Tonisch-klonischer epileptischer Anfall: Ursachen und Behandlung

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, von der in Deutschland rund 600.000 Menschen betroffen sind. Sie zeichnet sich durch wiederholte epileptische Anfälle aus, die sich vielfältig äußern können. Der bekannteste und am häufigsten mit Epilepsie assoziierte Anfall ist der tonisch-klonische Krampfanfall. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten, insbesondere des tonisch-klonischen Anfalls, um Betroffenen und Angehörigen ein umfassendes Verständnis der Erkrankung zu vermitteln.

Was ist ein tonisch-klonischer Anfall?

Ein generalisierter tonisch-klonischer Anfall ist ein epileptischer Anfall, der durch zwei charakteristische Phasen gekennzeichnet ist:

  1. Tonische Phase: Plötzliche Versteifung des Körpers durch Anspannung aller Muskeln. Die Person verliert das Bewusstsein und stürzt möglicherweise.
  2. Klonische Phase: Rhythmische Zuckungen an Armen und Beinen, die an Intensität und Frequenz im Verlauf abnehmen.

Während des Anfalls kann es zu folgenden Symptomen kommen:

  • Initialschrei oder Stöhnen
  • Bewusstseinsverlust
  • Apnoe (Atemstillstand)
  • Speichelfluss (Schaum vor dem Mund)
  • Stoßartige Atmung
  • Erschlaffung der Muskulatur
  • Röcheln oder tiefe, schwere Atmung
  • Geöffnete, verdrehte Augen
  • Weite Pupillen ohne Lichtreaktion
  • Initial Blässe, später Zyanose (Blaufärbung) durch Apnoe
  • Anstieg von Blutdruck und Puls

Nach dem Anfall können folgende Symptome auftreten:

  • Verletzungen
  • Zungenbiss (meist lateral und nicht gefährlich)
  • Enuresis/Enkopresis (Einnässen/Einkoten)
  • Muskelschmerzen

Ursachen von Epilepsie und tonisch-klonischen Anfällen

Epilepsien können vielfältige Ursachen haben.

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Genetische Ursachen

Genetische Veränderungen können dazu führen, dass Nervenzellen im Gehirn grundsätzlich mehr dazu neigen, sich spontan synchron zu entladen. In solchen Fällen tritt die Epilepsie häufig schon im Kindes- oder Jugendalter auf.

Erworbene Hirnveränderungen

Es gibt viele unterschiedliche erworbene Hirnveränderungen, die Epilepsie auslösen können:

  • Schlaganfall
  • Schädelhirntrauma nach einem Unfall
  • Entzündungen im Gehirn (Meningitis, Enzephalitis)
  • Seltene Autoimmunkrankheiten des Gehirns

Allerdings wird oft auch keine eindeutige Ursache gefunden.

Fokale Epilepsie

Bei einer fokalen Epilepsie beginnen die Anfälle immer in einer bestimmten Hirnregion, dem Fokus.

Trigger

Bei einigen Patientinnen und Patienten erhöhen bestimmte Trigger das Risiko für einen Krampfanfall. Dazu gehören:

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  • Schlafmangel
  • Alkohol
  • Lichtreize (z. B. Diskos)

Diagnose von Epilepsie und tonisch-klonischen Anfällen

Tritt ein Anfall zum ersten Mal auf, sollte umgehend medizinisch überprüft werden, ob es sich tatsächlich um einen epileptischen Anfall gehandelt hat.

Anamnese

Voraussetzung für eine sichere Diagnose ist eine möglichst genaue Beschreibung des Anfalls, auch durch Augenzeugen. Wichtige Fragen dabei sind:

  • Was ging dem Anfall voraus?
  • Wie sah der Sturz aus, wenn es einen gab?
  • Waren die Augen geöffnet oder geschlossen?
  • Auf welcher Körperseite begannen die Verkrampfungen?
  • In welche Richtung war der Kopf gedreht?

Elektroenzephalogramm (EEG)

Epilepsietypische Auffälligkeiten können sich im Elektroenzephalogramm (EEG) bereits nach einem erstmalig auftretenden epileptischen Anfall zeigen. Das EEG misst die Hirnströme und zeigt an, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht.

Bildgebung

Weitere neurologische Veränderungen im Gehirn lassen sich zum Beispiel mittels der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen.

Blutuntersuchung und genetische Testung

Auch die Blutuntersuchung kann dabei helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsieerkrankung aufzuspüren. Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.

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Behandlung von Epilepsie und tonisch-klonischen Anfällen

Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab.

Medikamentöse Behandlung (Antiepileptika)

Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung.

  • Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden.
  • Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe.

Da es oft bei einem einzigen Anfall bleibt, kann man mit einer Behandlung meist erst einmal abwarten. Die Therapie beginnt in der Regel erst nach einem zweiten Anfall. Besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für erneute Anfälle, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann bereits nach dem ersten Krampfanfall eine Behandlung sinnvoll sein. Wichtig ist, die persönliche Situation ausführlich mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.

Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente.

Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Manchmal bestehen spezielle Risiken, zum Beispiel während der Schwangerschaft für das ungeborene Kind. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist dann besonders wichtig. Die Wahl des Medikaments sollte stets patientenorientiert und am Nebenwirkungsprofil ausgerichtet sein.

Operative Eingriffe

Können die Medikamente Anfälle nicht verhindern, ist ein Eingriff eine Alternative.

  • Operation: Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
  • Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet.
  • Tiefe Hirnstimulation: Hierbei wird eine dünne Silikonscheibe mit Platinkontakten unter die Kopfhaut geschoben. Auch bei diesem Verfahren gehen die elektrischen Impulse von einem Schrittmacher aus, der im Brustbereich unter die Haut gesetzt wird. Durch diese Therapie soll eine tiefgehende und fokussierte Stimulierung des Gehirns möglich sein, ohne das Gehirn selbst zu berühren.

Operative Verfahren kommen nur in Frage, wenn sicher festgestellt wird, von welcher Stelle im Gehirn die Anfälle genau ausgehen, also bei fokalen Epilepsien. Dann müssen weitere Untersuchungen in einem Neurochirurgischen Zentrum zeigen, ob die Entfernung des Fokus ohne größere Gefahr möglich ist, oder ob der Eingriff zu Lähmungen, Sprachstörungen oder anderen Ausfällen führen würde.

Psychotherapie

Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.

Verhalten während eines Anfalls

Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen.

  • Im Vordergrund steht, dass sich der Betroffene während eines Anfalls nicht verletzt. Wenn er oder sie bereits auf dem Boden liegt, zucken häufig Arme und Beine oder sie wirken versteift. Auch der Kopf kann zucken und dabei immer wieder auf den Boden aufschlagen.
  • Manchmal kommt es zu einem Zungenbiss, dennoch sollte man niemals versuchen, während des Anfalls etwas in den Mund zu schieben.
  • Wenn der Anfall länger als fünf Minuten dauert oder mehrere Anfälle kurz hintereinander auftreten, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.

Epilepsie-Alarme

Epilepsiealarme sind Geräte, die Krampfmuster eines tonisch-klonischen Krampfanfalles erkennen. Sie ermöglichen, dass solche gefährlichen Anfälle erkannt und rechtzeitig Hilfe geholt werden kann. Sie haben einen Sensor, der Bewegungen misst und bei Erkennung eines Krampfmusters automatisch einen Alarm auslöst.

Leben mit Epilepsie

Menschen mit Epilepsie können meist nicht vorhersagen, ob und wann sie einen epileptischen Anfall bekommen. Gerade bei einem großen Anfall kann es durch Bewusstlosigkeit zu Stürzen und damit verbunden zu Verletzungen kommen. Aber auch die häufigeren kleineren Anfälle können Betroffene körperlich und psychisch belasten. Hinzu kommen Vorurteile und Stigmata, die den Alltag für Menschen mit Epilepsie zusätzlich erschweren.

Risiken und Vorsichtsmaßnahmen

  • Erhöhtes Sterberisiko: Insgesamt haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Sterberisiko. Plötzliche unerwartete Todesfälle (SUDEP, engl. Sudden unexpected death in epilepsy) kommen auch in eigentlich weniger gefährlichen Situationen vor, zum Beispiel nachts im Bett.
  • Fahreignung: Menschen mit Epilepsie dürfen nicht selbst Auto fahren, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten einen Anfall hatten.
  • Vermeidung von Risikosituationen: In diesem Fall sollte man zum Beispiel nicht alleine schwimmen gehen. Denn wenn ein epileptischer Anfall im Wasser auftritt und nicht sofort ein Rettungsschwimmer zur Stelle ist, kann das tödlich enden. Ebenfalls vorsichtig sein sollten Betroffene beim Baden in einer Badewanne sein - auch hier kann es zum Ertrinken kommen.

Anfallsfreiheit und "Heilung"

Das Ziel der Epilepsie-Behandlung ist die Anfallsfreiheit. In der Regel müssen dafür dauerhaft Medikamente eingenommen werden. Ob ein Absetzen nach mehreren anfallsfreien Jahren sinnvoll sein kann, muss individuell abgewogen werden.

Man spricht bei Epilepsie nicht von einer "Heilung" sondern davon, dass die Krankheit überwunden ist. Das ist dann der Fall, wenn man länger als zehn Jahre keinen epileptischen Anfall mehr hatte und seit über fünf Jahren kein Antiepileptikum mehr eingenommen hat.

Ansprechpartner und Hilfsangebote

Die Behandlung wird von einer Neurologin oder einem Neurologen begleitet. Kinder und Jugendliche werden von Kinder- und Jugendneurologinnen und -neurologen betreut. Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Manche ambulanten Einrichtungen und Kliniken haben sich auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert: Epilepsie-Zentren, Epilepsie-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen. Diese eignen sich besonders bei speziellen Problemen, einer unklaren Diagnose oder wenn es trotz Behandlung weiter zu Anfällen kommt.

Für Betroffene und Angehörige gibt es verschiedene Hilfsangebote, die sowohl Online-Schulungen als auch individuelle Beratung umfassen, um Ängste zu nehmen, Fragen zu beantworten und konkrete Probleme zu lösen.

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