Amitriptylin bei Polyneuropathie: Dosierung, Wirkung und Anwendung

Polyneuropathie ist eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die oft mit neuropathischen Schmerzen einhergeht. Die Behandlung dieser Schmerzen stellt eine besondere Herausforderung dar. Amitriptylin, ein trizyklisches Antidepressivum, ist eine der Optionen zur Behandlung neuropathischer Schmerzen bei Polyneuropathie. Dieser Artikel beleuchtet die Dosierung, Wirkungsweise und Anwendung von Amitriptylin bei Polyneuropathie und gibt einen Überblick über weitere Therapieansätze.

Einführung in die Polyneuropathie und ihre Behandlung

Polyneuropathie ist eine Erkrankung, die mehrere periphere Nerven betrifft und zu einer Vielzahl von Symptomen führen kann, darunter Schmerzen, Gefühlsstörungen und Muskelschwäche. Diabetes mellitus ist eine der häufigsten Ursachen für Polyneuropathie. Etwa die Hälfte der Patienten mit diabetischer Polyneuropathie entwickeln neuropathische Schmerzen. Diese Schmerzen können die Schlafqualität und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Die Behandlung der Polyneuropathie zielt darauf ab, die zugrunde liegende Ursache zu behandeln und die Symptome zu lindern. Zu den symptomatischen Behandlungsansätzen gehören Medikamente zur Schmerzlinderung, Physiotherapie und Ergotherapie.

Amitriptylin: Ein trizyklisches Antidepressivum

Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum, das ursprünglich zur Behandlung von Depressionen entwickelt wurde. Es hat sich jedoch auch als wirksam bei der Behandlung neuropathischer Schmerzen erwiesen. Der Wirkstoff wird meist in Form von Tabletten eingenommen, teilweise auch mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Auf dem deutschen Markt sind auch Amitriptylin-Tropfen und Injektionslösungen erhältlich.

Wirkungsweise von Amitriptylin

Amitriptylin wirkt, indem es die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn hemmt. Diese Neurotransmitter spielen eine wichtige Rolle bei der Schmerzmodulation. Durch die Erhöhung der Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt kann Amitriptylin die Schmerzsignale im Rückenmark unterdrücken. TCA blockieren weiterhin spannungsabhängige Natriumkanäle und haben sympathikolytische Eigenschaften.

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Dosierung von Amitriptylin bei Polyneuropathie

Die Dosierung von Amitriptylin bei Polyneuropathie ist in der Regel niedriger als bei der Behandlung von Depressionen. Die Dosierung richtet sich nach dem Anwendungsgebiet. Bei neuropathischen Schmerzen wird sie oft niedriger gewählt als bei einer Depression. Die Tabletten werden meist über den Tag verteilt gegeben (morgens - mittags - abends). Bei niedriger Amitriptylin-Dosierung beziehungsweise verzögerter Wirkstofffreisetzung erfolgt die Einnahme meist abends, da vor allem zu Therapiebeginn Müdigkeit auftreten kann.

Es ist wichtig, die Dosis langsam zu steigern, um Nebenwirkungen zu minimieren. Die Startdosis liegt bei 10/12,5 mg oder 25 mg retardiert zur Nacht bei sedierenden TCA beziehungsweise morgens bei aktivierenden Wirkstoffen. Dosissteigerung alle drei bis fünf Tage um 10-25 mg. Die empfohlene Höchstdosierung in der Schmerztherapie ist 75 mg am Tag. Je nach Wirkstoff erfolgt die Gabe retardiert einmalig oder verteilt auf zwei bis drei Tagesdosen.

Anwendung von Amitriptylin

Amitriptylin wird meist in Form von Tabletten eingesetzt, teilweise auch mit verzögerter Wirkstofffreisetzung. Außerdem gibt es auf dem deutschen Markt Amitriptylin-Tropfen und Injektionslösungen. Die Tabletten werden meist über den Tag verteilt gegeben (morgens - mittags - abends). Bei niedriger Amitriptylin-Dosierung beziehungsweise verzögerter Wirkstofffreisetzung erfolgt die Einnahme meist abends, da vor allem zu Therapiebeginn Müdigkeit auftreten kann.

