Cholin ist ein essentieller Nährstoff, der eine wichtige Rolle für die Gesundheit des Gehirns, den Schutz der Leber und viele andere Körperfunktionen spielt. Obwohl Cholin vom Körper in geringen Mengen selbst hergestellt werden kann, muss der größte Teil über die Nahrung aufgenommen werden. In diesem Artikel werden wir die vielfältigen Wirkungen von Cholin auf das Gehirn und den Körper untersuchen.
Cholin und die Gesundheit des Gehirns
Cholinmangel und Morbus Alzheimer
Untersuchungen an Alzheimer-Patienten haben gezeigt, dass diese häufig erniedrigte Cholinkonzentrationen im Gehirn aufweisen. Ein Mangel an Cholin kann die neuronale Membranstruktur beeinträchtigen und zu Veränderungen der Durchlässigkeit und Integrität der Myelin-Membran der Schwann’schen Zellen führen, die die Axone der Nervenzellen als Isolatoren umgeben. In der Folge veranlassen lysosomale Enzyme den Abbau von Amyloidvorläufer-Proteinen zu Amyloid, einem pathologischen Protein, das sich im Gehirn von Alzheimer-Patienten in stark erhöhten Konzentrationen findet.
Eine Serin- und Methionin-reiche Kost ist wichtig, um ausreichend Cholin synthetisieren zu können. Nur mit adäquaten Cholinkonzentrationen in den einzelnen Geweben und Organen, insbesondere im Gehirn, können die neuronalen Zellmembranen vor Strukturveränderungen und Funktionsverlust geschützt werden, was zur Vorbeugung von Morbus Alzheimer beitragen kann.
Cholin und die Verbesserung der Lern- und Gedächtnisleistung
Cholin ist ein wichtiger Bestandteil des Neurotransmitters Acetylcholin (ACh), der eine entscheidende Rolle bei der Erregungsübertragung von Nervenfasern auf Muskelfasern spielt und für die Kommunikation zwischen den Nervenzellen im Gehirn verantwortlich ist. Erhöhte Phosphatidylcholinkonzentrationen können die Synthese von Acetylcholin deutlich steigern, was zu einer Verbesserung der Lern- und Gedächtnisleistung führt. Mehrfach wissenschaftlich belegt ist die Tatsache, dass erhöhte Phosphatidylcholingehalte durch die Steigerung der Acetylcholinausschüttung im Zentralnervensystem zu einer Verbesserung der Lern- und Gedächtnisleistung führen.
Cholin und die Rolle von Alpha-GPC und Citicolin
Die Teilstoffe Alpha-GPC und Citicolin sind in Bezug auf die mentale Fitness relevant und können die Konzentrationsfähigkeit beeinflussen. Citicolin kann leicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden und hat einen positiven Effekt auf die Ausschüttung von Dopamin, dem Glückshormon. Wissenschaftlich belegt ist, dass durch die Gabe von Citicolin die Gedächtnisfähigkeit bis zu einem gewissen Grad verbessert werden kann. Alpha-GPC überwindet ebenfalls die Blut-Hirn-Schranke und wirkt nach der Umwandlung entweder auf die Neurotransmitter Acetylcholin oder Dopamin.
Lesen Sie auch: Synaptische Auswirkungen von Strychnin
Cholin und der Schutz der Leber
Die Parenchymzellen der Leber haben eine sehr hohe Membrandichte. Phosphatidylcholin ist ein wesentlicher Bestandteil dieser Membranen, die für diverse Zellfunktionen wichtig sind. Studien haben gezeigt, dass eine zusätzliche Zufuhr von 1-3 g Phosphatidylcholin pro Tag einen förderlichen Einfluss auf die Membranintegrität ausübt. Demnach kann Lezithin vor Leberfunktionsstörungen beziehungsweise leberschädigenden Einflüssen schützen.
Phosphatidylcholin weist lipophile Eigenschaften auf und ist für die Bildung des Lipoproteins VLDL erforderlich, welches für den Transport von Triglyceriden aus der Leber benötigt wird. Phosphatidylcholin kommt eine wesentliche Bedeutung in der Vermeidung einer Akkumulation von Fett in der Leber und damit akuter Leberschäden zu. Liegt ein Cholin-Defizit vor, so sammeln sich aufgrund der eingeschränkten VLDL-Synthese vermehrt Triglyceride in der Leber an.
