Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die durch den Abbau kognitiver Funktionen und die Beeinträchtigung im Alltag gekennzeichnet ist. Sie bezeichnet einen fortschreitenden Abbau erworbener intellektueller und kognitiver Fähigkeiten, der zu Beeinträchtigungen im Alltag führt und länger als 6 Monate anhält. Die Prävalenz der Demenz steigt mit dem Alter.
Demenz: Definition, Prävalenz und Ursachen
Demenz (ICD-10 F00-F03) bezeichnet ein klinisches Syndrom, das als Abbau kognitiver Funktionen und Alltagskompetenzen definiert ist. Demenz ist durch zunehmende Defizite in kognitiven, emotionalen und sozialen Bereichen gekennzeichnet. Mit einer Demenz assoziierte Erkrankungen zeigen meist progressive Verläufe. Typisch sind eine nachlassende geistige Leistungsfähigkeit mit abnehmendem Denk- und Urteilsvermögen, zunehmender Orientierungslosigkeit und/oder Sprachverarmung, eine fortschreitende Beeinträchtigung der autobiographischen Identität sowie der Verlust von persönlichkeitsdefinierenden Eigenschaften, Selbstständigkeit und Autonomie. Oft sind Veränderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens und/oder der Motivation zu beobachten.
Im Jahr 2018 lebten in Deutschland geschätzt knapp 1,6 Millionen Menschen ≥ 65 Jahre mit Demenz - die meisten (mindestens zwei Drittel) von ihnen mit Alzheimer-Krankheit. Ohne Therapiedurchbruch könnte sich die Anzahl der Fälle im Jahr 2030 auf bis zu 1,9 Millionen und im Jahr 2050 auf bis zu 2,8 Millionen erhöhen. Jüngere Menschen sind deutlich seltener von Demenz betroffen. Hierzulande wird die Zahl der Demenzerkrankten im Alter zwischen 30 und 64 Jahren auf 73.000 geschätzt. Insgesamt werden derzeit jährlich mehr als 300.000 Demenzen neu diagnostiziert: Pro Tag kommen demnach mehr als 900 Neuerkrankte hinzu.
Nach jüngsten epidemiologischen Studien gibt es weltweit mehr als 55 Millionen Demenzkranke; davon sind rund 48 Millionen über 65 Jahre. Die Anzahl der Patienten ab dem 65. Lebensjahr könnte sich 2030 auf rund 78 Millionen und 2050 auf rund 139 Millionen erhöhen. Die Prävalenzraten steigen mit dem Alter steil an: Alle fünf Altersjahre verdoppelt sich die Krankenziffer. In der Altersgruppe der 65- bis 69-Jährigen sind etwas mehr als 1 Prozent betroffen, bei den über 90-Jährigen leiden bereits 40 Prozent an einer Demenz. Zwei Drittel aller Erkrankten sind älter als 80 Jahre, rund zwei Drittel der Erkrankten sind Frauen.
Die Alzheimer-Demenz ist mit 50-70% die häufigste Form, gefolgt von der vaskulären Demenz mit 15-25%. Risikofaktoren für Demenz sind unter anderem Diabetes, Hypertonie, Adipositas, Rauchen und ein niedriges Bildungsniveau.
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2019 war Demenz nach der chronischen ischämischen Herzkrankheit und vor den Krebserkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Hierzulande sterben pro Jahr rund 290.000 ältere Menschen, die zu Lebzeiten an einer Demenz litten. Das Risiko, an einer Demenz zu erkranken, richtet sich insbesondere nach der individuellen Lebenserwartung. Berechnungen zufolge würden wahrscheinlich fast alle Menschen eine Demenz entwickeln, wenn sie nur lange genug leben würden. Ohne vorzeitige Todesfälle infolge anderer Erkrankungen ergeben Berechnungen, dass bis zum Alter von 70 Jahren durchschnittlich 2 bis 3 Prozent und bis zum Alter von 80 Jahren knapp 15 Prozent der Menschen eine demenzielle Symptomatik zeigen. Bis zu einem Alter von 90 Jahren wäre fast jeder zweite bzw. knapp 50 Prozent der Bevölkerung betroffen, bis zum Alter von 95 Jahren mehr als 70 Prozent. Erreichten alle das 100. Lebensjahr, läge der Anteil nicht an Demenz erkrankter Personen vermutlich nur bei 10 bis 20 Prozent.
