Die bakterielle Meningitis ist eine akute, eitrige Entzündung der Hirnhäute (Meningen) und gegebenenfalls des Hirngewebes (Enzephalitis). Sie stellt einen medizinischen Notfall dar, der eine unverzügliche Diagnostik und Therapie erfordert. Weltweit trägt die bakterielle Meningitis maßgeblich zur Mortalität und Morbidität bei und birgt ein hohes Risiko für neurologische und andere Folgeerkrankungen, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Aus diesem Grund hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der bakteriellen Meningitis veröffentlicht.
Epidemiologie der bakteriellen Meningitis
Die Inzidenz der bakteriellen Meningitis variiert je nach Alter, Ethnizität, geografischer Lage und Erreger. Bis 1985 war die höchste Inzidenz im Säuglings- und Kleinkindesalter zu verzeichnen. Nach der Einführung von Konjugatimpfungen gegen Haemophilus influenzae Typ b oder Pneumokokken wurden Meningokokken zum häufigsten Erreger der bakteriellen Meningitis im Kindesalter, sowohl weltweit als auch in Deutschland.
In Deutschland und der Schweiz erkranken derzeit weniger als 5 Kinder im Alter von 0-5 Jahren pro Jahr an einer Haemophilus-Typ-b-Meningitis, wobei hauptsächlich nicht oder inkomplett geimpfte Kinder betroffen sind. Die Letalität liegt bei etwa 3 %. Andere bekapselte Haemophilus-influenzae-Serotypen (außer Typ b) sind selten Ursache einer bakteriellen Meningitis, wobei Serotyp F am häufigsten vorkommt. Unbekapselte, nicht typisierbare Haemophilus influenzae nehmen als Meningitiserreger zu, insbesondere bei älteren Erwachsenen, aber auch bei Kindern.
Nur die bekapselten Neisseria-meningitidis-Stämme sind humanpathogen, und ausschließlich Meningokokkenstämme können Epidemien verursachen. In Deutschland und der Schweiz treten die meisten Meningitis-Fälle in der kalten Jahreszeit auf und werden durch die Serogruppen B und C, seltener durch die Gruppen W und Y, ausgelöst.
Die Urbevölkerung Amerikas und Afroamerikaner sind etwas häufiger betroffen als andere ethnische Gruppen. Im Meningitisgürtel Afrikas (Subsahara) ist die Inzidenz der Meningitis durch Haemophilus influenzae und Pneumokokken bei kleinen Kindern sowie durch Meningokokken der Gruppe A für alle Altersgruppen erhöht. Gruppe-B- und -C-Meningokokken kommen vor allem in Europa und Nordamerika vor.
Lesen Sie auch: Alles Wissenswerte über bakterielle Meningitis und Ansteckungsrisiko
Die Infektion wird durch Nasopharyngealsekret (Tröpfcheninfektion) von Mensch zu Mensch übertragen.
Ätiologie und Pathogenese
Infektionswege
Die bakterielle Meningitis entsteht überwiegend hämatogen nach Aussaat des Erregers aus entfernten Stellen des Organismus mit bakterieller Besiedelung oder Infektion. Daher können bei Diagnose der Meningitis oft Bakteriämie oder Septikämie festgestellt werden. Der häufigste Ausgangspunkt einer Aussaat ist die kolonisierte Schleimhaut der Nasopharynx. Eine lokale Virusinfektion kann die Aussaat begünstigen. Eine hämatogen verursachte Meningitis kann auch aufgrund septischer Embolien bei Endokarditis, Pneumonie oder Thrombophlebitis auftreten.
Ein zweiter, seltenerer Infektionsweg ist die Invasion der Bakterien per continuitatem aus einem benachbarten kontagiösen Fokus (z. B. bei Paranasalsinusitis, Otitis media, Mastoiditis, orbitaler Zellulitis, Osteomyelitis des Schädels oder der Wirbelsäule, Meningomyelozelen oder bei offenem Schädel-Hirn-Trauma). Dazu gehören auch die besonders tückischen, weil oft schwerlich erkennbaren Infektionen des Subarachnoidalraums über einen okzipitalen oder lumbalen Dermalsinus oder über eine posttraumatische Liquorfistel an der Rhinobasis oder in der Paukenhöhle.
