Amnesie nach epileptischem Anfall: Ursachen und Zusammenhänge

Amnesie, insbesondere wenn sie plötzlich auftritt, kann vielfältige Ursachen haben. Neben der transienten globalen Amnesie (TGA) und transitorisch ischämischen Attacken (TIA) kann auch ein epileptischer Anfall eine Ursache für Gedächtnisstörungen sein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Zusammenhänge von Amnesie nach einem epileptischen Anfall.

Epileptische Anfälle und ihre Vielfalt

Ein epileptischer Anfall entsteht durch eine übermäßige Entladung von Neuronen im Gehirn. Die Phänomenologie der Anfälle variiert erheblich, abhängig vom Ort und der Ausprägung der Entladung. Die Symptome können von Muskelkrämpfen und Bewusstlosigkeit bis hin zu subtileren Anfallsformen wie Halluzinationen oder Wutausbrüchen reichen.

Es gibt verschiedene Arten von epileptischen Anfällen:

  • Generalisierte Anfälle: Betreffen beide Gehirnhälften gleichermaßen. Ein Beispiel ist der generalisierte tonisch-klonische Anfall (früher „Grand mal“ genannt), der mit Muskelversteifung, Zuckungen und Bewusstseinsverlust einhergeht. Absencen sind eine weitere Form generalisierter Anfälle, die durch kurze Abwesenheiten mit stark eingeschränktem oder fehlendem Bewusstsein gekennzeichnet sind.
  • Fokale Anfälle: Finden in einem begrenzten Bereich einer Hirnhälfte statt. Die Symptome hängen vom Ursprungsort des Anfalls im Gehirn ab. Bei einem komplex-fokalen Anfall kommt es neben der lokal begrenzten Symptomatik zusätzlich zu Bewusstseinsstörungen. Fokale Anfälle können sich auch zu generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ausweiten.

Postiktale Phase und ihre Auswirkungen

Nach einem Anfall folgt in den meisten Fällen eine Nachphase (postiktale Phase), die Stunden anhalten kann. In dieser Phase können Symptome wie Sprachstörungen, Vigilanzminderungen, Lähmungen, Gedächtnisstörungen und psychische Störungen auftreten. Die Gedächtnisstörungen in der postiktalen Phase sind ein wichtiger Aspekt der Amnesie nach einem epileptischen Anfall.

Amnesie als Folge epileptischer Anfälle

Amnesie kann im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen auf verschiedene Weisen auftreten:

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  • Kurzfristige Bewusstseinsstörung mit Amnesie: Als Zeichen eines epileptischen Anfalls, nachweisbar im EEG. Sie ist durch Schlafentzug und Hyperventilation provozierbar.
  • Amnesie während des Anfalls: Insbesondere bei fokalen Anfällen mit Bewusstseinsverlust können sich Patienten nicht an den Anfall erinnern. Auch bei generalisierten tonisch-klonischen Anfällen kommt es zu Bewusstseinsverlust und Amnesie.
  • Amnesie in der postiktalen Phase: Gedächtnisstörungen sind ein häufiges Symptom der postiktalen Phase und können sowohl retrograde (Verlust von Erinnerungen vor dem Anfall) als auch anterograde (Unfähigkeit, neue Erinnerungen zu bilden) Amnesie umfassen.
  • Dissoziative Amnesie: Einige Betroffene berichten, dass autobiografische Informationen durch die Epilepsie "ausgelöscht" wurden. Dieser Erinnerungsverlust ist jedoch nicht mit traumatischen Umständen in Verbindung zu bringen, sondern tritt plötzlich auf.

Differenzialdiagnose der Amnesie

Es ist wichtig, die Amnesie nach einem epileptischen Anfall von anderen Ursachen für Gedächtnisstörungen abzugrenzen. Dazu gehören:

  • Transiente globale Amnesie (TGA): Plötzlicher Verlust der Merkfähigkeit, bei dem Betroffene ihre Situation nicht mehr verstehen und wiederholt Fragen stellen. Im Gegensatz zu epileptischen Anfällen bleibt das prozedurale Gedächtnis erhalten.
  • Transitorisch ischämische Attacke (TIA): Vorübergehende Durchblutungsstörung im Gehirn, die zu neurologischen Ausfällen führen kann, einschließlich Amnesie.
  • Dissoziative Amnesie: Eine psychische Erkrankung, die sich in Form von Gedächtnisstörungen äußert, welche über das normale Maß von Vergesslichkeit hinausgehen und zumeist traumatischer oder belastender Natur sind.
  • Amnesie bedingt durch Schädel-Hirn-Trauma: Tritt entweder direkt nach der Hirnverletzung auf oder unmittelbar nachdem der Betroffene das Bewusstsein wiedererlangt.
  • Substanzmittelbedingte Amnesie: Durch Substanzmittelmissbrauch (Alkohol, Drogen und Medikamente) können ebenfalls „Blackout“-Episoden entstehen oder Perioden, für die keine Erinnerungen existieren.

Diagnostik und Therapie

Die Diagnose von Amnesie nach einem epileptischen Anfall umfasst:

  • Anamnese: Genaue Beschreibung des Anfalls und der Gedächtnisstörungen durch den Patienten und Augenzeugen.
  • Neurologische Untersuchung: Um andere Ursachen für die Amnesie auszuschließen.
  • EEG (Elektroenzephalographie): Zur Aufzeichnung der Hirnströme und zum Nachweis epileptischer Aktivität. Auch mit Provokationsmanövern (HV, Flickerstimulation, Schlafentzug).
  • MRT (Magnetresonanztomographie): Zur Darstellung von strukturellen Veränderungen im Gehirn, die eine Epilepsie verursachen könnten. Ev. MRA (z.B. zum Ausschluß Sinusvenenthrombose).
  • Liquordiagnostik: Bei Verdacht auf eine Entzündung des Gehirns.

Die Therapie der Amnesie richtet sich nach der Ursache. Bei Epilepsie stehen Antiepileptika im Vordergrund, um Anfälle zu verhindern und somit auch das Risiko für Amnesie zu reduzieren. In der Akuttherapie eines Anfalls können Benzodiazepine eingesetzt werden. Bei dissoziativer Amnesie ist Psychotherapie das Mittel der Wahl.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Es ist entscheidend, dass Angehörige und Betroffene wissen, wie man Erste Hilfe während eines Anfalls leistet:

  • Schutz vor Verletzungen: Potenziell patientengefährdende Gegenstände entfernen. Wenn der Betroffene bereits auf dem Boden liegt, sollte man ihn nicht aufrichten oder festhalten.
  • Nicht in den Mund schieben: Auch wenn es zu einem Zungenbiss kommt, sollte man niemals versuchen, etwas in den Mund zu schieben.
  • Beobachtung des Anfalls: Die Beobachtungen der Augenzeugen liefern später oft entscheidende Informationen bei der Diagnosefindung. Wichtige Fragen dabei sind zum Beispiel: Was ging dem Anfall voraus? Wie sah der Sturz aus, wenn es einen gab? Waren die Augen geöffnet oder geschlossen? Auf welcher Körperseite begannen die Verkrampfungen? In welche Richtung war der Kopf gedreht?
  • Ärztliche Untersuchung nach dem ersten Anfall: Nach einem ersten Anfall ist immer zügig eine ärztliche Untersuchung notwendig.

Leben mit Epilepsie und Amnesie

Menschen mit Epilepsie und Amnesie können ein erfülltes Leben führen. Wichtig sind:

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  • Aufklärung und Beratung: Individuelle Aufklärung und Beratung von Betroffenen und ihren Angehörigen sind wichtig, um Ängste zu nehmen, Fragen zu beantworten und konkrete Probleme zu lösen.
  • Konsequente Einnahme von Medikamenten: Die Anfallskontrolle ist das wichtigste Ziel der Epilepsie-Behandlung und oft nur durch eine lebenslange Einnahme von Anfallssuppressiva möglich.
  • Vermeidung von Auslösern: Obwohl es keine allgemeingültigen Auslöser für epileptische Anfälle gibt, sollten Betroffene individuelle Trigger identifizieren und vermeiden.
  • Vorsicht in potenziell gefährlichen Situationen: Menschen mit Epilepsie dürfen nicht selbst Auto fahren, wenn sie in den vergangenen zwölf Monaten einen Anfall hatten. In diesem Fall sollte man zum Beispiel nicht alleine schwimmen gehen.

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