Stoffwechselstörungen im Gehirn: Ursachen, Symptome und Therapie

Das Gehirn, als komplexestes Organ des menschlichen Körpers, benötigt eine präzise und störungsfreie Stoffwechselversorgung, um seine vielfältigen Funktionen aufrechtzuerhalten. Fehlfunktionen im Gehirn und Nervensystem können durch verschiedene Faktoren verursacht werden, darunter äußere Einflüsse, Vererbung oder eine Kombination aus beidem. Diese Einflüsse können das komplexe Netzwerk schädigen und zu neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen führen. Während die genauen Ursachen und Zusammenhänge bei vielen Krankheiten noch unbekannt sind, ist es wichtig zu verstehen, wie Stoffwechselstörungen die Hirnfunktion beeinträchtigen können.

Grundlagen des Hirnstoffwechsels

Das Gehirn hat aufgrund seiner hohen Aktivität den größten Energiebedarf aller Organe. Es benötigt etwa 20 % der gesamten Blutmenge, die vom Herzen in den Körperkreislauf gepumpt wird. Durch diese Blutmenge gelangen Sauerstoff und Nährstoffe zu den Nervenzellen im Gehirn. Das Gehirn macht nur 2,5 % des Körpergewichts aus, verbraucht aber in Ruhe 20 % der Energie, die ihm durch die Tätigkeit der Verdauungsorgane sowie des Herz-Kreislauf- und Atmungssystems zugeführt wird. Die elektrischen Signale, mit welchen Nervenzellen untereinander und mit den anderen Organen kommunizieren, sind auf eine stetige Nährstoffzufuhr und ein exaktes Gleichgewicht der Mineralstoffe angewiesen.

Eine Unterbrechung dieser Versorgung, z. B. durch Aussetzen des Herzens, Ersticken oder Blutunterzuckerung, führt zu einer Schädigung oder sogar zum Absterben der Nervenzellen. Auch Gehirntumoren, krankhafte Veränderungen von Blutgefäßen, mechanische Verletzungen durch Unfälle, Blutungen ins Gehirn und Entzündungen können die Ursache für Funktionsstörungen sein. Weitere Gründe für Erkrankungen des Gehirns und des Nervensystems sind Störungen bei der Signalübertragung von einer Nervenzelle zur nächsten und Unregelmäßigkeiten im Stoffwechsel der Nervenzellen. Störungen der Hirnfunktion können auch von Gliazellen ausgehen. Diese Zellen sind an der Ernährung der Nervenzellen beteiligt und dienen ihnen als Stützgewebe.

Ursachen von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Verschiedene Faktoren können zu Stoffwechselstörungen im Gehirn führen. Dazu gehören:

  • Genetische Faktoren: Bei zahlreichen Störungen des Gehirns und Nervensystems spielen genetische Faktoren eine wichtige Rolle. Reine Erbkrankheiten weisen häufig Defekte im Stoffwechsel der Nervenzellen auf. Angeborene Stoffwechselerkrankungen (IEM) sind selten, aber kumulativ ist mehr als 1 % der europäischen Bevölkerung von einer IEM betroffen.
  • Äußere Einflüsse: Infektionen durch Bakterien und Viren können zu einer Entzündung der Hirnhäute führen, die das Gehirn schädigt. Auch Giftstoffe wie Quecksilber und Blei können zu schweren Beeinträchtigungen von Gehirn und Nervensystem führen.
  • Autoimmunreaktionen: Neuronale Funktionsstörungen können auch durch das körpereigene Immunsystem ausgelöst werden, wobei bestimmte Zellen im Gehirn und Nervensystem paradoxerweise als fremd eingestuft und von den Immunzellen geschädigt werden.
  • Hormonelle Störungen: Hormonstörungen verändern den Stoffwechsel nachhaltig und damit auch das Nervensystem. Diabetes mellitus, Schilddrüsenstörungen und Störungen der Nebennieren und Nebenschilddrüsen können neurologische Veränderungen verursachen.

Spezifische Stoffwechselerkrankungen mit Auswirkungen auf das Gehirn

Es gibt eine Vielzahl von Stoffwechselerkrankungen, die das Nervensystem beeinträchtigen können. Einige Beispiele sind:

