Chorea Huntington, auch bekannt als Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington, ist eine seltene, vererbbare und fortschreitende neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie ist gekennzeichnet durch einen fortschreitenden Verlust von Nervenzellen, der zu Bewegungsstörungen, kognitiven Beeinträchtigungen und psychiatrischen Veränderungen führt. Die Krankheit wurde nach dem US-amerikanischen Arzt George Huntington benannt, der sie 1872 erstmals wissenschaftlich beschrieb.
Historischer Hintergrund und Namensgebung
Die unwillkürlichen zuckenden Bewegungen, die typisch für Chorea Huntington sind, führten bereits im Mittelalter zur Bezeichnung "Veitstanz". Dieser Name, heute veraltet, rührte von dem heiligen Veit her, der im christlichen Volksglauben als Schutzheiliger angerufen wurde, um die Krankheit zu heilen. Der Legende nach befreite Veit zu Lebzeiten ein Kind von dieser Krankheit.
Epidemiologie
Chorea Huntington gehört zu den seltenen Erkrankungen. In Deutschland sind derzeit etwa 10.000 Menschen symptomatisch betroffen, wobei Frauen und Männer gleichermaßen betroffen sind. Pro Jahr treten einige hundert neue Fälle auf. Schätzungen zufolge könnten etwa 30.000 Menschen in Deutschland das Huntington-Gen in sich tragen. In Europa geht man von 6 bis 12 Betroffenen auf 100.000 Einwohner aus. Weltweit liegt die Häufigkeit bei etwa 2-10 Fällen pro 100.000 Einwohner, wobei es regionale Unterschiede gibt. So tritt die Erkrankung beispielsweise in Finnland, China und Japan deutlich seltener auf (Inzidenz 1 auf 100.000 Einwohner).
Ausbruchsalter
Erste Symptome zeigen sich meist im Alter von 30 bis 50 Jahren. Es gibt jedoch auch eine juvenile Form, bei der die ersten Beschwerden vor dem 20. Lebensjahr auftreten, sowie seltenere Fälle, bei denen die Erkrankung erst nach dem 60. Lebensjahr beginnt. Das Alter, in dem die Krankheit ausbricht, kann durch die Anzahl der CAG-Wiederholungen im Huntington-Gen beeinflusst werden. Je mehr CAG-Wiederholungen vorhanden sind, desto früher bricht die Krankheit in der Regel aus und desto schneller schreitet sie voran.
Symptome
Frühsymptome
Chorea Huntington beginnt oft mit unspezifischen Symptomen, die sich in Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Veränderungen äußern. Viele Patienten werden zunehmend reizbar, aggressiv, depressiv oder enthemmt, während andere ängstlich werden. Typisch ist, dass Betroffene zu Wutausbrüchen neigen oder andere ohne ersichtlichen Grund verletzen. Auch massives Misstrauen und Kontrollzwang können auftreten. Sehr belastend können die psychischen Symptome von Huntington sein - diese treten in der Regel schon vor den körperlichen Beschwerden auf. Betroffene verhalten sich oft anders als früher: Sie sind gereizt, werden schnell aggressiv oder sind enthemmter als sonst. Hinzu können Ängste, Depressionen und Zwänge kommen.
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Motorische Symptome
Die Bewegungsstörungen bei Chorea Huntington äußern sich meist durch unwillkürliche Bewegungen, etwa von Kopf, Händen, Armen, Beinen und Rumpf, sowie durch Tic-artige Muskelzuckungen wie Augenzwinkern oder ein Verzerren des Mundes. Charakteristisch ist der tänzelnde Gang. Mit fortschreitendem Krankheitsverlauf wird es für die Betroffenen immer schwerer, Bewegungsabläufe des Alltags zu koordinieren und zu bewältigen. Bei einem kleinen Teil der Patienten kommt es statt der chaotischen Bewegungen zu Muskelsteifheit und Bewegungshemmung. Im Verlauf der Huntington Krankheit können die unwillkürlichen Bewegungen zu Gehunfähigkeit führen.
