Die Blutdruckmessung ist ein wichtiger Bestandteil der kardiologischen Diagnostik und Vorsorge. Sie dient der Feststellung und Verlaufskontrolle von Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) sowie der Beurteilung des Erfolgs einer medikamentösen Behandlung. Allerdings gibt es spezielle Situationen, in denen die Blutdruckmessung besondere Aufmerksamkeit erfordert, beispielsweise bei Patienten mit Lähmungen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Besonderheiten der Blutdruckmessung bei Lähmungen und gibt Hinweise zu geeigneten Vorgehensweisen.
Bedeutung der Blutdruckmessung
Die Blutdruckmessung ist eine routinemäßige Untersuchung zur Beurteilung des Herz-Kreislauf-Systems. Sie dient der Ermittlung des arteriellen Blutdrucks, der den Druck in den Blutgefäßen (Arterien) während der Anspannungs- (Systole) und Entspannungsphase (Diastole) des Herzens widerspiegelt. Die Messung erfolgt in der Regel nicht-invasiv mit einer Oberarmmanschette und einem Stethoskop oder elektronischen Messgerät.
Regelmäßige Blutdruckmessungen sind wichtig, da erhöhte Blutdruckwerte oft keine auffälligen Beschwerden verursachen und daher unentdeckt bleiben können. Unbehandelter Bluthochdruck kann jedoch schwerwiegende Folgen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz und Nierenschäden haben.
Langzeit-Blutdruckmessung
In bestimmten Fällen kann eine Langzeit-Blutdruckmessung über 24 Stunden sinnvoll sein. Dabei zeichnet ein tragbares, batteriebetriebenes Gerät in regelmäßigen Abständen die Blutdruckwerte auf. Tagsüber erfolgt die Messung meist viertelstündlich, nachts alle 30 Minuten.
Eine Langzeit-Blutdruckmessung ist indiziert bei Verdacht auf arterielle Hypertonie, zur Beurteilung des Behandlungserfolgs und zur Dokumentation von Blutdruckschwankungen im Tagesverlauf. Patienten erhalten während der Messung ein Aktivitätenprotokoll, in dem sie ihren Tagesablauf und besondere Ereignisse notieren können.
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Blutdruckmessung bei Lähmung: Besondere Herausforderungen
Bei Patienten mit Lähmungen, insbesondere Halbseitenlähmung (Hemiparese) nach einem Schlaganfall, ergeben sich besondere Herausforderungen bei der Blutdruckmessung.
Blutentnahme am gelähmten Arm
Die Blutabnahme an einem gelähmten Arm kann problematisch sein. Eine Lähmung kann die Blutzirkulation und die Funktion der Blutgefäße im betroffenen Arm beeinträchtigen. Durch den reduzierten Muskeltonus und die eingeschränkte Beweglichkeit kann die periphere Durchblutung herabgesetzt sein, was zu einer Mangeldurchblutung der oberflächlichen Hautvenen führt. Dies erschwert das Auffinden einer geeigneten Vene und kann die Qualität des entnommenen Blutes beeinträchtigen.
Zudem besteht bei einer Lähmung ein erhöhtes Risiko für Komplikationen wie Infektionen, Hämatome und Nachblutungen. Die Haut- und Gewebeintegrität kann beeinträchtigt sein, was das Eindringen von Bakterien begünstigt. Auch die Wahrscheinlichkeit von Hämatomen und übermäßigen Blutungen ist erhöht, insbesondere wenn der Patient blutverdünnende Medikamente einnimmt.
Nicht zuletzt können psychologische Aspekte eine Rolle spielen. Patienten mit Lähmungen stehen oft schon vor zahlreichen Schwierigkeiten. Eine Blutabnahme am gelähmten Arm kann zusätzliche Ängste oder Stress auslösen.
Venöser Zugang am paretischen Arm
Auch die Anlage eines venösen Zugangs am gelähmten Arm sollte nicht die erste Wahl sein. Durch den Ausfall der Innervation kann es zu einer Schwächung oder vollständigen Lähmung der betroffenen Seite kommen. Ist die Sensibilität gestört, können Paravasate oder Blutungen unbemerkt bleiben.
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Blutdruckmessung am gelähmten Arm
Patienten, die einen Schlaganfall mit Lähmung oder Gefühlsstörung des Armes erlitten haben, sollten ihren Blutdruck nur am nicht betroffenen Arm messen.