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  • Niemann-Pick-Krankheit: Eine Gruppe seltener, vererbter Stoffwechselstörungen, bei denen Lipide abnormal in Organen wie Leber, Milz, Lunge, Knochenmark und Gehirn akkumulieren. Die Krankheit betrifft mehrere Systeme, und ihre klinische Erscheinung ist stark variabel, abhängig vom Typ und dem Alter bei Ausbruch. Niemann-Pick verursacht systemische Symptome, einschließlich Muskelschwäche, da verschiedene Organe durch die abnormale Lipidansammlung betroffen sind.
  • Leukodystrophien: Genetisch bedingte, meist progrediente Erkrankungen des Myelins im Zentralnervensystem. Es handelt sich um eine heterogene Gruppe mit unterschiedlicher Pathogenese, klinischem Verlauf und diagnostischen Biomarkern. Obwohl sie häufig bereits im Kindesalter beginnen, sind für alle Erkrankungen auch spätmanifeste Verlaufsformen bekannt, bei denen erste Symptome im Jugendlichen- oder Erwachsenenalter auftreten.
  • Metachromatische Leukodystrophie (MLD): Eine autosomal-rezessiv vererbte degenerative lysosomale Speicherkrankheit, die durch eine Akkumulation von Sulfatiden im zentralen (ZNS) und peripheren Nervensystem (PNS) bedingt ist. In den meisten Fällen liegen den MLD Varianten im ARSA-Gen zugrunde, die zu einem Mangel an Arylsulfatase A führen.
  • Morbus Krabbe: Eine seltene autosomal-rezessive lysosomale Speichererkrankung, verursacht durch Varianten des GALC-Gens, die zu einer Defizienz der β-Galaktozerebrosidase führt. Der β-Galaktozerebrosidase-Mangel bewirkt eine Akkumulation von Galaktosylceramid und Psychosin, die die Oligodendrozyten zerstört.
  • X-chromosomale Adrenoleukodystrophie (X-ALD): Ein X-chromosomal vererbter Defekt des ALDP-Proteins, eines ATP-abhängigen peroxisomalen Membrantransporters, der durch Varianten im ABCD1-Gen (Xq28) verursacht wird.
  • Glukosetransporter-Typ-1-Mangel-Syndrom (Glut1-DS): Wird durch Varianten im SLC2A1-Gen hervorgerufen. Die neurologischen Merkmale können in drei Symptombereiche unterteilt werden: Epilepsie, Bewegungsstörungen und kognitive oder Verhaltensstörungen.
  • Nichtketotische Hyperglycinämie (NKH): Eine angeborene Störung im Glycinstoffwechsel, die durch einen enzymatischen Defekt im Glycincleavage-System (GCS) zu einer Akkumulation großer Mengen von Glycin in allen Körpergeweben einschließlich des Gehirns führt.

Symptome von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Symptome von Stoffwechselstörungen im Gehirn können vielfältig sein und hängen von der spezifischen Erkrankung, dem betroffenen Bereich des Gehirns und dem Schweregrad der Störung ab. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Neurologische Symptome:
    • Epileptische Anfälle
    • Bewegungsstörungen (Ataxie, Dystonie, Chorea, Tremor, Myoklonus)
    • Muskelschwäche
    • Sensibilitätsstörungen (Neuropathie)
    • Seh- und Hörstörungen
    • Kognitive Beeinträchtigungen (Lernschwierigkeiten, Demenz)
    • Verhaltensauffälligkeiten (Psychose, Depression, Angst)
    • Bewusstseinsstörungen (Lethargie, Koma)
  • Systemische Symptome:
    • Müdigkeit
    • Appetitveränderungen
    • Gewichtsveränderungen
    • Hautveränderungen
    • Verdauungsprobleme
    • Hormonelle Störungen

Diagnose von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Diagnose von Stoffwechselstörungen im Gehirn erfordert eine umfassende Untersuchung, die Anamnese, klinische Untersuchung, neurologische Tests, Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren umfasst. Zu den wichtigsten diagnostischen Schritten gehören:

  • Anamnese und klinische Untersuchung: Erhebung der Krankengeschichte und Beurteilung der Symptome.
  • Neurologische Untersuchung: Beurteilung der neurologischen Funktionen wie Reflexe, Koordination, Sensibilität, Muskelkraft und geistige Leistungsfähigkeit.
  • Laboruntersuchungen:
    • Blutuntersuchungen zur Bestimmung von Hormonspiegeln, Elektrolyten, Blutzucker, Leber- und Nierenwerten.
    • Urinuntersuchungen zur Bestimmung von Stoffwechselprodukten.
    • Liquoruntersuchung zur Analyse der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Glukose, Aminosäuren).
    • Enzymtests zur Bestimmung der Aktivität spezifischer Enzyme.
    • Gentests zur Identifizierung von Mutationen in relevanten Genen.
  • Bildgebende Verfahren:
    • Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns zur Darstellung von Strukturveränderungen und Demyelinisierung.
    • Computertomographie (CT) des Gehirns zur Beurteilung von Knochenstrukturen und Blutungen.

Therapie von Stoffwechselstörungen im Gehirn

Die Therapie von Stoffwechselstörungen im Gehirn zielt darauf ab, die zugrunde liegende Ursache zu behandeln, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und hängen von der spezifischen Erkrankung ab. Zu den wichtigsten Therapieansätzen gehören:

  • Diätetische Maßnahmen: Bei einigen Stoffwechselerkrankungen kann eine spezielle Diät helfen, den Stoffwechsel zu regulieren und die Symptome zu lindern. Beispiele sind die ketogene Diät beim Glukosetransporter-Typ-1-Mangel-Syndrom und die Reduktion der Glycinzufuhr bei nichtketotischer Hyperglycinämie.
  • Medikamentöse Therapie: Medikamente können eingesetzt werden, um spezifische Symptome zu behandeln, wie z. B. Antiepileptika bei Anfällen, Muskelrelaxantien bei Spastik und Antidepressiva bei Depressionen.
  • Enzymersatztherapie: Bei einigen lysosomalen Speicherkrankheiten kann eine Enzymersatztherapie eingesetzt werden, um das fehlende oder defekte Enzym zu ersetzen.
  • Gentherapie: Die Gentherapie ist ein vielversprechender Ansatz zur Behandlung von genetisch bedingten Stoffwechselerkrankungen. Dabei werden defekte Gene durch funktionierende Gene ersetzt.
  • Stammzelltransplantation: Bei einigen Stoffwechselerkrankungen kann eine Stammzelltransplantation in Betracht gezogen werden, um das Immunsystem zu ersetzen und die Produktion von gesunden Zellen zu fördern.
  • Chirurgische Eingriffe: In einigen Fällen kann ein chirurgischer Eingriff erforderlich sein, um Tumore zu entfernen oder andere strukturelle Probleme zu beheben.
  • Unterstützende Therapie: Die unterstützende Therapie umfasst Maßnahmen zur Linderung von Symptomen, Verbesserung der Lebensqualität und Unterstützung der Patienten und ihrer Familien. Dazu gehören Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, psychologische Beratung und soziale Unterstützung.

Cushing-Syndrom: Eine spezielle Form der Stoffwechselstörung

Das Cushing-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die durch eine dauerhaft erhöhte Cortisolproduktion im Körper gekennzeichnet ist. Cortisol ist ein Hormon, das in der Nebennierenrinde gebildet wird und den Stoffwechsel, das Nervensystem und das Herz-Kreislauf-System beeinflusst. Beim Cushing-Syndrom wird der Körper regelrecht mit dem Stresshormon Cortisol geflutet.

Ursachen:

Eine gesteigerte Menge Cortisol im Blut kann zwei verschiedene Gründe haben: Der Körper bildet zu viel Cortisol (endogenes Cushing-Syndrom) oder der Cortisol-Überschuss ist eine Folge von Medikamenten, die eingenommen werden (exogenes Cushing-Syndrom). In etwa 80 Prozent der diagnostizierten Fälle sind bei der endogenen Form gutartige Tumore der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) an der Unterseite des Gehirns für die Beschwerden verantwortlich. Häufiger entstehen die Symptome jedoch durch die Einnahme von Medikamenten, etwa einer Langzeitbehandlung mit Glukokortikoiden wie Cortison.

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Symptome:

Befindet sich zu viel Cortisol im Blut, kann das viele unterschiedliche Beschwerden verursachen. Das liegt daran, dass Cortisol im Körper verschiedene Aufgaben übernimmt. Es ist unter anderem am Eiweiß-, Zucker- sowie Fettstoffwechsel beteiligt und beeinflusst das Immunsystem. Folgende Symptome können beim Cushing-Syndrom und bei Morbus Cushing auftreten:

  • Bluthochdruck
  • Vermehrter Appetit und Gewichtszunahme (Stammfettsucht, „Hamsterbäckchen“, „Vollmondgesicht“, „Stiernacken“)
  • Vermehrte Körperbehaarung (vor allem bei Frauen)
  • Auffälligkeiten an der Haut (Akne, Einblutungen, rote Streifen, Blutergüsse, dünne Haut, verzögerte Wundheilung)
  • Erschöpfung und Muskelschwäche
  • Veränderungen bei der Monatsblutung und dem Sexualtrieb
  • Stimmungsschwankungen, Psychose, Angst, Depression

Diagnose:

Sprechen die Beschwerden für ein Cushing-Syndrom, erkundigen sich Ärzte und Ärztinnen zunächst, ob die Betroffenen Medikamente einnehmen, die eine exogene Form der Erkrankung auslösen können. Ist das nicht der Fall, ordnen sie Untersuchungen an, die Auskunft über den Cortisolspiegel geben. Dazu gehört unter anderem der Dexamethason-Test. Im nächsten Schritt bestimmen die Mediziner und Medizinerinnen die Form des Cushing-Syndroms. Dafür informieren sie sich mit Bluttests über den ACTH-Spiegel. Haben die Laboruntersuchungen den Verdacht auf eine bestimmte Körperregion als Ursache für die erhöhte Cortisolproduktion gelenkt, kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz.

Therapie:

Ziel bei der Behandlung des Cushing-Syndroms ist, den Cortisolspiegel wieder auf ein normales Niveau zu reduzieren. Ist ein Tumor der Nebenniere oder der Hypophyse die Ursache, wird dieser chirurgisch entfernt. Gelingt das nicht, erhalten Patienten und Patientinnen unter Umständen eine Bestrahlung oder Chemotherapie. Bis die Operation erfolgt, können Betroffene Medikamente einnehmen, um die Cortisolproduktion in der Nebenniere zu hemmen. Bei einem exogenen Cushing-Syndrom sollte die eingenommene Glukokortikoidmenge reduziert werden, sofern es die Grunderkrankung zulässt.

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