Erregerspektrum
Die häufigsten Erreger der bakteriellen Meningitis sind:
- Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken): Grampositive Diplokokken, der weltweit häufigste Erreger. Kapselbildung mit > 90 verschiedenen Serotypen.
- Neisseria meningitidis (Meningokokken): Gramnegative Diplokokken mit 12 Serotypen (hauptsächlich pathogen sind A, B, C, W, X, Y).
- Haemophilus influenzae Typ B (Hib): Gramnegative, bekapselte Stäbchen. Seit Einführung der Impfung ist ein drastischer Rückgang zu verzeichnen.
- Listeria monocytogenes: Grampositive Stäbchen, fakultativ intrazellulär. Besonders relevant für Risikogruppen (Immunsupprimierte, Schwangere, Neugeborene, Personen > 50 Jahre).
- Staphylokokken: Grampositive Haufenkokken. Infektion oft sekundär nach Neurochirurgie, Trauma, Fremdkörpern oder Endokarditis.
- Streptococcus agalactiae: Grampositive beta-hämolysierende Streptokokken der Gruppe B. Haupterreger der Neugeborenmeningitis (in den ersten 3 Lebensmonaten).
- Enterobacteriaceae: Gramnegative Stäbchenbakterien, z. B. E. coli, Klebsiella spp., vor allem bei Neugeborenen relevant.
Die in den ersten 2 Lebensmonaten beim normalen Kind als Erreger der Meningitis isolierten Bakterien spiegeln die mütterliche Intestinal- sowie Urogenitalflora (gramnegative Enterobakterien, Listeria monocytogenes sowie Streptokokken der Gruppe B und selten Haemophilus influenzae nichttypisierbar und Typ b) wider. Die Meningitis kann in dieser Altersgruppe auch durch die beim älteren Kind vorwiegend beobachteten Mikroorganismen wie Streptococcus pneumoniae, Neisseria meningitidis oder Haemophilus influenzae Typ b hervorgerufen werden.
Lesen Sie auch: Umfassender Überblick über virale und bakterielle Meningitis
Pathogenese auf zellulärer Ebene
Die beim normalen Wirt üblicherweise eine Meningitis auslösenden Bakterien sind bekapselt und somit gegenüber Opsonisation und Phagozytose gut geschützt. Die Bakterien gelangen aus dem Blutkreislauf über die Blut-Liquor-Schranke (Epithel des Plexus choreoideus) und Blut-Hirn-Schranke (mikrovaskuläres Epithel) in den Liquor cerebrospinalis und zirkulieren im extrazerebralen Liquor- und im Subarachnoidalraum. Hier vermehren sie sich aufgrund geringer lokaler Konzentrationen an Komplement und spezifischer Antikörper rasch.
Bakterielle Zellwandbestandteile lösen lokale Ausschüttung von Entzündungsmediatoren (Interleukin[IL]-1β, Tumor-Nekrose-Faktor[TNF]-α, IL-6, IL-10 sowie Chemokine) und damit eine Entzündung im Subarachnoidalraum aus. Platelet activating factor (PAF) führt zur Thrombozytenaggregation und Thrombose, durch chemotaktische Wirkung zur Infiltration von Granulozyten und durch Erhöhung der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke zu Hirnödem. Die Gefäßpermeabilität wird zusätzlich gesteigert durch NO, das auf Endothelzellen toxisch wirkt und durch Vasodilatation den zerebralen Blutfluss verändert. Das Kapillarendothel wird zudem durch Zytokine, freie Sauerstoffradikale, bakterielle Zellwandbestandteile, Proteasen und mehrfach ungesättigte Fettsäuren aus Leukozyten geschädigt. Ischämie und toxische Effekte von Entzündungsmediatoren schädigen angrenzendes Hirngewebe. Pleozytose und erhöhte Proteinkonzentration im Liquor sind Folgen der vermehrt durchlässigen Blut-Hirn-Schranke und des geschädigten Epithels des Plexus choreoideus (Blut-Liquor-Schranke).
