Ein Schlaganfall tritt plötzlich und oft ohne Vorwarnung auf und ist in Europa die häufigste Ursache für dauerhafte Behinderungen. Jährlich erleiden etwa 250.000 Menschen in Deutschland eine relevante Durchblutungsstörung des Gehirns, die zu Sauerstoffmangel und dem Absterben von Hirngewebe führt. Die Folgen sind oft langwierig und beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen erheblich. Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl von Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen, die darauf abzielen, verlorene Funktionen wiederherzustellen und den Patienten zu helfen, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen.
Die Bedeutung der Neuroplastizität
Eine fundamentale Eigenschaft des Gehirns ist seine strukturelle und funktionelle Anpassungsfähigkeit an innere und äußere Einflüsse, die sogenannte neuronale Plastizität. Diese Fähigkeit ermöglicht es dem Gehirn, Nervenkontakte zu knüpfen, um neue Gedächtnisinhalte abzuspeichern, und ist eine Grundvoraussetzung für die Wiedergewinnung motorischer, sprachlicher oder kognitiver Fähigkeiten nach einer Hirnschädigung. Bereits in den ersten Wochen nach einem Schlaganfall kann es zu einer deutlichen Besserung neurologischer Ausfallssymptome kommen.
Funktionelle Bildgebung und Konnektivitätsanalysen
Mithilfe der funktionellen Bildgebung können neuartige Einblicke in die Funktionsstörung von Hirnarealen nach einem Schlaganfall gewonnen werden. Diese Erkenntnisse haben bereits jetzt die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden ermöglicht, welche Störungen in Hirnnetzwerken beheben und somit neurologische Ausfallserscheinungen von Schlaganfall-Patienten vermindern können. Der Begriff „Konnektivität“ beschreibt die strukturelle oder funktionelle Vernetzung von Hirnregionen. Modelle der effektiven Konnektivität erlauben eine kausale Beschreibung von Wechselwirkungen zwischen Hirnregionen nach Schlaganfall. So konnte mit dieser Analyseform erstmals gezeigt werden, dass unmittelbar nach Auftreten einer Schlaganfall-bedingten Lähmung das Zusammenspiel motorischer Areale auch fernab der Hirnläsion schwer gestört ist.
Neuromodulative Verfahren
Neuromodulative Verfahren haben das Ziel, motorische oder kognitive Fähigkeiten durch Manipulation der ihnen zugrunde liegenden funktionellen Hirnnetzwerke zu beeinflussen. Ein solcher Ansatz besteht in der pharmakologischen Stimulation von Nervenzellen über bestimmte Rezeptormoleküle.
Pharmakologische Stimulation
Tierexperimentelle Studien haben gezeigt, dass die Stimulation des Noradrenalin-Systems zu einem verbesserten Signal-zu-Rausch-Verhältnis im Entladungsmuster kortikaler Nervenzellen führt und somit die Informationsübertragungseffizienz in einem Hirnnetzwerk erhöht. Bei Patienten mit Hirnläsionen ist die Effizienz kortikaler Netzwerke meist herabgesetzt, sodass hier eine pharmakologische Stimulation zu einer Verbesserung der kortikalen Informationsverarbeitung und somit zu einer Verringerung von neurologischen Ausfallssymptomen führen könnte. Die Erhöhung der Noradrenalin-Konzentrationen durch Gabe des Medikaments Reboxetin führt tatsächlich zu Verbesserungen basalmotorischer Fähigkeiten wie Griffkraft und Fingertipp-Geschwindigkeiten der gelähmten Hand. Mithilfe der fMRT und Konnektivitätsanalysen konnte gezeigt werden, dass es unter Reboxetin im Vergleich zu Placebo zu einer Verringerung der pathologischen Hirnaktivität kommt. Gleichzeitig wird die Kopplung motorischer Areale in der geschädigten Hemisphäre verstärkt, insbesondere zwischen dem Handareal der geschädigten Hemisphäre (primär motorischer Kortex, M1) und dem supplementär motorischen Areal (SMA) , das an der Steuerung von Willkürbewegungen beteiligt ist.
