Autonomes Nervensystem: Definition, Funktion und Bedeutung für die Gesundheit

Das autonome Nervensystem (ANS), auch als vegetatives Nervensystem bezeichnet, ist ein komplexes Netzwerk, das lebenswichtige Körperfunktionen steuert, ohne dass wir sie bewusst beeinflussen können. Es reguliert Prozesse wie Atmung, Herzschlag, Verdauung, Stoffwechsel und Blutdruck. Dieses System ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der Homöostase, des inneren Gleichgewichts, das für unser Überleben notwendig ist.

Aufbau des Nervensystems

Um das autonome Nervensystem vollständig zu verstehen, ist es wichtig, zunächst den Aufbau des gesamten Nervensystems zu betrachten. Alle Teile des Nervensystems hängen zusammen, aber zur Vereinfachung unterscheidet man zwischen dem zentralen und dem peripheren Nervensystem:

  • Zentrales Nervensystem (ZNS): Besteht aus den Nerven in Gehirn und Rückenmark. Es liegt geschützt im Schädel und im Wirbelkanal der Wirbelsäule.
  • Peripheres Nervensystem (PNS): Umfasst alle anderen Nervenbahnen im Körper.

Eine weitere Unterscheidung beruht auf den Funktionen des Nervensystems:

  • Somatisches Nervensystem: Steuert willkürliche Aktionen wie Greifen, Laufen und Sprechen.
  • Autonomes (vegetatives) Nervensystem: Reguliert unwillkürliche Prozesse wie Verdauung, Stoffwechsel, Herzschlag und Atmung.

Das Nervensystem ist hochkomplex und setzt sich aus Abermilliarden Nervenzellen, den Neuronen, zusammen. Allein im Gehirn gibt es davon rund 100 Milliarden. Jedes Neuron hat unterschiedliche faserartige Fortsätze: zum einen die Dendriten, mehrere kurze Fortsätze, mit denen die Nervenzelle Signale empfängt, und zum anderen das Axon, das Signale weiterleitet und auch mal über einen Meter lang sein kann. Die Kontaktpunkte zwischen Dendriten und Axonen sind die Synapsen.

Das Nervensystem steuert körperliche Prozesse und überwacht den Status des Organismus. Außerdem nehmen wir mit dem Nervensystem die Umwelt wahr. In Augen, Ohren, Nase, Zunge und Hautsensoren verarbeiten Nervenzellen Sinnesreize. Das Nervensystem gibt die Information an das Gehirn weiter, das Empfindungen wie Wohlgefühl oder Schmerz generiert. Bei Bedarf werden notwendige Reaktionen ausgelöst: etwa schnelle Bewegungen, um die Hand zurückzuziehen, die an etwas Heißes fasst; oder ein überlegtes Ausweichen, wenn das Auge ein Hindernis gemeldet hat.

Lesen Sie auch: Balance und Wohlbefinden fördern

Die zwei Hauptakteure: Sympathikus und Parasympathikus

Das vegetative Nervensystem wird organisch in zwei Hauptteile untergliedert: den Sympathikus und den Parasympathikus. Diese beiden agieren oft als Gegenspieler, um den Körper in Balance zu halten. Zum vegetativen Nervensystem zählt außerdem noch das enterische Nervensystem, das Nervensystem des Darms. Es besteht aus einem Nervengeflecht in der Darmwand und reguliert den Darm weitgehend unabhängig.

  • Sympathikus: Dieser Teil des autonomen Nervensystems ist vor allem in Stresssituationen aktiv. Er bereitet den Körper auf "Kampf oder Flucht" vor. Dies geschieht durch:
    • Erweiterung der Pupillen
    • Aktivierung des Herz-Kreislaufsystems (Beschleunigung der Herzfrequenz, Erhöhung des Blutdrucks)
    • Intensivierung der Atmung (Erweiterung der Bronchien und Verminderung von Bronchialschleim)
    • Verminderung der Verdauung (Verminderung Sekretion von Verdauungssäften)
  • Parasympathikus: Dieser Teil ist für Entspannung und Erholung zuständig. Er fördert die Verdauung und senkt Herzfrequenz und Blutdruck. Konkret bewirkt er:
    • Verengung der Pupillen
    • Beruhigung des Herz-Kreislaufsystems (Verlangsamung der Herzfrequenz, Senkung des Blutdrucks)
    • Beruhigung der Atmung (Verengung der Bronchien und Vermehrung von Bronchialschleim)
    • Intensivierung der Verdauung (Vermehrte Sekretion von Verdauungssäften)