Prädisponierende Faktoren
Verschiedene Faktoren können das Risiko für eine bakterielle Meningitis erhöhen:
- Vorerkrankungen
- Alkoholabhängigkeit
- Operationen im Schädel-/HNO-/Kieferbereich
- Immunsuppression bzw. Immundefekt (z. B. Neutropenie, AIDS)
- Diabetes mellitus
- dentale Infektionen und Läsionen der Mundhöhle
- Endokarditis
- Sinusitis, Otitis media, Parotitis
- offenes Schädel-Hirn-Trauma
- Erhöhte Trägerfrequenz von pathogenen Keimen im Pharynx
- Aufenthalt in Institutionen (Schule, Pflegeeinrichtungen usw.)
- Aufenthalt in Regionen mit endemischem Meningokokken-Vorkommen („Meningokokkengürtel“)
- Kontakt mit einem Indexfall mit bakterieller Meningitis
- Rauchen
- Veränderung der Schleimhaut im Respirationstrakt
- Infektion der Schleimhaut im Nasopharynx in den unteren Atemwegen oder im Mittelohr
- Erkrankungen mit laufender Nase (Rhinorrhö) und Sekretion der Ohren (Otorrhö)
- Erhöhtes Risiko für eine Bakteriämie i. v. Drogenkonsum
Symptomatik
Unabhängig vom Erreger können Symptomatik und Verlauf unterschiedlich ausgeprägt sein. Bei der rasch progredienten Form treten häufiger zerebrale Krampfanfälle und schwere Bewusstseinstrübung auf als bei der langsamer progredienten. Es lassen sich nichtspezifische von spezifischen Zeichen sowie Zeichen der intrakraniellen Drucksteigerung unterscheiden:
- Nichtspezifische Zeichen: Fieber, Nahrungsverweigerung sowie verschiedene Hautveränderungen (erythematöses, makulöses Exanthem, Petechien, Purpura).
- Spezifische Zeichen: Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit sowie Kernig- und Brudzinski-Zeichen. Bei Kindern jünger als 12-18 Monate sind diese Zeichen oft nicht vorhanden.
- Zeichen der intrakraniellen Drucksteigerung: Kopfschmerzen, Erbrechen und vorgewölbte Fontanelle. Die Entwicklung eines Papillenödems ist ungewöhnlich; andere Ursachen müssen dann postuliert werden (Hirnabszess, subdurales Empyem, Sinusvenenthrombose).
Fokale neurologische Zeichen treten bei 10-20 % der Kinder auf und sind bei Pneumokokken - wegen der ausgeprägten Entzündungsreaktion - überdurchschnittlich häufig (>30 %). Ursache sind oft thrombotische Gefäßverschlüsse, Ischämie oder durch fokale Entzündung bedingte Hirnnervenschädigung. Krampfanfälle werden bei 20-30 % der Kinder beobachtet und treten aufgrund von Entzündung oder Infarzierung benachbarten Hirngewebes oder Elektrolytentgleisungen vor allem bei raschem Krankheitsverlauf auf. Sie sind während der akuten Phase nicht ungewöhnlich und betreffen das ZNS selbst und andere Organe.
Lesen Sie auch: Ursachen und Behandlung von bakterieller Meningitis
Neurologische Komplikationen umfassen Krampfanfälle, Hirndrucksteigerung, Hirnnervenausfälle, Herniation von Hirn oder Kleinhirn, Myelitis, Ataxie, Sinusvenenthrombose und Subduraleffusion. Letztere tritt in 10-30 % der Meningitisfälle auf, manifestiert aber nur in 1/10 dieser Fälle Symptome wie vorgewölbte Fontanelle, Diastase der Suturen, Zunahme des Kopfumfangs und Erbrechen, Krampfanfall oder Fieber.