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Transkranielle Magnetstimulation (TMS)
Ein weiterer Ansatz der nicht-operativen Neuromodulation besteht in der gezielten Stimulation kortikaler Areale. Die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) stellt ein schmerzfreies, nicht-invasives Verfahren dar, mittels dessen ultrakurze Magnetimpulse durch die Schädeldecke auf die Hirnrinde appliziert werden und somit die Erregbarkeit von Nervenzellen beeinflusst werden kann. Ein solches Verfahren kann also eingesetzt werden, um eventuelle hemmende Einflüsse der gesunden Hemisphäre nach Schlaganfall herabzuregulieren. Mithilfe der funktionellen Bildgebung konnte nachgewiesen werden, dass die Anwendung eines hemmenden rTMS-Protokolls über der motorischen Hirnrinde (Motokortex) der gesunden Hemisphäre von Schlaganfall-Patienten in der Tat zu einer Normalisierung krankhafter Überaktivität und einer Verbesserung der Fähigkeiten der gelähmten Hand führt. Hierbei kam es nicht nur zu einer Reduktion des pathologischen Einflusses des gesunden Hemisphäre auf den Motokortex der geschädigten Hemisphäre, sondern auch zu einer Normalisierung zuvor pathologisch reduzierter Kommunikation zwischen Hirnregionen. Eine Alternativstrategie zur Verbesserung der Netzwerkstruktur von Schlaganfall-Patienten besteht in der Behandlung der geschädigten Hemisphäre. Hier zeigte die Analyse der motorischen Verhaltensparameter, dass nach einer hochfrequenten, die Erregbarkeit steigernde rTMS über dem Motokortex der geschädigten Hemisphäre die Fähigkeiten der gelähmten Hand verbessert werden können. Jedoch nicht alle Patienten profitieren von der rTMS-Behandlung. Bei Patienten mit direkter Schädigung der motorischen Hirnrinde bewirkt eine solche Stimulation sogar eine vorübergehende Verschlechterung der gelähmten Hand. Auf neuraler Ebene zeigte sich bei diesen Patienten nach der rTMS-Behandlung eine deutliche Zunahme der pathologisch gesteigerten Aktivität beider Hemisphären.
Anwendung der TMS in Tübingen
Zum Einsatz kommt die TMS-Methode in der Neurologischen Universitätsklinik auf dem Gelände der Crona Kliniken in Tübingen. In der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt neurovaskuläre Erkrankungen arbeitet Prof. Dr. Ulf Ziemann mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seit vielen Jahren erfolgreich mit der TMS.
Ablauf der TMS-Therapie
Die TMS-Therapie besteht im Normalfall aus 18 Stimulations-Sitzungen. Zusätzlich sind ärztliche Vor- und Nachuntersuchungen sowie eine Zwischenuntersuchung vorgesehen. Üblicherweise werden drei Sitzungen pro Woche über eine Therapiedauer von sechs Wochen durchgeführt. Eine Sitzung dauert bis zu 30 Minuten. Die Behandlung ist nicht-invasiv. Eine TMS-Therapie muss grundsätzlich mit einer physiotherapeutischen Behandlung kombiniert werden. Durch die TMS-Ambulanz wird zunächst eine umfassende Untersuchung durchgeführt, um eine individuelle Therapieempfehlung zu geben.
Erfolgsaussichten und Einschränkungen
Es gibt weit über 50 publizierte Studien, die den Erfolg der TMS belegen. Die TMS-Therapie kann eine Verbesserung von Schlaganfallsymptomen begünstigen, vorrangig die Funktionsfähigkeit von Armen und Händen. Eine sichere Vorhersage, ob ein Patient auf die TMS-Behandlung anspricht, ist jedoch nicht möglich. Derzeit wird die Behandlung nicht regelhaft von den Krankenkassen erstattet, da es sich um eine neuartige Therapiemethode handelt. In wenigen Fällen können leichte Kopfschmerzen nach der Behandlung auftreten.
Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
Ein leichter, von außen gezielt zugefügter Stromfluss kann das Zusammenspiel verschiedener Hirnareale stimulieren. Funktionsverluste nach einem Schlaganfall können so besser kompensiert werden. Die transkranielle Gleichstromstimulation funktioniert wie eine Starthilfe für die Reorganisation des Sprachzentrums: Intakte Hirnregionen übernehmen die Aufgaben zerstörter oder geschädigter Areale und kompensieren so die Funktionsverluste im Sprachzentrum. Der Stromfluss stimuliert diese Kompensation und ist somit eine Hilfe zur Selbsthilfe für das Gehirn. Die vielversprechende transkranielle Gleichstromstimulation wird bisher nur in klinischen Studien eingesetzt.
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Weitere Therapieansätze
Neben den neuromodulativen Verfahren gibt es eine Vielzahl weiterer Therapieansätze, die in der Rehabilitation nach einem Schlaganfall eingesetzt werden. Welche Therapie im Einzelfall zum Einsatz kommt, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab.
Arm-Rehabilitation
Armlähmungen gehören zu den häufigsten Folgen einer Hirnschädigung. Die Armlähmung kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Patienten mit einer schweren Armlähmung können ihren Arm oft im Alltag gar nicht oder nur sehr eingeschränkt einsetzen. Betroffene mit leichten Armlähmungen können ihren Arm zwar bewegen und im Alltag einsetzen, aber die Bewegungen sind oftmals verlangsamt und ungeschickt.
Therapieformen ohne technische Geräte
In der Ergo- oder Physiotherapie gibt es verschiedene Therapieformen ohne technische Geräte, um den betroffenen Arm aktiv zu trainieren. Hinsichtlich der Dauer und Intensität der Therapie sollte die Rehabilitation der Armmotorik früh nach einem Schlaganfall beginnen. Insbesondere in der frühen Phase nach dem Schlaganfall wird empfohlen, dass eine zusätzliche spezifische Armrehabilitation für mindestens 30 Minuten jeden Werktag erfolgt. In der späten Krankheitsphase (zum Beispiel ein Jahr und später nach einem Schlaganfall) können spezifische Maßnahmen der Armrehabilitation empfehlenswert sein, wie zum Beispiel 90-270 Minuten pro Woche ein strukturiertes, sich wiederholendes Training. Die verschiedenen klassischen Physiotherapieschulen (zum Beispiel Bobath oder PNF) werden nicht ausdrücklich empfohlen. Insbesondere bei leichten bis mittelschweren Lähmungen ist für die Behandlung geeigneter Patienten ein „Zirkeltraining“ denkbar. Dabei können auch passive mechanische Trainingsgeräte und virtuelle Realitäts-Anwendungen zum Einsatz kommen. Um die Arm-Handaktivitäten zu verbessern, lassen sich tägliches Eigentraining und Training mit Therapeuten kombinieren (Eigentraining mit regelmäßiger therapeutischer Begleitung, 90 Minuten pro Woche). Mit dem Arm-Basis-Training übt man jeden Tag die Bewegungsfähigkeit wiederholt und einzeln in den verschiedenen Abschnitten von Arm, Hand und Fingern. Sie sollte bei Patienten früh nach dem Schlaganfall durchgeführt werden. Das Arm-Fähigkeits-Training trainiert täglich Präzision und Geschwindigkeit („Geschicklichkeit“) bei verschiedenen Armfunktions-Anforderungen an der individuellen Leistungsgrenze.
