Die Neurologische Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums Würzburg (UKW) hat sich in den letzten Jahrzehnten von einer primär diagnostischen Einrichtung zu einem Zentrum für vielfältige therapeutische Interventionen entwickelt. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Forschungsschwerpunkte und klinischen Studien der Neurologie an der UKW Würzburg und würdigt die Leistungen ihrer herausragenden Forscher.
Einleitung
Die Neurologie an der UKW Würzburg deckt das gesamte Spektrum neurologischer Erkrankungen ab und bietet Diagnostik und Therapie nach modernsten Standards. Mit fast 11.000 ambulanten und 3.400 stationären Patienten jährlich, darunter über 500 intensivmedizinisch betreute Fälle, spielt die Klinik eine zentrale Rolle in der neurologischen Versorgung der Region. Ein Großteil der stationären Aufnahmen sind Notfälle, die in der neurologisch-neurochirurgischen Notaufnahme erstversorgt werden. Die Klinik verfügt über 86 Planbetten, darunter acht auf der Stroke Unit und zehn auf der klinikeigenen Intensivstation.
Forschungsschwerpunkte und klinische Studien
Die Forschung an der Neurologischen Klinik und Poliklinik konzentriert sich auf verschiedene Schwerpunkte, darunter:
- Morbus Parkinson und andere Bewegungsstörungen: Hierzu zählen die Erforschung der Pathophysiologie, die Entwicklung neuer Therapieansätze und die Optimierung der tiefen Hirnstimulation.
- Neuromuskuläre Erkrankungen: Im Fokus stehen die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der peripheren Nerven und Muskeln, einschließlich spezieller neurophysiologischer Untersuchungen, Nerv-Muskelpathologie und immunologischer Aspekte.
- Schlaganfallmedizin: Die Forschung konzentriert sich auf die Wechselwirkungen zwischen thrombotischen und entzündlichen Mechanismen sowie der Herz-Hirn-Achse, um die Behandlung von Schlaganfällen weiter zu verbessern.
Neben diesen Schwerpunkten engagiert sich die Neurologie der UKW auch in der Forschung zu neurodegenerativen Erkrankungen, Motoneuron- und Angsterkrankungen.
Die Klinik ist an zahlreichen klinischen Studien beteiligt, darunter:
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- Enroll-HD: Eine multinationale, multizentrische Beobachtungsstudie zur Huntington-Krankheit ohne experimentelle Behandlung.
- StimTox: Eine randomisierte, scheinkontrollierte Studie zur Pallidum-Neurostimulation versus Botulinumtoxin-Behandlung bei zervikaler Dystonie.
- PATTERN: Eine prospektive, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Multicenter-Studie zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von NT 201 bei der Behandlung von Spastik der unteren Extremitäten, gefolgt von einer offenen Verlängerungsstudie.
- ROCK-PD: Eine multizentrische, prospektive, interventionelle, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie zur Parkinson-Krankheit.
- DysTract: Ein deutsches Netzwerk zur translationalen Erforschung und Behandlung dystoner Erkrankungen in Form einer multizentrischen Registerstudie.
- STEEROPT: Eine Post-Market-Studie, die untersucht, ob die subthalamische Stimulation mit direktionellen Elektroden das postoperative Management bei Parkinson-Patienten verbessern kann.
- The Essential Tremor Registry: Ein Register zur Tiefenhirnstimulation bei essentiellem Tremor.
- EFRONT: Epidemiologische Studie zur frontotemporalen Demenz.
Diese Studien tragen dazu bei, neue Erkenntnisse über neurologische Erkrankungen zu gewinnen und innovative Therapieansätze zu entwickeln.
Erfolge und Auszeichnungen
Die Forschungsleistungen der Neurologie an der UKW Würzburg wurden mehrfach ausgezeichnet. Ein Beispiel ist Dr. Maximilian U. Friedrich, der für seine Forschungen zur KI-basierten Videoanalyse bei Bewegungsstörungen, insbesondere der Parkinson-Krankheit, mit dem NeuroTech-Innovationspreis der Manfred und Ursula Müller-Stiftung ausgezeichnet wurde. Seine Arbeit ermöglicht die automatische Erkennung von Bewegungsmustern in Videoaufnahmen, was die Diagnose und Verlaufsbeurteilung der Parkinson-Krankheit revolutionieren könnte.