Bei mehr als 50 % der Patienten mit bakterieller Meningitis tritt eine inadäquate ADH-Sekretion mit nachfolgender Hyponatriämie und erniedrigter Serumosmolarität auf, was zu Hirnödem und anderen neurologischen Symptomen führen kann. Persistierendes Fieber ist bei Infektionen mit Haemophilus influenzae Typ b häufiger zu beobachten als bei solchen mit Pneumo- oder Meningokokken, bei denen nach 6 Tagen >90 % der Patienten afebril sind. Perikarditis und Arthritis können im Krankheitsverlauf aufgrund bakterieller Dissemination oder Ablagerung von Immunkomplexen auftreten. Thrombozytose, Eosinophilie und Anämie treten vor allem bei Infektion mit Haemophilus influenzae Typ b auf. Die Anämie entsteht durch Hämolyse und/oder Knochenmarkdepression.
Als weitere Komplikation können wiederholte Episoden von bakterieller Meningitis auftreten: Wiederaufflackern mit erneuter Symptomatik und pathologischem Liquorbefund (gleicher Mikroorganismus) unter Therapie bei Entwicklung einer Antibiotikaresistenz. Durch Persistenz der Infektion im ZNS (Subduralempyem, Ventrikulitis, Hirnabszess) oder an anderer Stelle (Mastoid, Orbita, Schädelosteomyelitis) bei inadäquater Wahl des Antibiotikums, Dosis und Dauer der Behandlung können Rückfälle bis zu 3 Wochen nach Infektionsbeginn auftreten.
Diagnostik
Die klinische Verdachtsdiagnose Meningitis wird durch die Untersuchung des Liquors bestätigt. Deshalb sollte bei Verdacht auf Meningitis immer eine Lumbalpunktion durchgeführt werden.
Liquordiagnostik
Bei bakterieller Meningitis ist die Leukozytenzahl im Liquor meist stark erhöht (>1000 Zellen/μl, davon 75-90 % polymorphkernige Zellen). Rund 10 % der Patienten zeigen eine mononukleäre Pleozytose (vor allem bei gramnegativen Bakterien oder Listeria monocytogenes). Ein makroskopisch trüber Liquor präsentiert sich ab 200-400 Zellen/μl. Die Glukosekonzentration im Liquor ist bei etwa 60 % der Patienten vermindert, das Verhältnis der Liquor-/Serumglukose liegt bei 70 % unter 0,3. Der Proteingehalt im Liquor ist nahezu immer erhöht. Auch die Bestimmung des Laktats im Liquor ist sinnvoll. Laktatwerte von über 35 mg/dl weisen sehr auf eine bakterielle Meningitis hin. Die Erhebung des klinischen „bacterial meningitis score“ (BMS), erweitert um die Bestimmung der Serum-Procalcitonin-Konzentration (dann in der Literatur „Meningitistest“ genannt), ist ab dem 3. Lebensmonat sehr sensitiv und spezifisch.
Das Grampräparat lässt in 60-90 % der Fälle Mikroorganismen erkennen, der Antigen-Suchtest in 50-100 %. Die Liquorkultur ergibt in 75-90 % Wachstum von Bakterien. Bei antimikrobiell anbehandelten Patienten sinkt die Sensitivität von Grampräparat und Kultur auf unter 50 %. Hier kann die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) weiterhelfen. Blutkulturen sollten immer abgenommen werden. Sie ergänzen die ätiologische Diagnostik insbesondere bei Patienten, bei welchen eine Lumbalpunktion kontraindiziert ist.