Empfehlungen zur Blutdruckmessung bei Lähmung
Um eine korrekte und sichere Blutdruckmessung bei Patienten mit Lähmungen zu gewährleisten, sollten folgende Empfehlungen beachtet werden:
- Armwahl: Messen Sie den Blutdruck am nicht betroffenen, "gesunden" Arm.
- Körperhaltung: Achten Sie auf eine korrekte Körperhaltung während der Messung. Der Messort sollte auf Herzhöhe liegen. Der Patient sollte bereits fünf Minuten vor der Messung die jeweilige Position eingenommen haben, um den Ruheblutdruck zu messen.
- Manschettengröße: Wählen Sie eine optimale Manschettenbreite, die circa dem halben Armumfang entspricht (in der Regel 12 cm).
- Messvorgang: Führen Sie die Messung in Ruhe und ohne Ablenkung durch. Vermeiden Sie Aktivitäten während der Messung.
- Doppelmessung: Führen Sie idealerweise immer zwei Messungen im Abstand von mindestens einer Minute durch.
- Dokumentation: Notieren Sie die Ergebnisse der Messung, einschließlich Datum, Uhrzeit und Armseite.
- Arztinformation: Informieren Sie Ihren Arzt über Besonderheiten bei der Blutdruckmessung, wie z.B. Unterschiede zwischen den Armen.
Blutdruck-Differenzen zwischen den Armen
Bei manchen Patienten kann der gemessene Blutdruck am rechten Arm signifikante Unterschiede zur Messung am linken Arm zeigen. Abweichungen von 10 mmHg zwischen beiden Armen stellen bereits ein Alarmzeichen dar und können auf eine arterielle Gefäßschädigung hinweisen. In solchen Fällen ist eine ärztliche Abklärung erforderlich, um Vorkehrungen treffen zu können.
Bluthochdruck bei Querschnittlähmung
Eigentlich würde man erwarten, dass Menschen mit Querschnittlähmung weniger häufig an Bluthochdruck leiden als die Normalbevölkerung. Dies entspricht aber nicht den klinischen Beobachtungen. Durch die Verletzung des Rückenmarks wird die Kontrolle des Hirns über den Sympathikus unterbrochen, was zu einem Blutdruckabfall führen kann. In der chronischen Phase der Querschnittlähmung kann sich der Blutdruck jedoch normalisieren und schließlich sogar in eine Hypertonie (zu hoher Blutdruck) umschlagen.
Querschnittgelähmte mit Lähmungshöhe oberhalb Th7 leben zudem mit dem Risiko der autonomen Hyperreflexie, einer vorübergehenden Blutdruckerhöhung, die durch Reize unterhalb des Lähmungsniveaus ausgelöst wird.
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Prophylaktische Maßnahmen bei Querschnittlähmung
Eine Querschnittlähmung geht oft einher mit Störungen verschiedener Körperfunktionen. Daher ist es wichtig, diese Störungen zu kennen und zu wissen, welche Komplikationen damit verbunden sind. Viele der Komplikationen können durch entsprechende prophylaktische Maßnahmen verhindert werden.
Autonome Dysreflexie
Diese tritt bei Lähmung oberhalb Th 6/7 auf und kann im schlimmsten Fall eine lebensbedrohliche Situation darstellen. Es besteht eine vegetative Dysregulation mit reflektorischer Vasokonstriktion im gelähmten Bereich. Die Gegenregulationsversuche des autonomen Nervensystems führen zu einer Vasodilatation oberhalb der Läsion und zur Hypertonie, Bradykardie, Schweißausbruch und Schwindel. Diese Symptome bleiben so lange bestehen, bis die Ursache dafür behoben ist.
Ursachen für eine Autonome Dysreflexie sind:
- Blasenüberdehnung /-überfüllung, Blasenspastik
- Massive Verstopfung, aber auch Stimulationen im Rektum
- Schwangerschaft/Entbindung
- Urologische/gynäkologische Untersuchungen
- Sonstige periphere Reize (Dekubitus, eingewachsene Zehennägel)
- Intensive sportliche Belastung
Die Prophylaxe-Maßnahmen zur Autonomen Dysreflexie lassen sich anhand der Ursachen erahnen. Regelmäßige Blasen- und Darmentleerung stehen hierbei sicherlich an oberster Stelle.
