Zucker, oft als das süße „weiße Gold“ bezeichnet, ist in unserer modernen Ernährung allgegenwärtig. Er begegnet uns in verschiedensten Formen und ist in fast jedem verarbeiteten Lebensmittel zu finden. Zucker kann Glücksgefühle auslösen und uns schnell verfügbare Energie liefern, doch er birgt auch Gefahren und ist einer der Hauptverursacher zahlreicher Krankheiten wie Diabetes und Herzerkrankungen. Doch was macht Zucker so unwiderstehlich und wie viel Zucker benötigt unser Gehirn tatsächlich?
Die Allgegenwärtigkeit des Zuckers
Ob in Süßigkeiten, Obst oder als Stärke im Getreide: Zucker scheint allgegenwärtig zu sein. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker in Deutschland lag im Jahr 2022/23 bei rund 33 Kilogramm, was etwa 90 Gramm Zucker pro Tag entspricht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt jedoch, die Zuckermenge pro Tag unter 50 Gramm zu halten. Diese Diskrepanz zeigt, dass wir im Durchschnitt deutlich mehr Zucker konsumieren als empfohlen.
Der Einfluss von Dopamin: Warum Zucker so unwiderstehlich ist
Der Verzehr von zuckerhaltigen Lebensmitteln aktiviert unser dopaminerges System, das im Gehirn für Motivation und Belohnung zuständig ist. Dies führt zur Ausschüttung von Dopamin. Wenn wir Zucker zu uns nehmen, steigt der Dopaminspiegel vorübergehend an. Das freigesetzte Dopamin verstärkt das Verhalten, das zu dieser Belohnung geführt hat, wie zum Beispiel Essen. Außerdem beeinflusst Dopamin, wie sehr wir uns anstrengen, um eine Belohnung zu erhalten.
Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Stoffwechselforschung hat gezeigt, dass unmittelbar nach dem Verzehr von zuckerreichen Lebensmitteln Dopamin ausgeschüttet wird, noch bevor die Nahrung den Magen erreicht. Je nach individuellem Verlangen wird sogar zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedlich viel Dopamin ausgeschüttet. Die Gehirne der Probanden mit einem stärkeren Verlangen nach der zuckerreichen Nahrung schütteten direkt nach dem Verzehr eine größere Menge an Dopamin aus, jedoch wieder weniger, wenn die Nahrung den Magen erreicht hatte.
Langanhaltende Veränderungen im Gehirn durch Zuckerkonsum
Ein ständiger Zuckerkonsum kann dazu führen, dass wir immer mehr Zucker essen wollen. Eine Studie der Forschungsgruppe Tittgemeyer zeigte, dass Probanden, die über acht Wochen lang täglich einen zucker- und fettreichen Pudding aßen, stärker auf zuckerreiche Nahrung reagierten als diejenigen, die einen Pudding mit der gleichen Kalorienzahl, aber deutlich weniger Fett und Zucker verzehrten. Die Forschenden maßen die Aktivität bestimmter Hirnregionen und fanden heraus, dass das dopaminerge System besonders stark bei den Probanden aktiviert wurde, die den fett- und zuckerreicheren Pudding aßen. Der erhöhte Zuckerkonsum veränderte die neuronalen Schaltkreise so, dass zuckerreiche Nahrung bei den Probanden eine stärkere belohnende Wirkung hatte und sie nach dem Experiment zucker- und fettreiche Lebensmittel positiver bewerteten.
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Die Rolle des Gehirns im Zuckerstoffwechsel
Der Zuckerstoffwechsel ist ein fein austariertes System mit vielen Akteuren: Magen, Darm und Leber dienen als Werkstätten und Umschlagplätze, Enzyme und Hormone fungieren als Spalt- und Aufbauwerkzeuge, für die Kommunikation ist das Nervensystem zuständig, den Transport übernimmt der Blutkreislauf. Alles super geregelt, fehlt nur noch eine Instanz, die das hochkomplexe Gefüge steuert. Diese Leitstelle sitzt ganz oben, in der Chefetage des Körpers, im Gehirn. Hier laufen alle Fäden zusammen, hier werden die Prozesse angestoßen und überwacht, Messwerte analysiert und Zuckerkontingente angewiesen.
