Ein Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule (LWS) kann eine Reihe von Beschwerden verursachen, darunter Taubheitsgefühle im Bein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für diese Taubheit, die zugrunde liegenden Mechanismen und die verschiedenen Behandlungsoptionen, die zur Verfügung stehen.
Einführung
Rückenschmerzen sind ein weit verbreitetes Problem, und in vielen Fällen lässt sich die genaue Ursache nicht eindeutig bestimmen. Wenn jedoch Beinschmerzen hinzukommen, kann dies ein Hinweis auf eine Spinalkanalstenose oder einen Bandscheibenvorfall sein. Dieser Artikel konzentriert sich auf den Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule und die damit verbundenen Ursachen für Taubheit im Bein.
Was ist ein Bandscheibenvorfall?
Ein Bandscheibenvorfall, auch Diskushernie oder Diskusprolaps genannt, tritt auf, wenn der weiche Kern einer Bandscheibe durch die äußere, faserige Hülle hervortritt. Die Bandscheiben selbst liegen wie flexible Stoßdämpfer zwischen den Wirbelkörpern und sorgen für Beweglichkeit und Dämpfung der Wirbelsäule.
Die menschliche Wirbelsäule besteht aus 24 freien Wirbeln, die in der Längsachse von zwei Bändern stabilisiert werden. Insgesamt besitzt die Wirbelsäule 23 Bandscheiben, die als Stoßdämpfer zwischen den einzelnen Wirbelkörpern fungieren. Sie bestehen aus einem äußeren Faserring (Anulus fibrosus) und einem weichen, Gallertkern (Nucleus pulposus). Der Faserring stabilisiert die Bandscheibe und heftet sich an den Wirbelkörpern an.
Im gesunden Zustand erzeugt das Gewicht des Oberkörpers beim Sitzen auf einem Bürostuhl in den unteren Bandscheiben der Lendenwirbelsäule einen Druck von etwa 4,5 Bar - doppelt so viel wie in einem Autoreifen. Beim Anheben eines Wasserkastens wirkt auf die Bandscheiben eine Kraft, die einem Gewicht von 80-120 kg entspricht. Solche Belastungen sind jedoch nicht schädlich, sondern in begrenztem Maße sogar nützlich, da sie die Versorgung des Bandscheibengewebes mit Nährstoffen fördern.
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Blutgefäße und Nerven gibt es im Gallertkern nicht. Das Bandscheibengewebe versorgt sich über die umliegende Gewebe-Flüssigkeit mit Nährstoffen. Dies geschieht nach dem Schwamm-Prinzip: Wenn Druck auf die Bandscheibe ausgeübt wird, wird die Flüssigkeit aus dem Gallertkern herausgepresst. Dadurch nimmt der Wassergehalt des Nucleus ab. Bei Entlastung füllt sich der Kern wieder mit Flüssigkeit und Nährstoffen.
Ursachen eines Bandscheibenvorfalls
Ein Bandscheibenvorfall kann verschiedene Ursachen haben. Im Allgemeinen spielen das Lebensalter und die damit verbundenen Abnutzungserscheinungen eine entscheidende Rolle. Mit zunehmendem Alter büßt die Bandscheibe ihre Elastizität ein und kann Wasser schlechter speichern. Weitere Risikofaktoren sind:
- Fehlbelastungen: Starke Beanspruchungen in Kindheit und Jugend, wie z. B. Fehlstellungen, können die Bandscheiben langfristig schädigen.
- Bewegungsmangel: Häufiges Sitzen kann die Muskeln im vorderen Körperbereich unnachgiebig machen, wodurch die Wirbelkörper durch die Spannung immer fester aufeinander gezogen werden. Zudem kann sich das Bandscheibengewebe bei einseitigen Belastungen nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgen.
- Schwangerschaft: Während der Schwangerschaft verändert sich die Statik des Körpers, wodurch die Wirbelsäule stärker belastet wird. Das zusätzliche Gewicht und hormonelle Veränderungen können das Risiko für einen Bandscheibenvorfall erhöhen.
- Übergewicht: Übergewicht ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor, da das überschüssige Gewicht Rücken und Wirbelkörper zusätzlich strapaziert.