Dekubitusprophylaxe
Aufgrund der fehlenden oder gestörten Sensibilität sowie der fehlenden Innervation und Muskelbewegung ist der Querschnittgelähmte besonders anfällig für Dekubitus (Druckstellen). Die erste Maßnahme, um Druckstellen festzustellen, ist die Hautkontrolle. So soll die Haut regelmäßig auf Rötungen kontrolliert werden. Hautrötungen, die sich nicht verfärben, wenn man darauf drückt, sind bereits ein Dekubitus Grad 1. Dies bedeutet, eine Hautschädigung liegt schon vor. Anfänglich ist es notwendig, dass die Haut bei Positionsveränderungen im Bett, aber auch bei Rückkehr aus dem Rollstuhl ins Bett, kontrolliert wird. So kann frühzeitig erkannt werden, dass eine Unterlage, eine Matratze oder ein Sitzkissen zu hart oder zu unpassend gewählt sind.
Ist eine Druckstelle vorhanden, dann gilt das Prinzip: Man darf alles auf die Druckstelle legen - nur den Patienten nicht. Das heißt, Druckentlastung ist oberstes Gebot. Die Suche nach der Ursache warum es zu der Hautrötung kam, ist wichtig, um erneute Druckstellen zu vermeiden.
Thromboseprophylaxe
Eine Thrombose ist die Bildung eines Blutgerinnsels in den Blutgefäßen. Die Komplikationen einer tiefen Beinvenenthrombose kann die Lungenembolie sein, bei der das Blutgerinnsel vom Bein Richtung Lunge abgeschwemmt wird. Querschnittgelähmte sind hier speziell gefährdet, da aufgrund der Lähmung die Muskelpumpe, die das Blut aus den Beinen wieder nach oben transportiert, oft fehlt oder nur eingeschränkt vorhanden ist. Um die Thrombose zu vermeiden, wird anfänglich und/oder bei Bettruhe die Thromboseprophylaxe medikamentös durchgeführt. Eine Möglichkeit ist hierbei die Low-dose-Heparinisierung, indem eine Spritze in das Hautgewebe appliziert wird.
Die Mobilisierung und Bewegung sind wichtige Bausteine in der Thromboseprophylaxe. Ein weiterer Aspekt stellt die ausreichende Trinkmenge bzw. Flüssigkeitsmenge dar, so dass das Blut nicht eindickt.
Da bei der Mobilisation das Blut meist in den Beinen versackt, können zur Thromboseprophylaxe Kompressionsstrümpfe der Kompressionsklasse 2, die individuell angepasst sind, eingesetzt werden, bis eine ausreichende Mobilisierungszeit erreicht wird. Die Kompressionsstrümpfe müssen von Zeit zu Zeit auch auf ihre Passform hin überprüft werden.
Kontrakturen Prophylaxe
Bei Kontrakturen handelt es sich um Bewegungseinschränkung von Gelenken. Immobilisation und Ruhigstellungen können zu solchen Kontrakturen führen. Der Querschnittgelähmte ist hiervon aufgrund seiner Lähmung und des Nichtbewegens der Extremitäten betroffen. Auch Schonhaltungen oder Schmerzen können dazu führen, dass Kontrakturen entstehen.
Die beste Maßnahme gegen die Kontrakturen ist die Bewegung oder das Durch- bewegen. Sei es aktiv oder eben auch passiv. Betroffene sollten bei Schmerzen nicht dazu übergehen, eine Schonhal- tung einzunehmen bzw. Bewegungen zu vermeiden, sondern die Schmerzursache abklären lassen. Die Grundprinzipien der Kontrakturen-Prophylaxe sind, dass zum einen die Funktion der Gelenke und zum anderen die Gelenke in anatomisch richti- ger Stellung erhalten werden sollen.
Kreislaufregulationsstörungen
Durch die fehlende Muskelpumpe, lange Liegephasen und verminderte Sympathikusaktivität kann es insbesondere bei der Mobilisation zu hypotonen Krisen kommen. Diese Regulationsstörungen können durch das Tragen von Kompressionsstrümpfen oder/und Bauchgurt reduziert werden. Auch die ausreichende Flüssigkeitsmenge spielt eine Rolle. Treten Schwindel und Kreislaufprobleme beim Mobilisieren auf, dann wird der Betroffene in eine horizontale Lage gebracht, d.h. Rollstuhl kippen und Beine anheben, so dass das Blut in den Körper zurück läuft.