Darüber hinaus erhielt Dr. Friedrich den Jung-Karriere-Förderpreis für medizinische Forschung 2024 für seine Forschung zur neuronalen Verarbeitung des Gleichgewichtssinns. Mit dem Preisgeld will er eine Arbeitsgruppe zur Erforschung komplexer Gleichgewichtserkrankungen aufbauen und neue Therapieansätze entwickeln.
Bedeutung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor der neurologischen Forschung an der UKW Würzburg ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit. Das Institut für Klinische Neurobiologie arbeitet eng mit verschiedenen Kliniken zusammen, um grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse schnell in die klinische Praxis umzusetzen. Die Klinik ist zudem in zwei transregionale Sonderforschungsbereiche (Platelets, ReTune), eine klinische Forschungsgruppe (ResolvePain) sowie eine integrierte Heisenberg-Professur für translationale Somatosensorik eingebunden.
Abschied und Neuanfang von Prof. Dr. Claudia Sommer
Ein wichtiger Meilenstein war der Wechsel von Prof. Dr. Claudia Sommer vom Neurologischen Klinik in das Zentrum für interdisziplinäre Schmerzmedizin (ZiS). Dort leitet sie gemeinsam mit Prof. Heike Rittner die Klinische Forschungsgruppe ResolvePAIN, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Prof. Sommer hat sich neben der Schmerzforschung vor allem im Bereich Polyneuropathien hervorgetan und wichtige Beiträge zur Erforschung von Autoantikörpern geleistet, die Nervenfasern schädigen.
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Trotz ihres Wechsels bleibt Prof. Sommer der Forschung treu und engagiert sich weiterhin in verschiedenen Projekten. Sie wird ab Sommer 2025 zwei Jahre lang President Elect und weitere zwei Jahre Präsidentin der Peripheral Nerve Society sein. Zudem unterstützt sie aktiv die GBS|CIDP Foundation International.
Blick in die Zukunft
Die Neurologie an der UKW Würzburg blickt optimistisch in die Zukunft. Zwar ist es nicht ihr Forschungsgebiet, aber Claudia Sommer würde gern miterleben, wie ALS behandelt werden kann - eine schreckliche Krankheit, die Menschen plötzlich und unerwartet aus dem Leben reißt. Bei den immunologisch bedingten Neuropathien ist man ihrer Meinung nach auf einem sehr guten Weg. In der Schmerztherapie hofft sie, dass eine der vielen Ideen zu einem Medikament führen wird, das Schmerzen signifikant reduziert und kaum oder keine Nebenwirkungen hat. Im Moment können sie den Schmerz im Durchschnitt auf 50 Prozent senken. Doch damit ist sie nicht zufrieden.
Mit modernsten Methoden der Hirnbildgebung und Künstlicher Intelligenz will Maximilian U. Friedrich neue Therapieansätze bei komplexen Gleichgewichtserkrankungen erforschen, die besonders häufig bei neurologischen Erkrankungen wie dem Schlaganfall, der Multiplen Sklerose oder der Parkinsonerkrankung auftreten.
Die Kombination aus exzellenter Forschung, interdisziplinärer Zusammenarbeit und dem Engagement herausragender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler macht die Neurologie an der UKW Würzburg zu einem wichtigen Zentrum für die neurologische Versorgung und Forschung in Deutschland.
Liste der Publikationen
- Karikari, A. A., R. L. McFleder, E. Ribechini, R. Blum, V. Bruttel, S. Knorr, M. Gehmeyr, J. Volkmann, J. M. Brotchie, F. Ahsan, B. Haack, C. M. Monoranu, U. Keber, R. Yeghiazaryan, A. Pagenstecher, T. Heckel, T. Bischler, J. Wischhusen, J. B. Koprich, M. B. Lutz and C. W. Ip (2022). Neurodegeneration by alpha-synuclein-specific T cells in AAV-A53T-alpha-synuclein Parkinson's disease mice. Brain Behav Immun 101: 194-210.
- Musacchio, T., M. Rebenstorff, F. Fluri, J. M. Brotchie, J. Volkmann, J. B. Koprich and C. W. Ip (2017). Subthalamic nucleus deep brain stimulation is neuroprotective in the A53T alpha-synuclein Parkinson's disease rat model. Ann Neurol 81(6): 825-836.