Der Sympathikus stimuliert, der Parasympathikus beruhigt. Wenn das autonome Nervensystem bestimmte Informationen über den Körperstatus und äußere Bedingungen erhalten hat, reagiert der sympathische Teil mit der Anregung von entsprechenden Körperprozessen - oder der parasympathische mit deren Hemmung: Der Sympathikus erhöht bei Gefahr Herzschlag und Atemtätigkeit und verbessert die Durchblutung - das steigert die körperliche Leistungsfähigkeit, die zur Flucht oder Verteidigung notwendig ist. Gleichzeitig hemmt der Sympathikus Vorgänge wie die Verdauung, die bei Gefahr nicht hilfreich sind. Wenn wir entspannt sind, verlangsamt der Parasympathikus den Herzschlag und beruhigt die Atmung.

Das Zusammenspiel von Sympathikus und Parasympathikus sorgt dafür, dass immer diejenigen Körperfunktionen Vorrang erhalten, deren Aktivität in einer jeweiligen Situation am sinnvollsten ist. Die beiden Systeme wirken also nicht unbedingt entgegengesetzt, sondern können sich in manchen Funktionen ergänzen. Sie arbeiten zusammen, um den Körper im Gleichgewicht zu halten. Der Sympathikus übernimmt so lange die Führung, wie es nötig ist, um eine Stresssituation zu meistern. Dann schaltet sich das parasympathische Nervensystem ein und führt den Organismus in den „Normalbetrieb“ zurück.

Sympathische Nervenzellen befinden sich im Rückenmark im mittleren Bereich der Wirbelsäule und die parasympathischen im oberen und unteren Bereich. Von hier gehen Signale an die sogenannten Ganglien aus. Ganglien sind Anhäufungen von Nervenzellkörpern im peripheren Nervensystem. Die Ganglien sind außerdem über Axone mit den inneren Organen verbunden. Die meisten sympathischen Ganglien befinden sich in der Nähe des Rückenmarks. Viele von ihnen verbinden sich zu einem Ganglienstrang, der parallel zum Rückenmark verläuft. Die parasympathischen Nervenzellen werden hingegen erst kurz vor den Zielorganen über Ganglien zusammengeschaltet.

Über die Ganglien sind die Nervenzellen des Sympathikus und Parasympathikus jeweils untereinander sowie mit den einzelnen Organen vernetzt. Um Signale übertragen zu können und die Organe zu verstärkter oder verminderter Aktivität anzuregen, sind chemische Botenstoffe notwendig: sogenannte Neurotransmitter. Die wichtigsten Transmitter bei der Kommunikation von Sympathikus, Parasympathikus und Organen sind Acetylcholin und Noradrenalin. Letzteres wirkt stimulierend und Acetylcholin überwiegend hemmend. Acetylcholin spielt bei der parasympathischen Signalübertragung die Hauptrolle. Es kommt zwar auch bei der Kommunikation in den sympathischen Ganglien zum Einsatz, für die Signalübertragung an die Organe setzen aber die meisten sympathischen Fasern Noradrenalin frei.

Lesen Sie auch: Lebenswichtige Funktionen und das autonome Nervensystem

Vegetative Dysregulation: Wenn das Gleichgewicht gestört ist

Ein Ungleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus kann zu einer vegetativen Dysregulation (Dysautonomie) führen. Sympaticoton - parasympathicoton führen zu einem Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung und sind idealerweise im Gleichgewicht.

Ursachen einer vegetativen Dysregulation

In vielen Fällen lässt sich bei einer Störung des vegetativen Nervensystems keine konkrete Ursache ausmachen. Mögliche auslösende Krankheiten sind:

  • Diabetes mellitus: Ein unbehandelter oder schlecht eingestellter Diabetes mellitus kann das Nervensystem schädigen. Ein Beispiel ist der Blutdruckabfall beim Aufstehen (orthostatische Hypotonie), wenn infolge eines Diabetes Nerven geschädigt sind, die normalerweise beim Stehen einen blutdrucksteigernden Reflex auslösen.
  • Verletzungen vor allem in der Nähe des Rückenmarks, bei denen Verbindungen im Nervensystem beschädigt werden können
  • Horner-Syndrom, eine Störung des Sympathikusanteils, der unter anderem die Augen nervlich anbindet
  • Tumor des Nebennierenmarks (Phäochromozytom), wodurch zu viele Neurotransmitter freigesetzt werden, die zu einer kaum zu senkenden Erhöhung des Blutdrucks führen
  • virale oder bakterielle Infektionen
  • Multisystematrophie, eine Erkrankung, die viele Systeme betrifft, darunter auch das autonome Nervensystem
  • genetisch bedingte oder erworbene Erkrankungen wie Amyloidose
  • Eine ausgewogene Ernährung unterstützt das Gleichgewicht der Aktivität von Sympathikus und Parasympathikus, übermäßiger Konsum von Alkohol kann Sympathikus und Parasympathikus beeinträchtigen.

