Atypische Demenz Symptome: Ein umfassender Überblick

Atypische Demenzen stellen eine heterogene Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen dar, die sich in ihren Symptomen und ihrem Verlauf von der Alzheimer-Krankheit unterscheiden. Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, bei der Gedächtnisprobleme im Vordergrund stehen, manifestieren sich atypische Demenzen häufig durch Veränderungen in der Persönlichkeit, im Verhalten, in der Sprache oder in den motorischen Fähigkeiten.

Was sind atypische Demenzen?

Atypische Demenzen sind seltene Demenzformen, die sich von der Alzheimer-Krankheit und der vaskulären Demenz unterscheiden. Etwa jeder vierte Demenzkranke leidet an einer atypischen Demenz. Zu den häufigsten atypischen Demenzformen gehören die Lewy-Körper-Demenz (LBD) und die frontotemporale Demenz (FTD). Weitere, seltenere Formen sind die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) und die kortikobasale Degeneration (CBD).

Atypische Parkinson-Syndrome als Ursache

Ein wichtiger Aspekt im Kontext atypischer Demenzen sind die atypischen Parkinson-Syndrome (APS). Diese umfassen eine Gruppe von neurodegenerativen Erkrankungen, die Symptome der Parkinson-Krankheit aufweisen, aber sich in ihrem Verlauf und Ansprechen auf Medikamente unterscheiden. Zu den APS gehören die Multisystematrophie (MSA), die progressive supranukleäre Blickparese (PSP), das kortikobasale Syndrom (CBS) und die Demenz mit Lewy-Körpern (LBD).

Symptome atypischer Demenzen

Die Symptome atypischer Demenzen sind vielfältig und hängen von der spezifischen Form der Demenz ab. Im Allgemeinen können folgende Symptome auftreten:

  • Verhaltensänderungen: Apathie, Agitiertheit, Enthemmung, sozial unangemessenes Verhalten
  • Sprachstörungen: Wortfindungsstörungen, Schwierigkeiten beim Sprachverständnis, veränderte Sprechweise
  • Bewegungsstörungen: Muskelsteifheit (Rigor), Zittern (Tremor), Verlangsamung der Bewegungen (Bradykinese), Gleichgewichtsprobleme, Stürze
  • Kognitive Störungen: Aufmerksamkeitsstörungen, Probleme mit der Visuokonstruktion, Halluzinationen, Wahnvorstellungen
  • Weitere Symptome: Schlafstörungen (REM-Schlaf-Verhaltensstörung), autonome Funktionsstörungen (z. B. Blutdruckabfall beim Aufstehen, Blasenfunktionsstörungen)

Symptome im Frühstadium

Bereits die ersten Symptome sind für Betroffene oder Angehörige von Betroffenen wahrnehmbar. Für den Laien ist es dennoch vor allem bei geringen Symptomen schwer zu unterscheiden, ob es sich um normale Alterungsprozesse handelt.

Lesen Sie auch: Definition und Überblick: Demenz bei Alzheimer

Lewy-Körper-Demenz (LBD)

Die ersten Symptome bei Lewy-Körper Demenz ähneln der Parkinson-Krankheit. Typisch ist die Verlangsamung von Bewegungen und insgesamt eine Bewegungsarmut (Akinese). Durch eine unbewusste, dauerhafte Anspannung der Muskulatur (Rigor) kommt es bei vielen Betroffenen zu Schmerzen im Bereich des Nackens, der Schulter und der Wirbelsäule. Auch das veränderte Gangbild mit kleinen Schritten und nach vorn gebeugtem Oberkörper ist für beide Erkrankungen typisch. Weiterhin tritt häufig ein einseitiges Zittern (Tremor), meist an der Hand, auf.

Es treten bei dieser Demenz aber auch weitere Symptome auf. Sogenannte REM-Schlaf Verhaltensstörungen treten bei Parkinson, aber auch bei der Lewy-Körper Demenz besonders häufig auf. Dabei kommt es zu einem Ausleben des Geträumten. Viele Betroffene schlagen um sich oder beginnen, im Schlaf zu wandeln. Das kann insbesondere für die Partnerin oder den Partner sehr belastend sein.

