Jedes Jahr erkranken in Deutschland etwa 400.000 Menschen neu an Demenz. Weltweit sind über 55 Millionen Menschen von Demenzerkrankungen betroffen. Angesichts dieser Zahlen ist es von entscheidender Bedeutung, die Risikofaktoren zu verstehen und Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen. Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Blutdruck eine wichtige Rolle spielt. Ein niedriger Blutdruck kann, wie sich herausstellt, ebenso problematisch sein wie ein hoher.
Der Zusammenhang zwischen Blutdruck und Demenz
Es ist seit langem bekannt, dass Bluthochdruck ein Risikofaktor für Schlaganfälle ist. Neuere Untersuchungen zeigen, dass auch das Risiko von Demenzerkrankungen erhöht ist. Studien haben ergeben, dass Menschen mit normalem Blutdruck im mittleren Lebensalter seltener an Demenz erkranken. Umgekehrt wurde festgestellt, dass Menschen, die im mittleren Lebensalter einen normalen Blutdruck hatten, im Alter aber einen zu niedrigen Blutdruck entwickelten, ebenfalls häufiger an Demenz erkrankten.
Langzeitstudien bestätigen den Zusammenhang
Prospektive Beobachtungsstudien, die Patienten über Jahrzehnte begleiten, liefern deutliche Hinweise auf den Zusammenhang zwischen Blutdruck und Demenzrisiko. Die ARIC-Studie ("Atherosclerosis Risk in Communities") beispielsweise, die fast 16.000 Menschen aus vier US-Regionen seit den späten 1980er Jahren begleitet, zeigte, dass Menschen mit normalem Blutdruck im mittleren Lebensalter seltener an Demenz erkrankten.
Niedriger Blutdruck als Risikofaktor
Eine Studie italienischer Wissenschaftler um den Gerontologen Giuseppe Zuccalà von der Katholischen Universität des Heiligen Herzens in Rom ergab, dass ältere Menschen mit niedrigem Blutdruck ein höheres Risiko für Demenz haben. Von den rund 14.000 untersuchten Patienten litten mehr als 1.500 an Herzkrankheiten. Davon zeigten 26 Prozent Beeinträchtigungen im Denken und Erinnern. Bei den Probanden ohne Herzprobleme waren es nur 19 Prozent. Die Studie zeige, dass ein niedriger Blutdruck auf kognitive Störungen hindeuten könne, erläutert Zuccala.
Orthostatische Hypotonie erhöht das Demenzrisiko
Forscher des Erasmus Medical Centre in den Niederlanden wollen im Rahmen einer Studie herausgefunden haben, dass ein plötzlich abfallender Blutdruck, wie zum Beispiel direkt nach dem Aufstehen durch Schwindel signalisiert, das Risiko für Demenz erhöht. Dieser plötzlich abfallende Blutdruck wird auch orthostatische Hypotonie genannt. Innerhalb dieser knapp 25 Jahre stellte sich heraus, dass das Risiko, später an Demenz zu erkranken, durch orthostatische Hypotonie um 15 Prozent erhöht wird. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch ein kurzzeitiger und minimaler Sauerstoffmangel, der im Zuge der orthostatischen Hypotonie entsteht, langfristig schädliche Auswirkungen auf unser Gehirn haben kann.
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Die Bedeutung der Blutdruckkontrolle
Die Kontrolle des Blutdrucks ist in jedem Alter wichtig, um das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Demenz zu senken. Eine Studie aus China mit fast 33.400 Teilnehmern zeigte, dass eine konsequente Senkung des Blutdrucks das Risiko für Demenz und andere kognitive Beeinträchtigungen deutlich reduzieren kann. In der Gruppe, in der der Blutdruck intensiv gesenkt wurde, trat eine Demenzerkrankung um 15 Prozent seltener auf. Auch das Risiko für andere kognitive Beeinträchtigungen war um 16 Prozent reduziert.
Intensive Blutdrucksenkung: Segen oder Fluch?
Eine intensive Blutdrucksenkung, die bei älteren Hypertonikern Blutdruckwerte von jungen gesunden Menschen anstrebt, verändert bereits nach wenigen Jahren das Gehirn. Eine Analyse der SPRINT MIND kommt im amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2019; 322: 524-534) zu dem Ergebnis, dass Schäden an der weißen Hirnsubstanz vermindert werden - während sich die Hirnatrophie paradoxerweise beschleunigte.
Allerdings reduzierte die aggressivere Senkung das Gesamt-Hirnvolumen mehr, wenn auch nur geringfügig (3,7 cm3). Der Unterschied zeigte sich aber nur bei Männern.
Individuelle Zielwerte sind entscheidend
Es ist wichtig zu beachten, dass die optimalen Blutdruckwerte für jeden Menschen unterschiedlich sein können. Faktoren wie Alter, Gesundheitszustand und Medikamenteneinnahme spielen eine Rolle. Eine intensive Blutdrucksenkung ist nicht unumstritten. Zu den Bedenken gehört, dass der niedrige Blutdruck die Durchblutung des Gehirns gefährden und damit einer Demenz Vorschub leisten könnte. Daher ist es wichtig, mit einem Arzt über die individuellen Zielwerte zu sprechen und den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren.
Weitere Faktoren zur Demenzprävention
Neben der Blutdruckkontrolle gibt es weitere Faktoren, die zur Demenzprävention beitragen können:
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- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Vollkornprodukten ist wichtig für die Gesundheit des Gehirns.
- Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität fördert die Durchblutung des Gehirns und kann das Risiko von Demenz senken.
- Geistige Aktivität: Kognitives Training, wie z. B. das Lösen von Rätseln oder das Erlernen einer neuen Sprache, kann die geistige Leistungsfähigkeit erhalten.
- Soziale Kontakte: Soziale Interaktion und der Austausch mit anderen Menschen sind wichtig für die psychische Gesundheit und können das Demenzrisiko verringern.
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