Symptome einer vegetativen Dysregulation

Eindeutige Krankheitszeichen bei Problemen mit dem vegetativen Nervensystem gibt es nicht.

Stress als Auslöser

Eine Stressreaktion des Körpers geht mit einer Sympathikusaktivierung einher und ist normal und an sich nicht gesundheitsschädigend und sogar manchmal eher ein angenehmes und leistungssteigerndes Erleben (Prüfung, Besprechung etc.). Der dauerhafte Stressreiz führt zur Reaktion des Körpers auf muskulärer Ebene (Anspannung), hormoneller Ebene (Immunsystem) und vegetativer Ebene (Sympathikusaktivierung). Dies wiederum hat im Zentralen Nervensystem Einfluss auf die Reizverarbeitung, die mit einer Senkung der Schmerzschwelle einhergeht, was zur Schmerzverstärkung führt. So entsteht ein Teufelskreis zwischen Stress und Schmerz.

Messung und Behandlung der vegetativen Dysregulation

Mit Hilfe der VNS-Analyse können wir Veränderungen des vegetativen Nervensystems (vegetative Dysregulation) messen und unsere Therapien mit derselben Methode auch überprüfen und kontrollieren und wenn notwendig, verändern.

Lesen Sie auch: Harmonisches Gleichgewicht

Liegt eine andere Erkrankung zugrunde, wird diese behandelt. Wenn keine Grunderkrankung ausgemacht werden kann oder diese nicht heilbar ist, konzentriert sich die Behandlung auf die Symptomlinderung, zum Beispiel die Blutdruckstabilisierung bei orthostatischer Hypotonie.

Es gibt verschiedene Ansätze, um das vegetative Nervensystem positiv zu beeinflussen:

  • Hydrotherapie (Wechsel von Wärmereiz und Kältereiz regen Regulation an, z.B.
  • Sport/ Bewegung, Ausdauertraining (z.B.
  • Schlafhygiene: regelmäßiger Wach-/Schlafrhythmus, angenehme und schlaffördernde Schlafumgebung (Temperatur, Licht, Geräusche) schaffen, Mittagsruhe (Nickerchen, „Siesta“) ideal 20 Minuten, max.
  • Störfeldbehandlung mittels eIRT: zentral abgespeicherte alte Verletzungsmuster können neben der Fehlansteuerung von Muskeln mit entsprechenden Beschwerden in den dazugehörigen Gelenken ebenso zu biochemischen, emotionalen Störungen aber zu einer vegetativen Dysregulation führen, die mittels eIRT behandelt werden können.

Das enterische Nervensystem: Das "Bauchhirn"

Ein wichtiger Bestandteil des autonomen Nervensystems ist das enterische Nervensystem (ENS), oft auch als "Bauchhirn" bezeichnet. Es ist ein komplexes Netzwerk von Nervenzellen im Verdauungstrakt, das die Darmfunktion weitgehend unabhängig vom Gehirn steuern kann. Allein im Darm finden sich beispielsweise fünfmal mehr Nervenzellen als im ganzen Rückenmark.

Störungen des autonomen Nervensystems

Eine Störung des vegetativen Nervensystems gefährdet den ordnungsgemäßen Ablauf lebenswichtiger körperlicher Prozesse. Bei Schädigung der Nerven oder des Gehirns kann es daher zu Störungen des vegetativen Nervensystems kommen.

Auswirkungen auf den Körper

Da das autonome Nervensystem so viele verschiedene Funktionen steuert, können Störungen vielfältige Auswirkungen haben. Dazu gehören:

  • Herz-Kreislauf-Probleme: Blutdruckschwankungen, Herzrhythmusstörungen
  • Verdauungsprobleme: Verstopfung, Durchfall, Übelkeit
  • Atemprobleme: Kurzatmigkeit
  • Urogenitale Probleme: Blasenfunktionsstörungen, sexuelle Dysfunktion
  • Schweißstörungen: Übermäßiges Schwitzen oder fehlendes Schwitzen
  • Pupillenstörungen: Veränderte Pupillenreaktion auf Licht
  • Schlafstörungen: Insomnie, Schlafapnoe

Das autonome Nervensystem und der Schlaf

Das autonome Nervensystem steht im Dienst der Regulations- und Anpassungsfunktionen des menschlichen Organismus in Ruhe und Belastung. Es unterliegt dabei einer zirkadianen und ultradianen Rhythmik. Durch seine zentrale Vernetzung mit Schlaf-Wach-regulierenden Strukturen ist es in das biologische Schlaf-Wach-Programm integriert. Die Möglichkeit der im Schlaf anwendbaren nichtinvasiven Messtechnik führte zur Entdeckung phasenbezogener vegetativer Regulationen, Anpassungen und Störungen beim Menschen.

