Tim Parks, ein britischer Autor, der in Italien lebt, setzt sich in seinem Buch "Bin ich mein Gehirn?" mit der Frage auseinander, wie Bewusstsein entsteht und wie es mit der physischen Welt zusammenhängt. Er nähert sich dem Thema aus einer skeptischen Perspektive gegenüber der traditionellen neurowissenschaftlichen Sichtweise, die Bewusstsein im Gehirn lokalisiert. Stattdessen plädiert er für eine "Spread-Mind-Theorie", die von dem italienischen KI-Forscher Riccardo Manzotti entwickelt wurde.
Die Spread-Mind-Theorie
Die Spread-Mind-Theorie besagt, dass Bewusstsein nicht im Gehirn entsteht, sondern in der Interaktion zwischen dem Gehirn und der äußeren Welt. Manzotti argumentiert, dass das Objekt unserer Wahrnehmung identisch mit dem Ort des bewussten Erlebens ist. Das bedeutet, dass der Apfel, den ich sehe, mein Bewusstsein (der Existenz des Apfels) ist.
Parks findet diese Theorie attraktiv, weil sie seiner eigenen Erfahrung entspricht. Er glaubt, dass wir unserer Wahrnehmung trauen sollten und dass sie ein reales Etwas ist, das von Bedeutung und Substanz ist. Er kritisiert Wissenschaftler, die das Narrativ vom Gehirn als Illusionsmaschine verbreiten, da diese Sichtweise seiner Meinung nach Populisten und Manipulatoren den Weg ebnet, die uns erklären, was wir stattdessen für real halten sollen.
Kritik an der Neurowissenschaft
Parks kritisiert in seinem Buch die Redeweise der Hirnforschung, insbesondere die Verwendung von Begriffen wie "Repräsentation", "Engramm" oder "Feuern" von Neuronen. Er argumentiert, dass diese Ausdrücke von der falschen Idee des Homunkulus zeugen, eines inneren Agenten, den es nicht gibt.
Er bemängelt, dass die Neurowissenschaft oft zu Vereinfachungen, Übertreibungen und forschen Objektivitätsansprüchen neigt. Er sieht in diesen Vereinfachungen jedoch etwas, was sie seiner Meinung nach nicht sind: eine fundamentale Falschheit der neurowissenschaftlichen Forschung selbst.
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Parks' Reise in die Welt der Neurowissenschaft
Im Rahmen eines Projekts, das den Dialog zwischen Geistes- und Naturwissenschaften fördern soll, reist Parks nach Heidelberg, wo er einige der weltweit führenden Neurowissenschaftler trifft. Dort spaziert Parks durch die Altstadt und nimmt unter den überwiegend missbilligenden Blicken der anderen Gäste mit seiner nur halb so alten italienischen Lebensgefährtin das Hotelfrühstück ein.
Er versichert sich immer wieder seiner eigenen unregulierten Erfahrung. Und mit seiner scheinbaren Naivität trägt er den Geist der Subversion ins Reich der Forschung. Er benimmt sich wie Inspektor Columbo, der es ja auch darauf anlegt, dass ihn alle unterschätzen und höchstens als erheiternde Nervensäge registrieren.
Die Rolle der Erfahrung
Parks betont die Bedeutung der Erfahrung für unser Verständnis von Bewusstsein. Er argumentiert, dass wir unserer Erfahrung vertrauen sollten und dass sie ein reales Etwas ist, das von Bedeutung und Substanz ist. Er kritisiert Wissenschaftler, die die Realität subjektiver Erfahrung bezweifeln.
Er räumt jedoch ein, dass unsere Wahrnehmung nicht immer die Wahrheit widerspiegelt. Es gibt Halluzinationen, Täuschungen, systematische Verzerrungen und die Tatsache der Objektpermanenz. Diese Phänomene deuten darauf hin, dass unsere Wahrnehmungen vom Gehirn konstruierte geistige Zustände darstellen.
Die Grenzen der Wissenschaft
Parks argumentiert, dass die Wissenschaft nicht alle Fragen beantworten kann. Er glaubt, dass es Bereiche gibt, die jenseits der Reichweite wissenschaftlicher Untersuchung liegen, wie z. B. die subjektive Erfahrung des Bewusstseins.
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Er kritisiert die Wissenschaft für ihren Anspruch auf Objektivität und ihre Tendenz, die Bedeutung subjektiver Erfahrung zu vernachlässigen. Er argumentiert, dass die Wissenschaft nicht die einzige Quelle der Wahrheit ist und dass wir auch auf unsere Intuition, unsere Emotionen und unsere persönliche Erfahrung vertrauen sollten.
Das Unbewusste
Parks geht auch auf das Unbewusste ein. Viele unserer Denkprozesse laufen auf Autopilot ab. Untersucht wurden sie schon von Sigmund Freud, C. G. Jung und Alfred Adler.
Fazit
Parks' Buch ist ein Plädoyer für eine neue Art des Denkens über Bewusstsein. Er fordert uns auf, die traditionelle neurowissenschaftliche Sichtweise zu hinterfragen und unsere eigene Erfahrung zu berücksichtigen. Er argumentiert, dass Bewusstsein nicht im Gehirn lokalisiert ist, sondern in der Interaktion zwischen dem Gehirn und der äußeren Welt entsteht.
Parks' Buch ist provokant und herausfordernd. Es wird sicherlich zu Debatten über die Natur des Bewusstseins anregen. Es ist ein wichtiges Buch für alle, die sich für die Frage interessieren, was es bedeutet, ein Mensch zu sein. Er geht der Frage nach, wie es sein kann, dass man noch nie ein Ding von allen Seiten gesehen hat (den Schrank im Schlafzimmer zum Beispiel nicht von unten) und es dennoch mit vollem Vertrauen als Ganzes für sich in Anspruch nimmt, dass man es in ein Wort fasst, als wäre damit alles getan. Und wo überhaupt steht der Schrank? Steht er draußen im Zimmer, wo er hingehört und wir ihn brauchen, oder nicht vielleicht doch in unserem Kopf, wo allein, wie es heißt, sich unser Bewusstsein und alle unsere Erfahrungen abspielen?
Parks' Buch ist keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine persönliche Reflexion über die Natur des Bewusstseins. Es ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt und uns dazu auffordert, unsere eigenen Annahmen über die Welt zu hinterfragen. Er schlägt sich auf die Seite der Theorie vom "spread mind" seines Freundes Riccardo Manzotti. Diese besagt, Ich und Welt seien weder völlig unverbunden, wie es etwa Kant behauptet, noch sei alle Realität und Erfahrung ein Produkt unserer 100 Milliarden Neuronen, wie es der heutigen Wissenschaft vom Gehirn entspricht, sondern verdankten sich einer Begegnung und Berührung beider, von Subjekt und Objekt.
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