Obstipationsprophylaxe
Aufgrund der mit der Querschnittlähmung einhergehenden neurogenen Darmfunktionsstörung kommt es oft zu Verstopfungssituationen. Der Stuhltransport im Darm ist verlangsamt und lässt sich schwer entleeren. Hier kann ein Darmmanagement, welches in den Querschnitteinrichtungen eingeübt wird, hilfreich sein. Ein regelmäßiger Entleerungsrhythmus, ein Essrhythmus wie auch die richtige Auswahl der Lebensmittel, unterstützen die Verdauungsfunktion. Eine ausreichende Trinkmenge sowie Ballaststoffe tragen dazu bei, dass der Stuhl nicht zu hart wird.
Im Falle von Problemen mit Verstopfung oder mit Problemen der Stuhlinkontinenz, kann das Beratungszentrum für Ernährung und Verdauung für Querschnittgelähmte der Manfred-Sauer-Stiftung kostenfrei angefragt werden. In persönlichen und auch telefonischen Beratungen wird die Problematik erörtert und nach Lösungen gesucht.
Ödemprophylaxe
Ödeme entstehen bei Querschnittgelähmten aufgrund der fehlenden Muskelpumpe, der fehlenden Bewegung und der sitzenden Position. Dabei handelt es sich um Wassereinlagerung im Gewebe. Feststellen lässt sich dies, indem man die Haut eindrücken kann und eine Delle in der Haut zurückbleibt. Auch Strümpfe, die einengen, sowie Füße/Beine die geschwollen sind, deuten auf Wassereinlagerungen hin. Unabhängig von der Querschnittlähmung ist es wichtig, dass die Ursachen für die Wassereinlagerungen geklärt werden. Neben der Lähmung können auch Herz- oder Nierenprobleme dahinter stecken.
Ödeme verhindern:
- Tragen von Kompressionsstrümpfen
- Beine hochlagern
- keine einschnürende Kleidung tragen
Prophylaxe von Harnwegsinfektionen
Harnwegsinfektionen stellen die häufigste Komplikation im Rahmen des Intermittierenden Katheterismus bei neurogenen Blasenfunktionsstörungen dar. Neben den hygienischen Prinzipien helfen folgende Aspekte, Harnwegsinfektionen zu verhindern:
- Beherrschung der Speicherfunktion der Blase, das heißt, eine Blase, deren Blasendruck nicht erhöht ist.
- Adäquate Technik des intermittierenden Katheterismus und individuell optimiertes Kathetermaterial.
- Ausreichende Flüssigkeitsaufnahme (Ausscheidungsmenge ca. 1500 ml/24h)
- Vermeidung einer chronischen Blasenüberdehnung, d.h. das Blasenvolumen sollte max. 500 ml pro Katheterismus betragen.
Aus Erfahrung können Maßnahmen der Urinansäuerung mittels Apfelessig (1 Teil Apfelessig auf 3 Teile Wasser), der Einsatz von Präparaten wie Acimethin® eingesetzt werden. Auch Kapuzinerkresse mit Meerrettichwurzel (Angocin®) oder Cranberry-Präparate können hilfreich sein.
Regulierung der Körpertemperatur
Durch den Teilausfall des vegetativen Nervensystems im gelähmten Bereich ist die Regelung der Körpertemperatur beeinträchtigt. Dies kann zu Unterkühlung oder zu unkontrolliertem Anstieg der Körpertemperatur führen, als Folge des lähmungsbedingten Verlustes der normalen Thermoregulationsmechnismen.
Einige Maßnahmen bei Überwärmung bzw. Prävention derselben:
- Genügend Flüssigkeitszufuhr - bei warmem Wetter die Trinkmenge um ½ bis 1 Liter erhöhen
- Keine direkte Sonnenbestrahlung - Schattenplätze aufsuchen und Kopfbe- deckung sinnvoll
- Bei Hitzeentwicklung die unbedeckten Körperpartien mit Wasser befeuchten (z.B. Blumensprüher)
- Wichtig: das Dekubitusrisiko kann bei Fieber und Feuchtigkeit erhöht sein
Gefahren
Abschließend sei noch etwas zu Verbrennungen und Erfrierungen erwähnt. Aufgrund der fehlenden Sensibilität (Berührung, Schmerz, Temperatur) können Gefahren durch Verbrennungen und Erfrierungen lauern. Von daher sind Wärme- und Kälteanwendungen nur mit äußerster Vorsicht einzusetzen.