Im Gegensatz zur Alzheimer-Krankheit, bei der zunächst hauptsächlich das Kurzzeitgedächtnis betroffen ist, ist bei einer beginnenden Lewy-Körper Demenz insbesondere die Aufmerksamkeit beeinträchtigt. Auch die Fähigkeit zur Visuokonstruktion, also Gesehenes zu reproduzieren, ist bei dieser Demenz früh betroffen.

Typisch für die Lewy-Body Demenz ist auch das zusätzliche Auftreten von Halluzinationen. Diese können optischer oder akustischer Art sein. Sie führen zu einer Entwicklung von komplexen Wahnvorstellungen, die für Angehörige nicht nachvollziehbar sind.

Das wichtigste körperliche Symptom bei der Lewy-Körper Demenz ist das Abfallen des Blutdrucks beim Aufstehen oder längerem Stehen. Dabei kann es zu Ohnmacht und Stürzen kommen, die unbedingt ärztlich abgeklärt werden müssen, um andere Ursachen auszuschließen.

Lesen Sie auch: Ursachen, Symptome & Therapie

Multisystematrophie (MSA)

Gemeinsames Merkmal beider Typen und zugleich wichtiges Unterscheidungskriterium zum M. Parkinson und zu anderen atypischen Parkinson-Syndromen sind ausgeprägte Störungen des autonomen Nervensystems, welche zum Teil Jahre vor Beginn der Parkinson- bzw. Kleinhirnsymptome auftreten können. Dazu gehören Störungen der Harnblasenfunktion einschließlich Harninkontinenz, erektile Dysfunktion und Zeichen der Kreislaufdysregulation wie die orthostatische Hypotonie.

Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)

Bei der Progressiven supranukleären Blickparese sind Gleichgewichtsstörungen mit Stürzen, steif erscheinender Körperhaltung, Blicklähmungen, d.h. Schwierigkeiten, die Augen nach oben oder unten zu bewegen, Lidöffnungsprobleme und kognitive Beeinträchtigungen typischerweise die ersten Krankheitszeichen.

Kortikobasales Syndrom (CBS)

Das Kortikobasale Syndrom (CBS) zeichnet sich durch eine Kombination von kortikalen und basalganglionären Symptomen aus. Zu den kortikalen Symptomen gehören Apraxie, kortikale Sensibilitätsstörungen und das Alien-limb-Phänomen, zu den basalganglionären Symptomen Rigor, Dystonie und Myoklonus. Viele Betroffene empfinden ihre Arme und Beine als nicht zugehörig und stürzen auffallend häufig.

Diagnose atypischer Demenzen

Die Diagnose atypischer Demenzen kann eine Herausforderung darstellen, da die Symptome vielfältig sind und sich mit denen anderer Erkrankungen überschneiden können. Eine sorgfältige Anamnese, neurologische Untersuchung und neuropsychologische Testung sind entscheidend für die Diagnosestellung.

Diagnostische Verfahren

Zur Diagnosefindung können folgende Untersuchungen hilfreich sein:

Lesen Sie auch: Differenzierung von Parkinson-Syndromen

  • Nervenwasseruntersuchung: Zur Abklärung anderer Ursachen für die Symptome
  • Kernspintomographie (MRT): Zur Darstellung von Veränderungen im Gehirn
  • Kardiovaskuläre Funktionstests (Kipptischuntersuchung): Zur Feststellung einer orthostatischen Hypotonie
  • Da-TSCAN® (123J-Dat-Scan): Zur Bestimmung der Dichte von Dopamintransportern im Gehirn
  • 18F FDG PET: Zur Darstellung des Gehirnstoffwechsels
  • MIBG-Szintigraphie: Zur Abgrenzung der MSA vom M. Parkinson

Abgrenzung zur Parkinson-Krankheit

Die Abgrenzung zur idiopathischen Parkinson-Krankheit kann erfolgen, wenn zusätzlich weitere Symptome vorliegen. Dazu zählt insbesondere die demenzielle Symptomatik, die auch schon vor den motorischen Störungen auftreten kann. Die Demenz-Symptome verschlechtern sich oft nicht langsam und kontinuierlich, sondern schwanken im Tagesverlauf stark.