Die ventrolaterale Medulla oblongata (VLM) spielt für die Regulation des kardiorespiratorischen Systems eine vitale Rolle. Von deren rostralem Bereich sind Blutdruckregulation, tonische Aktivität in den Vasokonstriktoren und sympathischen Kardiomotoneuronen kontrolliert. Die Pressorezeptorreflexe bedienen die phasische Regulation des Blutdrucks über die Vasokonstriktorneurone für die Widerstandsgefäße, die sympathischen und die parasympathischen Kardiomotoneurone. Anstiege des Blutdrucks im Karotissinus-Gebiet erregen die Neurone im NTS. Über Interneurone in der kaudalen VLM werden die sympathischen Prämotoneurone über GABA in der rostralen VLM gehemmt. Alle weiteren Synapsen in diesem Reflexbogen übertragen Glutamat. Glutamat ist auch der Überträgerstoff zwischen den Interneuronen im NTS, welche die präganglionären parasympathischen Kardiomotoneurone im Nucleus ambiguus (NA) infolge Reizung der Barorezeptoren erregen. Der Barorezeptorenreflex steht unter der neuronalen Kontrolle anderer Hirnstammareale, des Hypothalamus und limbischen Systems. Durch diese Verschaltungen wird die phasische Regulation des Blutdrucks an das Verhalten des Organismus, zum Beispiel bei Arbeit, innerhalb der biologischen Verhaltensprogramme des Hypothalamus und bei emotionaler Belastung angepasst. Auch im Schlaf kommt es zu deutlichen, schlafphasenbezogenen Veränderungen des arteriellen Drucks. Mithilfe der Pulstransitzeitmessung über die gesamte Schlafzeit lassen sich Blutdruckvariationen ohne störendes Aufblasen einer Oberarm-manschette annähernd darstellen. Vernetzung des NTS mit schlafregulierenden Strukturen kommt in seiner hemmenden Wirkung auf die aktivierende mesencephale Formatio reticularis über den Nucleus reticularis thalami und seinen damit synchronisierenden Einfluss auf das kortikale EEG zum Ausdruck.

So senken beispielsweise eine Erhöhung der Barorezeptoraktivität bei Blutdruckanstieg, eine Erhöhung der Mechanorezeptoraktivität des Magens mit der Nahrungsaufnahme, eine Erhöhung der Mechanorezeptoraktivität bei Lungendehnung über den NTS die kortikale Aktivität. Darüber hinaus bewirkt eine Barorezeptorenreizung eine Verminderung der Pupillenweite, eine Atmungshemmung, eine Abnahme der efferenten γ-Innervation zu den Muskelspindeln und eine Abschwächung von Eigenreflexen. Die weitergehende Bedeutung der im NTS integrierten vegetativen Funktionen für das Schlaf-Wach-System wird auch durch ihre aufsteigenden synaptischen Verschaltungen unter anderem zum Nucleus paraventricularis und Nucleus supraopticus im Hypothalamus erreicht. Der Gauer-Henry-Reflex kann durch die Information der osmoregulatorischen Strukturen infolge intravasaler Volumenschwankungen eine Schlafstörung mit Nykturie erklären.

Chemorezeptorreflexe, zentrale Chemosensibilität, Atmungsregulation und Vigilanz (nach D.W. Kerne des NTS empfangen als erste synaptische Schaltstelle die Information über den arteriellen Sauerstoffpartialdruck (pO2) durch das Erregungsmuster der Afferenzen in den Nervi glossopharyngei aus den sympathisch innervierten Glomera carotica, den am stärksten durchbluteten Organen des Körpers, aus weiteren Glomera über die Nervi vagi beziehungsweise die darin mündenden Aortennerven und Nervi laryngei superiores. Der Beitrag der peripheren Chemorezeptoren zur Ruheatmung beträgt 10-15 %. Der zentrale chemosensible Atmungsantrieb ist mit der Funktion oberflächlicher Strukturen (zum Beispiel Nucleus paragigantocellularis, Nucleus arcuatus) der Medulla oblongata verbunden.

tags: #autonomes #nervensystem #definition