Ein Schokoriegel als Stimmungsaufheller am Nachmittag, um für die letzten Stunden des Tages noch einmal Vollgas zu geben? Falsch gedacht. Zucker macht dich ganz im Gegenteil müde und raubt dir deine Energie. Der Artikel beleuchtet, wie Zucker das Gehirn beeinflusst, welche negativen Auswirkungen regelmäßiger Zuckerkonsum haben kann und welche gesünderen Alternativen es gibt, um die mentale Leistungsfähigkeit zu steigern.
Zucker als Droge: Warum er süchtig macht
Zucker ist eine Droge, wie Alkohol, Nikotin oder sogar Kokain. In dem Moment, wenn du Zucker isst, schüttet dein Körper Dopamin aus, das menschliche Glückshormon, das einen Rückkopplungseffekt besitzt und dich dazu antreibt, die gleichen Dinge zu tun, die zur Ausschüttung des Hormons geführt haben. So schön wie sich solch ein Hoch auch anfühlt, so schwierig ist es im Zusammenhang mit echten Drogen, denn es ist verantwortlich für die Suchtgefahr z.B. von Alkohol oder auch Kokain. Auch der Genuss von Zucker dockt an die Rezeptoren von Dopamin an und macht ihn zu einer waschechten Droge, durch die ein Belohnungsmechanismus im Gehirn ausgelöst wird. Danach fühlst du dich erst einmal gut, aber nur so lange bis der Zucker wieder abgebaut wurde und du den nächsten Zuckerschub herbeisehnst. Der Wunsch nach mehr Zucker ist eine “Suchtreaktion” deines Körpers und gegen sie anzukämpfen, kostet dich Kraft und Energie. Auch gedanklich fällt es dir dann schwer, dich auf andere Dinge zu konzentrieren und du verlierst deinen Fokus und somit deine mentale Leistungsfähigkeit.
Negative Auswirkungen von Zucker auf das Gehirn
Eine Ernährung, die viel Zucker enthält, verschlechtert deine kognitiven Funktionen und dein Erinnerungsvermögen. Auch eine Studie im Journal of Physiology fand nun heraus, dass die Synapsen im Gehirn durch den Zucker verlangsamt werden bzw. blockieren. Regelmäßiger Zuckerkonsum, macht das Gehirn resistent für das Hormon Insulin, das beim Verzehr von Zucker gebildet wird. Insulin wird aber als wichtiger Bestandteil im Hippocampus benötigt, dem Zentrum des Gehirns in dem Erinnerungen verarbeitet werden. So verschlechtert der Zucker dein Gedächtnis und dein Erinnerungsvermögen. Die aktuelle Forschung geht sogar noch weiter und sieht einen Zusammenhang zwischen langfristig erhöhtem Zuckerkonsum und Alzheimer. Laut einer aktuellen Studie der University of California befördert Zucker zudem so genannte freie Radikale in den Membranen des Gehirns und beeinträchtigt damit die Fähigkeit unserer Nervenzellen zu kommunizieren. Dadurch wird die Schnelligkeit der Informationsweiterleitung in deinem Gehirn reduziert. Die Forschung der UCLA ergab, dass die Testpersonen sich irgendwie benebelt fühlten und sich nicht mehr so gut konzentrieren konnten. Die Studie weist auch darauf hin, dass es eine starke Verbindung zwischen einem erhöhtem Zuckerkonsum und einer Verringerung davon, wie gut man Anweisungen und Prozessen folgen kann, gibt.
