Polyneuropathie: Alternative Behandlungen und umfassende Informationen

Polyneuropathien, verursacht durch Nervenschädigungen, können für Betroffene sehr belastend sein. Da sich Neuropathien bei manchen Patienten nur langsam oder gar nicht zurückbilden, sind langfristige Vorkehrungen zur Erleichterung des Alltags notwendig. Es ist wichtig, mögliche Symptome frühzeitig dem Arzt mitzuteilen, um eine geeignete Behandlung einzuleiten.

Was ist Polyneuropathie?

Als Polyneuropathie wird eine systemische Erkrankung bezeichnet, bei der es zu Schädigungen des peripheren Nervensystems kommt. Dadurch wird die Funktion der betroffenen Nerven gestört. Der Begriff "Polyneuropathie" (griechisch poly = mehrere) deutet darauf hin, dass mehrere Nerven bzw. Nervenstrukturen betroffen sind. Das periphere Nervensystem (PNS) umfasst den Teil der Nerven, der sich außerhalb des Schädels oder des Wirbelkanals befindet und somit nicht zum zentralen Nervensystem (ZNS) gehört. Funktionell sind die Nerven des PNS jedoch mit dem zentralen Nervensystem verbunden. Sie leiten Impulse aus Gehirn und Rückenmark an die zu versorgenden Organe und Gewebe weiter und sorgen so für physiologische Reaktionen. Das periphere Nervensystem besteht aus dem somatischen (willkürlichen) Nervensystem, das für willkürliche Bewegungen und Reflexe zuständig ist, und dem autonomen (unwillkürlichen) Nervensystem, das lebenswichtige Körperfunktionen wie Atmung, Verdauung und Herzschlag reguliert. Bei den meisten Polyneuropathien sind Nerven des willkürlichen Nervensystems betroffen.

Die Prävalenz der Polyneuropathie in Deutschland liegt bei 2-3 % in der Allgemeinbevölkerung, bei den über 55-Jährigen sogar bei 8 %. Am häufigsten treten Beschwerden symmetrisch im Bereich von Unterschenkel/Fuß bzw. Unterarm/Hand auf. Dies wird als strumpf- bzw. handschuhartige Verteilung bezeichnet, wobei in der Regel die Beine stärker betroffen sind als die Arme.

Ursachen von Polyneuropathie

Polyneuropathien können vielfältige Ursachen haben. Die häufigste Ursache ist Diabetes mellitus, bei dem ein chronisch erhöhter Blutzucker die Nerven schädigt. Diese diabetische Polyneuropathie betrifft jeden dritten Diabetiker. Weitere Ursachen sind:

  • Stoffwechselstörungen: Nierenschwäche, Lebererkrankungen, Schilddrüsenunterfunktion
  • Medikamente: Insbesondere Chemotherapeutika
  • Mangelernährung: Vitaminmangel (z. B. Vitamin B12, Folsäure)
  • Erregertoxikosen: z. B. Long-COVID
  • Alkoholmissbrauch: Chronischer Alkoholismus
  • Weitere: Krebserkrankungen, arterielle Durchblutungsstörungen, entzündliche Erkrankungen des Nervensystems (z. B. Borreliose), Thalassämie, toxische Substanzen (z. B. Blei, Kupfer, Amalgam, Cadmium)

In manchen Fällen bleibt die Ursache trotz umfassender Diagnostik unklar. Dies wird als idiopathische Polyneuropathie bezeichnet. Auch autoimmune Ursachen, bei denen das Immunsystem die Nerven angreift, können eine Polyneuropathie verursachen, z. B. bei langwierigen intensivmedizinischen Behandlungen (Critical-illness-Polyneuropathie). Insgesamt sind mehr als 200 Auslöser für Erkrankungen aus dem neuropathischen Formenkreis bekannt.

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Die erworbene Polyneuropathie ist die häufigere Form und entwickelt sich als Folge einer anderen Erkrankung oder durch einen externen Auslöser. Angeborene Polyneuropathien sind relativ selten und beruhen auf vererbbaren Krankheiten wie Enzymdefekten, veränderten Proteinen oder einer eingeschränkten Nervenleitgeschwindigkeit.