Differenzialdiagnosen
Neben Haemophilus influenzae Typ b, Streptococcus pneumoniae und Neisseria meningitidis können eine Reihe anderer Mikroorganismen eine meningitische Symptomatik hervorrufen: Tuberkulosebakterien, Borrelien, Nokardien, Treponemen und Viren insbesondere Enteroviren sowie beim immunkompromittierten Patienten auch Pilze oder Parasiten. Nichtinfektiöse Krankheiten können ebenfalls zu Meningitis führen, kommen aber vergleichsweise seltener vor (bösartige Tumoren, Kollagenkrankheiten, Toxine). Fokale ZNS-Infektionen wie Hirnabszess, parameningeale Infektion und Subduralempyem können sich mit meningitischen Zeichen manifestieren. Die Untersuchung des Liquors mit Antigentest, Serologie und evtl. PCR sowie weitere Untersuchungen wie CT oder MRT führen diagnostisch weiter.
Differenzialdiagnosen bei Kopfschmerzen und Fieber sind:
- grippaler Infekt
- Influenza
- Sinusitis
- Sepsis und septischer Schock
Differenzialdiagnosen bei Kopfschmerzen und Meningismus sind:
- andere erregerbedingte Meningitis/Enzephalitis
- Meningeosis neoplastica
- Subarachnoidalblutung (SAB)
- Zerebrale Sinus- und Venenthrombose
Bildgebende Verfahren
Eine kraniale bildgebende Untersuchung sollte bei Verdacht auf akute Meningitis jedoch nicht routinemäßig durchgeführt werden. Indiziert sei die bildgebende Diagnostik vor der Lumbalpunktion, wenn eines der folgenden Merkmale zum Zeitpunkt der Vorstellung festgestellt werde:
- Glasgow-Koma-Score unter 10
- fokale neurologische Zeichen
- Hirnnerven-Ausfälle
- Papillenödem
- neu auftretende Krampfanfälle (bei Erwachsenen)
- schwere Immunschwäche
Kraniale Computertomographie (CCT) soll in der Akutphase bei klinischem Verdacht auf einen erhöhten intrakraniellen Druck vor der LP erfolgen. Kraniale Magnetresonanztomographie (cMRT) Sollte bei nicht erklärbaren klinischen Zeichen, unklaren CT-Befunden bzgl. des Infektionsfokus oder bei klinischer Verschlechterung unter Antibiotikatherapie durchgeführt werden.
Typische MRT-Veränderungen bei einer bakteriellen Meningitis: leptomeningeale und/oder durale Kontrastmittelaufnahmeentzündliches Exsudat (Eiter) in den kortikalen Sulci und/oder basalen Zisternenggf. Nachweis von intrakranielle Komplikationen (z. B. Ischämien, Hydrozephalus)
Ergänzende Untersuchungen
HNO-ärztliche Untersuchung soll möglichst frühzeitig erfolgen Suche nach parameningealem Infektfokus, z. B. Mastoiditis, Sinusitis oder Otitis mediaVoraussetzung für rasche operative HNO-Infektsanierung (innerhalb 24-48 Std.)im Verlauf Überprüfung des Hörvermögens (Audiometrie)Weitere Infektfokussuche z. B. Röntgenaufnahmen des Thorax, Abdomen-Sonographie/CT, EchokardiographieTranskranielle Dopplersonographie (TCD) bei zerebrovaskulärer Komplikationen (zerebrale arterielle Vaskulopathie)
Therapie
Die Therapieziele umfassen die Verhinderung eines letalen Verlaufs, die Sanierung der Infektion und die Vermeidung von Komplikationen. Ein frühzeitiger, schneller Behandlungsbeginn ist entscheidend für die Prognose.