Der Insulinspiegel: Vom Hoch zum Tief
Wenn du nach dem Verzehr eines Stückes Kuchen so etwas wie einen Energieschub spürst, dann ist das keine Täuschung deines Körpers. Zuckerhaltige Lebensmittel verleihen dir tatsächlich erst einmal ein Hochgefühl. Doch der süße Snack nach dem Mittagessen ist ebenfalls dafür verantwortlich, dass du am Nachmittag in ein Motivations- und Konzentrationsloch fällst und deine Produktivität extrem darunter leidet. So hat eine Studie der Princeton University jetzt den Zusammenhang zwischen menschlichem Verhalten bzw. der Stimmung und Zucker festgestellt. Der zugeführte Zucker wird sehr schnell durch die Ausschüttung von Insulin abgebaut und sorgt so für die erhöhte Dopaminausschüttung. Dadurch fühlst du dich zunächst gut und energiereich. Weil der Körper aber sehr oft mehr Insulin ausschüttet als benötigt wird, folgt nach dem Zuckerhoch schon sehr bald das Leistungstief. Der Blutzuckerspiegel sinkt schnell wieder ab und zwar noch tiefer als Normalniveau. In diesem Zustand bist du müde, ausgelaugt, unkonzentriert und abgelenkt. So signalisiert dir dein Körper, dass er sehr schnell Nachschub benötigt und lässt dich an nichts anderes mehr denken. Auch deine Stimmung leidet darunter, du wirst genervt, ungeduldig und schneller aufbrausend, wenn du “unterzuckert” bist. Zucker zieht also nicht nur deinen Kopf in Mitleidenschaft, sondern auch noch deine Gefühlslage.
Konzentration und mentale Leistungsfähigkeit ohne Zucker
Wer hätte gedacht, dass ein einfaches Lebensmittel so eine extreme Wirkung auf dein Leben haben kann? Wenn du gesund isst und dabei im wesentlichen auf Zucker verzichtest, geht es deinem Körper tatsächlich deutlich besser, denn dein Insulinspiegel bleibt stabil und somit auch deine Stimmung und deine Konzentrationsfähigkeit. Doch welche Lebensmittel sind nun geeignet, um den süßen Zahn zu befriedigen ohne negativen Auswirkungen auf deine Leistungsfähigkeit zu haben? Ideal sind Protein- und ballaststoffreiche Lebensmittel, die sich auch als besserer Snack in der Mittagspause eignen. Hier besteht keine Suchtgefahr und sie nehmen keinen Einfluß auf deinen Insulinspiegel. Auch ein Salat oder Apfel zwischendurch sind eine gesunde Alternative zu Keksen. Ein reduzierter Fokus und eine wechselhafte Stimmung lassen sich so bekämpfen. Außerdem bleibst du länger satt und denkst nicht so häufig an essen. Bei der Wahl der Lebensmittel solltest du dich ausschließlich auf Kohlenhydrate aus Vollkornprodukte oder Hülsenfrüchte, sowie fettiger Fisch, zurückgreifen. Wenn es dir nicht schwer fällt gänzlich auf Kohlenhydrate zu verzichten, dann kannst du auch eine ketogene Ernährung in Betracht ziehen. Mehr zu dieser Ernährungsform bei der in deiner Leber Ketonkörper gebildet werden, die eine ideale Energiequelle für dein Gehirn sind, erfährst du hier. Zu den wichtigsten Nährstoffe, um deine Gedächtnis zu steigern, zählen alle Lebensmittel der Kategorie BRAINFOOD, die viel Vitamin E und Omega 3-Fettsäuren enthalten wie beispielsweise Nüsse, Oliven, Fisch und Avocados.
