Bewegungstherapie bei Demenz: Wirksamkeit und Anwendung

Eine Demenzerkrankung stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große Herausforderungen. Neben medikamentösen Behandlungen spielen nicht-medikamentöse Therapien eine entscheidende Rolle, um die Lebensqualität der Erkrankten zu verbessern, ihre Selbstständigkeit zu erhalten und herausfordernde Verhaltensweisen zu mildern. Die Bewegungstherapie ist dabei ein wichtiger Baustein.

Nicht-medikamentöse Behandlung von Demenz

Die nicht-medikamentöse Behandlung von Demenz umfasst eine Vielzahl von Therapien, die darauf abzielen, das Wohlbefinden der Erkrankten zu stärken und ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten. Im Mittelpunkt steht, den Erkrankten die Teilhabe am Alltag und am sozialen Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig können diese Ansätze dazu beitragen, herausfordernde Verhaltensweisen zu mildern und für mehr Ausgeglichenheit zu sorgen. Die Therapien lassen sich einzeln oder kombiniert anwenden.

Bedeutung der Bewegungstherapie

Die Bewegungstherapie wirkt körperlichen Beschwerden entgegen und beeinflusst zudem Verhalten und Körperwahrnehmung positiv. Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Bewegung und körperliches Training nicht nur die körperliche Fitness verbessern, sondern auch positive Auswirkungen auf die Kognition und das psychische Wohlbefinden von Menschen mit Demenz haben können.

Ziele der Bewegungstherapie bei Demenz

  • Erhaltung der Lebensqualität und Selbstständigkeit: Durch gezielte Bewegungsangebote können Betroffene ihre motorischen Fähigkeiten erhalten oder verbessern und somit ihren Alltag besser bewältigen.
  • Vermeidung von Apathie und Depression: Bewegung fördert die Ausschüttung von Endorphinen, die stimmungsaufhellend wirken und somit Apathie und Depressionen entgegenwirken können.
  • Verbesserung der Kognition: Studien deuten darauf hin, dass körperliche Aktivität die kognitiven Funktionen, insbesondere Gedächtnis und Aufmerksamkeit, verbessern kann.
  • Reduktion von Stürzen: Durch gezieltes Training der Balance und Koordination kann das Sturzrisiko verringert werden.
  • Abbau von Ängsten und Aggressionen: Bewegung kann helfen, Ängste abzubauen und Aggressionen zu mildern.
  • Förderung des Ein- und Durchschlafens: Regelmäßige körperliche Aktivität kann die Schlafqualität verbessern.

Formen der Bewegungstherapie

Die Bewegungstherapie bei Demenz kann in verschiedenen Formen angeboten werden:

  • Bewegungsangebote zu Hause: Spaziergänge, Gehübungen, Gymnastik, Kräftigungs- und Konditionstraining können leicht in den Alltag integriert werden. Gerade bei weniger fitten Menschen lässt sich Bewegung auch gut in den Alltag integrieren, zum Beispiel bei Spaziergängen mit dem Hund oder bei der Gartenarbeit.
  • Bewegungsangebote in der Physiotherapie: Physiotherapeuten können individuelle Trainingsprogramme entwickeln, die auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Betroffenen zugeschnitten sind.
  • Aktivitäten in der Gruppe: Gespräche, Kochen, Singen, Musizieren und Tanzen bieten nicht nur Bewegung, sondern auch soziale Kontakte und Anregung. Tanzen ist Bewegung und wirkt befreiend. Dadurch werden positive Gefühle geweckt.
  • Sport: Sport hat nachgewiesene positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit, Fitness und Stimmung von Erkrankten. Bewegung baut Ängste ab, mildert Aggressionen und fördert das Ein- und Durchschlafen. Am besten eignet sich tägliche moderate Bewegung (Walking, Tanzen, Gymnastik etc.), bei der Atmung und Herzfrequenz erhöht sind, aber noch ein Gespräch möglich ist.
  • Gartentherapie: Gartentherapie als soziale Intervention: Durchführungsbedingungen und Wirkungsanalyse von gartentherapeutischen Maßnahmen bei demenziell erkrankten Bewohnerinnen in Altenpflegeheimen.

