Arzneimittel gegen Parkinson: Ein umfassender Überblick

Die Parkinson-Krankheit ist eine fortschreitende neurologische Erkrankung, die das extrapyramidal-motorische System (EPS) und die Basalganglien betrifft. Sie ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Dopamin im Gehirn, der zu Bewegungsstörungen wie Tremor, Akinese/Bradykinese und Rigor führt. Obwohl Parkinson nicht heilbar ist, können Medikamente die Symptome lindern und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Die medikamentöse Therapie setzt vor allem darauf, das Dopaminangebot zu erhöhen und das Ungleichgewicht der Neurotransmitter zu regulieren. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Arzneimittel, die zur Behandlung der Parkinson-Krankheit eingesetzt werden.

Wirkstoffgruppen und ihre Funktionen

Die medikamentöse Behandlung von Parkinson umfasst verschiedene Wirkstoffgruppen, die auf unterschiedliche Weise in den Dopamin-Stoffwechsel eingreifen oder andere Neurotransmitter-Systeme beeinflussen. Zu den wichtigsten Wirkstoffgruppen gehören:

  • Levodopa (L-Dopa): Mittel der Wahl ist Levodopa (L-Dopa), das Prodrug von Dopamin. Im Gegensatz zum eigentlichen Neurotransmitter ist die Vorstufe in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden.
  • Dopaminagonisten: Diese Medikamente verstärken die noch vorhandene Dopaminwirkung, indem sie die Dopamin-Rezeptoren stimulieren.
  • COMT-Hemmer: COMT-Hemmer wie Entacapon und Tolcapon steigern die Dopaminkonzentration im zentralen Nervensystem (ZNS), indem sie das Levodopa und Dopamin abbauende Enzym Catechol-O-Methyltransferase kompetitiv hemmen.
  • MAO-B-Hemmer: MAO-B-Hemmer wie Safinamid, Selegilin und Rasagilin verlangsamen den Dopaminabbau im Gehirn.
  • Amantadin: Eine verbesserte Beweglichkeit kann mit Amantadin erreicht werden - insbesondere in der akinetischen Krise.
  • Anticholinergika: Gegen Muskelzittern werden mitunter Anticholinergika wie Biperiden oder Bornaprin verordnet.

Levodopa (L-Dopa): Der Goldstandard der Parkinson-Therapie

Levodopa ist ein Prodrug von Dopamin, das bei Parkinson aufgrund seiner Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, angewendet wird. Levodopa kann auf beiden Seiten der Blut-Hirn-Schranke zu Dopamin metabolisiert werden und wird daher normalerweise zusammen mit einem Dopa-Decarboxylase-Hemmer wie Carbidopa oder Benserazid verabreicht. Sobald Levodopa die Blut-Hirn-Schranke passiert hat, wird es zu Dopamin metabolisiert und ergänzt die niedrigen endogenen Dopaminspiegel, um die Symptome der Parkinson-Krankheit zu behandeln.

L-Dopa-Medikamente enthalten jeweils Levodopa in Kombination mit einem Decarboxylasehemmer (Carbidopa oder Benserazid). Der Decarboxylase-Hemmer (etwa Benserazid, Carbidopa) verhindert, dass L-Dopa auf dem Weg durchs Blut ins Gehirn durch ein körpereigenes Enzym zu schnell abgebaut wird, und erhöht somit die Chance der Dopamin-Vorstufe, ihr Ziel zu erreichen: Dem Organismus steht also nach der Umwandlung mehr Dopamin zur Verfügung.

Wenngleich es vor allem bei jüngeren Patienten nicht immer als erste Arznei im Therapieverlauf zum Einsatz kommt, gilt L-Dopa als wirksamstes Medikament. Insbesondere hilft es, die parkinsontypische Bewegungsverlangsamung und die hohe Muskelspannung zu mindern. Die Hauptsymptome lassen sich so recht zuverlässig oft jahrelang gut in den Griff bekommen.

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Nebenwirkungen von Levodopa: Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Levodopa gehören Herz-Kreislauf-Störungen, Schwindel, Übelkeit und Erbrechen. Nach längerer Therapie (mehrere Jahre) verstärkt Levodopa offenbar auch die On-Off-Symptomatik bei Parkinson. Der Begriff On-Off-Symptomatik beschreibt den nicht vorhersehbaren Wechsel von Phasen guter Beweglichkeit mit Bewegungsstarre.

Hohe Dosen L-Dopa verändern vor allem die psychische Stabilität. Starke Eifersucht, Depressionen, Sturheit oder eine gesteigerte Aggressivität können die Folge sein. Doch gerade ältere Patientinnen und Patienten können auf beide Medikamente mit Halluzinationen, Verwirrtheit und zwanghaftem Verhalten wie Spiel- und Kaufsucht, Hypersexualität oder einem übermäßigen Drang nach Essen reagieren.

