Botenstoffe im Gehirn messen: Methoden und Fortschritte

Die Messung von Botenstoffen im Gehirn ist ein komplexes Feld, das für das Verständnis neurologischer und psychischer Erkrankungen von entscheidender Bedeutung ist. Botenstoffe, auch Neurotransmitter genannt, spielen eine zentrale Rolle bei der Kommunikation zwischen Nervenzellen und beeinflussen eine Vielzahl von Funktionen, von Stimmung und Verhalten bis hin zu Bewegung und Kognition. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Methoden zur Messung von Botenstoffen im Gehirn, wobei sowohl etablierte Verfahren als auch innovative Ansätze betrachtet werden.

Die Bedeutung von Botenstoffen im Gehirn

Nervenzellen kommunizieren miteinander mithilfe von Botenstoffen, den sogenannten Neurotransmittern. Zu den wichtigsten Neurotransmittern im menschlichen Gehirn gehören Glutamat und GABA, die gegensätzliche Wirkungen haben: Glutamat aktiviert Nervenzellen, während GABA sie hemmt. Das Gleichgewicht zwischen diesen beiden Stoffen ist entscheidend für die Verarbeitung von Informationen und die Reaktion auf äußere Reize. Weitere wichtige Neurotransmitter sind Dopamin, Serotonin und Noradrenalin, die jeweils spezifische Funktionen im Gehirn erfüllen.

  • Glutamat: Der wichtigste aktivierende Neurotransmitter im Gehirn.
  • GABA: Der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Gehirn.
  • Dopamin: Steuert unter anderem das Belohnungszentrum im Gehirn und ist an der Bewegungssteuerung beteiligt.
  • Serotonin: Beeinflusst Stimmung, Antrieb, Entspannung und Schlaf.
  • Noradrenalin: Aktiviert den Körper bei Stress und Belastung und steigert die Aufmerksamkeit.

Störungen im Gleichgewicht dieser Botenstoffe können zu einer Vielzahl von neurologischen und psychischen Erkrankungen führen. So wird beispielsweise ein Dopaminmangel mit Parkinson in Verbindung gebracht, während Veränderungen im Serotoninspiegel mit Depressionen und Angststörungen assoziiert werden.

Etablierte Methoden zur Messung von Neurotransmittern

Bildgebende Verfahren

Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) und die Single Photon Emissions Computertomographie (SPECT) sind bildgebende Verfahren, die zur Messung der Dichte von Transporter- und Rezeptormolekülen eingesetzt werden, die mit Neurotransmittern interagieren. Bei diesen Verfahren werden schwach radioaktiv markierte Substanzen verabreicht, die an dieselben Moleküle andocken wie der Neurotransmitter. Die räumliche und zeitliche Verteilung dieser Substanzen kann in der Bildgebung sichtbar gemacht werden und indirekt Aufschluss darüber geben, wo gerade Neurotransmitter mit den Transportern und Rezeptoren interagieren.

Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS)

Die Magnetresonanz-Spektroskopie (MRS) ermöglicht die detaillierte und parallele Messung der Menge verschiedener Botenstoffe im Gehirn. Beispielsweise wurde mit dieser Methode untersucht, wie sich die Menge von Glutamat und GABA im visuellen Cortex verändert, wenn Versuchsteilnehmer unterschiedliche visuelle Reize wahrnehmen. Die MRS-Daten können auch mit Messungen aus dem funktionellen MRT (fMRT) verglichen werden, um Hirnaktivitäten den Neurotransmittern zuzuordnen.

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Funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT)

Die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) ist ein gängiges Verfahren zur Darstellung der menschlichen Hirnaktivität. Hierbei wird der Sauerstoffverbrauch in bestimmten Hirnregionen ermittelt. Ein hoher Verbrauch dient als indirektes Signal für Nervenzellaktivitäten in diesem Bereich. Die fMRT kann in Kombination mit anderen Methoden, wie der MRS, eingesetzt werden, um ein umfassenderes Bild der Hirnaktivität und der Rolle von Neurotransmittern zu erhalten.

Innovative Ansätze zur Messung von Neurotransmittern

Kohlenstoff-Nanoröhren als Sensoren

Ein vielversprechender neuer Ansatz zur Messung von Neurotransmittern basiert auf der Verwendung von Kohlenstoff-Nanoröhren. Diese winzigen Röhren aus Kohlenstoff, die etwa 10.000-mal dünner sind als ein menschliches Haar, können so modifiziert werden, dass sie spezifisch an bestimmte Neurotransmitter binden und ihre Fluoreszenz je nach Konzentration des Botenstoffs ändern.

