Betablocker sind eine weit verbreitete Medikamentengruppe, die zur Behandlung von Bluthochdruck, Herzerkrankungen und anderen Beschwerden eingesetzt wird. Sie wirken, indem sie die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin blockieren und so den Blutdruck und die Herzfrequenz senken. In letzter Zeit sind Bedenken hinsichtlich eines möglichen Zusammenhangs zwischen der Einnahme von Betablockern und einem erhöhten Risiko für die Entwicklung der Parkinson-Krankheit aufgekommen. Dieser Artikel beleuchtet die aktuelle Studienlage, mögliche Mechanismen und gibt Empfehlungen für Patienten und Ärzte.
Betablocker: Eine Übersicht
Betablocker, auch bekannt als Beta-Rezeptorenblocker, sind eine Klasse von Medikamenten, die die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin an den Beta-Rezeptoren des Körpers blockieren. Diese Rezeptoren befinden sich in verschiedenen Organen, einschließlich des Herzens, der Blutgefäße und der Lunge. Durch die Blockierung dieser Rezeptoren können Betablocker den Blutdruck senken, die Herzfrequenz verlangsamen und die Kontraktionskraft des Herzens verringern.
Betablocker werden zur Behandlung einer Vielzahl von Erkrankungen eingesetzt, darunter:
- Bluthochdruck (Hypertonie)
- Angina pectoris (Brustschmerzen)
- Herzinsuffizienz
- Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien)
- Migräne
- Essentieller Tremor
- Angstzustände
Kurzwirksame Betablocker ermöglichen eine kontrollierte Frequenzsenkung bei Tachykardien und sind somit ein unverzichtbares Instrument auf jeder Intensivstation. Bei supraventrikulären Tachykardien ist ein kontrolliertes Frequenzmanagement entscheidend, während beim septischen Schock eine gezielte Vasopressor-Therapie im Vordergrund steht.
Der mögliche Zusammenhang zwischen Betablockern und Parkinson
In den letzten Jahren haben Beobachtungsstudien einen möglichen Zusammenhang zwischen der Langzeittherapie mit Betablockern und der Entstehung von Parkinson nahegelegt. Eine aktuelle Übersichtsarbeit in der renommierten Zeitschrift „Lancet“ fasst den momentanen Erkenntnisstand zusammen und warnt Patienten davor, aus Sorge vor einer Parkinson-Erkrankung die Medikation abzusetzen.
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Eine Grundlagenuntersuchung hatte einen noch nicht bestätigten Mechanismus in Zellexperimenten gefunden, demzufolge der Betablocker Propranolol die Produktion von α-Synuclein, dem Hauptbestandteil der Lewy-Körper, hochreguliert. Man weiß aus genetischen Studien an Patienten mit Triplikationen des α-Synuclein-Gens, dass vermehrter Anfall von α-Synuclein zu häufigerem Auftreten von Parkinson führt. Darüber hinaus haben epidemiologische Beobachtungsstudien gezeigt, dass eine mögliche Assoziation zwischen Langzeittherapie mit Betablockern und Parkinson vorliegt, wohingegen die chronische Einnahme von Beta-Rezeptor-aktivierenden Medikamenten (sogenannte Beta-Agonisten) mit einem verminderten Parkinson-Risiko einherging.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass diese Studien lediglich Assoziationen aufzeigen und keine Kausalität beweisen. Mit anderen Worten, sie können nicht beweisen, dass Betablocker tatsächlich Parkinson verursachen. Die Zusammenhänge könnten den Forschern zufolge auch durch statistische Verzerrungen und Störfaktoren entstanden sein.
Mögliche Mechanismen
Obwohl der genaue Mechanismus, durch den Betablocker möglicherweise das Parkinson-Risiko beeinflussen, noch nicht vollständig verstanden ist, gibt es einige Theorien:
- Erhöhung von α-Synuclein: Eine zellbiologische Arbeit gab Hinweise darauf, dass Propranolol die Produktion von α-Synuclein hochreguliert. Aus anderen Studien ist bekannt, dass eine höhere Menge an α-Synuclein zu häufigerem Auftreten von Parkinson führt. Lewy-Körperchen, die ein histologisches Merkmal der Erkrankung sind, bestehen hauptsächlich aus Ablagerungen von Alpha-Synuclein. Medikamente, die den Abbau von Alpha-Synuclein fördern, sind deshalb ein aktueller Ansatz in der Arzneimittelforschung.
- Maskierung von Frühsymptomen: Ein unspezifischer Tremor gehört häufig zu den sehr frühen Parkinson-Vorzeichen. Propranolol wurde hier vermutlich zur Behandlung des prodromalen Parkinson-Symptoms eingesetzt - und wäre damit nicht Verursacher der Erkrankung. Ähnliche Zusammenhänge ließen sich auch bei Primidon, das ebenfalls zur Tremorbehandlung eingesetzt wird, feststellen: Der Arzneistoff schien ebenfalls mit einem erhöhten Parkinson-Risiko assoziiert zu sein - bis die Patienten aus der Statistik ausgeschlossen wurden.
- Andere Faktoren: Es ist möglich, dass andere Faktoren, die nicht direkt mit Betablockern zusammenhängen, eine Rolle spielen. Beispielsweise wurde festgestellt, dass Rauchen das Parkinson-Risiko senkt, während bestimmte Umweltfaktoren es erhöhen können.