Das Gehirn als "Zuckervielfraß"
Das Gehirn ist nicht nur die Schaltstelle der gesamten Glucoseliefer- und Versorgungskette, sondern auch ihr eigensüchtiger End- und Hauptverbraucher, ein echter Zuckervielfraß. Kein anderes Organ verbraucht mehr Energie. Obwohl es mit einem Durchschnittsgewicht von rund 1.400 Gramm nur etwa zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, konsumiert das Gehirn im Normalbetrieb bis zu 140 Gramm Glucose täglich. Das entspricht etwa 75 Prozent der in allen Körperzellen verbrauchten Glucosemenge. In Stresssituationen schnellt der Zuckerbedarf sogar bis auf 95 Prozent des Gesamtverbrauchs hoch.
Der Brain-Pull: Wie das Gehirn sich seinen Zucker sichert
Um seine Versorgung zu sichern, agiert das Gehirn wie ein Despot. Es schanzt sich den Löwenanteil der insgesamt verfügbaren Zuckermenge ohne jeden Skrupel selbst zu. Dazu nutzt es einen Mechanismus, den der Lübecker Medizinprofessor Achim Peters 1998 erstmals als Brain-Pull beschrieben und seither immer genauer erforscht hat. Das von ihm entdeckte Pull-Prinzip stellt die bisherigen Funktionsmodelle der Zuckerverteilung buchstäblich auf den Kopf.
Peters und sein Forschungsteam fanden heraus, dass sich das Gehirn nicht mit einer passiven Glucosezuteilung abspeisen lässt. Es holt sich, was es braucht. Das Hirn löst einen Pull aus und zieht die akut nötige Glucosemenge aktiv aus den Energiespeichern in der Leber, in den Muskeln und im Blut ab. Was wie ein ruchloser Egotrip aussieht, ist schiere Notwendigkeit: Das Gehirn kann keine Energiereserven speichern und ist auf stetig frisch zugeführte Glucose angewiesen. Schon kleinste Unterbrechungen der zerebralen Zuckerbelieferung haben dramatische Folgen: Nach zehn Sekunden kommt es zu Funktionsausfällen, danach drohen Ohnmacht und Koma, bereits nach wenigen Minuten treten irreversible Hirnschäden ein.
Das Gehirn kann also gar nicht anders: Es muss im Interesse des Gesamtsystems unbedingt seine unterbrechungsfreie und bedarfsgerechte Vorzugsversorgung mit Zucker aufrechterhalten. Dafür sorgt der Brain-Pull. Ausgelöst und geregelt wird der aktive Glucoseanfordungsmechanismus mithilfe einer raffinierten, hormongesteuerten Dreifachstrategie. Sinkt der Glucosespiegel des Gehirns, regt es zunächst die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin an. Die Agenten des Stresssystems blockieren unverzüglich die gesamte Insulinproduktion der Bauchspeicheldrüse. Aufgrund der Insulinblockade können Organe, Muskeln und Zellen keine Glucose mehr aufnehmen. Gleichzeitig wird die Leber durch eine erhöhte Glucagonausschüttung angeregt, vermehrt eingelagerten Speicherzucker (Glykogen) freizusetzen. Schließlich wird noch parallel dazu der Blutfluss zum Kopf verstärkt. Damit läuft die Notversorgung auf vollen Touren. Die gesamte vermehrt produzierte und angelieferte Glucose steht nun allein dem Zentralorgan zur Verfügung. Sobald die zerebralen Glucosesensoren wieder einen ausreichenden Zuckerpegel registrieren, deaktiviert das Gehirn den Brain-Pull und dämpft das Stresssystem.