- Verschleiß: Häufigste Ursache einer Bandscheibenhernie ist der Verschleiß. Mit der Zeit sinkt der Wassergehalt im Körper und somit die Elastizität der Bandscheibe. Der äußere Faserring, der ihre Position fixiert, bekommt kleine Risse und der Kern kann austreten.
Bandscheibenvorfall und Taubheit im Bein
Ein Bandscheibenvorfall kann eine Vielzahl von Symptomen hervorrufen, die je nach betroffenem Bereich der Wirbelsäule variieren können. Häufig treten Rückenschmerzen auf, die in Arme oder Beine ausstrahlen und oft mit Taubheitsgefühlen oder Kribbeln einhergehen. Diese Beschwerden können sowohl im Ruhezustand als auch bei Bewegung auftreten und können ein Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall sein.
Taubheitsgefühle im Bein sind ein typischer Hinweis auf einen Bandscheibenvorfall der Lendenwirbelsäule. In diesem Wirbelsäulenabschnitt treten am häufigsten Bandscheibenvorfälle auf, da die Krümmung der Wirbelsäule sowie die Gewichtsbelastung hier am größten sind. Je nach Lokalisationshöhe können auch hier an unterschiedlichen Stellen im Bein Taubheitsgefühle entstehen. Bei einem schweren ausgeprägten Bandscheibenvorfall der LWS kann es auch zur Beeinträchtigung der Harn- und Stuhlkontinenz kommen. Daher sollte ein Bandscheibenvorfall mit entsprechenden Warnsignalen im Bereich der LWS stets ernstgenommen und schnell orthopädisch abgeklärt werden. Die Taubheit kann in solch einem Fall im Bereich des gesamten Beins auftreten. Beide Beine gemeinsam sind allerdings nur äußerst selten betroffen.
Die Nerven, die die Zehen anregen, sitzen als Spinalnerven in der Lenden- und Sakralregionen der Wirbelsäule (Lendenwirbelsäule und Kreuzbein). Bei tiefer gelegenen Segmenten im unteren Lendenwirbelsäulenbereich kann es auch zu Taubheitsgefühlen am Unterschenkel oder im Bereich der Zehen kommen. Das Taubheitsgefühl am Schienbein könnte beispielsweise durch eine Kompression der L4- oder L5-Nervenwurzel (Bandscheibenvorfall L4/5 oder L5/S1) verursacht werden.
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Wie entsteht die Taubheit?
Bei einem Bandscheibenvorfall liegt eine Schädigung der Bandscheibe vor, wobei der innere gallertartige Kern durch den äußeren faserigen Ring der Bandscheibe hindurch tritt. Das ausgetretene Bandscheibenmaterial kann umliegende Strukturen, wie das Rückenmark oder einzelne Spinalnerven, die aus dem Rückenmark ziehen, komprimieren und löst somit verschiedene Symptome aus.
In erster Linie treten Schmerzen aufgrund des Drucks auf den Nerven auf. Des Weiteren kommt es zu verschiedenen Missempfindungen, wie Taubheit oder Kribbeln, die im vom Nerv versorgten Bereich liegen. Im Verlauf kann es auch zu Muskelschwächen kommen.
Diagnose
Wenn Sie einen Orthopäden aufsuchen, wird dieser Sie zunächst nach Ihren Beschwerden und möglichen Risikofaktoren fragen. Nach dem Gespräch wird Ihr Arzt vermutlich einige neurologische Untersuchungen durchführen. Da viele Ärzte Ihre Schmerzen mit Nervenreizungen oder Nervenschädigungen in Verbindung bringen, zielen diese Tests darauf ab, den genauen Ort einer möglichen Verletzung zu bestimmen.
Vermutet der Arzt einen Bandscheibenvorfall, wird er zur genauen Diagnose eine Röntgenuntersuchung anordnen. Diese gibt Aufschlüsse über eventuelle Veränderungen an Ihren Wirbeln, den Bandscheiben und dem Wirbelkanal. Zusätzlich ermöglichen Aufnahmen der Kernspintomographie (MRT) oder ein Computertomogramm (CT) dem Untersucher, den exakten Ort des Bandscheibenvorfalls in der Lendenwirbelsäule festzustellen.
Die Diagnose besteht in der Regel aus drei Teilen:
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- Anamnese: Der Facharzt nimmt eine ausführliche Anamnese vor, indem der Patient seine Beschwerden bestmöglich schildert.