Relativierung der Ergebnisse
Kritiker der Studien weisen darauf hin, dass Beobachtungsstudien keine Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge nachweisen können. Die Assoziationen zwischen Betablockern und erhöhtem Parkinson-Risiko könnten auch Resultat statistischer Verzerrungen und Störfaktoren sein.
Denn sobald Patienten mit Tremor ausgeschlossen wurden, war das erhöhte Risiko in der Studie nicht mehr nachweisbar. Da ein unspezifischer Tremor zu den sehr frühen, wenn auch uncharakteristischen Parkinson-Vorzeichen (sogenannte Prodromi) gehört, wurde Propranolol vermutlich zur Behandlung des prodromalen Parkinson-Symptoms Tremor eingesetzt und ist damit aber nicht Verursacher der Erkrankung.
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Auch die Assoziation zwischen Beta-Rezeptor-Agonisten (Salbutamol) und einem vor Parkinson schützendem Effekt ist bislang nicht bestätigt. Auch hier ist kein kausaler Zusammenhang bewiesen und es könnten andere Faktoren reinspielen, z.B. der Faktor „Nikotinkonsum“: Verschiedene Beobachtungsstudien haben gezeigt, dass Raucher seltener an Parkinson erkranken als Nichtraucher.
Was bedeutet das für Patienten und Ärzte?
Angesichts der aktuellen Studienlage ist es wichtig, einige Punkte zu beachten:
- Betablocker nicht ohne Rücksprache absetzen: Patienten, die Betablocker einnehmen, sollten diese nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen. Betablocker sind wichtige Medikamente zur Behandlung verschiedener Erkrankungen, und ein plötzliches Absetzen kann gefährliche Folgen haben.
- Nutzen-Risiko-Abwägung: Ärzte sollten bei der Verschreibung von Betablockern eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen, insbesondere bei Patienten mit einem erhöhten Risiko für Parkinson.
- Weitere Forschung: Es sind weitere Studien erforderlich, um den möglichen Zusammenhang zwischen Betablockern und Parkinson besser zu verstehen. Zukünftige Forschung sollte sich auf die Identifizierung von Risikofaktoren, die Aufklärung der zugrunde liegenden Mechanismen und die Entwicklung von Strategien zur Risikominderung konzentrieren.
Laut dem Lancet Neurology-Bericht würde rechnerisch nur eine einzige Parkinsonerkrankung bei 10.000 Patienten nach fünf Jahren Propranolol-Behandlung verursacht. „Das entspricht in der Pharmakologie dem Status einer äußerst seltenen Nebenwirkung. Ärzte und Patienten sollten daher keinesfalls in Panik geraten und aus Sorge, als Spätfolge der Therapie eine Parkinson-Krankheit zu induzieren bzw. zu erleiden, Betablocker absetzen. Damit würde der Gesundheit mehr geschadet als genutzt“, so Deuschl.
Die Bedeutung von Beta-Rezeptoren in der Medizin
Medikamente, die an Beta-Rezeptoren angreifen, wurden von der WHO auf die Liste der essenziellen Medikamente aufgenommen („The WHO Model List of Essential Medicines“), denn sie retten buchstäblich Millionen von Patientenleben. Bronchialasthma und die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) werden durch eine Aktivierung von Beta-Rezeptoren (durch Beta-Agonisten, z. B. Salbutamol) behandelt. Dagegen ist eine Blockade von Beta-Rezeptoren (durch Betablocker, z. B. Propranolol, Metoprolol) bei Bluthochdruck und bestimmten Herzerkrankungen erwiesenermaßen lebensverlängernd (z. B. Herzschutz nach einem Infarkt).
Beta-2-Sympathomimetika und Parkinson
Boston - Beta-2-Sympathomimetika wie Clenbuterol und Salmeterol, die seit Jahrzehnten zur Behandlung von Asthmaerkrankungen eingesetzt werden, bremsen in Hirnzellen die Bildung von Alpha-Synuclein, dessen Ablagerungen in Lewy-Körperchen zum Morbus Parkinson führen. Die tierexperimentellen Ergebnisse in Science (2017; 357: 891-898) werden durch epidemiologische Studien bestätigt, wonach Asthmapatienten, die regelmäßig Clenbuterol oder Salmeterol anwenden, im Alter seltener an Morbus Parkinson erkranken. Propranolol erhöhte das Erkrankungsrisiko.
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Langjährige Anwender von Salbutamol erkranken tatsächlich seltener an einem Morbus Parkinson. Die Rate Ratio von 0,66 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,58 bis 0,76 statistisch signifikant. Patienten, die über viele Jahre Propranolol einnahmen, erkrankten mehr als doppelt so häufig wie andere Norweger an einem Morbus Parkinson (Rate Ratio 2,20; 1,62-3,00).
Fazit
Die Frage, ob Betablocker das Risiko für Parkinson erhöhen, ist noch nicht abschließend geklärt. Beobachtungsstudien haben einen möglichen Zusammenhang nahegelegt, aber es ist wichtig zu betonen, dass diese Studien keine Kausalität beweisen. Es sind weitere Studien erforderlich, um den möglichen Zusammenhang besser zu verstehen und die zugrunde liegenden Mechanismen aufzuklären. Patienten, die Betablocker einnehmen, sollten diese nicht ohne Rücksprache mit ihrem Arzt absetzen. Ärzte sollten bei der Verschreibung von Betablockern eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung vornehmen.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel dient nur zu Informationszwecken und ersetzt keine professionelle medizinische Beratung. Sprechen Sie immer mit Ihrem Arzt oder Apotheker, wenn Sie Fragen zu Ihrer Gesundheit oder Ihren Medikamenten haben.
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