Bewegungsinduktionstherapie (CIMT)
Die sogenannte Bewegungsinduktionstherapie („Constraint induced movement therapy, CIMT“) ist eine spezielle Therapie für Schlaganfall-Betroffene mit einem „erlernten Nicht-Gebrauch“. Diese Personen haben früh nach einem Schlaganfall realisiert, dass ihr gelähmter Arm im Alltag nicht oder kaum eingesetzt werden kann. Sie haben dann gelernt, alles mit der nicht betroffenen Hand zu machen. Später hat sich der gelähmte Arm eventuell schon erholt. CIMT umfasst üblicherweise sechs Stunden Therapie pro Tag. Ergänzend stellt man über zwei Wochen die weniger betroffene Hand für die größte Zeit des Tages ruhig (90 Prozent der Wachstunden). Möglich ist auch eine abgeänderte, weniger intensive Form. Diese Behandlungsformen sind sehr zeitintensiv. Aber sie sind wirksam, um einen erlernten „Nichtgebrauch“ zu verändern und den tatsächlichen Einsatz des betroffenen Armes im Alltag zu fördern. Wenn eine solche Therapie organisatorisch möglich gemacht werden kann, ist sie sinnvoll, wenn der Patient bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Unter anderem müssen eine zum Teil erhaltene Handfunktion und ein gelernter „Nichtgebrauch“ des Armes im Alltag vorhanden sein.
Spiegeltherapie
Bei der Spiegeltherapie betrachtet der Patient im Spiegel die Bewegung seiner nicht gelähmten Hand. Durch den Blick in den Spiegel sieht diese Bewegung so aus als würde sich seine gelähmte Hand ganz normal bewegen.
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Mentales Training
Eine Verbesserung der Armfunktion ist auch durch das mentale Training denkbar.
Neuromuskuläre Elektrostimulation
Bei den verschiedenen Verfahren der neuromuskulären Elektrostimulation werden Nerven und Muskel am Arm elektrisch stimuliert. So erzeugt man technisch eine Bewegung, die eine betroffene Person mit schwerer Armlähmung nach Hirnschädigung noch nicht selbst ausführen könnte.
Arm-Therapie-Roboter
Arm-Therapie-Roboter können je nach Bauart Schulter- und Ellenbogen-Bewegungen, Unterarm- und Handgelenksbewegungen oder Fingerbewegungen mechanisch unterstützen. Die Arm-Therapie-Roboter erkennen, welchen Anteil an Bewegungen der Betroffene schon selbst ausführen kann und ergänzen den Rest der Trainingsbewegungen. Mit ihnen können Betroffene mit sehr hohen Wiederholungsraten die gezielte Bewegungsfähigkeit in den einzelnen Armabschnitten trainieren und verbessern.
Sensible Stimulation und Akupunktur
Als Zusatztherapie zur Behandlung von Armlähmungen können verschiedene Formen der sensiblen Stimulation erwogen werden.
Aufgabenorientiertes Training (AOT)
Aufgabenorientiertes Training kommt unter anderem für Menschen mit grob- und feinmotorischen Störungen infrage, wie sie zum Beispiel bei einer halbseitigen Lähmung auftreten. Ziel ist es, die einzelnen Bewegungsabläufe zu verbessern. Dies kann sich auf den Gang beziehen, aber auch auf Arm- und Handbewegungen. Beim AOT orientiert sich das Training an einem konkreten Alltagsbezug der Übungen. Das kann dabei unterstützen, dass das Gelernte direkt im Alltag eingesetzt werden kann. Durch dieses Training lernen die Betroffenen, möglichst viele Alltagshandlungen auszuführen. Die Therapeuten stimmen die Ziele individuell mit den Betroffenen ab. Es kann zum Beispiel trainiert werden, eine Tasse zum Mund zu führen, sich selbstständig an- und auszuziehen oder eine Treppe zu laufen. Wichtig ist: Die jeweilige Handlung wird sehr oft wiederholt. Die Patienten üben an der Leistungsgrenze. So kann das Gehirn den neuen Bewegungsablauf lernen und abspeichern. Da es sich bei Übungen in der Regel um Alltagstätigkeiten handelt, können Betroffene auch zu Hause intensiv üben. (Bitte Rücksprache mit dem Therapeuten halten, zum Beispiel aufgrund der Sturzgefahr bei Gangübungen.) Spezielle technische Geräte beziehungsweise Computerprogramme können die Therapie begleiten beziehungsweise intensivieren.