Gegenanzeigen

Amitriptylin sollte nicht eingesetzt werden bei:

  • Erkrankungen des Herzens
  • schwerer Leberfunktionsstörung
  • gleichzeitiger Behandlung mit Monoaminooxidase-Hemmern (MAO-Hemmern - gegen Depressionen und Parkinson)
  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff

Wechselwirkungen

Amitriptylin kann Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten haben. Es kann die Wirkung von Adrenalin, Ephedrin und Phenylephrin (Sympathomimetika) auf das Herz verstärken. Des Weiteren verstärkt es die Wirkung zentral wirksamer Blutdrucksenker (z.B. Clonidin, Methyldopa) und Anticholinergika (z.B. Tolterodin, Oxybutynin). Die Kombination von Amitriptylin mit Fluvoxamin (Antidepressivum) und Tramadol (Schmerzmittel) ist zu vermeiden. Andere zentral dämpfende Arzneimittel (z.B. Benzodiazepine) und Alkohol verstärken die sedierende Wirkung von Amitriptylin. In der Folge können die Fahrtüchtigkeit und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen erheblich beeinträchtigt sein.

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Nebenwirkungen

Wie alle Medikamente kann auch Amitriptylin Nebenwirkungen haben. Häufige Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Mundtrockenheit, Verstopfung und Schwindel. In seltenen Fällen kann es zu schwerwiegenderen Nebenwirkungen wie Herzrhythmusstörungen kommen. Zu beachten ist, das Pregabalin mehr Nebenwirkungen hatte als Amitriptylin und Duloxetin.

Amitriptylin in Schwangerschaft und Stillzeit

Studien mit insgesamt etwa 1400 ausgewerteten Schwangerschaftsverläufen haben keine Hinweise auf eine fruchtschädigende Wirkung von Amitriptylin erbracht. Der Wirkstoff gehört daher zu den Antidepressiva der Wahl bei therapiebedürftiger Depression in der Schwangerschaft. Für die Stillzeit liegen weniger umfangreiche Daten zur Anwendung von Amitriptylin vor. Bisher wurden keine Beschwerden bei gestillten Kindern beschrieben. Amitriptylin gehört demnach zu den Antidepressiva der Wahl in der Stillzeit, sofern eine medikamentöse Therapie indiziert ist.

Rezeptpflicht

Präparate, die den Wirkstoff Amitriptylin enthalten, sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz in jeder Dosierung und Darreichungsform rezeptpflichtig und nur über die Apotheke zu beziehen.

Vergleich von Amitriptylin mit anderen Therapieansätzen

In einer doppelblinden randomisierten Parallelgruppenstudie wurde die Wirksamkeit von Amitriptylin, Duloxetin und Pregabalin bei der Behandlung chronisch neuropathischer Schmerzen bei Patienten mit diabetischer Polyneuropathie verglichen. Die Studie ergab, dass alle drei Medikamente einer Behandlung mit Plazebo überlegen waren. Allerdings bestand zwischen den aktiven Therapien kein Unterschied. Amitriptylin und Pregabalin verbesserten auch die Schlafqualität, was bei Duloxetin nicht der Fall war.

Aktuelle Leitlinien empfehlen, dass vor dem Einsatz von stark wirksamen Opioiden zusätzlich zur bereits durchgeführten Analgetikatherapie trizyklische Antidepressiva bzw. ionenkanalstabilisierende Arzneimittel wie Gabapentin oder Pregabalin eingesetzt werden.

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Bei Patienten mit diabetischer Neuropathie wirkte in Studien Gabapentin ab einer Tagesdosis von 1.200 mg geringfügig besser als Placebo und ähnlich stark wie Amitriptylin. Pregabalin stellt nach den Trizyklika und Gabapentin lediglich ein Mittel der dritten Wahl dar. Diese Substanzgruppen sind gleich wirksam.