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Die tatsächliche Zuckermenge, die das Gehirn benötigt
Wenn man im Internet die Frage „Wie viel Zucker benötigt das Gehirn?“ eingibt, erhält man häufig die Antwort: „Richtig ist: Das menschliche Gehirn benötigt etwa 130 Gramm vom Einfachzucker Glukose am Tag." Unser Gehirn ist ein stark beanspruchtes Organ. Ebenso ist das Gehirn für unwillkürliche Vorgänge in unserem Körper verantwortlich, die für das Überleben wichtig sind, z. B. die Atmung, die Regulierung der Körpertemperatur und die Ausschüttung von Hormonen. Obwohl unser Gehirn nur 2 % des Körpergewichts ausmacht, verbraucht es 20 % unserer täglichen Energie. Um alle wichtigen Funktionen aufrecht zu erhalten, benötigt das Gehirn eine ständige Versorgung mit Energie.
Bei Menschen, die sich mäßig bis reichlich kohlenhydratreich ernähren, ist die Hauptenergiequelle des Gehirns Glukose. Bei Menschen, die sich kohlenhydratarm (striktes LCHF oder Keto) ernähren, kann das Gehirn einen großen Teil seines Energiebedarfs mit Ketonen decken. Man schätzt, dass das Gehirn, wenn es mit Kohlenhydraten versorgt wird, etwa 130 Gramm Glukose (aus der Aufspaltung von Kohlenhydraten, die man bei seinen Mahlzeiten zu sich nimmt) pro Tag benötigt, um optimal zu funktionieren. Doch die meisten Menschen, die sich heute kohlenhydratreich ernähren, nehmen etwa doppelt so viele Kohlenhydrate zu sich, wie ihr Gehirn verbraucht, und versorgen sich so mit reichlich Glukose.
Wenn man dann mehrere Stunden lang keine Kohlenhydrate zu sich nimmt, wird Leberglykogen in Glukose umgewandelt und in den Blutkreislauf abgegeben, um zu verhindern, dass der Blutzuckerspiegel zu stark absinkt. Obwohl in den Muskeln viel mehr Glykogen gespeichert ist als in der Leber, verbleibt es in den Muskeln, um deren Energiebedarf zu decken, und wird nicht in den Blutkreislauf abgegeben, um den Blutzucker zu erhöhen. Ketone können entweder aus dem Nahrungsfett oder aus den Fettspeichern des Körpers hergestellt werden. Sie können die Blut-Hirn-Schranke überwinden und das Gehirn mit einer zusätzlichen Energiequelle versorgen. Das bedeutet, dass dem Gehirn eine weitere Brennstoffquelle zur Verfügung steht, wenn die gespeicherten Kohlenhydrate im Körper zur Neige gehen.
Alternative Energiequellen: Ketone und Gluconeogenese
Unser Gehirn benötigt nicht immer Glukose. Forscher haben jedoch gezeigt, dass bei einigen Menschen, die striktes LCHF oder Keto essen, bis zu 70 % des Energiebedarfs des Gehirns durch Ketone gedeckt werden können. Für den restlichen Energiebedarf des Gehirns kann die Leber die gesamte benötigte Glukose durch einen Prozess herstellen, der als Glukoneogenese (wörtlich „Herstellung neuer Glukose“) bekannt ist. Wir benötigen also gar keine Zufuhr von Glukose aus unserer Ernährung.
Die Anpassung des Gehirns an verschiedene Ernährungsweisen
Wenn man sich kohlenhydratreich ernährt, ist das Gehirn nicht an die Verwendung von Ketonen gewöhnt. Daher wird Glukose die Hauptbrennstoffquelle für das Gehirn sein. Sobald sich der Körper an eine sehr kohlenhydratarme Ernährung gewöhnt hat, verwendet das Gehirn Ketone, um einen Großteil seines Energiebedarfs zu decken, und die Leber stellt so viel Glukose her, wie zur Deckung des restlichen Bedarfs erforderlich ist. In dieser Umstellungszeit kann es allerdings zu Beschwerden kommen, die jedoch in der Regel schnell wieder vorbei sind.