Bedeutung spezialisierter Zentren

Gerade in der Frühphase der jeweiligen Erkrankungen kann es schwierig sein, die richtige Diagnose zu stellen, sowohl innerhalb der Gruppe der APS als auch in Abgrenzung zum M. Parkinson. In Gedächtnisambulanzen klären ärztliche Teams die Ursache für Gedächtnis- oder Sprachprobleme ab. Nuklearmedizinische Verfahren wie eine PET- (Positronenemissonstomographie) Untersuchung bzw. eine Dopamintransporter-Szintigraphie (DaTSCAN) zur Diagnosefindung sind in der Regel spezialisierten Zentren vorbehalten.

Ursachen atypischer Demenzen

Atypischen Parkinson-Syndromen liegt, wie bei der Parkinson-Krankheit, eine Schädigung oder Degeneration von Nervengewebe im Gehirn zugrunde, die über die typischen Auffälligkeiten bei der Parkinson-Krankheit hinausgeht.

Die Multisystematrophie (MSA) ist gekennzeichnet durch eine Degeneration in mehreren Gehirnregionen, einschließlich des Kleinhirns, des autonomen Nervensystems und der Basalganglien. Die Progressive supranukleäre Blickparese (PSP) betrifft besonders das Mittelhirn und andere Hirnregionen und ist durch abnormale Ansammlungen des Tau-Eiweißes gekennzeichnet. Bei der Lewy-Körper-Demenz kommt es zur Bildung von Lewy-Körpern, die Eiweißablagerungen von alpha-Synuclein in Nervenzellen darstellen, jedoch auch diffus über die Großhirnrinden verteilt.

Sogenannte sekundäre Parkinson-Syndrome entstehen durch bekannte innere oder äußere Einflüsse, z. B. durch Hirndurchblutungs- und Stoffwechselstörungen oder als Nebenwirkung von Medikamenten oder Veränderungen der Druckverhältnisse in den Hirnräumen wie beim Normaldruckhydrozephalus (NPH).

Therapie atypischer Demenzen

Leider gibt es bis heute keine kausale medikamentöse Therapie, d. h. ein Medikament, welches die erkrankungsbedingten Veränderungen im Gehirn aufhält oder beseitigt. Es gibt sowohl medikamentöse als auch nicht-medikamentöse Therapieoptionen für atypische Parkinson-Syndrome, welche das Ziel haben, Symptome zu lindern, den funktionellen Status zu halten und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Therapie

Da diese Syndrome in der Regel kaum auf dopaminerge Therapien wie die klassische Parkinson-Krankheit ansprechen, erfordert die Behandlung einen individuelleren Ansatz als bei der Parkinson-Erkrankung, der speziell auf die einzelnen Symptome angepasst und ganzheitlich angelegt ist.

Medikamentös wird man beim Vorliegen der motorischen Zielsymptome immer Levodopa und zwar wenn möglich hochdosiert versuchen. Bei einigen wenigen Patienten kann das eine Besserung der motorischen Symptome bewirken. Bei sehr gutem Ansprechen sollte allerdings infrage gestellt werden, ob es sich wirklich um ein atypisches Parkinsonsyndrom oder nicht doch um eine klassische Parkinsonkrankheit handelt. Leider lässt die Wirkung selbst bei initialem Ansprechen häufig im Verlauf nach und die Dosis muss dann angepasst werden. Hohe Dosen verursachen bei einigen Patienten atypische Verkrampfungen im Gesicht- und Schlundbereich. Auch psychotische Symptome wie Verwirrtheit und Trugbilder können auftreten. Bei Absetzen von Levodopa ist zu beachten, dass die positive Wirkung erst nach drei Wochen des Absetzens nachlassen kann und genauso lange braucht, um sich aufzubauen.