Weitere Therapieoptionen bei Polyneuropathie

Neben Amitriptylin gibt es noch weitere Medikamente und Therapieansätze zur Behandlung von Polyneuropathie.

Antikonvulsiva

Antikonvulsiva wie Gabapentin und Pregabalin werden häufig zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt. Sie wirken, indem sie die Aktivität der Nervenzellen stabilisieren und die Schmerzsignale reduzieren.

Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI)

Duloxetin und Venlafaxin sind selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI), die ebenfalls zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt werden. Sie wirken, indem sie die Konzentration von Serotonin und Noradrenalin im Gehirn erhöhen, was die Schmerzwahrnehmung beeinflussen kann. Duloxetin besitzt in einer Dosierung von 30 bis maximal 120 mg pro Tag die Zulassung zur Behandlung von Schmerzen bei diabetischer Polyneuropathie.

Opioide

Opioide wie Tilidin oder Tramadol können bei starken Schmerzen eingesetzt werden, wenn andere Medikamente nicht ausreichend wirken. Aufgrund des Risikos von Toleranzentwicklung und Abhängigkeit sollten Opioide jedoch nur unter strenger ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.

Topische Therapien

Bei lokalisierten Schmerzen können topische Therapien wie Capsaicin-Pflaster oder Lidocain-Pflaster eingesetzt werden. Capsaicin-Pflaster setzen Capsaicin in die Haut frei, das selektiv TRPV1-Rezeptoren auf nozizeptiven Endigungen bindet. Dies resultiert initial in einer Übererregbarkeit der Nervenfasern mit Brennen, Hyperalgesie, Allodynie und Rötung durch Freisetzung vasoaktiver Substanzen. Lidocain-Pflaster wirken als Lokalanästhetika über Blockade spannungsabhängiger Natriumkanäle auf Nozizeptorafferenzen.

Nicht-medikamentöse Therapien

Neben Medikamenten können auch nicht-medikamentöse Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie und Psychotherapie zur Behandlung von Polyneuropathie eingesetzt werden. Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft und Koordination zu verbessern. Ergotherapie kann helfen, dieAlltagsaktivitäten zu erleichtern. Psychotherapie kann helfen, mit den Schmerzen und den emotionalen Belastungen der Erkrankung umzugehen.

Therapiealgorithmus

Eine Schmerztherapie sollte bei einem für den Patienten alltagsrelevanten Schmerz sofort begonnen werden. Die Therapiemöglichkeiten müssen mit den Patienten klar besprochen werden, um zu hohe Erwartungen und mögliche Enttäuschungen zu vermeiden. Mit einer medikamentösen Therapie ist eine Schmerzreduktion um 30-50 % möglich. Eine Schmerzfreiheit kann häufig nicht erreicht werden. Bei allen medikamentösen Therapieoptionen sprechen etwa 20-40 % der Patienten nur unzureichend auf die Therapie an (< 30 % Schmerzreduktion, sogenannte „non-responder“) oder erleiden nichttolerable Nebenwirkungen. Die pharmakologische Therapie richtet sich nicht nach der Ätiologie des neuropathischen Schmerzes, obwohl einige Substanzen nicht in mehreren Ätiologien getestet wurden und/oder nicht zugelassen sind.

Zur Verbesserung der Compliance sollte der Patient vor Therapiebeginn insbesondere auch informiert werden überdie als Analgetika oder Co-Analgetika verwendeten Substanzgruppendie potenziellen Nebenwirkungen und Wechselwirkungen, wodurch Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt sein könntenden zeitlichen Ablauf der Ein- und Aufdosierung und den zu erwartenden, häufig verzögerten Wirkbeginn (zum Beispiel Tage bis wenige Wochen unter Einsatz von Antidepressiva und Antikonvulsiva).

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