Bobath-Konzept
Das Bobath-Konzept ist eines der weltweit am häufigsten angewendeten Therapieansätze zur Behandlung von Hemiplegie nach Schlaganfall. Der betroffene Mensch soll mit einer minimalen Bewegungsauffälligkeit eine maximale Selbständigkeit erreichen und lernen, mit seinen Einschränkungen umzugehen. Unter Berücksichtigung der individuellen körperlichen, sozialen, emotionalen und beruflichen Situation des betroffenen Menschen beruht der Behandlungsansatz auf der Vermeidung oder Hemmung von abnormalem Haltungstonus und abnormal koordinierten Bewegungsmustern sowie dem Wiedererlernen von normaler Bewegung, welche normalen Haltungstonus, normale reziproke Innervation und normale Gleichgewichtsreaktionen beinhaltet. Besonderes Merkmal des Bobath-Konzeptes ist das 24-Stunden Konzept: Der Behandlungsansatz beschränkt sich nicht nur auf einer spezielle Therapieform, wie z.B. die Physiotherapie, sondern bezieht alle beteiligten Personen mit ein, d.h. der Betroffene, das multidisziplinäre Team (Pflege, Physiotherapie, Ergpotherapie, Ärzte, Logopädie, Neuropsychologie, Hol- und Bringdienste, etc.) und die Angehörigen, führen die "Therapie" jeden Tag bei jeder Aktivität im Alltag oder während der Rehabilitation interaktiv über die 24 Stunden des Tages fort. Im Unterschied zu anderen Therapiekonzepten gibt es im Bobath-Konzept keine standardisierten Übungen. Es wird zur Befundaufnahme und Behandlung von Menschen mit Störungen des Muskeltonus (= Spannungszustand der Muskulatur) verwendet. Auch bei sensiblen Störungen, wenn sich beispielsweise eine Körperseite dumpfer anfühlt als die andere, kann die Bobath-Therapie angewendet werden. Ziel der Bobath-Therapie ist die Verbesserung der funktionellen Fähigkeiten, sodass der Patient wieder am täglichen Leben teilnehmen kann. Zu den funktionellen Fähigkeiten gehören unter anderem die Regulierung des Muskeltonus sowie das Anbahnen von normalen Bewegungsmustern. Außerdem sollen Folgeschäden wie zum Beispiel Gelenkeinschränkungen und Schmerzen möglichst vermieden werden.
Elektrostimulation
Durch einen Schlaganfall funktioniert die Signalweiterleitung vom Gehirn über das Rückenmark und die Nervenbahnen an den Muskel teilweise nicht mehr, da die dafür zuständigen Hirn-/Nervenzellen oder Bahnen geschädigt sind. Infolgedessen werden die betroffenen Muskeln gar nicht oder nicht mehr so häufig angeregt und kann nicht mehr (richtig) bewegt werden. Die Elektrotherapie kann dabei helfen, Bewegungsabläufe mit Unterstützung von Elektrostimulation wieder zu erlernen. Für den Therapieerfolg sollten gezielte Funktionen bei häufiger Wiederholung (Repetition) geübt werden. Neben der Verbesserung der aktiven Bewegungsfähigkeit, soll die Elektrostimulation helfen, einer Spastikentwicklung vorzubeugen.
Formen der Elektrostimulation
- Neuromuskuläre Elektrostimulation (NMES): Bei der Neuromuskulären Elektrostimulation werden Elektroden auf dem betroffenen Muskel platziert. Sobald das Gerät, welches die leichten Stromstöße abgibt, eingeschaltet ist, werden die darunter liegenden Nerven und Muskeln stimuliert und erzeugen eine Bewegung, auch in komplett gelähmten Muskeln.
