Chronische Schmerzen, insbesondere Nervenschmerzen, stellen eine erhebliche medizinische Herausforderung dar. Neben der klassischen schulmedizinischen Behandlung mit Medikamenten und Physiotherapie gibt es eine Reihe von alternativen Schmerztherapien, die eine wertvolle Ergänzung darstellen können. Diese nicht-medikamentösen Verfahren zielen darauf ab, akute und vor allem chronische Schmerzen zu lindern und den Betroffenen zu helfen, besser mit ihren Beschwerden umzugehen.
Was ist alternative Schmerztherapie?
Alternative Schmerztherapien umfassen eine Vielzahl von Methoden zur Behandlung akuter oder chronischer Schmerzzustände. Ihr Hauptziel ist es, eine medikamentöse Behandlung des Schmerzzustandes nach Möglichkeit zu vermeiden. Stattdessen versuchen Therapeuten, die Beschwerden durch alternative Verfahren wie Akupunktur oder Osteopathie zu lindern. Diese Therapieformen werden häufig bei Patienten eingesetzt, denen Schmerzmedikamente nicht ausreichend geholfen haben oder die langfristig keine Arzneimittel einnehmen möchten.
Die Vielfalt alternativer Schmerztherapien
Alternative Schmerztherapien können besonders für Patienten mit chronischen Leiden, denen klassische Schmerzbehandlungen nicht helfen, eine Lösung darstellen. Häufig finden sie Anwendung bei der Behandlung von Migräne und Kopfschmerzen, Bewegungsschmerzen sowie chronischen Rückenschmerzen. Viele Patienten haben bereits eine medikamentöse Therapie hinter sich, die entweder nicht angeschlagen hat oder nicht die gewünschte Verbesserung brachte.
Zu den beliebtesten Alternativen zur schulmedizinischen Schmerztherapie gehören:
- Akupunktur
- Biofeedback
- Autogenes Training
- Progressive Muskelentspannung
- Hypnose
- Osteopathie und Chiropraktik
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
- Massagen
Akupunktur
Die Akupunktur ist eine traditionelle chinesische Behandlungsmethode, bei der dünne Nadeln in spezifische Punkte auf der Hautoberfläche gestochen werden. Im Westen wird sie vor allem für chronische Schmerzzustände wie Kopfschmerzen, Migräne, Rückenschmerzen sowie Rheuma und andere Gelenkbeschwerden eingesetzt.
Lesen Sie auch: Wirksame Alternativen zu Pregabalin
Die Wirksamkeit der Akupunktur ist in vielen Studien mit großen Patientenzahlen wissenschaftlich belegt. Allerdings profitieren nicht alle Patienten davon. Bei tumorbedingten Schmerzen beispielsweise wirkt die Akupunktur oft nicht oder nur schwach.
Die genaue Wirkweise der Akupunktur ist noch immer unklar. Es wird vermutet, dass die Nadelung die Reizleitung des Nervensystems beeinflusst, indem sie an den Nervenendungen in der Haut Überträgerstoffe (Transmitter) freisetzt und dadurch die Fortleitung von Schmerzimpulsen hemmt. Auch Wirkungen am zentralen Nervensystem, also am Gehirn und im Rückenmark, sind nachgewiesen. So kommt es bei einer Nadelung zur Ausschüttung körpereigener schmerzunterdrückender Substanzen im Gehirn (Endorphine), und auch die Durchblutung in bestimmten Hirnarealen wird durch eine Akupunktur beeinflusst.
Biofeedback
Beim Biofeedback werden Körperfunktionen wie Puls, Muskelspannung, Hauttemperatur oder Hirnströme mithilfe elektrischer Geräte in sichtbare Signale auf einem Bildschirm umgewandelt. Zusätzlich können akustische Rückkopplungen eingesetzt werden. Der Patient lernt dadurch, zu erkennen, wann er entspannt ist und wie er diese Entspannung durch Autosuggestion erreichen kann. Biofeedback stärkt so die Kontrolle der Schmerzpatienten über ihren Körper.
