Adam hatte außerdem viele Zeitungsartikel, die während dieser Reise in den USA erschienen waren, akribisch gesammelt und aufgeklebt. So wird deutlich, welchen Stellenwert das Gastspiel für den jungen Sänger hatte und wie enorm es ihn auch prägte.

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