Obwohl die Zahl der Demenzerkrankten in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen hat, ist das altersspezifische Erkrankungsrisiko gleichgeblieben. Der Anstieg wird vor allem durch die höhere Lebenserwartung und die zunehmende Zahl von älteren Menschen erklärt. Es gibt sogar Hinweise auf eine rückläufige Erkrankungswahrscheinlichkeit in den westlichen Ländern. Aus dem asiatischen Raum werden indes steigende Erkrankungsraten gemeldet. Auch heute sind noch nicht alle Ursachen von Demenzen geklärt. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse gibt es nur für wenige Demenzerkrankungen. Ätiologisch werden zwei Gruppen unterschieden: die primären degenerativen und vaskulären Demenzen (rund 90% bei den über 65-Jährigen) sowie die sekundären Demenzformen (die restlichen etwa 10%).
Die häufigsten degenerativen Demenzen sind:
- Alzheimer-Demenz
- Lewy-Körper-Demenz (Lewy-Body-Demenz)
- Frontotemporale Demenz (inkl. Unterformen)
Zu den bedeutsamsten vaskulären Demenzen (VaD) gehören:
- Multi-Infarkt-Demenz (vor allem kortikale Demenz)
- subkortikale vaskuläre Demenz
- gemischte kortikale und subkortikale vaskuläre Demenz
Daneben gibt es Mischformen zwischen vaskulären und degenerativen Demenzen. Bei vielen älteren Betroffenen dominieren entweder die neurodegenerativen oder die vaskulären Hirnveränderungen. Bei jüngeren Patienten liegen die einzelnen neurodegenerativen und vaskulären Pathologien häufiger in Reinform vor.
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Bei den degenerativen Demenzen kommt es mit ansteigendem Lebensalter zu einem progredienten, irreversiblen Abbau von Neuronen und konsekutivem Verlust von Nervenzellverbindungen, sodass immer mehr neuronale Funktionen ausfallen.
Die depressive Pseudodemenz zeichnet sich durch einen plötzlichen Beginn aus. Hierbei ist eine Diskrepanz zwischen schlechten Testergebnissen und einer guten Alltagsbewältigung zu beobachten. Interessanterweise sind sich Patienten mit dieser Form der Pseudodemenz ihrer kognitiven Schwierigkeiten sehr bewusst und leiden stark darunter. Oftmals sind sie von Schuldgefühlen geplagt und zeigen eine insgesamt niedrigere Stimmung.
Ein weiterer Zustand, der bei kognitiven Beeinträchtigungen in Betracht gezogen werden sollte, ist das Delir. Es beginnt plötzlich und dauert nur kurz an. Während des Tages können starke Fluktuationen in den Symptomen auftreten. Besonders auffällig sind hierbei Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus, der Aufmerksamkeit und der Auffassung.
Die leichte kognitive Störung (MCI, mild cognitive impairment) ist durch Gedächtnis- und Lernschwierigkeiten charakterisiert. Patienten mit MCI haben oft Schwierigkeiten, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren und verspüren ein stärkeres Gefühl geistiger Ermüdung.
Altersvergesslichkeit ist ein weiteres Phänomen, das bei älteren Menschen auftreten kann. Hierbei werden eher Objekte vergessen, wohingegen Ereignisse und Personen meist im Gedächtnis bleiben. Trotz dieser Vergesslichkeit bleibt die Fähigkeit zur sozialen Interaktion unbeeinträchtigt. In Altersheimen können Deprivationserscheinungen bzw. Hospitalismus und Regression beobachtet werden. Diese Zustände sind durch sozialen Rückzug und depressive Symptome gekennzeichnet.
