Hirnaneurysma-Operation: Erfahrungen, Verfahren und Risikobewertung

Ein Hirnaneurysma ist eine Ausstülpung einer Hirnarterie, die zwischen einem Millimeter und zehn Zentimetern groß sein kann. Es entsteht, wenn die Gefäßwand an einer Stelle nicht mehr fest und elastisch ist und sich dadurch nach außen wölbt. Dies kann zu Druck auf angrenzende Hirn- oder Nervenstrukturen führen oder platzen und eine Blutung im Kopf auslösen. Etwa drei von 100 Erwachsenen haben ein Aneurysma im Kopf.

Die Diagnose Hirnaneurysma

Die Diagnose eines Hirnaneurysmas wirft oft viele Fragen und Ängste auf. Schlagzeilen über "tickende Zeitbomben" oder "Damoklesschwerter im Kopf" können beängstigende Assoziationen hervorrufen. Es ist wichtig zu verstehen, dass nicht alle Hirnaneurysmen reißen und dass es verschiedene Faktoren gibt, die das Risiko eines Risses beeinflussen. Oft werden Aneurysmen zufällig bei Untersuchungen aus anderen Gründen entdeckt.

Im akuten Notfall einer Aneurysmablutung kommt es meist zu schlagartigen Kopfschmerzen, die von den Patient:innen als „so stark wie noch nie in ihrem Leben“ empfunden werden. Aneurysmen, die nicht geblutet haben, bleiben meist ohne spezifische Beschwerden und werden „inzidentelle Aneurysmen“ genannt.

Risikobewertung und Behandlungsentscheidung

Wenn ein Hirnaneurysma festgestellt wird, versuchen Ärztinnen und Ärzte, das Risiko für Komplikationen einzuschätzen. Das heißt vor allem: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Aneurysma irgendwann plötzlich reißt und eine lebensbedrohliche Hirnblutung auslöst?

Es gibt Eigenschaften des Aneurysmas und Erkrankungen, die das Risiko für einen Riss erhöhen. Je größer ein Aneurysma ist, desto höher ist das Komplikationsrisiko. Es gibt zwar keine feste Grenze zwischen „harmlosen“ und „gefährlichen“ Aneurysmen. Fachleute gehen aber davon aus, dass Aneurysmen mit einem Durchmesser unter sieben Millimetern nicht sofort behandelt werden müssen, sondern beobachtet werden können. Dennoch lässt sich nicht ganz ausschließen, dass auch solche kleinen Aneurysmen reißen. Daher spielen bei der Entscheidung für oder gegen eine Behandlung auch andere Risikofaktoren eine Rolle:

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  • Wenn das Aneurysma im Laufe der Zeit größer wird.
  • Wenn es an den Hirnarterien sitzt, die den hinteren Bereich des Gehirns versorgen.
  • Wenn es unregelmäßig geformt ist.
  • Bei mehreren Hirnaneurysmen besteht ebenfalls ein erhöhtes Risiko - vor allem, wenn eins davon schon einmal geblutet hat.

Weitere Risikofaktoren sind:

  • Bluthochdruck
  • Rauchen
  • Übermäßiger Alkoholkonsum

Gegen einen erhöhten Blutdruck lässt sich einiges tun. Schon eine Ernährungsumstellung mit Gewichtsabnahme und mehr Bewegung können dazu beitragen, ihn zu senken. Außerdem gibt es wirksame Medikamente gegen Bluthochdruck. Wer raucht, kann sein Risiko für einen Riss des Aneurysmas verringern, wenn er damit aufhört. Ähnliches gilt für Alkohol. Wer seinen Alkoholkonsum verringern, aber nicht ganz verzichten will, kann versuchen, nur gelegentlich oder bei besonderen Anlässen ein Glas zu trinken.

Nach der Diagnose „Hirnaneurysma“ stellt sich meist die Frage: Muss das Aneurysma behandelt werden oder nicht? Für diese Entscheidung ist es wichtig, wie wahrscheinlich es ist, dass das Aneurysma eines Tages reißt. Bei einem sehr geringen Risiko für eine Hirnblutung könnte eine Behandlung wegen ihrer möglichen Risiken und Nebenwirkungen womöglich mehr schaden als nutzen. Menschen mit sehr hohem Risiko könnte die Behandlung dagegen vor einer lebensbedrohlichen Hirnblutung schützen. Für sie überwiegt trotz möglicher Nebenwirkungen der Nutzen.