Cholin und weitere gesundheitliche Aspekte
Cholin als Methyldonor
Cholin ist ein Methyldonor, genau wie Betain, Vitamin B12, Folat (natürliche Folsäure) und S-Adenosylmethionin (SAMe). Homocystein entsteht bei der Verstoffwechslung von Proteinen und kann zu Muskelschäden, Leberschäden und der Nichtalkoholischen Fettleber (NAFLD, auch Hepatosteatose genannt) führen. Weitere Folgen eines Mangels sollen außerdem neurologische Störungen sein.
Cholin und Entzündungswerte
In einer Studie von 2008 hatten die Teilnehmer, die täglich mehr als 310 mg Cholin zu sich nahmen, niedrigere Entzündungswerte (CRP-Wert, Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor) als jene, die weniger als 210 mg Cholin täglich zu sich nahmen.
Cholin und TMAO
TMAO wird von der Darmflora und der Leber aus Cholin, L-Carnitin oder auch Lecithin gebildet. Besonders bei Menschen, die viel Fleisch essen, sind erfahrungsgemäß die TMAO-Werte hoch. Hoher Salzverzehr fördert ebenfalls die TMAO-Bildung.
Lesen Sie auch: Überblick: Medikamente & Nervensystem
Cholin und Prostatakrebs
In einer epidemiologischen Studie von 2012 zeigte eine Analyse der Daten von fast 48.000 Männern, dass jene mit dem höchsten Cholinverzehr auch das höchste Risiko hatten, an Prostatakrebs zu sterben. Dies ist nicht verwunderlich, da ein reichlicher Konsum von Fleisch, Milchprodukten und Eiern als Risikofaktor für Prostatakrebs gilt - und genau diese Lebensmittel gelten auch als die „besten“ Cholinquellen.
Cholin und Neuralrohrdefekte
Ein Cholinmangel bei schwangeren Frauen soll das Risiko für Neuralrohrdefekte (NTD) beim Kind erhöhen.
Cholin und Schwangerschaft
Laut einer aktuellen Untersuchung an knapp 300 schwangeren Frauen aus dem Jahr 2022 erreichen 93 % der mischköstlichen und 95 % der vegetarisch-veganen Schwangeren nicht die Cholin-Zufuhrempfehlungen der Fachgesellschaften. Die mediane Cholinzufuhr der vegetarisch-vegan essenden Schwangeren fiel in der Publikation mit 205 mg weniger als halb so hoch wie die Cholin-Zufuhrempfehlung in Höhe von 480 mg (laut EFSA) bzw. 425 mg (NAM) während der Schwangerschaft aus.
In Europa hat die EFSA für die Cholinzufuhr einen Adequate Intake (AI) in Höhe von 400 mg Cholin pro Tag festgelegt. Für Schwangere beläuft er sich auf 480 mg und für Stillende auf 520 mg pro Tag. In den USA werden hingegen höhere Zufuhrempfehlungen für Cholin ausgesprochen.
Cholin in der Ernährung
Cholin kommt hauptsächlich in Form von Phosphatidylcholin (Lecithin), freiem Cholin, Phosphocholin, Sphingomyelin, Glycerophosphocholin und Lysophosphatidylcholin vor. Gute Nahrungsquellen für Cholin sind Eier, Fleisch, Leber, Geflügel, Fisch, Soja und Weizenkeime, während Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Obst, Gemüse (Kohlarten) und Milchprodukte geringere Mengen an Cholin enthalten.
Lesen Sie auch: Eine Analyse von DMT und dem Gehirn
Vegane Quellen für Cholin sind Weizenkeime, Leinsamen oder Kürbiskerne. Viele der oft als vermeintlich cholinreich bezeichneten veganen Lebensmittel wie Kreuzblütlergemüse (z.B. Brokkoli mit 18 mg/100g) oder Sojaprodukte enthalten geringere Mengen an Cholin.