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Schließlich gibt es auch potenziell reversible Ursachen für kognitive Beeinträchtigungen. Dazu zählen Erkrankungen wie Hypothyreose, Mangelzustände wie ein Vitamin B12- oder Folsäuremangel und intrazerebrale Pathologien, beispielsweise durch vaskuläre Schädigungen oder Raumforderungen im Gehirn.
Obwohl es derzeit keine Heilung Personen, die an Demenz erkrankt sind, gibt es Behandlungen, die helfen können, die Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität zu verbessern. Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die sich im Laufe der Zeit verschlechtert.
Kortikale vs. Subkortikale Demenz
Die kortikale Demenz bezieht sich auf Erkrankungen, die die äußeren Schichten des Gehirns, die Großhirnrinde, betreffen. Die subkortikale Demenz bezieht sich auf Erkrankungen, die die tieferen Gehirnstrukturen betreffen, die unter der Großhirnrinde liegen.
Die Alzheimer-Demenz, auch als kortikale Demenz bekannt, zeichnet sich hauptsächlich durch Gedächtnisstörungen aus. Die Parkinson-Demenz und die Huntington-Krankheit sind Beispiele für subkortikale Demenzen.
Aphasie, Apraxie, Agnosie: Symptome kortikaler Demenzen
Zu den häufigen Symptomen der Alzheimer-Demenz gehören Apraxie, das Unvermögen, geplante Bewegungen auszuführen; Agnosie, die Unfähigkeit, Gegenstände oder Personen zu erkennen; und Aphasie, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Verstehen von Sprache.
Die Frontotemporale Demenz hingegen ist vor allem durch Persönlichkeitsveränderungen gekennzeichnet. Betroffene zeigen oft Veränderungen im Sozialverhalten und im planenden Denken. Die Lewy-Körperchen-Demenz bringt eine Reihe von Symptomen mit sich, darunter Parkinson-Symptomatik, Aufmerksamkeitsstörungen und den Verlust der visuell-konstruktiven Fähigkeiten. Die Vaskuläre Demenz kann schubweise auftreten und ist oft mit neurologischen Herdsymptomen verbunden. Die Parkinson-Demenz ist eng mit der Parkinson-Krankheit verbunden und oft von den motorischen Symptomen dieser Krankheit begleitet. Schließlich manifestiert sich die Huntington-Krankheit durch Persönlichkeitsveränderungen und Hyperkinesien, das sind übermäßige, unkontrollierte Bewegungen.
Alzheimer-Demenz im Detail
Die Alzheimer-Demenz (AD) wird im ICD-10 nur unpräzise erfasst. Bewährt hat sich die DSM IV-Definition: Neben der gravierenden Gedächtnisstörung besteht mindestens ein weiteres kognitives Defizit (Aphasie, Apraxie, Agnosie, Störungen der Exekutivfunktionen) mit schleichendem Beginn und ohne Vorliegen relevanter anderer zerebraler, extrazerebraler, substanzinduzierter und psychiatrischer Erkrankungen.
Alzheimer-Demenz ist mit 60-70 Prozent die häufigste Form aller Demenzerkrankungen. Fast alle dementen Patienten über 65 Jahre weisen im Gehirn Alzheimer-charakteristische Plaques und Tau-Fibrillen auf; etliche von ihnen zeigen zusätzlich vaskuläre Hirnanomalien. Die Ursache der Eiweißablagerungen ist bislang nicht vollständig entschlüsselt [5,10].
Kennzeichnend für die Alzheimer-Demenz (AD) sind der schleichende Beginn und die langsame Zunahme verschiedener neuropsychologischer Defizite, insbesondere von Merkfähigkeits- und Orientierungsstörungen. Die Unterteilung der AD in eine präsenile Form (Beginn vor dem 65. Lebensjahr) und eine senile Form (Beginn nach dem 65. Lebensjahr) stellt eine klinische Konvention dar. Weit weniger als 1 % aller Patienten mit AD leiden unter einer autosomal-dominanten Erkrankung.
