Das von Elon Musk gegründete Start-up Neuralink sorgt mit seinen Fortschritten im Bereich der Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCI) für Aufsehen. Das Ziel: Patienten mit neurologischen Erkrankungen die Steuerung von Computern und anderen Geräten allein durch ihre Gedanken zu ermöglichen. Der erste Patient mit einem Neuralink-Implantat kann bereits eine Computermaus per Gedankenkraft bewegen. Doch wie revolutionär ist diese Technologie wirklich, und welche ethischen Fragen wirft sie auf?
Was ist ein Brain-Computer-Interface (BCI)?
Ein BCI stellt eine Verbindung zwischen dem Gehirn und einem Computer her, ohne dass das periphere Nervensystem - also Arme oder Beine - aktiviert werden muss. Die Idee ist nicht neu: Erste Ansätze gab es bereits in den 1980er Jahren. Damals wurden nicht-invasive Methoden mit Elektroden auf der Kopfoberfläche (EEG) eingesetzt, um mit Patienten zu kommunizieren, die aufgrund schwerer Erkrankungen wie Amyotropher Lateralsklerose (ALS) nicht mehr sprechen konnten. Durch Konzentration auf bestimmte Buchstabenkombinationen auf einem Bildschirm konnten diese Patienten ihre Bedürfnisse mitteilen.
Das Gehirn erzeugt bei jeder Aktivität, jedem Gedanken und jedem Gefühl eine spezifische elektromagnetische Signatur. Diese Signaturen können extrahiert und genutzt werden, um beispielsweise Maschinen zu steuern.
Wie funktioniert der Neuralink-Chip?
Der Neuralink-Chip ist eine technische Weiterentwicklung bestehender BCI-Technologien. Der Hauptunterschied liegt in der Anzahl der Elektroden: Neuralink verwendet 1024 Elektroden, die von einem Roboter präzise in ausgewählten Hirnarealen platziert werden. Diese hohe Anzahl an Elektroden ermöglicht es, mehr neuronale Aktivität abzuleiten und den Informationsfluss zu beschleunigen. Ein implantierter Prozessor verarbeitet die Signale, und die Verbindung zum Computer erfolgt kabellos, was das Infektionsrisiko reduziert.
Konkret misst der Chip Aktivitätsmuster im Gehirn. Wenn sich eine Person beispielsweise eine Bewegung vorstellt, wird ein bestimmter Bereich im Gehirn aktiv. Der Chip fängt diese Signale auf, und eine KI-Software interpretiert sie. So kann ein gelähmter Mensch beispielsweise einen Cursor auf einem Bildschirm bewegen, indem er sich vorstellt, seine Hand zu bewegen.
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Hoffnungen für Patienten mit neurologischen Erkrankungen
Der Neuralink-Chip könnte Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie ALS, Parkinson, Alzheimer oder Rückenmarksverletzungen neue Möglichkeiten eröffnen. Aktuell liegt der Fokus darauf, die Kommunikationsfähigkeit dieser Patienten zu verbessern. Menschen mit ALS können im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit oft nicht mehr sprechen. Ein Hirn-Chip könnte ihnen ermöglichen, sich wieder mitzuteilen.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass der Chip die Bewegungsfähigkeit von gelähmten Gliedmaßen wiederherstellen kann, es sei denn, durch hirngesteuerte Prothesen.
Ethische Bedenken und Zukunftsvisionen
Elon Musk träumt davon, die Menschheit mit einem Super-Chip auszustatten, um mit den Fähigkeiten künstlicher Intelligenz (KI) mithalten zu können. Er sieht in der KI eine existenzielle Bedrohung für die Menschheit und möchte durch die Verbindung von Mensch und Maschine eine Art Symbiose schaffen. So könnten Menschen in Echtzeit auf Informationen aus dem Internet zugreifen, neue Fähigkeiten "downloaden" oder sogar mit anderen Gehirnen kommunizieren.
Diese Visionen sind jedoch noch weit von der wissenschaftlichen Realität entfernt und werfen ethische Bedenken auf:
- Brain Enhancement: Sollte man gesunden Menschen erlauben, ihre Hirnleistung durch invasive Eingriffe wie Hirn-Chips zu verbessern?
- Datenschutz: Wer hat Zugriff auf die Daten aus dem Gehirn? Können diese Schnittstellen gehackt oder manipuliert werden?
- Regulierung: Es fehlen klare Vorschriften, wer Daten aus dem Gehirn speichern, verarbeiten oder verkaufen darf.
Experten weisen darauf hin, dass viele Fragen noch offen sind. Wir wissen noch nicht genau, was ein Gedanke ist, wie wir ihn auslesen und wie wir ihn wieder einschreiben können.
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Kritik an Neuralink
Neuralink steht auch in der Kritik. Das Unternehmen setzt auf eine stark unternehmensorientierte Kommunikationsstrategie in Form von Pressemitteilungen oder Live-Events, anstatt auf die in der Community üblichen Publikationen in Fachjournalen mit vorheriger Peer-Review-Prüfung durch unabhängige Experten.
Zudem gab es Probleme mit dem ersten Patienten: Einige der Elektroden hatten sich in den Wochen nach der Operation vom Gehirn gelöst, was die Präzision und Schnelligkeit der Cursor-Bedienung beeinträchtigte. Neuralink konnte das Problem jedoch durch Anpassung der Software beheben.
Auch die Tierversuche von Neuralink sind umstritten. Bei den Experimenten sind Affen nach der Implantation gestorben.
Stand der Forschung und Konkurrenz
An Hirn-Computer-Schnittstellen wird schon seit Jahren geforscht. Neuralink ist nicht das einzige Unternehmen, das an dieser Technologie arbeitet. Es gibt mehrere Konkurrenten, die ebenfalls Gehirnimplantate entwickeln und kommerziell nutzen wollen.
Die Firma Precision Neuroscience beispielsweise will ihr Implantat mit ebenfalls 1.024 Elektroden minimalinvasiv am Gehirn anbringen.
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