- EMG (Elektromyographie)-getriggerte Elektrostimulation (EMG-ES): Die EMG-Elektroden werden auf der Muskelgruppe platziert, die therapiert werden soll. Anschließend versucht der Patient die Bewegung zu machen, die mit der zu therapierenden Muskelgruppe ausgeführt werden soll. Dabei wird dann die Aktivität eines Muskels gemessen. Ab einem gewissen Maß an Muskelaktivität (durch willkürliches Anspannen) erfolgt die elektrische Stimulation, die wieder eine kräftigere Muskelaktivität mit Bewegung erzeugt, die vom Patienten wahrgenommen wird.
- Funktionelle Elektrostimulation (FES): Bei der FES werden meist mehrere Elektroden auf die Haut geklebt und mehrere betroffene Muskeln werden durch elektrische Stimulation dazu gebracht, sich zusammen zu ziehen (=Kontraktion), oftmals auch in wechselnden Kombinationen. Dadurch können nicht nur einzelne Bewegungen, sondern Aktivitäten wie das Greifen und Loslassen von Gegenständen mittels Elektrostimulation ermöglicht werden.
Gangrehabilitation
Intensives Üben ist eine wesentliche Voraussetzung, um wieder laufen zu lernen. Deswegen ist die Therapie auf dem Laufband besonders erfolgsversprechend. Das gilt sowohl für Betroffene, die noch auf technische Unterstützung angewiesen sind als auch für Betroffene, die bereits aus eigener Kraft wieder ein paar Schritte gehen können. Das Laufbandtraining hilft vor allem bei der Verbesserung der Gehgeschwindigkeit. Zusätzlich wird die Ausdauer verbessert.
Geräte zur Unterstützung beim Gehen
- Endeffektor-Modelle: Zu diesem Gerätetyp zählt zum Beispiel der Gangtrainer. Dabei wird der Betroffene in ein Gurtsystem eingespannt, sodass das Gewicht auf den Beinen reduziert ist. Mit Hilfe von beweglichen Fußplatten kann der Gang langsam wieder eingeübt werden.
- Exoskelett-Modelle: Diese Geräte werden vorwiegend verwendet, wenn der Betroffene noch mehr Unterstützung beim Gehen benötigt. Dabei sind eine elektromechanische Führung der Hüftgelenke und Beine möglich. Ein Beispiel ist der robotergestützte Lokomat, bei dem die Steuerung der Knie- und Hüftgelenke über Elektromotoren unterstützt wird.
Weitere Möglichkeiten zur Verbesserung des Ganges
Während des Gehtrainings besteht die Möglichkeit, bestimmte Muskeln, die beim Gehen gebraucht werden, über elektrische Nervenimpulse gezielt anzusteuern. Bei gehfähigen Patienten wird das Ganze über die sogenannte transkutane elektrische Nervenstimulation (abgekürzt TENS) unterstützt. Das TENS-Gerät sorgt unter anderem dafür, dass die Spastik im betroffenen Bein reduziert und dadurch das Gehen erleichtert wird. Sprunggelenksorthesen helfen Betroffenen mit einer Fußheberschwäche, die als Folge des Schlaganfalls entstehen kann. Die Orthese korrigiert die Fehlstellung des Fußes und ermöglicht dadurch ein besseres Abrollen. Diese Orthesen gibt es ebenfalls mit Elektrostimulation.
Osteopathie
Die Osteopathie ist kein Ersatz für Physio- oder Ergotherapie, kann aber eine sinnvolle Ergänzung sein. Durch sanften, gezielten Händedruck auf die Schädeldecke, kann der Fluss von Blut und Gehirnflüssigkeit im Gehirn verbessert werden.