Die Bewegungsstörung kann ungewollte und unregelmäßige, teils überschwängliche, ausladende Bewegungen, sogenannte Überbewegungen (Hyperkinesien) umfassen. Erste Bewegungsstörungen werden von vielen Patienten häufig nicht selbst wahrgenommen. Eine Fremdanamnese ist daher von besonderer Bedeutung. Die plötzlich auftretenden unwillkürlichen Hyperkinesen der distalen Extremitäten und des Gesichts sind die auffälligsten Symptome (beispielsweise Klavierspielbewegungen der Finger, Grimassieren, Chamäleonzunge). Zu Beginn herrschen Hyperkinesen vor, die sich im weiteren Verlauf der Erkrankung zu einer Hypokinesie mit erhöhtem Muskeltonus weiter entwickeln. Eine deutliche Zunahme der Hyperkinesen beim Gehen führt dazu, dass die Patienten gestützt werden müssen. Durch die ständigen Hyperkinesen kommt es zur Rigidität der betroffenen Muskulatur und zu einem erhöhten Energieverbrauch. Steht die Bewegungsarmut, die sich meist im Verlauf der Erkrankung entwickelt, von Beginn an im Vordergrund, spricht man von der Westphal-Variante.
Kognitive Symptome
Mit fortschreitendem Verlust von Nervenzellen im Gehirn gehen auch geistige Fähigkeiten verloren. Dies kann sich individuell verschieden äußern, etwa durch Interessensverlust, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit. Die Urteilsfähigkeit schwindet, das Lernen und Planen fällt zunehmend schwer. Zu den kognitiven Störungen zählen zunächst leichte Störungen der Konzentration, Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses. Das Denken kann umständlich und verlangsamt sein. Es fällt schwer, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Im Verlauf der Erkrankung entwickelt sich regelmäßig eine Demenz.
Weitere Symptome
Typisch für die Erkrankung ist außerdem das hastige Essen. Betroffene schlingen Speisen hinunter, sobald sie vor ihnen stehen, und kauen dabei oft kaum oder gar nicht. Im weiteren Verlauf geht die Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskulatur verloren, so dass Schluckbeschwerden die Nahrungsaufnahme erschweren. Außerdem treten Sprachstörungen auf. Im Verlauf der Huntington Krankheit können die unwillkürlichen Bewegungen zu Gehunfähigkeit führen. Es kann zu Störungen der Aussprache (Dysarthrie) und Schluckbeschwerden kommen, so daß die Ernährung über einen Sonde nötig sein könnte.
Bei etwa der Hälfte der Patienten zeigen sich bereits im Frühstadium okulomotorische Störungen, z.B. eine vertikale Blickparese nach oben. Ist die Muskulatur, welche von den kaudalen Hirnnerven innerviert wird, besonders stark betroffen, so ist das Sprechen verwaschen und im Verlauf kaum noch artikuliert. Die Phonation wechselt stoßweise. Die Nahrungsaufnahme wird durch die nicht mehr vorhandene Koordination der Kau- und Schluckbewegungen erschwert. Unwillkürliche Bewegungen der Zunge stoßen die Nahrung immer wieder aus dem Mund.
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Symptome im Endstadium
Im Verlauf der Krankheit gehen immer mehr Nervenzellen im Gehirn zu Grunde, die Patienten sind also immer stärker eingeschränkt. An die Stelle von überschießenden Bewegungen treten nun eher ein Erstarren und eine Verlangsamung. Es sind nur noch wenige zielgerichtete Bewegungen möglich, die dann aber oft explosionsartig ausgeführt werden und mit Verletzungen einher gehen können. Die Patienten sind meist bettlägerig. Auch die Zungen- und Schlundmuskulatur funktioniert nicht mehr richtig. Viele Patienten können nicht mehr richtig sprechen. Wenn das noch möglich ist, ist die Sprache oft abgehackt. Das Schlucken bereitet zunehmend Schwierigkeiten, so dass eine Magensonde sinnvoll sein kann. Ist auch die Atemmuskulatur stark beeinträchtigt, hilft eine Trachealkanüle, damit die Patienten genug Luft bekommen. Oft sind die Patienten zu dünn, weil die vorausgegangen überschießenden Bewegungen viel Energie verbraucht haben. Auch kognitiv bauen die Betroffenen meist stark ab.
Juvenile Form
Tritt Chorea Huntington vor dem 20. Lebensjahr auf, spricht man von der juvenilen Form der Erkrankung. Dann stehen zunächst ausgeprägte psychische Symptome im Vordergrund. Erkrankte Kinder fallen zum Beispiel in der Schule durch Verhaltensstörungen, Sprachprobleme, Ungeschicklichkeit und Lernschwierigkeiten auf. Außerdem kommt es früh im Leben zu einer Demenz. Die Chorea - also die einschießenden Bewegungsstörungen - fehlen zunächst. Stattdessen sind die Bewegungen verlangsamt und starr, Körperteile können bizarr verdreht sein. Anders als bei der erwachsenen Form sind epileptische Anfälle möglich.