Eingesetzt wird Biofeedback bei Migräne und Spannungskopfschmerzen, aber auch bei Schmerzen des Bewegungsapparates, bei Fibromyalgie, unspezifischen Rückenschmerzen sowie bei Angststörungen. Allerdings profitiert nicht jeder Patient vom Biofeedback, und die Methode ist bei schweren Schmerzsymptomen nicht geeignet.
Manuelle Therapien: Osteopathie und Chiropraktik
Manuelle Therapien umfassen Verfahren, bei denen der Therapeut durch Handgriffe Verspannungen und Blockaden im Stütz- und Bewegungsapparat löst. Dazu gehören die Chiropraktik und die Osteopathie. Durch Zug und Druck auf die Haut und die darunter liegenden Strukturen werden Verspannungen und Blockaden im Stütz- und Bewegungsapparat gelöst. Vor allem Rückenschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, aber auch rheumatische Beschwerden lassen sich mithilfe dieser manuellen Therapien behandeln. Die schmerzlindernde Wirkung hält jedoch oft nur wenige Tage an. Die Chiropraktik ist ein Teilbereich der Osteopathie, wobei sich beide mit der Behandlung von Beschwerden der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates befassen. Mit gezielten Handgriffen können Chiropraktiker oder Osteopathen beispielsweise Gelenke, die verschoben sind und Schmerzen verursachen, wieder einrenken. Osteopathen behandeln darüber hinaus auch Funktionsstörungen des Bindegewebes, der Knochen und der inneren Organe. Sie lösen körperliche Blockaden, Dysfunktionen und Verspannungen, wodurch Schmerzen abklingen können.
Lesen Sie auch: Ganglion natürlich behandeln
Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)
Bei der transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) werden elektrische Impulse eingesetzt, um Schmerzen zu lindern. Elektroden, die neben oder auf dem schmerzenden Areal aufgeklebt werden, geben leichte Stromstöße ab und reizen damit die schmerzleitenden Nervenfasern. Dadurch soll sich die Reizleitung der Nerven normalisieren und auf lange Sicht der Schmerz abnehmen. Bei regelmäßiger Anwendung soll sich so die bei Beschwerden gestörte Reizverarbeitung wieder normalisieren und die Schmerzen insgesamt abnehmen.
Physikalische Maßnahmen: Wärme und Kälte
Auch Wärme und Kälte haben ihren Platz in der Schmerztherapie. Fango, Infrarot und Wärmflaschen lösen muskuläre Verspannungen und lindern dadurch Schmerzen. Kälteanwendungen helfen wiederum bei entzündlichen Prozessen, z. B. bei Gelenkschmerzen. Nachteil dieser passiven Verfahren ist die in der Regel nur vorübergehende schmerzlindernde Wirkung. Aktive physiotherapeutische Übungen (Krankengymnastik), die individuell auf den Patienten abgestimmt werden und die dieser dann zu Hause regelmäßig durchführen kann, sind nachhaltiger. Sie entspannen und lösen einerseits verkrampfte Muskelpartien, kräftigen aber auch die Haltemuskulatur an Schulter, Nacken und Rücken und beugen so neuen Verspannungen vor.
Entspannungsverfahren: Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Achtsamkeit
Vor allem Rücken- und Kopfschmerzen lassen sich gut mit Entspannungsverfahren behandeln. Besonders häufig empfohlene Methoden sind das Autogene Training, die Progressive Muskelrelaxation nach Jacobsen und die Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR).