Ein Forschungsteam aus Bochum, Göttingen und Duisburg hat beispielsweise modifizierte Kohlenstoff-Nanoröhren entwickelt, die in der Gegenwart des Botenstoffs Dopamin heller leuchten. Mit diesen Sensoren ist es gelungen, die Freisetzung von Dopamin aus Nervenzellen mit bisher nicht erreichter Auflösung sichtbar zu machen. Die Forschenden haben die Kohlenstoff-Nanoröhren durch Bindung verschiedener kurzer Nukleinsäuresequenzen systematisch so modifiziert, dass sie ihre Fluoreszenz ändern, wenn sie mit definierten Molekülen in Kontakt kommen.

Ein interdisziplinäres Forschungsteam aus Bochum und Duisburg hat zudem herausgefunden, dass sich nicht nur die Helligkeit, sondern auch die Dauer des Leuchtens der Kohlenstoff-Nanoröhren in Anwesenheit von Dopamin verändert. Diese sogenannte Lebenszeit des Lichtes ist charakteristisch für unterschiedliche Stoffe und stellt ein robusteres Signal im Vergleich zur Helligkeit dar, da sie unabhängig davon ist, wie viele Schichten an Zellen das Licht durchdringen muss.

Minimalinvasive elektrochemische Sonden

Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung minimalinvasiver elektrochemischer Sonden, die in das menschliche Gehirn eingeführt werden, um Neurotransmitter direkt vor Ort zu messen. Obwohl diese Technologie noch in der Entwicklung ist, könnte sie in Zukunft eine präzisere und direktere Messung von Neurotransmittern im Gehirn ermöglichen.

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Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Trotz der Fortschritte in der Entwicklung von Methoden zur Messung von Botenstoffen im Gehirn gibt es noch einige Herausforderungen zu bewältigen. Eine der größten Herausforderungen ist die Entwicklung von Methoden, die eine direkte und präzise Messung von Neurotransmittern im menschlichen Gehirn ermöglichen, ohne invasive Eingriffe vornehmen zu müssen.

Ein weiteres Problem ist die Tatsache, dass die Neurotransmitterkonzentration nur eine Facette von psychischen und neurologischen Erkrankungen ist. Es kommt eher auf die Funktion komplexer Kaskaden an, als nur auf die Neurotransmitterkonzentration. Daher ist es wichtig, nicht nur die Konzentration von Neurotransmittern zu messen, sondern auch ihre Interaktionen und ihre Auswirkungen auf die Hirnfunktion zu untersuchen.

Für die Zukunft ist dennoch vorstellbar, dass man solche Verfahren auch einsetzen könnte, um Denk- und Konzentrationsstörungen zu diagnostizieren. Es gibt schon erste Studien dazu, zum Beispiel zur Untersuchung des Neurotransmitters Noradrenalin bei ADHS.

Klinische Relevanz

Die Ergebnisse der Forschung zur Messung von Botenstoffen im Gehirn haben wichtige klinische Implikationen. Bei psychischen Krankheiten wie der Schizophrenie wird zum Beispiel vermutet, dass unter anderem die Verteilungen der beiden Botenstoffe dauerhaft gestört sind. Eine Untersuchung mit Spektroskopie und fMRT ließe eine sehr viel genauere und breitere Aussage über die Konzentration der Botenstoffe in Gehirnen von Patienten zu.

Auch bei der Diagnose von Denk- und Konzentrationsstörungen könnten solche Verfahren in Zukunft eingesetzt werden. Es gibt bereits erste Studien zur Untersuchung des Neurotransmitters Noradrenalin bei ADHS.

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Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass Angebote im Internet, die damit werben, die „Gehirnchemie“ mithilfe von Blut- und Urinproben direkt messen zu können, zumeist nicht ausreichend wissenschaftlich validiert sind. Wenn man genau nachliest, werden Vorstufen oder Abbauprodukte von Neurotransmittern im Körper gemessen und nicht die Konzentration der Botenstoffe selbst im Gehirn. Da gibt es höchstens einen indirekten Zusammenhang.

Für eine seriöse klinische Diagnostik von Denk- und Konzentrationsstörungen bleibt es vorerst bei den klassischen Verfahren. Wir verwenden psychologische Fragebögen, manchmal auch Bildgebung von Gehirn, und schließen organische Ursachen, die auch für die beobachteten Symptome verantwortlich sein könnten, aus. Erst wenn dann etwas übrig bleibt, kann man bei der Diagnose einer psychischen Störung ankommen.

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