Ob ein Aneurysma irgendwann reißt oder nicht, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Außerdem muss das Risiko für eine Hirnblutung mit dem für die Nebenwirkungen und Risiken einer Behandlung abgewogen werden. Auch das Behandlungsrisiko ist nicht für jeden gleich. Aus all diesen Gründen ist die Entscheidung für oder gegen eine Behandlung manchmal schwierig und eine Beratung mit Ärztinnen und Ärzten wichtig, die sich auf die Therapie von Hirnaneurysmen spezialisiert haben.

Eine Entscheidungshilfe kann dabei unterstützen, sich auf dieses Beratungsgespräch vorzubereiten.

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Behandlungsmethoden von Hirnaneurysmen

Ziel der Behandlung ist es, das Aneurysma vom Blutkreislauf abzutrennen, um eine Ruptur mit anschließender Hirnblutung zu verhindern. Hierfür stehen zwei verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung:

1. Coiling

Beim Coiling-Verfahren führen die Ärzt:innen einen Katheter über einen kleinen Schnitt in der Leistenarterie durch die Bauchschlagader bis ins Gehirn. Über den Katheter werden weiche Platin-Spiralen (Coils) in das Hirnaneurysma geschoben. Dort rollt sich die Spirale zu einem festen Knäuel auf und füllt die Ausbuchtung voll aus, sodass diese vom Blutstrom abgegrenzt ist. Großer Vorteil dieser minimalinvasiven Methode: Eine Operation mit einer Öffnung des Schädels ist nicht mehr notwendig. Das umliegende Gehirngewebe wird geschont, die Gefahr von nervlichen Ausfällen wie Seheinschränkungen, Sprach- und Denkstörungen oder schweren Lähmungen ist minimiert.

Vor dem Coling-Verfahren wird zunächst zur genauen Beurteilung der Anatomie und der Gefäßverhältnisse eine Angiographie (Gefäßdarstellung) durchgeführt. Während des Eingriffs kommt die ICG-Angiographie (englisch: indocyanine green) zum Einsatz. Mit Hilfe dieses Verfahrens kann der Blutfluss durch die Hirngefäße in Echtzeit dargestellt und analysiert werden. Dabei wird den Patient:innen ein fluoreszierender Farbstoff über die Vene verabreicht, der nach kurzer Zeit wieder vom Körper ausgeschieden wird.

Neuere Entwicklungen ermöglichen auch die Anwendung bisher nur unzureichend therapierbarer spindelartiger Gefäßaufweitungen (fusiformes Aneurysma) mit sogenannten „Flow Divertern“. Die Wahl des Verfahrens hängt von verschiedenen Faktoren ab, die im Einzelfall abgewogen werden müssen.

2. Clipping

Beim Clipping handelt es sich um eine offene mikrochirurgische Operation. Bei dem neurochirurgischen Eingriff wird unter dem Operationsmikroskop das Aneurysma aufgesucht und mit einem oder mehreren Titanclips vom Blutfluss abgeklemmt. Sie können lebenslang im Körper verbleiben.

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Wahl der Methode

Welche Methode letztendlich zum Einsatz kommt, muss individuell entschieden werden. Auch die Lokalisation, die Form der Gefäßaussackung beziehungsweise die Zugangswege zum Aneurysma spielen dabei eine Rolle. Beim Coiling kommt es gelegentlich zu Rückfällen. Aus diesem Grund wird das Clipping vorzugsweise jüngeren Menschen empfohlen.

Innovative Implantate und Stents

Liegt das Aneurysma tiefer im Gehirn, an kleinen, unübersichtlichen oder stark verzweigten Gefäßen, galt die Gefäßschädigung als nur schwer und mit hohem Risiko operierbar. Seit kurzem bieten neue innovative Implantate auch für Aneurysmen dieser sehr kleinen Gefäße Hoffnung auf einen schonenden und erfolgreichen Eingriff. Die Neuroradiologen am Universitätsklinikum Leipzig (UKL) haben diese speziellen Stents bereits 70 mal erfolgreich einsetzen können. Damit verfügen die Leipziger aktuell über die weltweit größte Erfahrung bei diesem hochspezialisierten Verfahren.