Symptome der Polyneuropathie

Die Symptome einer Polyneuropathie sind vielfältig und hängen davon ab, welche Nerven betroffen sind. Typische Symptome sind:

  • Sensibilitätsstörungen: Kribbeln, Taubheitsgefühl, Brennen, Schmerzen, Überempfindlichkeit (Hyperästhesie) oder verminderte Empfindlichkeit gegenüber Berührung, Temperatur oder Vibration. Die Symptome treten meist symmetrisch an Füßen und Beinen auf und breiten sich von unten nach oben aus (strumpfförmige Verteilung).
  • Motorische Störungen: Muskelschwäche, Reflexausfälle, Lähmungen.
  • Autonome Störungen: Störungen der inneren Organe, z. B. trophische Hautstörungen, vermindertes Schwitzen, Potenz- und Blasenentleerungsstörungen, Tachykardie in Ruhe, Störungen der Pupillomotorik.

Neuropathische Schmerzen werden oft als stechend, brennend oder bohrend beschrieben und können sich nachts verstärken. Sie können auch durch Berührung ausgelöst oder verstärkt werden (Allodynie, Hyperalgesie).

Diagnostik der Polyneuropathie

Die Diagnostik der Polyneuropathie umfasst verschiedene Schritte:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden.
  • Körperliche Untersuchung: Überprüfung der Reflexe, des Berührungs-, Temperatur- und Vibrationsempfindens.
  • Laboranalysen: Untersuchung des Blutes auf Blutzucker, Leberwerte, Nierenfunktion, Vitaminspiegel und andere mögliche Ursachen.
  • Elektrophysiologische Untersuchungen: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit (NLG), um die Funktion der Nerven zu beurteilen.
  • Quantitative Sensorische Testung (QST): Messung verschiedener Gefühlsempfindungen an der Haut, um festzustellen, welche Nervenfasern geschädigt sind.
  • Hautbiopsie: Entnahme einer Gewebeprobe aus der Haut zur Untersuchung der kleinen Nervenfasern.
  • Nerv-Muskel-Biopsie: Entnahme einer Gewebeprobe aus einem Nerv und einem Muskel zur feingeweblichen Untersuchung.

Konventionelle Behandlung der Polyneuropathie

Die konventionelle Therapie der Polyneuropathie zielt darauf ab, die Ursache der Erkrankung zu behandeln und die Symptome zu lindern.

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  • Kausale Therapie: Behandlung der Grunderkrankung, z. B. Einstellung des Blutzuckers bei Diabetes, Vermeidung von Alkohol bei alkoholischer Polyneuropathie, Behandlung von Vitaminmangel.

  • Symptomatische Therapie: Linderung der Beschwerden, insbesondere der Schmerzen. Hierzu werden verschiedene Medikamente eingesetzt:

    • Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva (z. B. Amitriptylin) und selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) (z. B. Duloxetin, Venlafaxin) können neuropathische Schmerzen lindern.
    • Antikonvulsiva: Gabapentin und Pregabalin werden häufig zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt.
    • Opioide: Schwache Opioide (z. B. Tramadol) oder starke Opioide (z. B. Oxycodon) können bei starken Schmerzen eingesetzt werden, sollten aber aufgrund des Suchtpotenzials nur als Ultima Ratio verwendet werden.
    • Topische Therapie: Capsaicin-Pflaster oder Lidocain-Pflaster können lokal begrenzte Schmerzen lindern.
    • Botulinumtoxin: Intrakutane Injektionen von Botulinumtoxin können bei bestimmten Formen der Polyneuropathie schmerzlindernd wirken.

Alternative Behandlungen der Polyneuropathie

Neben der konventionellen Therapie gibt es verschiedene alternative Behandlungen, die zur Linderung der Symptome beitragen können.