Akutversorgung und Rehabilitation
Je schneller und effizienter ein Patient nach einem Schlaganfall behandelt wird, desto mehr Nervenzellen im Gehirn können „gerettet“ werden. Bei einem akuten Schlaganfall gilt der Leitsatz „Time is brain“ (Zeit ist Gehirn). Das heißt, jede Minute zählt! Bei der Schlaganfall-Diagnose wird diese Frage unter anderem mittels der bildgebenden Verfahren CT und MRT in wenigen Minuten beantwortet. Steht die Ursache des Apoplex / Schlaganfalls fest, folgt die weitere Behandlung. Nach einem akuten Schlaganfall versuchen Ärzte zunächst die Schäden im Gehirn des Patienten möglichst zu minimieren. In vielen Kliniken gibt es spezielle Abteilungen für Schlaganfall-Patienten, sogenannte „Stroke Units“, die auf die multidisziplinäre Behandlung von Schlaganfällen spezialisiert sind.
Thrombolyse und Thrombektomie
Hat ein Blutgerinnsel den Apoplex ausgelöst, erfolgt - wenn möglich - die sogenannte Thrombolyse oder „Lyse-Therapie“. Dabei werden dem Schlaganfall-Patienten Medikamente verabreicht, die das Blutgerinnsel auflösen sollen. Diese Therapie ist in Einzelfällen bis zu neun Stunden nach dem Auftreten ersten Symptome möglich. Als weitere Methode steht die sogenannte Thrombektomie zur Verfügung, wenn größere Blutgefäße im Gehirn verschlossen sind. Hierbei handelt es sich um ein katheterbasiertes Verfahren, bei dem ähnlich wie bei einer Herzkatheteruntersuchung versucht wird, das verschlossene Gefäß wieder zu eröffnen. Hierzu wird der Katheter über die Leistenarterie eingeführt. Wenn möglich, versuchen Ärztinnen und Ärzte, beide Verfahren (Thrombolyse und Thrombektomie) zu kombinieren. Die Erfolgsaussichten sind umso größer, je früher nach Auftreten der Symptome die Behandlung erfolgen kann.
Operation bei Hirnblutung
Ist der Apoplex Folge einer Hirnblutung, so wird der Patient möglicherweise am offenen Gehirn operiert. Dieses Verfahren kommt jedoch nicht bei allen Hirnblutungen zur Anwendung, sondern hängt von der Art und Lokalisation der Blutung ab. In der Regel erfolgt die Überwachung auf der „Stroke Unit“, um den Blutdruck rasch zu senken und Komplikationen früh zu erkennen und zu behandeln. Bewusstlose oder beatmungspflichtige Patienten kommen direkt auf die Intensivstation und werden ganzheitlich überwacht.
Frührehabilitation
Oberstes Ziel der Frührehabilitation (kurz: Frühreha) nach einem Schlaganfall ist es, die körperlichen Funktionen wiederherzustellen. Besonderes Augenmerk gilt hierbei den Körperfunktionen, die durch den Schlaganfall womöglich geschädigt wurden. Je früher geeignete Therapiemaßnahmen und Übungen umgesetzt werden, desto eher können die Schlaganfall-Symptome behandelt und schwerere Folgeschäden verringert werden. Viele Reha-Maßnahmen werden heute bereits ambulant, aber auch in stationären geriatrischen oder neurologischen Reha-Kliniken angeboten.
Einflussfaktoren auf die Funktionserholung
Lokalisation, Ausmaß und Art des Hirninfarktes (ischämisch oder hämorrhagisch) bestimmen maßgeblich die Funktionserholung. Beeinträchtigt wird die Erholung vor allem durch die Beteiligung größerer Leitungsbahnen der weißen Substanz, aber auch durch Affektion oder Diskonnektion des Hippokampus als entscheidender Struktur für Lernen und Wiedererlernen von Funktion. Ältere Menschen zeigen gemeinhin eine schlechtere Funktionserholung als jüngere. Eine wichtige Rolle spielt hier die Reservekapazität des Gehirns, also vor allem die Freiheit von Vorschädigungen durch subklinische vaskuläre Läsionen. Für die Chance, sich von einem Schlaganfall zu erholen, ist somit der Faktor Vorschädigung relevanter als das Alter des Patienten.
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