Dopaminagonisten: Stimulation der Dopaminrezeptoren

Neben L-Dopa-Präparaten ist die Gabe von Dopaminagonisten üblich. Diese Medikamente verstärken die noch vorhandene Dopaminwirkung indem sie die Dopamin-Rezeptoren stimulieren. Typische Vertreter sind klassische Mutterkornalkaloide als Ergot-Dopaminagonisten wie Bromocriptin, Cabergolin, Lisurid und Pergolid. Des Weiteren kommen selektive D2-Rezeptoragonisten wie Apomorphin, Pramipexol und Ropinirol als Non-Ergot-Dopaminagonisten in Frage.

Die Dopamin-Agonisten wirken, indem sie den körpereigenen Botenstoff Dopamin nachahmen und im Gehirn dieselben Rezeptoren stimulieren wie das Dopamin. Sie setzen den Hebel damit gleichermaßen direkt an. Obschon sie direkt mit den Dopamin-Rezeptoren der Hirnzellen interagieren und dort andocken können, bleibt ihre Wirkung etwas hinter der von L-Dopa zurück. Ihr Vorteil: Das Ausmaß an Wirkungsschwankungen und Überbewegungen bleibt selbst bei langjähriger Einnahme vergleichsweise geringer.

Seit gut vierzig Jahren sind Dopamin-Agonisten in mittlerweile großer Vielzahl auf dem Markt - einige in alternativen Verabreichungsformen zur Tablette. Im Unterschied zu L-Dopa bleibt die Wirksamkeit der Agonisten in der Regel im weiteren Behandlungsverlauf erhalten. Teils spricht auch ihr schwächeres Nebenwirkungsprofil - im Wesentlichen Bauchschmerzen und Übelkeit sowie Tagesschläfrigkeit und nächtlicher Schlaflosigkeit - dafür, sie bereits im Frühstadium der Parkinson Erkrankung einzusetzen. Zugelassen sind gut ein Dutzend Dopamin-Agonisten.

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Nebenwirkungen von Dopaminagonisten: Die Einnahme von Dopamin-Agonisten birgt ähnliche, aber stärkere, Nebenwirkungen wie L-Dopa. Tendenziell kommt es vermehrt zu:

  • Schläfrigkeit, insbesondere „Schlafattacken“
  • Verstopfung
  • Schwindel
  • Halluzinationen
  • Übelkeit

Anders als bei L-Dopa, kommt es bei der langfristigen Behandlung mit Dopamin-Agonisten eher zu Ödemen: Das sind Schwellungen, die durch das Einlagern von Wasser entstehen. Zudem neigen Menschen, die Dopamin-Agonisten über längere Zeit einnehmen, häufiger zu einer gestörten Impulskontrolle: Sie können dann zum Beispiel eine Sex-, Spiel- oder Kaufsucht entwickeln.

COMT-Hemmer: Verlängerung der Dopaminwirkung

COMT-Hemmer wie Entacapon und Tolcapon steigern die Dopaminkonzentration im zentralen Nervensystem (ZNS) indem sie das Levodopa und Dopamin abbauende Enzym Catechol-O-Methyltransferase kompetitiv hemmen. COMT-Hemmer werden grundsätzlich zusammen mit Levodopa verabreicht.

Die COMT-Hemmer zählen wie die Decarboxylase Hemmer zu den Dopamin stützenden Medikamenten. Sie bilden die vierte Wirkstoffgruppe. Sie leisten Vergleichbares wie die Decarboxylase-Hemmer, funktionieren also ebenfalls wie ein Begleitmedikament von L-Dopa. Das von ihnen ausgebremste Enzym heißt Catechol-O-methyl Transferase (COMT) und findet sich vor allem im Darm und in der Leber. Am Beispiel der COMT-Hemmer zeigt sich, dass Substanzen, die zu ein und derselben Wirkstoffklasse zählen, sich in Details ihrer Wirkung durchaus deutlich unterscheiden können.

So bewirkt der mit Abstand am häufigsten verordnete COMT Hemmer Entacapon nicht nur, dass mehr L-Dopa im Gehirn ankommt. Er verlängert zudem die Dauer der Dopamin Wirkung und verringert mittelbar die Wirkungsschwankungen und Wirkverluste nach jahrelanger L-Dopa-Einnahme. Alternative zum Entacapon ist das Tolcapon, das die Blut Hirn-Schranke zu überwinden weiß und damit über das Gehirn wirkt, zudem in selteneren Einnahmeintervallen den Tag über geschluckt werden muss. Es birgt allerdings die Gefahr schwerer, wenngleich nur in sehr seltenen Fällen auftretender Leberschäden.