Ursachen und Vererbung
Ursache der Erkrankung ist ein Gendefekt. Die Huntington Krankheit ist genetisch bedingt und wird autosomal dominant vererbt. Das heißt: Gibt ein betroffenes Elternteil das veränderte Gen an seine Kinder weiter, erkranken diese zwangsläufig ebenfalls. Jedes Kind eines Elternteils, der das Huntington Gen in sich trägt, hat eine 50:50 Wahrscheinlichkeit, das mutierte Gen vererbt zu bekommen. Hat ein Kind das mutierte Gen ererbt, wird es die Krankheit irgendwann entwickeln. Kinder mit einem an Chorea Huntington erkrankten Elternteil haben ein 50%iges Risiko, auch zu erkranken. Weil Chorea Huntington dominant vererbt wird, kann es keine Generation überspringen. Dominant heißt, dass schon ein verändertes Chromosom ausreicht, um zu erkranken.
Betroffen ist eine Region auf Chromosom Nummer vier. Hier gibt es einen Bereich, in dem sich die DNA-Bausteine CAG (Cytosin, Adenin und Guanin) mehrfach wiederholen - bei den meisten Menschen zwischen 10 und 30 Mal. Bei gesunden Menschen gibt es im sogenannten Huntington Gen einige Wiederholungen der drei Basen Cytosin, Adenin und Guanin (abgekürzt CAG). Bei gesunden Menschen wiederholt sich das Basentriplet CAG etwa 10- 26-mal.
Allerdings kann die Kopier-Maschinerie des Erbguts ins „Stottern geraten“ - dann vermehren sich die Wiederholungen. Ab zirka 36 Wiederholungen bricht die Krankheit aus. Bei 27-35 Repeats erkranken die Patienten selbst nicht, aber bei den Kindern dieser Patienten ist die Erkrankungswahrscheinlichkeit um etwa 5% erhöht. Bei 36-39 Repeats liegt eine verminderte Penetranz vor, es erkranken also nicht alle Patienten. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit bei Kindern dieser Patienten liegt bei 50%. Eine manifeste Erkrankung tritt ab 40 CAG-Repeats auf. Was sagt der CAG-Wert aus? Wissenschaftliche Arbeiten zeigen einen generellen Zusammenhang zwischen dem CAG-Wert und dem Alter bei Ausbruch der Erkrankung sowie dem Fortschreiten der Huntington-Krankheit.
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Die Anzahl an CAG-Wiederholungen ist es, die im Rahmen einer genetischen Untersuchung ermittelt wird. Das Ergebnis der genetischen Untersuchung wird in vier Kategorien unterteilt:
- <= 25 Wiederholungen: negativ. Die Krankheit tritt nicht auf, Normalbereich, gesund
- 26 bis 35 Wiederholungen: Graubereich. Mit dieser CAG-Zahl wird man höchst wahrscheinlich nicht Huntington-krank, aber die eigenen Ei- oder Samenzellen können höhere CAG-Zahlen aufweisen. So entstehen „Neumutationen“ in der nachfolgenden Generation. Es besteht also ein Risiko für Nachkommen, insbesondere weil sich diese CAG-Wiederholung von Generation zu Generation verändern kann.
- 36 bis 39 Wiederholungen: positiv. Bereich der verminderten Penetranz. Mit dieser CAG-Zahl tritt die Huntington-Krankheit üblicherweise erst im hohen Alter auf und verläuft mild. So wird sie oft nicht diagnostiziert.
- >= 40 Wiederholungen: positiv. Die Krankheit tritt irgendwann auf.
Die Zahl der Wiederholungen nimmt von einer Generation zur nächsten häufig zu. Die Faustregel: Je mehr CAGs, umso früher bricht die Krankheit aus und umso rascher schreitet sie voran. Je mehr CAG-Repeats Patienten aufweisen, desto früher kommt es zur Erkrankung. Ab etwa 60 CAG-Repeats tritt die Erkrankung in der juvenilen Form auf, bei welcher der Erkrankungsbeginn vor dem 20. Lebensjahr liegt. Bei der Vererbung der Mutation durch den Vater nimmt die Anzahl der Triplets stärker zu als bei der Vererbung mütterlicherseits, was dann meist mit einer früheren Manifestation einhergeht.