Antibiotikatherapie
Die initiale Antibiotikatherapie ist empirisch und richtet sich nach den für den jeweiligen Patienten wahrscheinlichsten Erregern. Eine intravenöse Therapie mit einem Cephalosporin der Generation 3a (Ceftriaxon 80-100 mg/kg KG/Tag, 1. Dosis 100, dann 80 mg/kg KG in 1-2 Einzeldosen [ED], maximal 4 g/Tag oder Cefotaxim 200 mg/kg KG/Tag in 3-4 ED maximal 9 g/Tag) ist meistens adäquat. Bei Kindern unter 3 Monaten, bei welchen Streptokokken der Gruppe B und Listeria monocytogenes häufiger vorkommen, muss bis zur Identifikation des Erregers zusätzlich Ampicillin (200 mg/kg KG/Tag in 4 ED, maximal 1 g/Tag) verabreicht werden. Immunkompromittierte Patienten erhalten neben einem auch gegen Pseudomonaden wirksamen Cephalosporin der Generation 3b (Ceftazidim 125-150 mg/kg KG/Tag in 3 ED, maximal 6 g/Tag oder Carbapenem [Meropenem] 120 mg/kg KG/Tag in 3 ED) auch das gegen Listeria monocytogenes wirksame Ampicillin. Patienten nach neurochirurgischen Eingriffen oder Trauma werden Breitspektrumantibiotika gegen grampositive und gramnegative Erreger verabreicht (z. B. Vancomycin 60 mg/kg KG/Tag in 4 ED, maximal 3 g/Tag plus Ceftazidim).
Bei allen Patienten sollte die Therapie nach Erhalt der Resultate von Liquor- und Blutkultur sowie Antibiogramm entsprechend modifiziert werden. Bei penicillinsensiblen Pneumokokken und Meningokokken soll die initial begonnene Therapie mit Ceftriaxon, Cefotaxim oder ggf. Meropenem weitergeführt werden. Eine Umstellung auf Penicillin G ist nicht günstig, da Penicillin mit abnehmender Entzündung der Meningen schlechter in den Liquor penetriert. Bei Betalaktam-resistenten Stämmen ist eine Kombinationstherapie mit Ceftriaxon oder Cefotaxim plus Vancomycin (60 mg/kg KG/Tag in 4 ED, maximal 3 g/Tag) oder Rifampicin (20 mg/kg KG/Tag in 2 ED, maximal 600 mg/Tag) durchzuführen. Für Meningitis durch Haemophilus influenzae gilt als Mittel der Wahl Ceftriaxon oder Cefotaxim. Ampicillin als Monotherapie sollte aufgrund der Betalaktamase-Bildung in 10-40 % nicht angewendet werden.
Die Dauer der Antibiotikatherapie ist abhängig von Erregerart und Therapieansprechen:
- Pneumokokkenmeningitis: 10-14 Tage
- Meningokokkenmeningitis: 7-10 Tage
- Haemophilus-influenzae-Meningitis: 7-10 Tage
- Listerienmeningitis oder Enterobakterien: oft > 3 Wochen
Adjuvante Therapie mit Dexamethason
Dexamethason hemmt unter Umständen die Produktion von IL-1β und TNF-α. Tierexperimente zeigten, dass Dexamethason die zerebrale Perfusion erhöht, den intrakraniellen Druck sowie die Laktatkonzentration und die Entwicklung von Hirnödem bei Meningitis durch Haemophilus influenzae Typ b vermindert. Klinische Untersuchungen ergaben, dass die Häufigkeit persistierender Schwerhörigkeit oder anderer neurologischer Defizite nach Meningitis durch Haemophilus influenzae Typ b und initialer additiver Dexamethasontherapie vermindert werden kann. Dieser Effekt konnte bei Kindern mit Meningitis durch Pneumo- oder Meningokokken nicht nachgewiesen werden. Dexamethason kann rasch zu deutlicher klinischer Besserung führen auch bei Persistenz der Bakterien im Liquor.
Empfohlen ist Dexamethason (0,6 mg/kg KG/Tag in 4 ED während 2 Tagen; 1. Dosis vor 1. Antibiotikagabe zu verabreichen) bei Verdacht auf Meningitis durch Haemophilus influenzae Typ b (nicht geimpfte Kinder) für Kinder >2…
Operative Fokussanierung
Eine operative Sanierung eines lokalen HNO-Infektfokus als Ursache der Meningitis sollte möglichst innerhalb von 24 Stunden erfolgen, beispielsweise bei Sinusitis, Mastoiditis oder Otitis media.