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Alle Kohlenhydrate (Zucker, Stärke) werden im Körper zu Glukose umgebaut. Die überschüssige Glukose wird in den Leber- sowie Muskelzellen in Form von Glykogen gespeichert. 1 g Glykogen bindet etwa 3 g Wasser. Wer seine Ernährung umstellt und wesentlich weniger Kohlenhydrate konsumiert, baut die Glykogenspeicher ab und verliert daher in den ersten Tagen viel Wasser und somit Salz und Elektrolyte über den Urin. Das kann folgende Symptome nach sich ziehen: Kopf- und Gliederschmerzen, Müdigkeit, Reizbarkeit, allgemeines Schwächegefühl. Also Symptome, die wir alle bei einem grippalen Infekt erleben. Daher kommen die Namen wie Keto-Grippe, Low-Carb-Grippe, Carb-Kater oder auch Atkins-Flu.
Die beschriebenen Symptome treten mehr oder weniger ausgeprägt auf. In der Umstellungsphase wird manchmal gedacht, dass die neue Ernährung ja doch nicht so gut sein kann. Doch halte durch, nach maximal einer Woche ist in der Regel alles überstanden. Der Körper benötigt einfach etwas Zeit, um von einem auf den anderen Energieträger umzustellen, also von Kohlenhydraten auf Fett. Bei der Ernährungsumstellung bekommen nämlich die Kohlenhydratarbeiter plötzlich Kurzarbeit verordnet und die Fettarbeiter sind noch gar nicht auf den ungewohnten Ansturm vorbereitet und schwächeln noch heftig. Es bedarf einfach eine gewisse Zeit, bis die Arbeit wieder reibungslos laufen kann, das ist die Phase der Keto-Grippe, die auch Ketoadaption genannt wird.
Die Vorteile einer Kombination aus Ketonen und Glukose
Einige Experten sind der Ansicht, dass eine Kombination aus Ketonen und Glukose besonders vorteilhaft für das Gehirn sein kann, insbesondere bei Menschen mit neurologischen und psychischen Störungen. Glukose ist normalerweise der Hauptbrennstoff des Gehirns. Im Gegensatz zu den Muskeln kann das Gehirn kein Fett als Brennstoffquelle nutzen. Es kann jedoch Ketone verwenden.
Ketone werden immer dann in geringen Mengen produziert, wenn man viele Stunden lang nichts isst, z. B. nach einer langen Nachtruhe. Auch beim Fasten oder wenn die Kohlenhydratzufuhr unter 50 Gramm pro Tag fällt, steigert die Leber die Ketonproduktion jedoch noch stärker. Wenn Kohlenhydrate weggelassen oder minimiert werden, können Ketone bis zu 75 % des Energiebedarfs des Gehirns decken. Obwohl der größte Teil des Gehirns Ketone verwenden kann, gibt es Bereiche, die Glukose benötigen, um zu funktionieren. Der Rest stammt aus einem körpereigenen Prozess, der Gluconeogenese genannt wird, was so viel bedeutet wie „Herstellung neuer Glukose“. Bei diesem Prozess stellt die Leber Glukose her, die das Gehirn nutzen kann. Die Leber stellt die Glukose aus Aminosäuren her, den Bausteinen von Eiweiß. Die Leber kann Glukose auch aus Glyzerin herstellen. Dank der Gluconeogenese werden die Teile des Gehirns, die Glukose benötigen, auch bei einer sehr geringen Kohlenhydratzufuhr ständig versorgt.
Die Flexibilität des Körpers: Keine Kohlenhydrate sind auch eine Option
Was passiert, wenn man weit weniger als 130 Gramm Kohlenhydrate pro Tag oder sogar gar keine Kohlenhydrate isst? Ist das gefährlich? Deine Leber und deine Muskeln speichern Glukose in Form von Glykogen. Unser Gehirn benötigt definitiv keine 130 g Glukose bzw. Kohlenhydrate pro Tag. Unser Körper ist so genial konzipiert, dass für ihn die Kohlenhydrate nicht lebenswichtig sind.