Bei etwa einem bis drei Prozent aller Betroffenen sind keine Fälle von Chorea Huntington in der Familie bekannt. Dann kann es sich um eine neu aufgetretene Veränderung im Erbgut handeln. Allerdings sehr selten tritt die Krankheit auf, wenn die Krankheit durch eine gänzlich neue Mutation entsteht.
Der verlängerte DNA-Abschnitt führt dazu, dass ein Eiweißstoff namens Huntingtin nicht korrekt hergestellt wird. In der gesunden Form ist Huntingtin für den Körper lebensnotwendig. Die veränderte Form ist jedoch giftig und führt dazu, dass Nervenzellen absterben. Das mutierte Gen wird autosomal dominant vererbt: Das heißt, wenn ein Elternteil das genetische Merkmal hat, so wird es mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % an jedes Kind weitergegeben.
Forschende des DZNE haben vor einigen Jahren gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen herausgefunden: Die fehlerhafte Form des Eiweißmoleküls entsteht, nachdem das Huntingtin-Gen mit verlängertem CAG-Abschnitt in Boten-RNA (mRNA) übersetzt wurde. Dann heftet sich ein bestimmter Eiweiß-Komplex an den verlängerten Bereich. Im Verlauf der Krankheit werden weitere Hirnareale geschädigt.
Diagnose
Die Diagnose der Huntington-Krankheit basiert auf einer Kombination aus klinischer Untersuchung, Familienanamnese und molekulargenetischen Tests.
Anamnese und klinische Untersuchung
Eine ausführliche Anamnese inklusive Familien- und Medikamentenanamnese ist zu erheben. Da viele Patienten die Bewegungsstörungen zu Beginn nicht wahrnehmen, ist auch eine Fremdanamnese wichtig, um den genauen Beginn der motorischen Krankheitsanzeichen sicher festlegen zu können. Es sind neurologische, neuropsychologische, psychiatrische und internistische Untersuchungen angezeigt.
Bei der neurologischen Untersuchung sollte der Unified Huntington’s Disease Rating Scale total motor score (UHDRS-TMS) erhoben werden. Dieser Score wurde 1996 von der Huntington Study Group entwickelt, um den klinischen Status sowohl bei Patienten mit Chorea Huntington als auch bei Individuen mit dem Risiko für die Huntington-Krankheit zu beurteilen.
Bei der neuropsychologischen Untersuchung sollte u.a. auf psychomotorische Verlangsamung, Gedächtnisstörungen und eine Abnahme des Sprachflusses geachtet werden. Eine formale kognitive Testung nach UHDRS sollte erfolgen. In der psychiatrischen Untersuchung wird beispielsweise auf Anzeichen von Persönlichkeitsveränderungen, Aggressivität, Depression oder Suizidalität geachtet. In der Leitlinie wird die Anwendung der „Problem-Behavior-Assessment“-Skala (PBA-s) empfohlen.
Bildgebung
In der zerebralen Bildgebung (cMRT oder bei Kontraindikation cCT) kann eine Atrophie des Nucleus caudatus durch an den Vorderhörnern erweiterte Seitenventrikel nachgewiesen werden. Als Zeichen der Hirnatrophie tritt eine Verbreiterung der Rindenfurche auf. Die zerebrale Bildgebung dient auch dem Ausschluss symptomatischer Ursachen und dem Nachweis von Veränderungen, die pathognomonisch für einige als Differentialdiagnosen in Betracht kommende Erkrankungen sind. Hierzu zählen beispielsweise das „face of the giant panda“-Zeichen bei Morbus Wilson oder das „eye of the tiger“-Zeichen bei Pantothenatkinase-assoziierter Neurodegeneration.
Bei Risikopatienten können in der Positronen-Emissionstomographie (z.B. FDG-PET) bereits Jahre vor Einsetzen der Symptome und vor Auffälligkeiten im CT ein reduzierter Stoffwechsel im Nucleus caudatus und Putamen festgellt werden.
Molekulargenetische Untersuchungen
Die molekulargenetische Untersuchung mit Bestimmung der CAG-Repeats im Huntingtin-Gen erfolgt nach Aufklärung des Patienten und dessen Einwilligung. Die gesetzliche Grundlage ist in Deutschland das Gendiagnostikgesetzt (GenDG). Der Patient muss über sein Recht auf Nichtwissen und das Recht auf Widerruf der erteilten Einwilligung informiert werden.