Risikofaktoren der sporadischen Alzheimer und gemischten Demenzen sind z. B. Alter, weibliches Geschlecht (höhere Lebenserwartung), der Apolipoprotein-E4-Polymorphismus, depressive Erkrankungen, Bewegungsmangel, Übergewicht und insgesamt eine höhere somatische Morbidität.
Das Demenzsyndrom bedeutet einen deutlichen Verlust neuropsychologischer Leistungen von solcher Schwere, dass der Alltag nicht mehr wie gewohnt bewältigt werden kann. Im Gegensatz zu angeborenen oder früh erworbenen Minderbegabungen stellt die Demenz einen Verlust des vorher vorhandenen Leistungsvermögens dar. Störungen des Gedächtnisses (v. a. Beeinträchtigung mindestens eines weiteren neuropsychologischen Teilbereichs (z. B.
Von demenziellen Erkrankungen sind ca. 9 % der über 65-jährigen Menschen in Deutschland betroffen. Die Wahrscheinlichkeit, zeitlebens eine Demenz zu entwickeln, ist indessen wesentlich höher. Bei der augenblicklichen Lebenserwartung stirbt etwa ein Drittel der älteren Menschen im Zustand einer Demenz. Das Risiko, an einer AD zu erkranken, ist deutlich alterskorreliert (Tab. 1). In Europa sind nur 0,035 % aller 45- bis 64-Jährigen, aber mehr als 20 % aller über 90-Jährigen von einer AD betroffen.
Eine positive Familienanamnese ist nach dem Alter der wichtigste Risikofaktor für die AD. Genetische Untersuchungen haben dabei wesentlich zum heutigen Verständnis der Pathogenese beigetragen. Die AD ist jedoch genetisch komplex und heterogen und folgt einer altersabhängigen Dichotomie mit einer seltenen familiären Form mit frühem Beginn und einer häufigen sporadischen Form mit spätem Beginn. Die familiäre Form der AD betrifft unter 1 % der Patienten, folgt einem autosominal-dominanten Vererbungsmuster und zeigt einen Symptombeginn meist vor dem 65. Lebensjahr. Bisher wurden mehr als 160 Mutationen in drei Genen beschrieben, die zu der familiären Form der AD führen. Obwohl diese Mutationen drei verschiedene Gene auf drei unterschiedlichen Chromosomen betreffen, führen sie alle zu einer Überproduktion von Amyloid-β (Aβ) -dabei v. a. zu pathologisch erhöhten Spiegeln der 42 Aminosäuren langen Spezies (Aβ42) - und damit zu Nervenzelluntergang und Demenz. Das am häufigsten von Mutationen betroffene Gen Presenilin 1 (PSEN1) auf Chromosom 14 (Sherrington et al. 1995) ist für die Mehrzahl der Erkrankungen vor dem 50. Lebensjahr verantwortlich. Weiterhin sind Mutationen auf den Genen des Aβ-Vorläuferproteins (Amyloid precursor protein, APP) auf Chromosom 21 (Goate et al. 1991) und Presenilin 2 (PSEN2) auf Chromosom 1 (Levy-Lahad et al. 1995) für die frühe familiäre Form verantwortlich. APP ist das Substrat der Aβ-Produktion, wobei PSEN1 und PSEN2 eine wichtige Rolle bei der Aβ-Freisetzung durch den γ-Sekretase-Komplex spielen (Tab. 2).