Bei Patienten mit Multisystematrophie (MSA) können Medikamente zur Behandlung der Kreislaufprobleme wie z.B. Midodrin helfen, den Blutdruck aufrechtzuerhalten. Harninkontinenz und Blasenprobleme lassen sich mit Medikamenten zur Kontrolle der Blasenfunktion behandeln. Da viele Patienten mit atypischen Parkinson-Syndromen depressive Verstimmungen oder Angstzustände entwickeln, können Antidepressiva hilfreich sein.

Bei Lewy-Körper-Demenz (DLB) können Acetylcholinesterase-Hemmer wie Rivastigmin zur Behandlung von kognitiven Symptomen und Halluzinationen eingesetzt werden und sind dort gerade im Frühstadium oft sinnvoller als Levodopa. Es ist unbedingt zu berücksichtigen, dass Patienten mit Lewy-Körper-Krankheit auf Psychopharmaka wie Neuroleptika, aber auch Antidepressiva zur Behandlung von wahnhaften oder depressiven Symptomen höchst sensibel reagieren können. Bei ihnen muss eine sehr sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung solcher Medikamente vorgenommen werden.

Für Dystonien („Muskelverkrampfungen“) z.B. bei kortikobasalen Syndromen kann die Injektion von Botulinumtoxin helfen. Das gilt auch für die Schwierigkeiten, die Augenlider offen zu halten, ein Problem, das bei MSA und PSP häufig auftritt.

Acetylcholinesterase-Hemmer sind bei seltenen Demenzformen nicht zugelassen, werden aber off-label - und häufig mit gewissem Erfolg - zum Beispiel bei Lewy-Body-Demenz zum Ausgleich des cholinergen Defizits gegeben. Antidepressiva wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) können antriebssteigernd und ausgleichend wirken. Antipsychotika, vor allem Atypika, werden mitunter bei aggressivem, enthemmtem oder agitiertem Verhalten bei Patienten mit FTD eingesetzt, wobei diese überdurchschnittlich häufig extrapyramidal-motorische Störungen als Nebenwirkungen entwickeln. Die Autoren der Leitlinie weisen darauf hin, dass klassische und viele atypische Neuroleptika für Patienten mit Parkinson-Demenz, Lewy-Körper-Demenz und verwandten Erkrankungen kontraindiziert sind, da sie Parkinson-Symptome verstärken und Somnolenzattacken auslösen können.

Nicht-medikamentöse Therapie

Nicht-medikamentöse Therapien wie die Physiotherapie sollen Mobilität, Gleichgewicht und Kraft verbessern und das Risiko von Stürzen reduzieren. Die Ergotherapie unterstützt Patienten dabei, alltägliche Aktivitäten besser zu bewältigen und gibt Hilfsmittel oder Anpassungen für das häusliche Umfeld, um die Selbstständigkeit möglichst lange aufrechtzuerhalten. Die Logopädie (Sprachtherapie) kann helfen, die Sprachverständlichkeit zu verbessern und Schlucktechniken zu trainieren.

Eine gesunde Ernährung kann helfen, bestimmte Symptome zu lindern (z.B. Verstopfung) und das allgemeine Wohlbefinden zu verbessern. Bei Schluckstörungen kann eine spezielle Kostanpassung erforderlich sein. Eine Urotherapie und Kontinenzberatung kann sehr wertvoll sein. Manche Patienten mit MSA erlernen erfolgreich mit Selbstkatheterismus die Blasenentleerungsstörung anzugehen.

Bedeutung von Selbsthilfegruppen

Selbsthilfegruppen für Parkinson und atypische Parkinson-Syndrome bieten die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Betroffenen und Angehörigen, um Erfahrungen, Ratschläge und emotionale Unterstützung zu teilen. Im Web oder analog in vielen Regionen gibt es lokale Gruppen oder überregionale Initiativen, die regelmäßig Treffen und Veranstaltungen organisieren. Der Parkinson-Verbund, Deutsche Parkinson Vereinigung (dPV) und die Deutsche PSP-Gesellschaft e. V. sind Beispiele für Organisationen, die über die klassische Parkinson-Krankheit hinaus auch offen sind für Betroffene mit atypischen Parkinson-Syndromen.

tags: #atypische #Demenz #Symptome