Ein Gehirnchip, der die Kommunikation zwischen Mensch und Computer ermöglicht - eine Vorstellung, die lange Zeit der Science-Fiction vorbehalten war. Doch innovative Unternehmen wie Neuralink, gegründet von Elon Musk, arbeiten mit Hochdruck daran, diese Vision Realität werden zu lassen. Dieser Artikel beleuchtet die Funktionsweise von Gehirnchips, ihre potenziellen Anwendungsbereiche und die ethischen Fragen, die mit dieser Technologie einhergehen.
Was ist ein Gehirnchip?
Ein Gehirnchip, auch bekannt als Brain-Computer-Interface (BCI), ist eine Technologie, die eine direkte Kommunikationsverbindung zwischen dem Gehirn und einem externen Gerät herstellt. Diese Geräte können verwendet werden, um Gehirnaktivitäten zu überwachen, zu interpretieren und sogar zu beeinflussen. Die ersten Hirn-Computer-Schnittstellen entstanden bereits in den 1960er Jahren und wurden zunächst an Tieren getestet. In den 1990er Jahren konnten Affen mit einem implantierten Chip im Gehirn einen Cursor am Bildschirm rein mit der Kraft ihrer Gedanken bewegen.
Funktionsweise von Gehirnchips
Die Funktionsweise von Gehirnchips basiert auf der Erfassung und Interpretation neuronaler Signale. Neuronen im Gehirn kommunizieren über Neurotransmitter, die chemische Signale aussenden. Durch diese Wechselwirkungen entsteht ein elektrisches Feld, das von den Elektroden des Chips aufgezeichnet werden kann. Diese Signale können dann an einen Computer oder ein anderes Gerät weitergeleitet werden, um Aktionen auszuführen oder Informationen bereitzustellen.
Ein Beispiel für einen solchen Chip ist der N1-Chipsatz von Neuralink, der einen Durchmesser von acht Millimetern hat. Er wird von einem Roboter chirurgisch in den Schädel implantiert, der von einem Neurochirurgen gesteuert wird. Der N1-Chipsatz verfügt über so kleine Drähte, dass diese mit Neuronen im menschlichen Gehirn verglichen werden können. Die Drähte enthalten eine Isolierung und Elektroden. Wer einen Chip in seinem Kopf "installiert" bekommen hat, der hat die Möglichkeit, Smartphones, Computer und andere Geräte zu steuern, ohne diese berühren zu müssen.
Anwendungsbereiche von Gehirnchips
Die potenziellen Anwendungsbereiche von Gehirnchips sind vielfältig und reichen von medizinischen Anwendungen bis hin zur Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit.
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Medizinische Anwendungen
- Behandlung neurologischer Erkrankungen: Gehirnchips bieten neue Hoffnung für Menschen mit Lähmungen und neurologischen Störungen wie Depression, Epilepsie, Angstzuständen, Demenz oder Parkinson. Neuroimplantate können bei ALS-Patienten gestörte Nervensignale ersetzen oder modulieren und damit die ausfallende Motorik verbessern. Die spezifische Anwendung von Neuroimplantaten bei ALS muss allerdings weiter erforscht werden.
- Wiederherstellung verlorener Funktionen: Hirn-Computer-Schnittstellen (BCI) können verloren gegangene Funktionen ersetzen oder neurologische Erkrankungen lindern. Diese Technologie verspricht etwa, Gelähmten Bewegung oder Kommunikation zurückzugeben und Sinnesverlust wie Blindheit zu kompensieren.
- Kommunikation für gelähmte Menschen: Für ALS-Kranke wie den Astrophysiker Stephen Hawking, der bis zu seinem Tod über einen Sensor in der Wange kommunizierte, soll es bald möglich sein über einen Sensor im Gehirn zu sprechen bzw. Sprache generieren zu lassen. Mithilfe des technologischen Fortschritts, der Robotik, moderner Sensorik und Künstlicher Intelligenz sowie mit immer kleineren Elektronik-Bauteilen hat sich die Forschung an Hirn-Computer-Schnittstellen in den letzten Jahren exponentiell entwickelt.
- Linderung von Symptomen bei psychischen Erkrankungen: Das amerikanische Start-Up Motif Neurotech entwickelt Implantate zur Stimulation des Nervensystem bei bisher behandlungsresistenten Fällen von Depression. »Minimale invasive Bioelektronik ist die Zukunft der Behandlung von psychischen Erkrankungen«, sagte beispielweise CEO und Gründer Jacob Robinson. Der von Motif entwickelte Mikrostimulator ist ein drahtloses, batterieloses Implantat, das in einem 20-minütigen ambulanten Eingriff eingesetzt und dauerhaft getragen wird. Motif konnte in nachweisen, dass das erbsengroße Mini-Implantat gegen Depressionen das menschliche Gehirn sicher und effektiv stimuliert, ohne dabei die Oberfläche des Gehirns zu berühren.
Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit
- Gehirn-Booster: Über die Medizin hinaus sollen neurologische Implanate langfristig auch als Gehirn-Booster die kognitiven Fähigkeiten des Menschen verbessern.