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Nebenwirkungen von COMT-Hemmern: Zu den möglichen Nebenwirkungen von COMT-Hemmern gehören:

  • Übelkeit
  • Durchfall
  • Bauchschmerzen
  • Verstopfung
  • Gelbfärbung der Haut oder Augen (Gelbsucht) bei Tolcapon

MAO-B-Hemmer: Verlangsamung des Dopaminabbaus

MAO-B-Hemmer wie Safinamid, Selegilin und Rasagilin verlangsamen den Dopaminabbau im Gehirn. Als Monotherapie oder in Kombination mit L-Dopa verabreicht, verhindern die Vertreter dieser fünften Wirkstoffgruppe damit ebenfalls einen vorzeitigen Abbau des Dopamins. MAO-B Hemmer wirken eher schwach auf die Symptome; sie werden insbesondere zur Behandlung motorischer Fluktuationen eingesetzt. Ihr Vorteil ist, dass sie die Wirkungsschwankungen von L-Dopa leicht zu glätten vermögen.

Nebenwirkungen von MAO-B-Hemmern: Zu den Nebenwirkungen von MAO-B-Hemmern zählen unter anderem Übelkeit und Kopfschmerzen. Mitunter kommt es zu Verwirrung und Halluzinationen.

Amantadin: Verbesserung der Beweglichkeit

Eine verbesserte Beweglichkeit kann mit Amantadin erreicht werden - insbesondere in der akinetischen Krise. Der Wirkstoff bremst die Überaktivität acetylcholinerger striataler Interneurone und wirkt als schwacher Antagonist an NMDA-Rezeptoren. Darüber hinaus vermindert Amantadin die Dopamin-Wiederaufnahme in die präsynaptischen Neuronen und steigert so das Dopaminangebot im ZNS.

Nebenwirkungen von Amantadin: Die Einnahme von Amantadin kann bewirken, dass sich die Haut netzartig, bläulich-violett verfärbt. Medizinerinnen und Mediziner bezeichnen das als Livedo reticularis. Manchmal kommt es zu Halluzinationen, Verwirrung und Albträumen.

Anticholinergika: Reduktion von Muskelzittern

Gegen Muskelzittern werden mitunter Anticholinergika wie Biperiden oder Bornaprin verordnet. Aufgrund ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils haben diese Wirkstoffe beim Idiopathischen Parkinson-Syndrom aber kaum noch Relevanz. Mit Anticholinergika lässt sich explizit dieses Parkinson-Symptom meist gut in den Griff bekommen und auch die Steifigkeit als weitere gravierende Beeinträchtigung teilweise lindern. Wegen häufig starker Nebenwirkungen kommen Medikamente dieser Wirkstoffklasse aber nur noch in speziellen Ausnahmefällen zum Einsatz.

Weitere Therapieansätze

Neben der medikamentösen Therapie gibt es weitere Ansätze zur Behandlung der Parkinson-Krankheit:

  • Tiefe Hirnstimulation: Die tiefe Hirnstimulation spielt in späteren Stadien der Erkrankung eine zunehmende Rolle.
  • Gentherapie: Bei der Gentherapie werden gentechnische modifizierte Viren beidseits in das Striatum injiziert.
  • Nicht-medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten: Krankengymnastik, Ergotherapie und weitere übende Behandlungen, welche die Lebensqualität verbessern und Symptome zusätzlich lindern können, spielen eine wichtige Rolle.

Individuelle Therapieanpassung

Parkinson ist nicht heilbar und erfordert daher eine dauerhafte Therapie, die auf den individuellen Krankheitsverlauf und die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten und laufend angepasst wird. Mit den richtigen Therapieansätzen und Medikamenten ist die Krankheit gut behandel- und kontrollierbar, sodass sich die Lebenserwartung nicht verkürzt und die Selbstständigkeit der Patientinnen und Patienten oft über Jahre erhalten werden kann.

Die Therapie beginnt meist mit Medikamenten in Tablettenform. Jedoch muss sie nicht immer direkt nach der Diagnose gestartet werden. Der Beginn der Behandlung erfolgt stets in enger Abstimmung mit den Ärztinnen und Ärzte, denn bei der Auswahl der richtigen Wirkstoffe gibt es einige Dinge zu beachten. Zudem reagiert nicht jeder Mensch auf jedes Medikament gleich, weshalb die Therapie mehrheitlich mit sehr geringer Dosierung gestartet und dann langsam erhöht wird. Eine laufende Anpassung und Erweiterung der Therapie bis ins hohe Lebensalter ist üblich.

Wichtige Hinweise zur Medikamenteneinnahme

  • Die Medikamente immer zu einem festen Zeitpunkt einnehmen, um einen besseren Überblick über die Wirkdauer zu bekommen und die Einnahme als Routine in den Alltag zu integrieren.
  • Bei der Einnahme von L-Dopa Präparaten ist jedoch unbedingt zu berücksichtigen, dass besonders eiweißreiche Nahrung die Aufnahme von Levodopa stören und die Wirkung der entsprechenden Medikamente reduzieren kann.
  • Eine Einnahme der Medikamente mit Flüssigkeit erleichtert den Schluckvorgang und die Wirkstoffe werden im Magen schneller freigesetzt.

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