Die sogenannten Mini-Flow-Diverter sind kleine, besonders eng gewebte metallische Gefäßstrümpfe, die in das geschädigte Gefäß eingeführt werden. Das erfolgt mittels Katheter über einen kleinen Schnitt in der Leiste. Diese Art von Eingriffen gehört in der Neuroradiologie am UKL zum Alltag, weit mehr als 200 solcher Interventionen hat das Team um Prof. Hoffmann und Oberarzt Dr. Quäschling bereits ausgeführt. "Das ist insgesamt eine neue Qualität in der Behandlung von Aneurysmen, die damit nachhaltig ausgeschaltet werden können", erläutert Quäschling.

Bei der Aneurysmenbehandlung wollen die Neuroradiologen dem Schlaganfall infolge einer Blutung zuvor kommen. Das gelingt mit dem Stent, der sich im Gefäß entfaltet und den Blutfluss so lenkt, dass notwendige Gefäße weiter versorgt werden, die gefährliche Aussackung aber verödet. Die neuesten Stents sind dabei so klein, dass sie auch bei tiefliegenden Aneurysmen und unübersichtlichen Gefäßen angewandt werden können.

Aktuelle Studien zeigen, dass auch kleine Aneurysmen reißen und zu Blutungen führen können, was mit den Erfahrungen der UKL-Neuroradiologen übereinstimmt. Dann sei es aber oft zu spät, denn im Notfall überleben nur wenig mehr als zwei Drittel der Patienten, ungefähr ein Drittel mit langfristig erheblichen Beeinträchtigungen. "Wir können mit den neuen Möglichkeiten viele Notfälle verhindern", ist der Leiter der UKL-Abteilung für Neuroradiologie überzeugt.

Risiken und Komplikationen

Aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge kommt es bei bis zu fünf Prozent der Behandelten zu therapiebedingten Komplikationen. Dazu gehören schwere Nachblutungen, eine dauerhafte Epilepsie oder eine Gefäßverletzung beziehungsweise ein Gefäßverschluss mit einem Schlaganfall, was zu bleibenden Schäden führen oder sogar tödlich verlaufen kann.

Es macht nur Sinn zu behandeln, wenn das Risiko des Einreißens deutlich höher als das Risiko der Behandlung ist. Bei der Frage, ob überhaupt behandelt werden soll, müssen auch das Lebensalter, Vorerkrankungen sowie das Risiko des Eingriffs für schwere Komplikationen für jeden einzelnen Fall bewertet werden.

Erfahrungen von Patienten

Mehmet Sirimsi hat nur knapp zwei Hirnblutungen überlebt. Seinen Lebensrettern ist der 51-Jährige Wiesbadener unendlich dankbar. Er erlitt plötzlich starke Kopfschmerzen, Sprachstörungen und Übelkeit. In der Klinik wurden drei Aneurysmen diagnostiziert, von denen eines bereits geplatzt war. Er wurde notoperiert und überlebte, obwohl die Ärzte zunächst eine düstere Prognose stellten.

Beate Grabe wurde 2009 ein Aneurysma diagnostiziert, das zunächst als inoperabel galt. Sie lebte in ständiger Angst vor einer Ruptur, bis sie 2012 erfolgreich mit der Coiling-Methode operiert wurde. Seitdem lebt sie angstfreier und ohne die ständige Bedrohung einer Hirnblutung. 2016 wurde eine weitere kleine Ausbuchtung festgestellt, die sich jedoch nach Absetzen von ASS zurückbildete.

Prävention und Leben nach der Operation

Ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener Ernährung, regelmäßiger Bewegung, Verzicht auf Rauchen und maßvollem Alkoholkonsum kann dazu beitragen, das Risiko für die Entstehung eines Aneurysmas zu senken. Auch die Kontrolle des Blutdrucks ist wichtig.

Nach einer erfolgreichen Aneurysma-Operation können die meisten Menschen ein normales Leben führen. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind jedoch wichtig, um sicherzustellen, dass das Aneurysma vollständig verschlossen bleibt und keine neuen Ausbuchtungen entstehen.

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