Im Gegensatz zur frühen familiären Form ist die späte sporadische Form der AD durch einen Symptombeginn nach dem 65. Lebensjahr gekennzeichnet. In den vergangenen Jahren wurden mehrere Risikogene identifiziert, von denen eines hervorzuheben ist aufgrund des deutlichen stärkeren Effektes auf das individuelle Demenzrisiko. Das ɛ4-Allel des Apolipoprotein-E(APOE)-Gens auf Chromosom 19 wurde konsistent mit Odds-Ratios von ungefähr 3 für heterozygote und über 10 für homozygote Allelträger in Verbindung gebracht (Corder et al. 1993). Im Kontrast zu den drei bekannten autosomal-dominant vererbten Risikogenen ist das APOEɛ4-Allel jedoch weder notwendig noch ausreichend, um zu einer AD zu führen. Es ist vielmehr abhängig von der Gendosis mit einem früheren Erkrankungsalter assoziiert. Trotz seiner seit Langem bekannten, starken genetischen Assoziation ist der Wirkmechanismus von APOEɛ4 im Rahmen der AD noch nicht umfassend geklärt.
In neueren genomweiten Assoziationsstudien wurden neben APOE mittlerweile über 30 weitere Gene identifiziert, die einen signifikanten Zusammenhang mit der AD aufweisen. Etliche dieser Gene, wie z. B. CLU, PICALM und CR1 (Harold et al. 2009; Lambert et al. 2009) kodieren wahrscheinlich jeweils Proteine, die für die Aβ-Clearance aus dem Gehirn wichtig sind. Eine veränderte Proteinstruktur führt damit zu einer erhöhten zerebralen Aβ-Konzentration, die wiederum zu neuronaler Schädigung und Demenz führt. Es gibt jedoch auch Zusammenhänge mit anderen Mechanismen, wie der Apoptose und dem Immunsystem.
Neuropathologisch ist die Alzheimer-Krankheit vornehmlich durch die extrazelluläre Ablagerung von Aβ und die intrazelluläre Anhäufung von Tau-Protein gekennzeichnet. Gemäß der sog. Amyloidkaskade wird Aβ aus einem längeren Transmembranvorläuferprotein abgespalten, das sowohl in neuronalen als auch nichtneuronalen Zellen vorkommt. Bei dieser Spaltung entstehen unterschiedlich lange Proteinfragmente, unter denen die 42 Nukleinsäuren lange Spezies am stärksten oligomerisiert und längere unlösliche längere Fibrillen bildet (Haass und Selkoe 1993). Aβ-Fibrillen sind Hauptbestandteil der typischen Alzheimer-Plaques. Diese Plaques finden sich bevorzugt in der grauen Substanz und weniger stark ausgeprägt auch in der angrenzenden weißen Substanz. Im Verlauf der Erkrankung kommt es zu einer fortschreitenden Anreicherung von Aβ, die einem bestimmten Muster folgt. Die Ablagerung von Aβ in Plaques beginnt im Neokortex und breitet sich von dort aus in andere Hirngebiete aus, wobei einige Strukturen wie beispielsweise das Cerebellum weitestgehend ausgespart bleiben (Thal et al. 2006). Mittlerweile häufen sich aber auch Studien, die darauf hindeuten, dass weniger die Aβ-Plaques als vielmehr die löslichen Aβ-Oligomere verantwortlich für die Neurodegeneration im Rahmen der Alzheimer-Krankheit sind. Lösliche Aβ-Oligomere finden sich in erhöhten Konzentrationen sowohl in den Gehirnen als auch im Liquor von Patienten mit AD. Sie binden dabei direkt an synaptische Endigungen, führen sowohl zu morphologischen als auch funktionellen synaptischen Einschränkungen und sind auch in Abwesenheit von Aβ-Plaques mit Gedächtnisdefiziten assoziiert (Haass und Selkoe 2007).