Cholin als Nahrungsergänzungsmittel
Nahrungsergänzungsmittel können unterschiedliche Cholin-Verbindungen mit unterschiedlichem prozentualem Cholinanteil, unterschiedlicher Bioverfügbarkeit und unterschiedlichem Wirkungsgrad enthalten. Die gängigsten Arten sind Cholinbitartrat, Alpha-Glycerylphosphorylcholin (α-GPC), Citicolin (CDP-Cholin) und Phosphatidylcholin (PC; Lecithin).
Für die positiven kognitiven Effekte einer Cholinsupplementierung ist es relevant, dass die gewählte Verbindung die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Da es bei gewissen Cholinverbindungen bis dato noch nicht gänzlich geklärt ist ob bzw. in welchem Maße dies gegeben ist, sollte möglichst auf Cholinverbindungen zurückgegriffen werden, die dies garantieren.
Cholinbitartrat
Cholinbitartrat ist eine Verbindung aus Cholin und Weinsäure mit einem Cholinanteil von etwa 40 %, die am häufigsten in gängigen Nahrungsergänzungsmitteln zum Einsatz kommt. Cholinbitartrat ist in der Lage, die Cholin-Blutplasmaspiegel effektiv zu erhöhen und die Leberfunktion zu unterstützen, aber hat voraussichtlich keinen bzw. nur geringe Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten, da es die Blut-Hirn-Schranke nicht gut überwinden kann.
In mehreren Studien wurde gezeigt, dass Cholinbitartrat bei cholinreicherer Mischkost im Gegensatz zu anderen Cholinverbindungen in höheren Dosen (> 400 mg) die TMAO-Werte (Trimethylaminoxid) erhöhen und dadurch potenziell abträglich wirken kann. Ausgehend von der Annahme, dass TMAO ungewünschte Effekte mit sich bringt, scheint diese Form zumindest für höhere Dosen (> 400 mg/Tag) nicht empfehlenswert zu sein. In geringeren Dosen (< 250 mg/Tag) im Rahmen von pflanzenbetonten (cholinärmeren) Ernährungsweisen, kann Cholinbitartrat eine sinnvolle und praktische Ergänzung zur Sicherstellung einer Cholingrundversorgung sein.
CDP-Cholin (Citicolin)
CDP-Cholin ist eine Verbindung aus Cholin und Cytidin mit einem Cholinanteil von etwa 19 %. Cytidin wird im Organismus zu Uridin konvertiert und ist für diverse neurologische und kardiovaskuläre Prozesse von Bedeutung. Ebenso wie Alpha-GPC kann auch Citicolin effektiv die Blut-Hirn-Schranke überwinden, und übt damit ebenso - im Gegensatz zu Cholinbitartrat - deutlich positivere Effekte auf die kognitiven Fähigkeiten aus.
Citicolin wird im Gehirn unter anderem für die Membranlipidsynthese genutzt und erhöht dort nicht nur die Phospholipidsynthese, sondern hemmt zugleich den Phospholipidabbau. Nahrungsergänzungsmittel mit Citicolin dürfen dabei laut EU-Verordnung maximal 500 mg Citicolin (~100 mg Cholin) pro Tagesportion enthalten, und sind daher als alleinige Cholin-Supplemente bei veganer Ernährung nicht geeignet, da die offiziell erlaubte Maximalmenge zu gering für die Cholinbedarfsdeckung ausfällt.
Phosphatidylcholin (Lecithin)
Phosphatidylcholin - den meisten unter dem Begriff Lecithin bekannt - wird nicht nur in der Lebensmittelindustrie gerne aufgrund seiner emulgierenden Wirkung eingesetzt, sondern ist außerdem eine exzellente Quelle für diverse Phospholipide sowie die beiden Vitamin-ähnlichen Nährstoffe Cholin (ehemals Vitamin B4) und Inositol (ehemals Vitamin B8).
Lecithin bzw. PC gehört - ebenso wie CDP-Cholin und Alpha-GPC - zur Gruppe der „Cholin Containing Phospholipids“ (CCPL) und ist als Vorläufersubstanz für Acetylcholin ein wichtiger Nährstoff für das zentrale Nervensystem und kann als solcher leicht die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Im Vergleich zu Cholinbitartrat wurde Phosphatidylcholin in einer Untersuchung viermal besser absorbiert und zeigte keine bzw. nur sehr geringe Einflüsse auf den TMAO-Status von Probanden und ist daher aus mehreren Gründen einer der besten Cholinlieferanten.