Die Auswirkungen von zu viel Zucker auf das Gehirn
Unser Gehirn braucht Zucker, um zu funktionieren. Doch zu viel davon befeuert auf Dauer die Entstehung von neurologischen Krankheiten. Hohe Blutzuckerspiegel schädigen die Hirngefäße und führen zu Ablagerungen an den Gefäßwänden. Das kann zu verschiedenen Einschränkungen führen - je nachdem, welcher Teil des Gehirns unterversorgt ist - und am Ende sogar eine gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz nach sich ziehen. In Deutschland erkranken jährlich etwa 250.000 Menschen an einer Demenz, davon 15 bis 25 Prozent an einer gefäßbedingten Demenz.
Die Rolle von Glykosaminoglykanen und neuronaler Plastizität
Komplexe Zuckermoleküle im Gehirn, sogenannte Glykosaminoglykane, können womöglich auch direkt die geistige Leistung einschränken. Neue Daten deuten darauf hin, dass sie die Funktion der Synapsen, den Schaltstellen zwischen den Nervenzellen und somit die neuronale Plastizität beeinträchtigen. Das ist die Fähigkeit von Nervenzellen und Gehirnarealen, sich anzupassen und bei Bedarf zu erweitern. Bereits vor 20 Jahren hatte eine Studie darauf hingedeutet, dass eine fett- und zuckerreiche Kost die neuronale Plastizität stört. Langfristig beeinträchtigte das auch die Funktion unseres Gedächtnisareals im Gehirn, den Hippocampus.
Diabetes und das erhöhte Demenzrisiko
Außerdem gibt es eine indirekte hirnschädigende Wirkung von zu hohem Zuckerkonsum auf das Gehirn über einen Diabetes mellitus. Seit den 90er Jahren ist bekannt, dass Menschen mit Typ-2-Diabetes ein deutlich erhöhtes Demenzrisiko aufweisen. Man nimmt an, dass der Glukose-Stoffwechsel auch in den Neuronen gestört sein und so zur Entstehung der Alzheimer-Erkrankung beitragen könnte.
Die Notwendigkeit eines bewussten Zuckerkonsums
Ein bewusster, möglichst geringer Zuckerkonsum ist daher ratsam. Leider fällt das vielen Menschen schwer - und die Gründe dafür sind ebenfalls im Gehirn zu verorten. Es ist sinnvoll, durch weitgehenden Verzicht auf Zucker diesem Teufelskreis zu entgehen. Die Anstrengung lohnt sich. Die deutsche Zuckerverbrauch lag 2021/22 bei über 33 Kilogramm pro Kopf - und war damit fast doppelt so hoch wie empfohlen.
Gesunde Ernährung für ein gesundes Gehirn
Mit gesunder Ernährung können wir das Gehirn unterstützen und sogar das Risiko für Alzheimer reduzieren. Nüsse, Haferflocken, Beeren und Kichererbsen versorgen uns mit B-Vitaminen, Flavonoiden und Eiweiß. Unser Gehirn macht zwar nur ein Fünfzigstel unseres Körpergewichts aus, verbraucht aber ein Fünftel unserer Energie. Kein Wunder, denn es ist immer im Dienst - und immer hungrig. Es gibt viele Lebensmittel, mit denen wir unsere grauen Zellen unterstützen können.
Wasser, Flavonoide und gefäßgesunde Ernährung
Nichts braucht unser Gehirn so sehr wie Wasser. Reicht die Flüssigkeit nicht aus, schrumpfen die Gehirnzellen, die Neuronen, und funktionieren nicht mehr richtig. Das Gehirn kann dann nicht mehr gut denken. Grundsätzlich gilt: Ungesunde Nahrungsmittel, die Herzinfarkte oder Schlaganfälle begünstigen, fördern auch Durchblutungsstörungen im Gehirn, die lange unbemerkt bleiben können. Deshalb sollte man möglichst frühzeitig auf eine gefäßgesunde Ernährung achten.