Beim autogenen Training werden mithilfe einer monotonen Autosuggestion äußere Reize ausgeblendet und das vegetative Nervensystem „heruntergefahren“, wodurch sich Stress und Verkrampfungen lösen. Die Progressive Muskelrelaxation führt zur Entspannung, indem einzelne Muskelgruppen bewusst für etwa 30 Sekunden maximal angespannt und dann wieder komplett entspannt werden. Patienten, die Entspannungsverfahren eingeübt haben, berichten häufig, dass der Schmerz „an sich“ gleichgeblieben sei, er aber jetzt viel weniger belaste.
Theoretisch kann man sich diese Methoden selbst beibringen, aber in der Praxis ist es ratsam, entsprechende Kurse zu besuchen, die in allen größeren Städten regelmäßig angeboten werden.
Lesen Sie auch: Umfassende Informationen zu Polyneuropathie
Hypnose
Bei der medizinischen Hypnose (auch Klinische Hypnose oder Hypnotherapie genannt) versetzt der Psychotherapeut den Patienten in eine Tiefenentspannung, damit er alles loslassen kann. Dieses Loslassen bewirkt häufig, dass chronische Schmerzen schwächer werden. Außerdem entwickelt der Patient gemeinsam mit dem Therapeuten unter Hypnose innere Bilder, die er dem Schmerz entgegensetzen kann oder die ihn vom Schmerzgeschehen ablenken. Er kann auch lernen, sich selbst in eine Art Trance zu versetzen und die erarbeiteten inneren Bilder zur Schmerzbewältigung aufzurufen (Selbsthypnose).
Die Wirkung der medizinischen Hypnotherapie ist wissenschaftlich anerkannt. Sie bewirkt für manche Patienten wahre Wunder, während sie anderen nur wenig oder gar nicht hilft. Auch sollte die Hypnotherapie immer in eine „sprechende“ Psychotherapieform wie z. B. die kognitive Verhaltenstherapie eingebettet sein.
Yoga und Alexander-Technik
Chronische Rückenschmerzen lassen sich zudem mithilfe individuell ausgewählter Yoga-Übungen sowie der Alexander-Technik angehen. Bei der Alexander-Technik analysiert ein Trainer Haltung und Bewegungsabläufe des Patienten und zeigt ihm, wie er eine entspanntere und freiere Körperhaltung einnehmen kann.
Massagen
Massagen tragen zur besseren Durchblutung bei und lösen Verspannungen. Daher können sie zum Beispiel bei Kopf- oder Rückenschmerzen eine sinnvolle alternative Schmerztherapie darstellen.
Naturheilkunde
Naturheilkundliche Verfahren werden von Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen vermehrt nachgefragt, da herkömmliche Verfahren nicht immer die gewünschte Wirkung entfalten oder ernsthafte Nebenwirkungen haben können. Ziel der Naturheilkunde ist neben der Symptomlinderung die Anregung der Selbstheilungskräfte des Körpers.
Zu den naturheilkundlichen Verfahren gehören:
- Wasseranwendungen (Hydrotherapie): Kalte Anwendungen wie Güsse, Wickel oder kurze Bäder setzen einen Reiz, der einen Übungseffekt für das vegetative Nervensystem darstellt und so auch das Immunsystem beeinflusst.
- Bewegung: Meditative Bewegungsformen wie Yoga, Tai Chi oder Qigong sind sinnvolle Bewegungsformen, die mit einem achtsamen Umgang mit sich selber verbunden sind.
- Ernährung und Fasten: Bei bestimmten chronischen Schmerzerkrankungen können entzündliche, muskuläre und nervale Faktoren über die Ernährung und über das Fasten beeinflusst werden.
- Moderne Ordnungstherapie: Ziel ist es, die Eigenaktivität im Sinne einer gesundheitsorientierten Lebensstilstrukturierung zu fördern.
- Pflanzenheilkunde: Pflanzliche Schmerzmittel können alleine oder begleitend zu den üblichen Schmerzmitteln eingesetzt werden.
- Ergänzende und ausleitende Verfahren: Naturheilkundlich tätige Therapeuten nutzen neben Akupunktur und manuellen Therapieverfahren auch die Neuraltherapie und die sogenannten ausleitenden Verfahren wie Blutegeltherapie und Schröpfen.