Umgebungsschutz bei Meningokokkenerkrankung
Eine Meningokokken-Erkrankung führt im Umfeld zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko. Die Übertragung erfolgt über oropharyngeale Sekrete. Die Inkubationszeit beträgt meist 3-4 Tage (Spanne 2-10 Tage). Bei Verdacht auf Meningokokken-Meningitis ist eine Isolation bis 24 Stunden nach Beginn einer wirksamen Antibiotikatherapie erforderlich.
Kontaktpersonen müssen identifiziert und vom Gesundheitsamt über Risiken und Symptome aufgeklärt werden. Eine Chemoprophylaxe muss schnellstmöglich begonnen werden (sinnvoll bis max. 10 Tage nach letztem Kontakt). Als Substanzen kommen Rifampicin, Ciprofloxacin, Ceftriaxon und Azithromycin in Frage. Gegebenenfalls ist zusätzlich eine postexpositionelle Meningokokkenimpfung mit einem Impfstoff gegen die entsprechende Serogruppe (A, C, W, Y und B) sinnvoll.
Meldepflicht
Entsprechend dem Infektionsschutzgesetz (IfSG § 6 Meldepflichtige Krankheiten) sind der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Meningokokken-Meningitis oder -Sepsis meldepflichtig. Die unverzügliche, namentliche Meldung erfolgt durch die feststellenden Ärzt*innen, d. h. ohne zeitliche Verzögerung, jedoch innerhalb von 24 Stunden an das Gesundheitsamt, das für den Aufenthalt der betroffenen Person zuständig ist.
Entsprechend dem Infektionsschutzgesetz (IfSG § 7 Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern) erfolgt eine Meldung durch die Leiter*innen des untersuchenden Labors. Namentliche Meldung bei Krankheitserregern, die auf eine akute Infektion hinweisen:
- Haemophilus influenzae (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut)
- Listeria monocytogenes (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen)
- Neisseria meningitidis (Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhag…
WHO-Leitlinien zur Meningitis
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erstmals globale Leitlinien zur Diagnose, Behandlung und Langzeitpflege von Personen mit Meningitis veröffentlicht. Ziel ist es, die Krankheit schneller zu erkennen, rechtzeitig zu behandeln und die Nachsorge zu verbessern. Jährlich sterben rund 240 000 Menschen an bakterieller Meningitis - der gefährlichsten Form der Erkrankung - und etwa 20 Prozent der Betroffenen leiden an bleibenden Komplikationen.
Die Leitlinien richten sich vor allem an medizinisches Fachpersonal und decken Diagnose, Antibiotikatherapie, ergänzende Behandlungen und die Langzeitversorgung ab. Sie gelten sowohl für bakterielle als auch virale Meningitis und ersetzen die bisherigen WHO-Empfehlungen aus dem Jahr 2014 zu Epidemien. Angesichts der hohen Krankheitslast in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen wurden die Leitlinien speziell auf ressourcenarme Kontexte zugeschnitten.
Die Veröffentlichung der Leitlinien ist Teil des globalen WHO-Fahrplans «Defeating Meningitis by 2030», der unter anderem die Reduktion von Meningitis-Todesfällen um 70 Prozent und der impfpräventablen Fälle um 50 Prozent anstrebt. Um diese Ziele zu erreichen, sind laut WHO koordinierte Massnahmen in fünf Bereichen notwendig: bessere Diagnose und Behandlung, effektivere Prävention und Epidemiebekämpfung, verbesserte Krankheitsüberwachung, umfassende Betreuung der Betroffenen sowie stärkere politische und gesellschaftliche Sensibilisierung. Die neuen Leitlinien bieten Ländern nun eine klare Handlungsgrundlage, um Versorgungslücken zu schliessen und die Lebensqualität von Millionen Menschen nachhaltig zu verbessern.
tags: #bakterielle #meningitis #leitlinie #aktuell