Alpha-Liponsäure und Polyneuropathie: Erfahrungen, Studien und Therapieansätze

Die Polyneuropathie, eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, betrifft in Deutschland einen erheblichen Teil der Bevölkerung, insbesondere ältere Menschen. Die distale, symmetrische sensible oder sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) ist die häufigste Ausprägung der diabetischen Neuropathie, von der mehr als 30 % aller Diabetiker betroffen sind. Typische Symptome sind Kribbeln, Parästhesien, Taubheitsgefühle und neuropathische Schmerzen. Neben der Optimierung der Blutzuckereinstellung und der Kontrolle von Risikofaktoren wie Hypertonie, Adipositas und Hyperlipidämie gibt es verschiedene Therapieansätze, darunter auch die Verwendung von Alpha-Liponsäure.

Ursachen und Diagnose der Polyneuropathie

Polyneuropathie bezeichnet eine systemische Erkrankung, bei der Schädigungen des peripheren Nervensystems auftreten und die Funktion der betroffenen Nerven gestört ist. Die Prävalenz in Deutschland liegt bei 2-3 % der Allgemeinbevölkerung, bei über 55-Jährigen sogar bei 8 %. Die Beschwerden treten meist symmetrisch an Unterschenkeln/Füßen bzw. Unterarmen/Händen auf, wobei die Beine stärker betroffen sind als die Arme.

Mögliche Ursachen für Polyneuropathie sind vielfältig:

  • Diabetes mellitus
  • Nierenschwäche
  • Lebererkrankung
  • Schilddrüsenunterfunktion
  • Medikamente (z. B. nach Chemotherapie)
  • Mangelernährung
  • Erregertoxikosen (z. B. Long- bzw. Post-COVID)

In vielen Fällen bleibt die Ursache trotz umfassender Diagnostik unklar, was als idiopathische Polyneuropathie bezeichnet wird. Die Diagnose umfasst Anamnese, körperliche Untersuchung (inklusive Reflexe, Vibrationsempfindung), Laboranalysen (Blutzucker, Leberwerte, Nierenfunktion usw.) und diverse Zusatzuntersuchungen je nach vermutetem Auslöser.

Es wird berichtet, dass die SDPN (schmerzhafte diabetische Polyneuropathie) nur in etwa 60 % der Fälle korrekt diagnostiziert wird. Viele Betroffene erhalten nicht indizierte Medikamente oder Arzneimittel ohne ausreichenden Wirkungsnachweis, während indizierte Substanzen häufig nicht verordnet oder unterdosiert werden.

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Therapieansätze bei Polyneuropathie

Moderne Behandlungskonzepte umfassen die Minimierung von Risikofaktoren und die Ausschöpfung der symptomatischen analgetischen Therapie, einschließlich innovativer Verfahren. Ein wichtiger modifizierbarer Risikofaktor ist die Glukosekontrolle: Bei Typ-1-Diabetes kann eine konsequente HbA1c-Senkung eine Polyneuropathie hinauszögern oder sogar verhindern.

Zur symptomatischen medikamentösen Therapie der schmerzhaften diabetischen Neuropathie werden Duloxetin, Amitriptylin, Pregabalin bzw. Gabapentin, Opioide sowie Capsaicin eingesetzt. Die DDG Praxisempfehlungen propagieren einen Therapiealgorithmus auf Basis von Mono- und Kombinationstherapien.

Eine Therapiestrategie, die in deutschen Leitlinien Erstlinientherapie ist, stellen hoch dosierte Capsaicinpflaster dar, die alle zwei bis drei Monate für ca. 30 Minuten auf die am stärksten schmerzenden Hautareale appliziert werden. Capsaicin bindet an die Schmerzrezeptoren in der Haut und führt zu einer chemischen Ablation der Nervenenden.

Trotz Ausschöpfung von Mono- und Kombinationstherapien gelingt nur bei höchstens zwei Drittel der Betroffenen eine Schmerzreduktion um mehr als 30 %. Deutlich höhere Ansprechraten (rund 90 %) bietet die tiefe (Hochfrequenz-)Rückenmarkstimulation, die bei Therapieresistenz erwogen werden kann.