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Zucker und Fette verändern das Gehirn
Das Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung in Köln konnte zeigen, dass sich das Gehirn durch den regelmäßigen Konsum von stark fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln verändert. Die Folge: Es befiehlt uns quasi, die ungesunden Lebensmittel zu bevorzugen. Wir wollen mehr davon. Zwischen Gehirn und Darm gibt es eine direkte Verbindung: Erreicht Nahrung den Dünndarm, registrieren unterschiedliche Sensoren, ob Zucker und Fett in der Nahrung enthalten sind. Diese Information wird über verschiedene Nervenverbindungen ans Gehirn weitergeleitet. Die Signale kommen im Belohnungszentrum des Gehirns an, sorgen für ein gutes Gefühl und lösen ein Verlangen nach mehr aus. Die Probandinnen und Probanden hatten dadurch ein offensichtlich stärkeres Verlangen nach fetthaltigen und süßen Speisen erlernt. Diese Veränderungen der Hirnnetzwerke sind anhaltend. Das bedeutet, sie könnten dafür sorgen, dass Menschen zukünftig unbewusst immer die Lebensmittel bevorzugen, die viel Fett und Zucker enthalten. Das könnte eine Gewichtszunahme begünstigen. Vor allem Fast Food und Fertiggerichte haben beides gleichzeitig: viel Fett und viel Zucker. In der Natur gibt es eigentlich keine Nahrungsmittel, die sowohl stark fett- als auch zuckerhaltig sind. Hat sich das Gehirn an stark fett- und zuckerhaltige Speisen gewöhnt, will es nicht nur immer mehr davon, sondern lehnt auch Speisen mit weniger Fett oder Zucker eher ab. Jeder Mensch kommt zwar mit einer angeborenen Vorliebe für Süßes zur Welt, aber wenn diese Vorliebe durch Gewöhnung immer weiter verstärkt wird, schmecken gesunde Lebensmittel irgendwann nicht mehr. Hat sich das Gehirn erst einmal an viel Fett und Zucker gewöhnt, lässt sich dies nicht so schnell wieder auflösen. Denn Ernährungsmuster, die sich über viele Jahre eingeschliffen haben, sind schwer zu eliminieren. Aber Körper und Gehirn können auch wieder "umprogrammiert" werden, sich wieder an weniger fett- und zuckerhaltige Lebensmittel gewöhnen.
Zuckerstoffwechsel und Gehirnfunktion
Zucker ist Energie, die unser Körper für alle Tätigkeiten braucht. wie zum Beispiel Atmen, Denken und Laufen. Wenn wir essen und trinken, setzt der Körper mit seinem Verdauungsprozess ein. Dabei geht es dem Körper vor allem darum, Energie und wichtige Nährstoffe zu gewinnen. Der Körper ist in der Lage, Zucker aus allem, was wir zu uns nehmen, zu gewinnen. Die winzigen Zuckerbestandteile, die der Körper abspaltet, schickt er über das Blut in die verschiedenen Zellen, genau dahin, wo gerade Energie gebraucht wird. Das Hormon Insulin hilft unserem Körper dabei. Es ist dafür da, das Blut vom Zucker zu befreien und den Zucker weiter zu den Zellen zu schicken. Nehmen wir also Zucker auf, erhöht sich der Insulinspiegel und reguliert sich anschließend wieder. Wichtig ist: Der Energielieferant für die Zellen ist ausschließlich Glukose, also Traubenzucker. Es ist die Zuckerart, ohne die kein Mensch leben kann. Neben dem Zuckerstoffwechsel, der am Ende auch die Gehirnzellen versorgt, gibt es noch eine andere Reaktion des Gehirns auf Süßes. Sie beginnt bereits vor der Nahrungsaufnahme. Schon beim Anblick von Süßem meldet sich das Belohnungszentrum im Gehirn und verbreitet Vorfreude. Anschließend geben die Sinnesrezeptoren auf der Zunge positive Signale an das Gehirn und dies meldet zurück: „Bitte mehr davon!“ Dabei irrt unser Gehirn sich nicht, denn es ist von Glukose abhängig. Das Belohnungszentrum kann aber beim Anblick und beim Geschmack von Süßem nicht unterscheiden, ob die Zuckerart die richtige ist.