- Pozzi, N. G., A. Canessa, C. Palmisano, J. Brumberg, F. Steigerwald, M. M. Reich, B. Minafra, C. Pacchetti, G. Pezzoli, J. Volkmann and I. U. Isaias (2019). Freezing of gait in Parkinson’s disease reflects a sudden derangement of locomotor network dynamics. Brain 142(7): 2037-2050.
- Reich, M. M., A. Horn, F. Lange, J. Roothans, S. Paschen, J. Runge, F. Wodarg, N. G. Pozzi, K. Witt, R. C. Nickl, L. Soussand, S. Ewert, V. Maltese, M. Wittstock, G. H. Schneider, V. Coenen, P. Mahlknecht, W. Poewe, W. Eisner, A. K. Helmers, C. Matthies, V. Sturm, I. U. Isaias, J. K. Krauss, A. A. Kuhn, G. Deuschl and J. Volkmann (2019). Probabilistic mapping of the antidystonic effect of pallidal neurostimulation: a multicentre imaging study. Brain 142(5): 1386-1398.
- Volkmann, J., J. Mueller, G. Deuschl, A. A. Kuhn, J. K. Krauss, W. Poewe, L. Timmermann, D. Falk, A. Kupsch, A. Kivi, G. H. Schneider, A. Schnitzler, M. Sudmeyer, J. Voges, A. Wolters, M. Wittstock, J. U. Muller, S. Hering, W. Eisner, J. Vesper, T. Prokop, M. Pinsker, C. Schrader, M. Kloss, K. Kiening, K. Boetzel, J. Mehrkens, I. M. Skogseid, J. Ramm-Pettersen, G. Kemmler, K. P. Bhatia, J. L. Vitek, R. Benecke and D. B. S. s. g. f. dystonia (2014). Pallidal neurostimulation in patients with medication-refractory cervical dystonia: a randomised, sham-controlled trial.
- Appeltshauser L, Junghof H, Messinger J, Linke J, Haarmann A, Ayzenberg I, Baka P, Dorst J, Fisse AL, Grüter T, Hauschildt V, Jörk A, Leypoldt F, Mäurer M, Meinl E, Michels S, Motte J, Pitarokoili K, Stettner M, Villmann C, Weihrauch M, Welte GS, Zerr I, Heinze KG, Sommer C, Doppler K. (2023) Anti-pan-neurofascin antibodies induce subclass-related complement activation and nodo-paranodal damage. Brain 146:1932-49.
- Evdokimov D, Frank J, Klitsch A, Unterecker S, Warrings B, Serra J, Papagianni A, Saffer N, Meyer Zu Altenschildesche C, Kampik D, Malik RA, Sommer C, Üçeyler N. (2019) Reduction of skin innervation is associated with a severe fibromyalgia phenotype. Ann Neurol 86:504-16.
- Bouhassira D, Perrot S, Riant T, Martiné-Fabre G, Pickering G, Maindet C, Attal N, Ranque Garnier S, Nguyen JP, Kuhn E, Viel E, Kieffert P, Tölle T, Delorme C, Deleens R, Giniès P, Corand-Dousset V, Dal-Col C, Serrie A, Chevrillon E, Gov C, Ramirez-Gil JF, Delval C, Schaller M, Bessière B, Houéto P, Sommer C. (2021) Safety and efficacy of an equimolar mixture of oxygen and nitrous oxide: a randomized controlled trial in patients with peripheral neuropathic pain. Pain 162:1104-15.
- Karl F, Bischler T, Egenolf N, Evdokimov D, Heckel T, Üçeyler N. (2021) Fibromyalgia vs small fiber neuropathy: diverse keratinocyte transcriptome signature. Pain 162:2569-77.
- Rauschenberger V, von Wardenburg N, Schaefer N, Ogino K, Hirata H, Lillesaar C, Kluck CJ, Meinck HM, Borrmann M, Weishaupt A, Doppler K, Wickel J, Geis C, Sommer C, Villmann C. (2020) Glycine Receptor Autoantibodies Impair Receptor Function and Induce Motor Dysfunction.
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