Alpha-Liponsäure als kausale Therapieoption

Als kausale Therapieoption bei der schmerzhaften diabetischen Neuropathie wird das Antioxidans Alpha-Liponsäure diskutiert. Der Wirkstoff lindert neuropathische Schmerzen, allerdings nur über wenige Wochen.

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Alpha-Liponsäure, deren antioxidative Wirkungen bekannt sind, verbessert unter anderem die Eigenschaften der Nervenleitung und die Durchblutung der Nerven. Eine internationale Studiengruppe untersuchte in der SYDNEY-Studie, ob Alpha-Liponsäure auch die bei der diabetischen Nervenerkrankung auftretenden Beschwerden verbessert.

In der Studie erhielten 120 Studienteilnehmer mit sensomotorischer Polyneuropathie im Stadium 2 entweder 600 mg Alpha-Liponsäure oder ein Placebo als Infusion. Nach 14 Behandlungen hatte sich der "Total Symptom Score" in der mit Alpha-Liponsäure behandelten Gruppe um durchschnittlich 5,7 Punkte verbessert, in der Placebogruppe nur um durchschnittlich 1,8 Punkte.

Die Ergebnisse zeigten, dass Infusionen von Alpha-Liponsäure rasch und in bedeutendem Ausmaß die Beschwerden der Nervenerkrankung wie Schmerz, Taubheitsgefühl oder Kribbeln verbesserten, was auf eine Verbesserung der Nervenfunktion zurückzuführen war. Aufgrund fehlender Nebenwirkungen und der Wirksamkeit auf die Beschwerden der Neuropathie wird die Alpha-Liponsäure als ein nützliches Medikament zur Behandlung der diabetischen Neuropathie angesehen.

Weitere Studien und Forschung zu Alpha-Liponsäure

Jahre nach Zulassung der Alpha-Liponsäure zur Behandlung der symptomatischen diabetischen Neuropathie wurde eine große, randomisierte, plazebokontrollierte Phase-III-Studie geplant, um den Nutzen der Substanz genauer zu untersuchen. In dieser Studie sollten Symptome und Nervenfunktion bei 500 Patienten über mindestens zwei Jahre verfolgt werden.

Die Hoffnung, dass die Alpha-Liponsäure wirksam sein könnte, beruht auf In-vitro-Untersuchungen und tierexperimentellen Hinweisen auf eine antioxidative Schutzfunktion. Zudem zeigten erste plazebokontrollierte Studien am Menschen, dass die Alpha-Liponsäure zumindest eine kurzfristige positive Wirkung auf Symptome und einzelne Parameter der Nervenfunktionen hat.

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Die "Alpha-Lipoic-Acid in Diabetic Neuropathy" Studie (ALADIN) lieferte einen weiteren Beleg für einen Nutzen der Alpha-Liponsäure. In dieser Studie wurden 260 Patienten drei Wochen lang mit Infusionen von Plazebo oder 100, 600 oder 1 200 Milligramm Liponsäure behandelt. Nach drei Wochen zeigten die mit 600 und 1 200 Milligramm behandelten Patienten eine etwa 65prozentige Besserung des Symptom-Scores.

Es ist wichtig zu beachten, dass auch die Plazebobehandlung den Symptom-Score um 30 Prozent verbesserte, was die Bedeutung eines randomisierten und doppelblinden Designs in Neuropathie-Studien unterstreicht.

Alpha-Liponsäure in der Praxis

Viele Patienten fragen sich, ob sie sich mit Alpha-Liponsäure bei Polyneuropathie etwas Linderung verschaffen können. An vielen Stellen wird von großen Erfolgen durch die Alpha-Liponsäure berichtet. Alpha-Liponsäure kann bei Polyneuropathie durch Diabetes helfen, während die Datenlage bei anderen Ursachen der Polyneuropathie etwas unklarer ist.

Sicher ist, dass Infusionen mit Alpha-Liponsäure bessere Erfolgsaussichten haben als Kapseln. Allerdings gibt es bisher nur Forschungsergebnisse zur kurzzeitigen Anwendung. Die Ursache der Polyneuropathie ist natürlich auch für die Behandlung entscheidend.