Zuckerreiche vs. zuckerfreie Ernährung
Unser Körper kann Glukose selbst gewinnen und holt den benötigten Zucker aus kohlehydratreichen Nahrungsmitteln. Dazu gehören zum Beispiel Kartoffeln, Vollkornbrot und Reis. Die direkte Zuckeraufnahme in Form von Haushaltszucker oder gesüßten Speisen und Getränken braucht unser Körper daher nicht. Nehmen wir weniger Kohlenhydrate auf, aus denen der Körper Zucker gewinnt, dann nutzt er seine Speicher. Dabei werden zuerst die kurz- und mittelfristigen Speicher geräumt. Kommt dann immer noch keine ausreichende Kohlehydratversorgung zustande, wird auch Fett umgewandelt und die Folge ist in der Regel die Gewichtsabnahme. Nehmen wir wiederum mehr Zucker auf, egal in welcher Form, entscheidet der Körper anhand der Zuckerart, was er damit macht. Diese 3 Möglichkeiten gibt es: Glucose wird in den kurz- und mittelfristigen Speichern abgelegt. Sie befinden sich in der Leber und der Niere. Diese Organe haben die Aufgabe, aus dem Speicher die Energieversorgung der Zellen zu gewährleisten. Zum Beispiel nachts im Schlaf, wenn wir keine Energie aufnehmen, aber viele Körperfunktionen weiterlaufen. Fructose, das heißt Fruchtzucker, belastet den Dünndarm. Fruchtzucker ist zum Teil in gesüßten Lebensmitteln, Säften und Obst enthalten. Zu viel davon verursacht manchmal Blähungen. Außerdem aktiviert Fruchtzucker nicht das Appetitzentrum in unserem Gehirn und macht damit nicht satt. Übermäßig viel Fruchtzucker kann zu einer sogenannten Fettleber führen. Alle Arten von Zucker tragen zur Bildung von Fett bei, wenn es zu viel davon gibt. Sind die Speicher in Leber und Niere überfüllt, wird Zucker in Fett umgewandelt und angelagert, zum Beispiel im Blut und in unseren Organen. Ab wann Zucker schädlich ist, entscheidet die Menge, die wir zu uns nehmen.
Zuckerarten und ihre Auswirkungen
Glukose ist lebensnotwendig. Doch unsere Lebensmittel enthalten noch viele andere Zuckerarten. Sie sind versteckt, denn in den Inhaltsangaben steht meist nicht einfach Zucker. Stattdessen tauchen da viele andere Namen auf. Einige der gängigsten Bezeichnungen für verschiedene Zucker sind:
- Saccharose: Einer der Inhaltsstoffe von Haushaltszucker, der aus Zuckerrohr oder Zuckerrüben gewonnen wird.
- Dextrose: Das Gleiche wie Glukose, der Körper kann es selbst gewinnen und findet es außerdem in Früchten und Honig.
- Raffinose: Ein sogenannter Dreifachzucker, der aus Galactose, Glucose und Fructose besteht. Raffinose findet sich in Hülsenfrüchten wie Erbsen oder Bohnen.
- Fruktose: Fruchtzucker, wie er in Äpfeln und Birnen vorkommt, und auch zum Teil in Haushaltszucker.
Für alle Zuckerarten gilt: Keine davon muss dem Körper extra gegeben werden. Auch nicht Glukose, etwa in Form von Traubenzucker. Unser Körper ist so clever, dass er alles Wichtige aus einer ausgewogenen Ernährung rausholen kann. Nehmen wir dem Körper diese Aufgabe ab, gerät der Stoffwechsel durcheinander.