Neuropathische Schmerzen: Eine besondere Herausforderung
Neuropathische Schmerzen sind eine Form von chronischen Schmerzen, die durch Schädigungen oder Fehlfunktionen des Nervensystems entstehen. Im Gegensatz zu anderen Schmerzarten, die durch eine akute Verletzung oder Entzündung verursacht werden, resultieren neuropathische Schmerzen aus einer Dysfunktion der Nerven selbst.
Ursachen neuropathischer Schmerzen
- Diabetes: Der hohe Blutzuckerspiegel kann die peripheren Nerven schädigen (diabetische Neuropathie).
- Nervenverletzungen: Unfälle, Operationen oder Knochenschäden können Nerven dauerhaft schädigen.
- Infektionen: Herpes Zoster (Gürtelrose) kann nach der Abheilung lang anhaltende, brennende Schmerzen hinterlassen (postherpetische Neuralgie).
- Erkrankungen des zentralen Nervensystems: Multiple Sklerose, Schlaganfälle und Rückenmarksverletzungen können neuropathische Schmerzen hervorrufen.
- Tumore und Krebs: Tumore oder deren Behandlung können Nerven schädigen.
- Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholkonsum kann eine periphere Neuropathie verursachen.
- Genetische Erkrankungen: Einige genetische Störungen können ebenfalls neuropathische Schmerzen verursachen.
Symptome neuropathischer Schmerzen
- Brennende oder stechende Schmerzen
- Elektrisierende Empfindungen
- Taubheit oder Kribbeln
- Überempfindlichkeit (Allodynie)
- Schmerzen bei Kälte oder Hitze
Behandlungsmöglichkeiten für neuropathische Schmerzen
Die Behandlung neuropathischer Schmerzen ist oft komplex und kann aus einer Kombination von Medikamenten, physikalischen Therapien und alternativen Ansätzen bestehen.
- Medikamentöse Therapie: Antidepressiva, Antikonvulsiva, Opioide und topische Therapien können eingesetzt werden, um die Schmerzen zu lindern.
- Physiotherapie und Ergotherapie: Kräftigungs- und Bewegungsübungen sowie sensorisches Training können helfen, die Muskulatur zu stärken, die Beweglichkeit zu fördern und die Schmerzempfindlichkeit zu verringern.
- Psychologische Therapie: Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) und Schmerzbewältigungstraining können helfen, mit den Schmerzen besser umzugehen und das Schmerzempfinden zu reduzieren.
- Neuromodulation: Spinal Cord Stimulation (SCS), periphere Nervenstimulation und transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) können eingesetzt werden, um die Schmerzsignale zu blockieren oder zu reduzieren.
- Alternative Therapien: Akupunktur und Entspannungstechniken können bei einigen Patienten Linderung der neuropathischen Schmerzen bewirken.
- Lifestyle-Änderungen: Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige Bewegung und guter Schlaf können das allgemeine Wohlbefinden verbessern und die Schmerzen reduzieren.
Die Bedeutung der interdisziplinären multimodalen Schmerztherapie (IMST)
Die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) ist ein umfassender Behandlungsansatz, der verschiedene somatische, körperlich und psychologisch übende sowie psychotherapeutische Verfahren kombiniert. Sie wird in der Regel tagesklinisch oder vollstationär in Kliniken mit speziellen Abteilungen angeboten und zielt darauf ab, die durch Schmerz eingeschränkten körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen zu verbessern.
Ziele einer multimodalen Schmerztherapie
- Alltagstätigkeiten wiederaufnehmen
- Arbeitsfähigkeit wiederherstellen und Arbeitsaufnahme fördern
- Körperliche Schwächen abbauen
- Bewegungsangst verringern
- Risikoverhalten verändern
tags: #alternative #schmerztherapie #nervenschmerzen