Studien zur Wirksamkeit der Bewegungstherapie

Mehrere Studien haben die Wirksamkeit der Bewegungstherapie bei Demenz untersucht. Eine Studie von Hauer und seinem Team zeigte, dass Demenzpatienten, die regelmäßig gezielt trainieren, mehr Kraft haben, motorische Schlüsselqualifikationen wie Gehen und Aufstehen ihnen leichter fallen und sie sich wieder als jemand erleben, der selbst etwas bewirken kann. Zudem litten die Patienten durch das Training seltener unter Depressionen, sie kamen im Alltag besser zurecht und die Gefahr zu stürzen war bei ihnen geringer.

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Die SYNERGIC-Studie hat die Kombination aller drei Interventionen untersucht (2). Die Studienpopulation bestand aus älteren Erwachsenen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (LKB). Insgesamt wurden 175 Teilnehmende mit einem Durchschnittsalter von 73,1 Jahren (SD = 6,6) in die Studie aufgenommen. Von den Teilnehmenden waren 49,1 Prozent weiblich und 83,2 Prozent weiß.

Dreimal wöchentlich über einen Zeitraum von 20 Wochen wurde eine Kombination aus aeroben Übungen und Widerstandstraining durchgeführt. Jede Einheit dauerte 90 Minuten. Die Intensität des Trainings wurde an das Leistungsvermögen der Teilnehmenden angepasst und im Verlauf gesteigert. Ebenfalls dreimal pro Woche wurde über den gesamten Studienzeitraum ein computergestütztes kognitives Training mit einem Programm namens Neuropeak durchgeführt. Die Aufgaben des kognitiven Trainings zielten auf das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeit ab und umfassten visuomotorische Aufgaben, deren Schwierigkeitsgrad mit der Zeit zunahm. Die tägliche Vitamin-D-Dosis lag bei 2 000 IU.

Die Studienteilnehmenden wurden auf fünf Studienarme randomisiert:■ Aerobes Widerstandstraining, kognitives Training und Vitamin D■ Aerobes Widerstandstraining, kognitives Training und Placebo Vitamin D■ Aerobes Widerstandstraining, Placebo kognitives Training und Vitamin D■ Aerobes Widerstandstraining, Placebo kognitives Training und Placebo Vitamin D■ Gleichgewichts- und Straffungsübungen, Placebo kognitives Training und Placebo Vitamin D

Die Auswertung zeigte, dass eine Intervention, die aerobes Widerstandstraining mit sequenziellem kognitivem Training kombiniert, die Kognition bei älteren Erwachsenen mit LKB signifikant verbesserte, einschließlich Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Worterkennung und Orientierung. Diese Verbesserung war größer als die Vorteile, die durch das körperliche Training alleine erzielt wurden. Vitamin-D-Präparate zeigten jedoch keinen signifikanten Effekt auf die kognitive Funktion. Die meisten Teilnehmenden hatten bereits zu Beginn der Studie ausreichende Vitamin-D-Werte. Ob Vitamin D positive Effekte auf die Kognition hat, wenn zuvor eine Unterversorgung bestand, ist unklar.

Bewegungstherapie im Kontext anderer Therapieformen

Die Bewegungstherapie kann sinnvoll mit anderen Therapieformen kombiniert werden, um einen ganzheitlichen Ansatz zu gewährleisten. Dazu gehören:

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  • Gedächtnistraining: Aktivitäten zur Förderung von Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Kommunikation, z.B. Rechenaufgaben, Wortspiele, Puzzles, Bilder erkennen, Zahlenreihen vervollständigen, auch als Gruppenaktivität.
  • Ergotherapie: In der Ergotherapie werden durch funktionelle, spielerische, handwerkliche und gestalterische Aktivitäten die Alltagskompetenzen gestärkt und möglichst lange erhalten.
  • Kognitive Stimulation: Durch kognitive Stimulation können bei Erkrankten im frühen bis mittleren Stadium die Wahrnehmung, das Lernen und das Gedächtnis verbessert werden. Dies können zum Beispiel einfache Wort-, Zahlen- oder Ratespiele sein. Aber auch die gezielte Aktivierung des Langzeitgedächtnisses durch Gespräche über Themen von früher oder über persönliche Gegenstände fördert die Kognition.
  • Musiktherapie: Musik zu machen oder zu hören weckt positive Erinnerungen und Gefühle. Das gilt besonders für das Musizieren oder Musik hören in der Gruppe.
  • Tanztherapie: Tanzen ist Bewegung und wirkt befreiend. Dadurch werden positive Gefühle geweckt.
  • Mal- und Kunsttherapie: Die Mal- und Kunsttherapie kann auch Verbesserungen des Wohlbefindens liefern.
  • Snoezelen: Beim Snoezelen werden die Sinne der Erkrankten angesprochen. Bekannte Klänge, Düfte und Geschmäcke wirken anregend, wodurch auch das Wohlbefinden verbessert werden kann.
  • Lichttherapie: Es gibt erste Hinweise darauf, dass die Lichttherapie die Schlafqualität der Betroffenen verbessern kann.
  • Tiergestützte Therapie: Studien zeigen, dass die Anwesenheit von Tieren eine beruhigende Wirkung auf Menschen mit Demenz haben kann. Die non-verbale Kommunikation kann hilfreich sein, vorallem dann, wenn eine verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist.
  • Verhaltenstherapie: Die Verhaltenstherapie ist ein psychotherapeutisches Verfahren für Menschen mit leichter kognitiver Störung (MCI) und Demenz im Frühstadium. Sie wird eingesetzt zur Bewältigung von Depressionen.
  • Biographiearbeit: Durch die Biographiearbeit werden bei den Betroffenen gezielt Erinnerungen und Erfahrungen geweckt, beispielsweise durch Fotos, Geschichten, Musik oder Gerüche. Wissen aus der Biographie der erkrankten Person hilft auch Angehörigen im Alltag auf das Verhalten der Person besser zu reagieren.

Praktische Umsetzung der Bewegungstherapie

Bei der praktischen Umsetzung der Bewegungstherapie ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten der Betroffenen zu berücksichtigen. Folgende Aspekte sollten beachtet werden:

  • Individuelle Anpassung: Das Bewegungsangebot sollte an die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Betroffenen angepasst sein.
  • Motivation: Es ist wichtig, den Betroffenen zu motivieren und ihm Freude an der Bewegung zu vermitteln.
  • Regelmäßigkeit: Regelmäßige Bewegung ist wichtig, um positive Effekte zu erzielen.
  • Einbeziehung der Angehörigen: Angehörige können eine wichtige Rolle bei der Unterstützung und Motivation der Betroffenen spielen. Sie lernen im Rahmen der Therapie dem Partner wieder mehr zu vertrauen und auch Geduld zu üben, wenn zum Besipiel der Reisverschluss an der Jacke nicht sofort geschlossen werden kann. Beim Essen ist es u.a.
  • Technische Hilfsmittel: Technische Hilfsmittel können Demenzpatienten helfen, Handlungen wieder selbständig auszuführen. Hier fällt uns das Beispiel eines 69-jährigen Patienten sofort ein, der an einer Demenz im frühen bis mittleren Stadium litt. Zusätzlich war dieser Patient auch schon länger an Parkinson erkrankt. Seine Ehefrau musste in den letzten Jahren zunehmend alle Tätigkeiten im Haushalt alleine verrichten. Früher war er noch in der Lage seine Frau beim Arbeiten wie Staubsaugen, beim Einkaufen oder bei Gartenarbeiten mit der Schere zu unterstützen. Durch eine spezielle Schere und der Anleitung unserer Therapeuten konnte er wieder die Hecke stutzen und sich auch wieder selbst ankleiden. Zudem gaben wir Tipps, wie viele Pausen er einhalten soll und weitere Hilfsmittel an die Hand, wie zb.

Fazit

Die Bewegungstherapie ist ein wichtiger Bestandteil der nicht-medikamentösen Behandlung von Demenz. Sie kann dazu beitragen, die Lebensqualität und Selbstständigkeit der Betroffenen zu erhalten, Apathie und Depressionen entgegenzuwirken, die Kognition zu verbessern und das Sturzrisiko zu verringern. Durch die individuelle Anpassung der Bewegungsangebote und die Einbeziehung der Angehörigen kann die Bewegungstherapie einen wertvollen Beitrag zur Versorgung von Menschen mit Demenz leisten.

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