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Empfohlene Zuckermenge und Folgen von übermäßigem Konsum
Die WHO empfiehlt, dass die Aufnahme von Zucker, zum Beispiel in Form von Haushaltszucker und Fruchtsäften, nicht mehr als 25 bis 50 Gramm pro Tag sein sollte. In Deutschland nehmen die Menschen durchschnittlich rund das Doppelte davon zu sich. Nehmen wir zu viel Zucker zu uns, dann haben wir es mit einer langen Reihe von Folgen zu tun. Dazu gehören unter anderem:
- Karies
- Gewichtszunahme
- Müdigkeit, Antriebs- und Energielosigkeit
- Nervosität, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche, Depressionen, Angstzustände
- Magen- und Darmprobleme wie Völlegefühle, Blähungen, Durchfall und Verstopfung
- Haarausfall und Hautkrankheiten
- Pilzbefall
Obwohl wir viele dieser Folgen kennen, gibt es einen scheinbar unstillbaren Zuckerhunger. Unser Gehirn ist noch von Urzeiten so programmiert: Zuckerreiche Lebensmittel brauchen wir und sie lassen sich gut verwerten. Dieses Signal ist intuitiv vorhanden, auch wenn die Urzeiten schon lange vorbei sind und es damals kaum Süßes gab, wie wir es heute kennen. Hunger ist ein Signal, mit dem unser Körper uns sagt, dass ihm was fehlt. Meistens sind es Vitamine, Mineralien und andere wertvolle Sachen. Durch Zucker wird, gerade weil er kaum wertvolle Stoffe enthält, das Signal lauter - erst recht, wenn der Insulinspiegel nach der Zuckerverwertung wieder sinkt. Da uns unser Körper mit dem Hunger nicht genau sagen kann, was er braucht, nehmen wir im Zweifelsfall noch mehr Zucker zu uns.
Mythen rund um Zucker
Es gibt viele Mythen zum Thema Zucker. Einige davon sind:
- Zucker kann man einfach ersetzen: Ja und Nein. Es gibt viele Zuckerersatzstoffe. Je nach Art des Ersatzes mit verschiedenen Vor- und Nachteilen. Wichtig ist, dass Sie sich eingehend informieren, bevor Sie entscheiden, wie und womit Sie Zucker ersetzen. Auch ärztlicher Rat oder eine Ernährungsberatung kann Ihnen weiterhelfen.
- Brauner Zucker ist gesünder: Nein, es bleibt Zucker. Er hat aber mehr Mineralstoffe, wenn es zum Beispiel Vollrohrzucker ist. Es gibt aber auch nachträglich sogenannten gesund gefärbten Zucker.
- Zucker macht süchtig: Das ist medizinisch umstritten. Er wird von Ärztinnen und Ärzten zur Wundbehandlung eingesetzt und gibt Bakterien keine Chance.
- Man kann ohne Zucker einkochen und einwecken: Ja, man braucht Gelierzucker nicht. Beim Einkochen von Kompott wirkt die hohe Temperatur antibakteriell. Beim Einwecken wird Verdickungsmittel wie Agar Agar oder Pektin verwendet.
- Zuckerfreie Lebensmittel sind wirklich ganz ohne Zucker: Natürlich gibt es (fast) zuckerfreie Nahrung. Dazu gehört alles, was frisch genossen wird, zum Beispiel rohes Gemüse. Die Inhalte von Verpackungen auf denen zuckerfrei steht, verwenden meist einen Ersatz und erzeugen so den süßen Genuss.
Zuckerkonsum in Deutschland und Empfehlungen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung spricht sich gemeinsam mit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft e. V. und der Deutschen Diabetes Gesellschaft e. V. für eine maximale Zucker-Zufuhr von weniger als 10% der Gesamtenergiezufuhr aus. Bei einer geschätzten Gesamtenergiezufuhr von 2.000 kcal pro Tag entspricht diese Empfehlung einer maximalen Zufuhr von 50 g freien Zuckern pro Tag bzw. ca. 18 kg pro Jahr. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker lag 2022/2023 jedoch bei 91 g pro Tag bzw. über 33 kg pro Jahr, also deutlich zu hoch. Zu dieser Bilanz zählt nicht nur der zugesetzte Zucker, sondern auch der natürlich enthaltene Zucker, z. B. in Früchten, Honig oder Säften.