Spezialisten berichteten, dass die intravenöse Gabe von Alpha-Liponsäure bei diabetischer Polyneuropathie die Symptome nach drei Wochen etwas verbesserte. Wenn die Alpha-Liponsäure als Kapsel geschluckt wurde, statt sie als Infusion zu geben, gibt es laut den Experten ebenfalls eine gewisse Wirkung, die allerdings viel schwächer ist.

Da tägliche Infusionen im Alltag recht schwierig zu bekommen sind, kann die Kapsel eine gute Alternative sein. Es gibt jedoch lediglich Studienergebnisse dazu, was in kurzen Zeiträumen passiert.

Zur Frage, ob die Alpha-Liponsäure bei Polyneuropathie durch Chemotherapie hilft, gibt es bisher nur sehr wenig Forschung. Krebspatienten sollten auf keinen Fall auf eigene Faust mit Alpha-Liponsäure experimentieren.

Da die Alpha-Liponsäure relativ wenige Nebenwirkungen hat und auch nicht sehr teuer ist, ist es denkbar, sie in Absprache mit Fachleuten einfach auszuprobieren. Falls kein Arzt oder Therapeut eine Infusion gibt, kann man es auch mit Kapseln probieren, sofern keine Medikamente eingenommen werden, mit denen die Alpha-Liponsäure wechselwirkt. Wichtig ist, eine ausreichende Menge (600 mg) einzunehmen und geduldig zu sein, da keine Heilung über Nacht zu erwarten ist. Bei zu hoher Einnahme kann es zu Schwindel, Übelkeit und Erbrechen kommen.

Vergleich mit anderen Therapieoptionen

Eine kleine Cross-over-Studie bei Patienten mit chronisch neuropathischen Schmerzen im Rahmen einer Polyneuropathie zeigte eine Überlegenheit von Pregabalin gegenüber Alpha-Liponsäure (ALA). Die Studie verglich die Kombination aus Alpha-Liponsäure und Pregabalin zur Behandlung neuropathischer Schmerzen mit den entsprechenden Monotherapien.

Die Ergebnisse zeigten eine signifikant niedrigere Schmerzintensität für Patienten, die Pregabalin und die Kombination aus Pregabalin und ALA erhalten hatten, im Vergleich zur ALA-Monotherapie. Die SF-36-Gesamtwerte waren für Pregabalin und die Kombinationstherapie ebenfalls besser als für ALA.

Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass Pregabalin bei Patienten mit chronisch-neuropathischen Schmerzen im Rahmen einer Polyneuropathie wirksamer ist als ALA. Die Kombination aus ALA und Pregabalin war dabei nicht wirksamer als die Pregabalin-Monotherapie. Ein Nachteil der Studie ist die fehlende Placebo-Gruppe, und die Behandlungsdauer war mit sechs Wochen relativ kurz.

Naturheilkundliche Therapieoptionen

In der Naturheilkunde existieren gute und vor allem nebenwirkungsarme bzw. -freie Therapiemöglichkeiten, um eine Polyneuropathie erfolgreich ganzheitlich zu behandeln. Dazu gehören insbesondere die Zufuhr von Alpha-Liponsäure, neurotrope Nährstoffe, B-Vitamine und Folsäure.

Weitere naturheilkundliche Therapieoptionen sind:

  • Neurotrope Nährstoffe (Benfotiamin, Uridinmonophosphat, Calcium-EAP)
  • B-Vitamine (Vitamin B12, Folsäure)
  • Biochemie (Kalium phosphoricum D6, Magnesium phosphoricum D6)
  • Physikalische Therapien
  • Physiotherapie
  • Entgiftungs- und Ausleitungstherapien
  • Säure-Basen-Haushalt

Ausblick

Verschiedene neue Therapieansätze durchlaufen zur Zeit Phase-2- und Phase-3-Studien und geben Hoffnung auf neue Behandlungsoptionen innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre. Dazu gehören die Gentherapie mit Engensis (VM202), Gabapentinoide wie Mirogabalin, die Modulation nozizeptiver Signalwege und topische Anticholinergika. Auch Sport wirkt der Problematik entgegen, wobei erste Erfolge erst nach zwei bis vier Jahren sichtbar werden.

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