- Körperliche Untersuchung: Es werden bestimmte Sensibilitäts- und Motoriktests durchgeführt, welche die Nervenfunktion prüfen und Auffälligkeiten sichtbar machen.
- Bildgebendes Verfahren: Für eine Befundung zieht der Arzt Schnittbildverfahren mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) hinzu.
Behandlungsmöglichkeiten
Bei einem Bandscheibenvorfall mit Rückenschmerzen oder anderen Beschwerden gibt es unterschiedliche Therapien und Behandlungsmöglichkeiten. Meistens ist es keine gute Idee, sich bei einem Bandscheibenvorfall übermäßig zu schonen oder gar nicht mehr zu bewegen.
Konservative Behandlung:
In etwa 85 bis 90 % der Fälle ist der Körper in der Lage, den Diskusprolaps selbstständig zurückzubilden. Innerhalb des natürlichen Rückbildungsprozesses findet der ausgetretene Teil des gallertartigen Kerns nicht zurück in seine Ursprungsposition, sondern wird aufgelöst. Zielsetzung dieser Therapieform ist es, den körpereigenen Abheilungsprozess möglichst schmerzfrei zu gestalten. Dies gelingt zum Beispiel über eine um Schmerzmittel ergänzte Bettruhe mit einer Stufenlagerung der Beine.
- Schmerzmittel: Schmerz- und entzündungshemmende Medikamente wie Paracetamol oder nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac kommen zum Einsatz. Bei Nervenreizungen können Antiepileptika (auch: Antikonvulsiva) wie Gabapentin und Pregabalin und bei chronischen Schmerzen Antidepressiva wie Amitriptylin und Duloxetin eingesetzt werden.
- Physiotherapie: Gezielte Übungen und Haltungen zur Entlastung der Wirbelsäule erlernt werden, die man dann selbstständig durchführen kann.
- Manuelle Therapie: Der betroffene Wirbelsäulenabschnitt und die Nervenwurzeln am Übergang zum Kreuzbein gezielt mobilisiert werden. Auch eine Dehnung und Mobilisierung der Gelenke im Hüft-, Becken- und Wirbelsäulenbereich sowie Rumpfübungen gehören dazu.
- Faszien-Rollmassagen: Überspannte Muskeln und Faszien lockern, sodass die in den Übungen gesetzten Reize optimal verarbeitet werden können.
- Wärmetherapie: Der entkrampfende Effekt von Wärmebehandlungen auf die Muskeln wird genutzt, um die tiefen Rückenmuskeln zu entspannen. Dadurch sinkt der Druck auf die Rückennerven.
- Akupunktur: Kann eingesetzt werden, um Spannungen zu lösen.
- Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS): Elektroden, die auf die Haut platziert werden, um Schmerzen zu lindern.
- Osteopressur: Eine Akut-Maßnahme, die von zertifizierten Liebscher & Bracht Therapeuten angewendet wird, um für eine erste Erleichterung zu sorgen und die Übungen danach gemeinsam mit dem Patienten durchzugehen.
Operative Behandlung:
Bleiben die Schmerzen trotz der konservativen Behandlung bestehen oder verschlimmern sich sogar, ist ein operativer Eingriff sinnvoll. Unvermeidbar ist eine Operation dann, wenn es durch den Bandscheibenvorfall zu Problemen des Genitalbereichs oder Stuhlgangs, Lähmungen, Potenzverlust oder hochgradigen Einschränkungen der Gehfähigkeit kommt.
Bei der mikrochirurgischen Operation wird unter Vollnarkose das Bandscheibengewebe entfernt, das auf das Rückenmark bzw. die Nervenstränge drückt. Dafür ist ein kleiner Schnitt von zwei bis maximal vier Zentimetern Länge notwendig. Im Bereich der Lendenwirbelsäule führen wir den Eingriff in den meisten Fällen von hinten, im Bereich der Halswirbelsäule von vorn durch.
Im Bereich der Lendenwirbelsäule ist in fast allen Fällen kein Einbringen von Material in den Bandscheibenraum notwendig. Im Bereich der Halswirbel setzen wir - je nach Wunsch des Patienten - ein Titan- bzw. Kunststoffplättchen ein.