Auch wenn es sich in jedem Alter lohnen kann, seine Ernährung auf eine gesündere Ernährungsform wie die mediterrane Küche umzustellen, ist der Effekt für das Gehirn umso größer, je früher man beginnt. Flavonoide stecken in vielen Obst- und Gemüsesorten und sorgen für deren Färbung, etwa in Beeren, Äpfeln, Paprika und Zwiebeln. Auch in Kakao, grünem und schwarzem Tee sind diese sekundären Pflanzenstoffe enthalten. Flavonoidreiche Lebensmittel schützen die Gehirnfunktion. Insbesondere, wenn sie lebenslang gegessen werden. Eine Studie der Columbia University zeigte einen positiven Effekt auch bei Älteren. Untersucht wurde der Effekt von Flavonolen, einer Unterart der Flavonoide, auf die Gedächtnisleistung. Gerade ältere Menschen, die sich länger flavonol-arm ernährt hatten, profitierten von der täglichen Einnahme eines kakaohaltigen Flavonolextraktes. Nach einem Jahr normalisierte sich die Gedächtnisleistung.
Haferflocken, Nüsse, Eier und Fisch für die Gehirnfunktion
Unser Gehirn braucht 120 bis 140 Gramm Glukose pro Tag, um ausreichend mit Energie versorgt zu werden. Bekommt es zu wenig, schaltet es auf Sparflamme und verliert an Leistungsfähigkeit. Um schnell wieder besser denken zu können, greifen viele Menschen in solchen Momenten zu Traubenzucker. Gute Energielieferanten für das Gehirn sind Haferflocken, denn sie lassen den Blutzuckerspiegel langsam steigen. Hafer gilt zudem als Muntermacher, beugt Nervosität, Stress und Konzentrationsproblemen vor.
Nüsse sind reich an ungesättigten Fettsäuren und B-Vitaminen. Vor allem Walnüsse gelten als Brainfood, denn sie liefern neben Omega-3-Fettsäuren auch Eiweiß und die Vitamine B1, B2, B6 und E. Für den internen Informationsaustausch, also beim Lernen und Erinnern, benötigt unser Gehirn auch reichlich Aminosäuren. Die bekommt es aus Eiweiß, zum Beispiel aus Eiern oder Quark, aber auch aus pflanzlichen Quellen: Kichererbsen liefern neben Eiweiß reichlich B-Vitamine und auch Sojabohnen (zum Beispiel Sojamilch, Tofu) sind nicht nur gute Eiweißquellen, sondern enthalten auch die Vitamine B1, B2 und B6, dazu Eisen, Magnesium und Zink.
Fisch liefert reichlich Omega-3-Fettsäuren, genauer die Fettsäuren DHA und EPA. Sie wirken entzündungshemmend und halten die Wände unserer Zellen geschmeidig. Davon profitieren auch die grauen Zellen, denn für Verfallsprozesse im Gehirn sind oft Entzündungen mitverantwortlich. Zum Brainfood werden auch Obstsorten wie Beeren gezählt, die reich an sogenannten Antioxidantien sind. Diese Stoffe schützen unsere grauen Zellen zum Beispiel vor Stress.
Die Rolle des Darm-Mikrobioms
Die Wirkung von Nahrungsmitteln auf die Gehirngesundheit wird nach wissenschaftlichen Erkenntnissen maßgeblich über das Darm-Mikrobiom vermittelt. Die Darmbakterien verarbeiten, was an Nahrungsresten bei ihnen ankommt. Dabei entstehen Stoffwechselprodukte, die über die Darmwand und die Blutbahn direkt ins Gehirn gelangen oder indirekt den Vagusnerv die Kommunikationsautobahn ins Gehirn beeinflussen.
Eine ausgewogene Ernährung für ein widerstandsfähiges Gehirn
Auch wenn einzelne Lebensmittel keinen Einfluss auf unsere Intelligenz haben und auch die Entstehung von Demenzerkrankungen wie Alzheimer nicht unbedingt verhindern können, so kann eine abwechslungsreiche, gesunde Ernährung doch das Risiko reduzieren. Ziel ist, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes zu vermeiden - das hilft dann auch der Widerstandsfähigkeit des Gehirns.
Zucker in der Ernährung: Was ist zu beachten?