Außerdem scheint ein direkter Zusammenhang zwischen löslichem Aβ und dem zweiten neuropathologischen Charakteristikum der Alzheimer-Krankheit, nämlichen den Tau-Protein-Fibrillen zu bestehen. Tau ist ein mikrotubuliassoziiertes Protein und damit ein integraler Bestandteil des Zytoskeletts. Unter anderem führen die löslichen Aβ-Oligomere zu einer Hyperphospholyrierung von Tau und damit einer Destabilisierung von mikrotubuliassoziierten neuronalen Transportvorgängen. Da zellulärer Transport zu den Synapsen entscheidend für die Funktion der Synapsen ist, führt Tau-Pathologie zu synaptischer Dysfunktion und Zelltod. Im Gegensatz zur Aβ-Plaquepathologie findet sich pathologisch verändertes Tau-Protein zu Beginn der Alzheimer-Krankheit v. a. im entorhinalen Kortex, von wo es sich über das limbische System bis in den Neokortex ausbreitet (Braak und Braak 1997).
ApoE wird in der Leber und im Gehirn gebildet und spielt für die Bereitstellung von Lipiden für Gewebsreparaturprozesse eine wichtige Rolle. ApoE wird auf Chromosom 19 kodiert und weist einen genetischen Polymorphismus auf. Bekannt sind 3 Varianten: ApoE2, ApoE3 und ApoE4. Ein ApoE4-Allel findet sich bei 20-30 % der Bevölkerung, jedoch bei mehr als 50 % aller Patienten mit AD. Damit scheint ApoE4 ein genetischer Risikofaktor für eine AD zu sein, wobei das Vorhandensein eines ɛ4-Allels jedoch weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung für das Auftreten einer AD ist. Das relative Risiko, an AD zu erkranken, ist für ɛ4-Heterozygote um das 2- bis 3-Fache und für ɛ4-Homozygote um mehr als das 10-Fache erhöht. ApoE4 ist jedoch auch ein Risikofaktor für eine Arteriosklerose, für die koronare Herzerkrankung und für vaskuläre Demenzen. Eine ApoE-Typisierung ist für eine prädiktive AD-Diagnostik ungeeignet.
Ein weiterer Risikofaktor für das Auftreten einer AD ist eine demenzielle oder neurodegenerative Erkrankung bei Angehörigen. Des Weiteren tragen schwerere Schädel-Hirn-Traumen zu einer Erhöhung des AD-Risikos auf ca.
Neben genetischen Einflüssen und direkten traumatischen Hirnschädigungen können auch psychosoziale Variablen zu einer Risikoerhöhung führen. Eine geringe Schulbildung erhöht das Risiko, an einer AD zu erkranken. Die Prävalenz liegt bei Personen mit einer Schulbildung unter 4 Jahren gegenüber Personen mit einer Schulbildung von mehr als 10 Jahren bis zum 4-Fachen höher. Neben einer größeren kognitiven Reservekapazität der besser Gebildeten, die womöglich eine verzögerte Manifestation der Demenzsymptomatik bewirkt, können auch bildungsbezogene Unterschiede in der Lebensführung (Ernährung, Medikamentengebrauch usw.) für diese Risikodifferenzen verantwortlich sein.
In den letzten Jahren haben sich die Hinweise auf Zusammenhänge zwischen vaskulären Risikofaktoren und AD verdichtet. Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes, Adipositas und Rauchen im mittleren Lebensalter verdoppeln jeweils das Risiko einer späteren Demenz. Im höheren Lebensalter sind die Zusammenhänge zwischen diesen Risikofaktoren und AD hingegen weniger eng.
Verschiedene Wirkstoffgruppen wurden in Beobachtungsstudien mit einer Reduktion des AD-Risikos in Verbindung gebracht. Metaanalysen der gegenwärtig verfügbaren empirischen Daten bieten jedoch nur wenige Anhaltspunkte für einen protektiven Effekt. Von einzelnen Studien mit positiven Resultaten abgesehen, ergaben sich in der Gesamtbewertung keine klaren Belege für die präventive Wirksamkeit einer Hypertoniebehandlung, der Gabe von Statinen, einer Behandlung mit nichtsteroidalen Antiphlogistika, der Einnahme von Folsäure, Vitamin B6 und B12 oder einer Substitution von Antioxidanzien. Einige Studien zeigen ein häufigeres Vorkommen der AD bei Frauen, auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenserwartung. Inwieweit dies Ausdruck hormonaler Unterschiede ist, ist unklar. Hoffnungen, die in die Substitution von Östrogenen gesetzt worden waren, haben sich nicht erfüllt. Begleitet von einer Reihe anderer unerwünschter Nebenwirkungen stieg vielmehr das Demenzrisiko unter Gabe von Östrogenen sogar an.