  • Naturheilkunde:

    • Alpha-Liponsäure: Eine Meta-Analyse von Studien hat gezeigt, dass die Infusionstherapie mit Alpha-Liponsäure zu einem signifikanten Rückgang der neuropathischen Symptome wie Schmerzen, Parästhesien und Taubheitsgefühl führt.
    • Neurotrope Nährstoffe: Benfotiamin (ein Prodrug des Thiamins), Uridinmonophosphat (UMP) und Calcium-EAP können die Nervenfunktion unterstützen.
    • B-Vitamine: Vitamin B12 und Folsäure sind wichtig für die Nervenfunktion und sollten bei einem Mangel ausgeglichen werden.
    • Pflanzliche Mittel: Extrakte aus Mutterkraut, Capsaicin (aus Chilischoten), Eisenhut (Aconitum), Teufelskralle, Weidenrinde oder Echte Goldrute können zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
  • Physikalische Therapien:

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    • Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Eine schmerzfreie Methode, bei der die Nerven durch elektrische Impulse stimuliert werden.
    • Hochfrequente Muskelstimulation: Kann neuropathische Symptome reduzieren.
    • Frequenz-modulierte elektromagnetische Nervenstimulation (FREMS): Kann neuropathische Schmerzen reduzieren.
    • Hydro- und Thermotherapie: Wechselbäder, kalte Güsse, ansteigende Teilbäder, Lehmpackungen können die Durchblutung anregen und Schmerzen lindern.
  • Weitere alternative Behandlungen:

    • Akupunktur: Kann Sensibilitätsstörungen und Nervenschmerzen mildern.
    • Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst und Vollkornprodukten kann die Nervenfunktion unterstützen.
    • Bewegung: Regelmäßige Bewegung und Physiotherapie sind wichtig, um die Muskelkraft und Koordination zu verbessern.
    • Entspannungstechniken: Entspannungsübungen, Yoga oder Meditation können helfen, Stress abzubauen und Schmerzen zu lindern.
    • Ordnungstherapie: Diskussion über Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Bewegungsmangel, Alkoholkonsum.

Selbsthilfemaßnahmen bei Polyneuropathie

Neben den ärztlichen und therapeutischen Maßnahmen können Betroffene selbst einiges tun, um ihren Alltag zu erleichtern:

  • Symptome beobachten und dem Arzt mitteilen: Teilen Sie Ihrem Arzt unbedingt mit, sobald Sie mögliche Polyneuropathie-Symptome bei sich beobachten, insbesondere während einer laufenden Therapie.
  • Schmerzen lindern: Bei stechenden oder brennenden Schmerzen können alternative Methoden wie Entspannungsübungen oder Capsaicin-Pflaster helfen.
  • Schlafstörungen behandeln: Bei Schlafstörungen können Entspannungsübungen oder vom Arzt verschriebene Medikamente helfen.
  • Unfälle vermeiden: Sprechen Sie offen mit Freunden und Angehörigen über Ihre Einschränkungen. Entfernen Sie Stolperfallen und verwenden Sie gutes Schuhwerk mit festen Sohlen. Hilfsmittel wie Krücken, Rollator oder Haltegriffe im Bad können nützlich sein.
  • Verletzungen vermeiden: Wer kein Gefühl in Händen oder Füßen hat, bemerkt kleine Verletzungen oft gar nicht. Professionelle Fußpflege oder Maniküre hilft, um Verletzungen beim Nagelschneiden zu vermeiden. Feste Schuhe schützen die Füße.
  • Kälte vermeiden: Schützen Sie sich besonders gut bei kaltem Wetter, zum Beispiel mit warmem Schuhwerk und isolierenden Handschuhen.
  • Vorsicht bei Ratschlägen: Nicht alle Ratschläge, die bei diabetischer Neuropathie helfen, sind auch bei anderen Formen der Polyneuropathie wirksam. Besprechen Sie Sport und Bewegung immer vorher mit dem Arzt, um Verletzungen zu vermeiden. Seien Sie vorsichtig bei Nahrungsergänzungsmitteln.

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