Als Zucker gelten in der EU alle sogenannten Mono- und Disaccharide, also Ein- und Zweifachzucker. Anders als häufig vermutet und vom Bundesernährungsministerium unterstellt wird, gibt es keine Notwendigkeit, Zucker als Lebensmittel aufzunehmen. Richtig ist: Das menschliche Gehirn benötigt etwa 130 Gramm vom Einfachzucker Glucose am Tag. Der Körper ist jedoch in der Lage, diese Glucose aus Polysacchariden (Stärke) aufzuspalten, die beispielsweise in Brot oder Nudeln enthalten ist.
Von einer hohen Zufuhr von Zucker wird abgeraten, da dies die Entstehung von Übergewicht, Fettleibigkeit und andere chronische Erkrankungen fördern kann. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt, nicht mehr als 10 Prozent der täglichen Energiemenge durch sogenannte „freie Zucker“ aufzunehmen, besser noch wären maximal 5 Prozent. Freie Zucker sind alle in Form von Mono- oder Disaccharide zugesetzten Zucker sowie Zucker aus Honig, Sirup und Säften. Die Amerikanische Herzgesellschaft (American Heart Association) empfiehlt für Kinder und Jugendliche maximal 25 Gramm zugesetzte Zucker am Tag. Zudem hat sie eine konkrete Empfehlung für den Verzehr von zuckergesüßten Getränken durch Kinder und Jugendliche: maximal 240 Milliliter pro Woche. Von dieser Empfehlung ist der tatsächliche Verzehr weit entfernt. Jungen zwischen 12 und 17 Jahren konsumieren in Deutschland durchschnittlich knapp einen halben Liter (484 Milliliter) zuckergesüßte Limonaden pro Tag. Es ist wenig verwunderlich, dass gerade Kinder und Jugendliche sich unausgewogen ernähren: Die Lebensmittelwirtschaft betreibt gezieltes Marketing mit Comicfiguren und Fußballstars, was nachweislich deren Geschmacksvorlieben beeinflusst.
Milchzucker und Neurodegeneration
Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) haben nun herausgefunden, dass eine zuckerarme Ernährung auch unabhängig vom Blutzuckerspiegel positive Auswirkungen auf die langfristige Leistungsfähigkeit des Gehirns haben könnte. „Unsere Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass insbesondere Milchzucker die Neurodegeneration unseres Gehirns beschleunigen kann“, erklärt Professor Dr. Ralf Linker, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie des UKR. Ausgangsbasis für die wissenschaftliche Arbeit war die Untersuchung der Auswirkung von Milchzucker auf das Gehirn bei Autoimmunerkrankungen, etwa bei der Multiplen Sklerose (MS). Zwar konnten keine Hinweise finden, dass ein höherer Zuckerkonsum das Risiko für MS im Modell beeinflusst oder direkt das Immunsystem verändert, allerdings zeigten sich direkte Auswirkungen von Milchzuckerkonsum auf das Gehirn.
Das Forscherteam stellte fest, dass sich Milchzucker an Eiweiße anlagert und auf diese Weise die Isolierschicht von Zellen verändert, was zu einer schnelleren Abnutzung und Alterung von Gehirnzellen führt. Derartige Prozesse können einer Demenz wie der Alzheimer-Erkrankung den Weg bereiten.
Der gesunde Mittelweg: Balance ist entscheidend
Ein schmaler Grat, weil das Gehirn auch bekanntermaßen Zucker benötigt, um Leistung zu erbringen, um zu funktionieren. „Unser Gehirn verbraucht jede Menge Energie. In diesem Fall ist Glukose in Form von Traubenzucker ein exzellenter Lieferant“, so Professor Linker weiter. Das Gehirn beansprucht im Normalbetrieb etwa 75 Prozent der in allen Körperzellen verbrauchten Glukose. Es gilt also den gesunden Mittelweg zu finden, um den Zuckerhaushalt konstant zu halten und nicht zu unterzuckern, um die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. In ihrer Studie konnten die Wissenschaftler nun beweisen, dass ein Zuviel an Zucker nicht nur Herz, Leber und andere Organe schädigen kann, sondern eben auch das Gehirn.