Gefahren von übermäßigem Zuckerkonsum
Erhöhter Zuckerkonsum führt nicht nur zu Blutzuckerspitzen, sondern beeinträchtigt die Leistungsfähigkeit des Immunsystems, führt zu Nährstoffmängeln, Hyperaktivität und vorzeitigem Altern und erhöht das Risiko für z. B. Diabetes, Autoimmunerkrankungen und Osteoporose. Hohe Blutzuckerspiegel schädigen außerdem die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden, wodurch die Blutzufuhr und damit die Versorgung der Gehirnzellen mit Nährstoffen gedrosselt wird. Dies kann zu verschiedenen neurologischen Erkrankungen wie z. B. Schlaganfall und Demenz führen. Hinzu kommt, dass Glykosaminoglykane auch direkt die Kognition einschränken können, indem sie die Funktion der Synapsen zwischen den Nervenzellen und die neuronale Plastizität beeinträchtigen.
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Metaanalyse bestätigt negative Auswirkungen auf kognitive Funktionen
Eine Metaanalyse von 77 Studien hat außerdem vor Kurzem die Auswirkungen von freiem und zugesetztem Zucker auf die kognitiven Funktionen zusammengefasst. Sie zeigte, dass ein chronisch übermäßiger Zuckerkonsum negativ mit Messungen der globalen kognitiven Funktion, der Exekutivfunktion und des Gedächtnisses korreliert. Dabei ist dieser Effekt v. a. bei zugesetztem Zucker und weniger bei natürlich enthaltenem Zucker zu finden, was vermutlich an den zusätzlichen Ballaststoffen und Vitaminen in z. B. Früchten liegt. Im Rahmen der Metaanalyse wurden außerdem zwei Arbeiten über Mutter-Kind-Paare gefunden, die einen Zusammenhang zwischen der mütterlichen Zuckeraufnahme und der Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen des Kindes aufzeigten.
Auswirkungen von Milchzucker auf das Gehirn
Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) haben nun herausgefunden, dass eine zuckerarme Ernährung auch unabhängig vom Blutzuckerspiegel positive Auswirkungen auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Gehirns haben könnte. „Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere Milchzucker die Neurodegeneration unseres Gehirns beschleunigen kann“, erklärt Professor Dr. Ralf Linker, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKR. Ausgangsbasis für die wissenschaftliche Arbeit war die Untersuchung der Auswirkung von Milchzucker auf das Gehirn bei Autoimmunerkrankungen, etwa bei der Multiplen Sklerose (MS). So stellte das Forscherteam fest, dass sich Milchzucker an Eiweiße anlagert und auf diese Weise die Isolierschicht von Zellen verändert, was zu einer schnelleren Abnutzung und Alterung von Gehirnzellen führt. Derartige Prozesse können einer Demenz wie der Alzheimer-Erkrankung den Weg bereiten.
Zucker als Energielieferant und neurotoxische Substanz
Um zu funktionieren, benötigt der menschliche Körper eine Vielzahl an Nährstoffen - auch Zucker. Als Energieträger ist er für das Hirn existenziell. Verständlich also, dass Traubenzucker ein beliebter Snack ist, um die Konzentration hochzuhalten. Doch die Dosis ist entscheidend. Ein hoher Blutzuckergehalt fördert die Entstehung von Adipositas und Diabetes. Doch Zucker ist auch eine "neurotoxische" Substanz. Das heißt, er schädigt Nervenzellen - unter anderem im Gehirn. Viele dieser Erkrankungen ließen sich durch einen gesünderen Lebensstil vermeiden. Dazu gehört auch ein geringerer Zuckerkonsum.
Mechanismen der Hirnschädigung durch Zucker
Was macht Zucker im Gehirn? Zum einen schädigen hohe Blutzuckerspiegel die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden. Das kann zu verschiedenen Einschränkungen führen - je nachdem, welcher Teil des Gehirns unterversorgt ist - und am Ende sogar eine gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz nach sich ziehen. Hinzu kommt, dass komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, womöglich auch direkt die geistige Leistung einschränken können. Neue Daten deuten darauf hin, dass sie die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen und somit die neuronale Plastizität beeinträchtigen. Außerdem gibt es eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn über einen Diabetes mellitus. Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. Man nimmt an, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört sein und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beitragen könnte.