Kontrollierte Studien unter Verwendung von Antidementiva konnten ebenfalls keinen deutlichen präventiven Effekt nachweisen. Vielversprechend hingegen sind die Resultate zur Wirksamkeit von Aktivität und gesunder Ernährung. Geistige Aktivitäten wie das Lösen von Kreuzworträtseln, Schachspielen oder Lesen scheinen die kognitive Reserve zu erhöhen und damit das Auftreten von Demenzen verzögern zu können. Körperliche Aktivität scheint imstande zu sein, das AD-Risiko fast um die Hälfte zu verringern. Zugrunde liegende Mechanismen könnten in einer erhöhten Sauerstoffaufnahme und Glukoseutilisation sowie in der gesteigerten Expression von neutrophen Faktoren bestehen.
Die Alzheimer-Demenz wurde bis vor einigen Jahren durch den Ausschluss anderer Erkrankungen diagnostiziert. Bestätigt oder widerlegt wurde die klinische Verdachtsdiagnose erst durch den Autopsiebefund. Aus heutiger Sicht müssen die Hirnveränderungen (= Alzheimer-Krankheit, „Alzheimer’s Disease“) klar von den klinischen Folgen („leichte kognitive Beeinträchtigung durch die Alzheimer-Krankheit“ und „Demenz durch die Alzheimer-Krankheit“) differenziert werden McKhann et al. 2011). Das erste Stadium der Alzheimer-Krankheit ist durch die zerebrale Amyloidpathologie gekennzeichnet, und diese kann entweder durch das Amyloid-Imaging oder durch eine Liquoruntersuchung (verminderte Amyloidk-Konzentration) nachgewiesen werden. Danach folgt das Stadium der Neurodegeneration (Nachweis durch Tau-Anstieg im Liquor).
Bei der AD treten die kognitiven Störungen meist schleichend auf. Alle Teilleistungsbereiche können betroffen sein, wobei die Merkfähigkeit meist früh beeinträchtigt ist. Andere Teilleistungsbereiche (Orientierung, Praxis, Wortfindung, Schreiben, Rechnen) sind in unterschiedlichem Ausmaß mitbetroffen. Amnestische, apraktische, agnostische und aphasische Störungen können zunächst allein und dann in unterschiedlicher Kombination auftreten. Die kognitiven Defizite nehmen meist gleichförmig zu, längere Plateauphasen sind möglich. Eine stark fluktuierende kognitive Symptomatik spricht gegen eine AD (und für einen Normaldruckhydrozephalus, eine Demenz mit Lewy-Körperchen oder Verwirrtheitszustände anderer Genese). Besonders in der frühen Phase einer AD kann sich die Differenzialdiagnose zu einer Depression schwierig gestalten, da kognitive Defizite im Rahmen einer sog.
Der neurologische Status der meisten Patienten mit AD ist bei Beginn der Erkrankung unauffällig. Gesteigerte Muskeleigenreflexe können die ersten motorischen Symptome darstellen; zusätzlich können eine Bradykinese und ein erhöhter Muskeltonus auftreten. Myoklonien sowie gelegentlich Krampfanfälle finden sich bei jedem 5.-10. Betroffenen im Verlauf. Etwa zwei Drittel der Patienten entwickeln im Lauf der Erkrankung neben den kognitiven Defiziten andere psychopathologische Symptome. Diese Störungen des Erlebens und Verhaltens werden gelegentlich als „nichtkognitive“ Symptome oder BPSD („behavioural and psychological symptoms of dementia“) bezeichnet. Depressive Verstimmungen finden sich oft zu Beginn der Erkrankung.
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