- Verschmelzung von Mensch und Computer: Elon Musk propagiert die Verschmelzung von Mensch und Computer. Für die Ausweitung in die Bereiche Sport, Wellness und Wohlbefinden könnte eine Kombination aus Neurotech-Technologie und Wearbales sorgen. Tragbare Geräte wären dann in der Lage, die Gehirnaktivität in Echtzeit überwachen, die mentale Gesundheit zu verfolgen und personalisiertes Coaching sowie möglichweise auch eine automatisierte Gehirn-Stimulation basierend auf dem persönlichen Empfinden anzubieten oder zumindest bei Unregelmäßigkeiten frühzeitig warnen. Musk nennt das »Fitness-Tracker für den Kopf«.
Ethische Aspekte
Die Entwicklung und Anwendung von Gehirnchips wirft eine Reihe ethischer Fragen auf, die sorgfältig geprüft werden müssen.
- Privatsphäre: Die im Hirnchip erfassten neuronalen Daten sind höchst persönlich. Könnten diese Daten ohne Zustimmung ausgelesen oder manipuliert werden, wäre die geistige Privatsphäre bedroht. Datenschutz und IT-Sicherheit sind daher essenzielle Anforderungen - es darf nicht sein, dass etwa Hacker oder Unternehmen Zugang zu den Gedankenströmen eines Menschen erhalten. Erste Diskussionen über spezielle “Neurorights” (geistige Grundrechte in Zeiten von Neurotech) haben bereits begonnen, um das Recht auf kognitive Freiheit und mentale Privatsphäre zu schützen.
- Autonomie: Hirnimplantate, insbesondere wenn sie Signale zurück ins Gehirn spielen, könnten die Empfindungen oder Entscheidungen einer Person beeinflussen. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Autonomie des Einzelnen gewahrt bleibt und dass er die Kontrolle über seine eigenen Gedanken und Handlungen behält.
- Gleichheit: Wenn Gehirnchips zur Verbesserung der menschlichen Leistungsfähigkeit eingesetzt werden, könnte dies zu einer weiteren Ungleichheit in der Gesellschaft führen. Menschen, die sich diese Technologie leisten können, hätten einen Vorteil gegenüber denen, die dies nicht können.
- Sicherheit: Jede Gehirnoperation birgt Risiken: von Blutungen bis dauerhafte neurologische Schäden, die etwa die Motorik und Fähigkeit zu sprechen betreffen. Die US‑Arzneimittelbehörde FDA war zunächst auch besorgt, dass die Lithiumbatterie versagt und Schaden im Gehirn anrichtet. Außerdem befürchtete die FDA, dass der Chip im Notfall nicht entfernt werden kann, ohne Hirngewebe zu beschädigen.
Führende Unternehmen und Projekte
Mehrere Unternehmen und Forschungsteams arbeiten an Hirnchips mit unterschiedlichen Ansätzen.
- Neuralink: Das von Elon Musk gegründete Unternehmen entwickelt einen Chip, der in den Schädel implantiert wird und die Steuerung von Computern und anderen Geräten durch Gedanken ermöglichen soll.
- Blackrock Neurotech: Dieses Unternehmen ist ein Pionier unter den BCI-Anbietern und forscht seit fast 20 Jahren an Gehirnchips, die bereits in Menschen getestet werden.
- Synchron: Dieses australische Unternehmen entwickelt eine Gehirn-Computer-Schnittstelle namens Stentrode, die minimalinvasiv in Blutgefäße am Kopf eingesetzt wird und gelähmten Patienten helfen soll, durch ihre Gedanken zu kommunizieren und Geräte zu steuern.
- Precision Neuroscience: Dieses Unternehmen arbeitet an einem flexiblen Hirnimplantat, das fünfmal dünner ist als ein menschliches Haar und sicherer und schonender für das Gehirn Neuronen stimulieren soll, indem es elektrische Impulse abgibt.
- Kernel: Dieses Unternehmen entwickelt ein nicht-invasives Gerät, das mithilfe von Infrarotlicht das Gehirntätigkeit lesen und beschreiben kann.
- CTRL-labs: Dieses Unternehmen verwendet ein Armband, um die elektrischen Signale zu entschlüsseln, die vom Gehirn an die Muskeln der Hand gesendet werden.
- Forest Neurotech: Dieses Unternehmen arbeitet an der Entwicklung einer minimal-invasiven Ultraschall-Ganzhirn-Schnittstelle, die Gehirnaktivität mit hochfrequenten Schallwellen erfassen und beeinflussen soll.
- Motif Neurotech: Dieses Unternehmen entwickelt einen Mini-Neuro-Stimulator für bisher nicht behandelbare psychische Störungen.
- INBRAIN Neuroelectronics: Dieses Unternehmen entwickelt einen neuartigen Graphen-basierten Hirnchip, der die gestörten Signalschaltungen bei Parkinson identifiziert und durch mikroelektrische Impulse die Symptome unmittelbar unterdrückt.
Marktentwicklung und Investitionen
Das Marktpotential für »Neurotech« ist riesig und geht weit über die Medizintechnik hinaus. Allein die beiden Unternehmen Neuralink und Synchron konnten seit ihrem Bestehen ein Investitionsvolumen von fast 500 Millionen US-Dollar einsammeln. Ingesamt flossen Schätzungen zufolge im Jahr 2021 über 1,7 Milliarden Dollar in die junge Medizintechnik-Industrie. Laut einem Bericht von Allied Market Research wird der weltweite Markt für Neurotechnologie bis 2026 voraussichtlich ein Marktvolumen von 30,8 Milliarden US-Dollar erreichen. Dies entspricht einer jährlichen Wachstumsrate von 13,3% im Zeitraum von 2019 bis 2026.
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