Vorbeugung
Einem Bandscheibenvorfall können Sie mit verschiedenen Maßnahmen effektiv vorbeugen:
- Regelmäßige Bewegung und gezielte Übungen: Die Mobilität fördern und das Wohlbefinden steigern.
- Aktivitätslevel erhöhen: Ein aktiver Lebensstil ist für gesunde Bandscheiben essenziell. Durch das aktive Stimulieren der Rückenmuskulatur wird die Wirbelsäule besser mit Wasser und Nährstoffen versorgt.
- Muskulatur aufbauen: Eine gut ausgebaute Rückenmuskulatur ist erwiesenermaßen eine der besten Maßnahmen, um einer Diskushernie vorzubeugen.
- Körperhaltung verbessern: Achten Sie auf Ihre Körperhaltung und stellen Sie, wenn nötig, den Sitz im Vergleich zum Lenker oder Lenkrad etwas niedriger ein.
- Ergonomischer Arbeitsplatz: Verbringen Sie täglich viele Stunden am Schreibtisch? Dann achten Sie auf eine ergonomische Einrichtung Ihres Arbeitsplatzes.
- Gesunder Schlaf: Häufig unterschätzt ist ebenfalls eine gute Matratze.
- Übergewicht abbauen: Übergewicht ist ein nicht zu unterschätzender Risikofaktor, wenn es um das Vorbeugen eines Diskusprolaps geht. Das überschüssige Gewicht strapaziert Rücken und Wirbelkörper zusätzlich.
- Vermeiden Sie Fehlhaltungen: Vermeiden Sie bei einem Diskusprolaps im Bereich der Halswirbelsäule vor allem langes Arbeiten am Laptop, Autofahren sowie Fernsehen. Während dieser Tätigkeiten nehmen wir oft unbewusst Haltungen ein, welche die Bandscheiben belasten.
Dauer der Taubheit
Die Dauer der Taubheit nach einem Bandscheibenvorfall kann stark variieren und hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Schwere des Vorfalls, der betroffenen Nervenwurzel und der Behandlung, die der Patient erhält.
Bei einem leichten Bandscheibenvorfall, der nur eine geringe Kompression der Nervenwurzel verursacht, kann die Taubheit nach einigen Tagen bis Wochen nachlassen. In schwereren Fällen, bei denen die Nervenwurzel stärker komprimiert wird, kann die Taubheit über Monate anhalten, vor allem aber kommt es auf die Ausprägung der Schädigung des oder der Spinalnerven aus dem Rückenmark an.
Eine frühzeitige und adäquate Behandlung, die sowohl konservative Maßnahmen (wie entzündungshemmende Medikamente, Trainingstherapie und eventuell Injektionen) als auch in einigen Fällen operative Eingriffe umfasst, kann den Heilungsprozess beschleunigen.
Nerven haben eine begrenzte Fähigkeit zur Regeneration, und je nach Dauer und Ausmaß der Kompression kann es unterschiedlich lange dauern, bis die Funktion vollständig wiederhergestellt ist. Die Erholungszeit variiert auch individuell. Einige Patienten erleben eine schnelle Besserung, während es bei anderen länger dauert.
Bandscheibenvorfall ohne Schmerzen aber mit Taubheit
Kommt es zum Auftreten von Taubheit ohne Schmerzen gibt es hierfür vor allem zwei mögliche Ursachen. Wenn es in einem gewissen zeitlichen Abstand im Vorfeld zu Schmerzen gekommen ist, spricht auch hierfür der Bandscheibenvorfall als Ursache. Einem Bandscheibenvorfall folgt als Symptom zuallererst immer der Schmerz. Dies ist ein sehr typisches Symptom, das natürlich nicht beweisend für den Bandscheibenvorfall als Ursache ist, jedoch im Zusammenhang mit einem späteren Auftreten von Taubheitsgefühlen als sehr wahrscheinlich gilt.
Eine weitere Möglichkeit beim Auftreten von Taubheit ohne Schmerzen ist eine Schädigung eines Nervs direkt vor Ort. In solch einem Fall handelt es sich meist nur um ein kleines, gut begrenztes Hautareal, in dem das Taubheitsgefühl auftritt. Bei einem Bandscheibenvorfall hingegen kann die Taubheit sich über einen längeren und größeren Hautabschnitt erstrecken.
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