Die Rolle von Dopamin und die Schwierigkeit des Zuckerverzichts
Die DGN und die Deutsche Hirnstiftung empfehlen einen möglichst geringen Zuckerkonsum. Das fällt häufig schwer, weil schon nach einer kleinen Dosis Zucker der Darm über den Vagusnerv Signale an das Gehirn sendet und dort das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet wird. So steigt das Bedürfnis nach mehr Zucker und dieser Vorgang könnte auch eine Erklärung sein, warum manche nach einem Stück Schokolade gleich die ganze Tafel essen. Auch der Ersatz von Zucker durch verschiedene Süßungsmittel ist laut Experten nicht unproblematisch. Zwar enthalten sie keine Kalorien, doch neue Studien deuten an, dass durch den Konsum von Süßungsmitteln auch die Zahl an Gefäßerkrankungen zunimmt.
Neuronale Mechanismen zur Verhinderung des Zelltods
Sauerstoff und Glukose sind die Nahrung unseres Gehirns. Fehlen sie, sterben die Nervenzellen ab, wie zum Beispiel beim Schlaganfall. Ein Schlüsselenzym des Zuckerstoffwechsels, die sogenannte Hexokinase II, reguliert das Überleben der Zelle. Die Forscher fanden heraus, dass das Enzym in den Nervenzellen des Gehirns bei Sauerstoffmangel aktiviert wird. Hier übernimmt das Enzym eine schützende Funktion. „Dieser Selbstschutz der Nervenzelle stellt eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen dar, aus der beispielsweise eine optimierte Schlaganfalltherapie entwickelt werden könnte“, so Meisel.
Dopamin und das Verlangen nach Zucker
Der Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln aktiviert unser dopaminerges System [Liu & Bohórquez, 2022], das im Gehirn für Motivation und Belohnung zuständig ist. Dies führt zur Ausschüttung von Dopamin. Wenn wir Zucker zu uns nehmen, steigt der Dopaminspiegel vorübergehend an. Das freigesetzte Dopamin verstärkt das Verhalten, das zu dieser Belohnung geführt hat, wie zum Beispiel Essen. Außerdem beeinflusst Dopamin, wie sehr wir uns anstrengen, um eine Belohnung zu erhalten. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung hat gezeigt, dass unmittelbar nach dem Verzehr von zuckerreichen Lebensmitteln Dopamin ausgeschüttet wird, noch bevor die Nahrung den Magen erreicht. Je nach individuellem Verlangen wird sogar zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich viel Dopamin ausgeschüttet. Die Gehirne der Proband:innen mit einem stärkeren Verlangen nach der zuckerreichen Nahrung schütteten direkt nach dem Verzehr eine größere Menge an Dopamin aus, jedoch wieder weniger, wenn die Nahrung den Magen erreicht hatte [Thanarajah et al., 2019].
Langanhaltende Veränderungen durch Zuckerkonsum
Ein ständiger Zuckerkonsum kann dazu führen, dass wir immer mehr Zucker essen wollen. Eine Studie der Forschungsgruppe Tittgemeyer zeigte, dass Proband:innen, die über acht Wochen lang täglich einen zucker- und fettreichen Pudding aßen, stärker auf zuckerreiche Nahrung reagierten als diejenigen, die einen Pudding mit der gleichen Kalorienzahl, aber deutlich weniger Fett und Zucker verzehrten. Der erhöhte Zuckerkonsum veränderte die neuronalen Schaltkreise so, dass zuckerreiche Nahrung bei den Proband:innen eine stärkere belohnende Wirkung hatte und sie nach dem Experiment zucker- und fettreiche Lebensmittel positiver bewerteten [Thanarajah et al., 2023].