Der Auftrag zu molekulargenetischen Untersuchung ist durch den betreuenden Arzt möglich. Die Mitteilung des Untersuchungsergebnisses sollte stets persönlich durch denselben Arzt erfolgen. Den endgültigen Nachweis bringt die molekulargenetische Untersuchung. Hier wird im Blut getestet, wie oft sich das CAG-Basentriplett wiederholt.
Differentialdiagnosen
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der klinischen Symptomatik der betroffenen Patienten. Die choreatischen Bewegungsstörungen sollten zunächst als Symptom eingeordnet werden, denen verschiedene Ursachen zugrunde liegen können. Zahlreiche Differentialdiagnosen kommen bei choreatischen Bewegungsstörungen in Betracht. Im Folgenden sind einige Differentialdiagnosen exemplarisch aufgeführt:
- Hereditäre neurologische Erkrankungen, z.B. Morbus Wilson, McLeod-Syndrom, Morbus Leigh, Zeroidlipofuszinose
- Autoimmun und paraneoplastisch bedingte choreatische Symptome, z.B. Sydenham Chorea (Chorea minor, Post-Streptokokkeninfektions-Erkrankung), Rasmussen-Syndrom, autoimmun bedingte Enzephalitiden
- Infektiöse Ursachen, z.B. Enzephalopathien bei HIV-Patienten, virale Enzephalitis (Mumps, Masern, Varizella zoster, Herpes simplex), Neuroborreliose, zerebrale Toxoplasmose
- Strukturelle Läsionen der Basalganglien, z.B. bei Schlaganfällen, Neoplasien, abszedierende und demyelinisierende Läsionen
- Metabolische, endokrine und toxische Ursachen, z.B. nicht ketotische Hyperglykämie bei Diabetes mellitus, Elektrolytverschiebungen (Hyper- und Hyponatriämie, Hypokalzämie), Hyperthyreose
- Durch Medikamente und Drogen induzierte Chorea, z.B. bestimmte Antiepileptika, Kalziumkanalblocker, trizyklische Antidepressiva, Antihistaminika
- Andere Ursachen, z.B. Polycythemia vera, essentielle Thrombozythämie
Therapie
Bislang ist Chorea Huntington noch nicht heilbar. Es gibt kein Medikament gegen Chorea Huntington, das die Erkrankung heilt oder ihr Fortschreiten verhindert. Medikamente können lediglich die Symptome etwas abmildern.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie erfolgt in Abhängigkeit der jeweils vorliegenden Symptome. So können gegen Bewegungsstörungen (insbesondere die Überbewegungen) Neuroleptika (Antipsychotika) verschrieben werden.
- Hyperkinesen: Aktuell sind zur Therapie von choreatischen Hyperkinsen Tiaprid (D2/D3-Dopaminrezeptor-antagonist) und Tetrabenazin zugelassen. Nach derzeitiger Studienlage ist Tetrabenazin am besten zur Therapie geeignet. Der große Nachteil liegt darin, dass als unerwünschte Arzneimittelwirkung eine Depression auftreten kann. In der Leitlinie wird daher empfohlen, die antihyperkinetische Therapie mit Tiaprid zu beginnen, bei dem ein günstigeres Nebenwirkungsprofil vorliegt. Tetrabenazin soll laut Leitlinie in Kombination oder als Monotherapie eingesetzt werden, wenn die Behandlungsmöglichkeiten mit Tiaprid hinsichtlich Wirkung und Verträglichkeit ausgereizt sind. Eine Kombination der beiden Präparate kann auch zu einer Dosisreduktion der einzelnen Wirkstoffe genutzt werden, was die Nebenwirkungen reduziert.
- Dystonien: Die Therapie von Dystonien bei Chorea Huntington ist schwierig. Tetrabenazin in niedriger Dosierung, Amantadin, Baclofen, Tizanidin und Clonazepam können laut Leitlinie probiert werden.
- Bradykinesen, Rigidität: In einzelnen Fallberichten wird über eine Besserung unter L-Dopa, Amantadin oder Pramipexol berichtet. Das Rotigotin-Pflaster hat sich bei Schluckstörungen bewährt.
- Depressionen und Apathie: Die Behandlung von Depressionen wird nach den Grundsätzen der üblichen psychiatrischen Therapie durchgeführt, jedoch sollten keine MAO-Hemmer eingesetzt werden. Bei schweren Depressionen scheint die Therapie mit SSRI, besonders mit Venlafaxin, effektiv zu sein. Bei einer leichten Depression kann Sulpirid eingesetzt werden. Bestehen gleichzeitig Schlafstörungen, so können Mirtazapin und ggf. Melatonin oder Melatoninagonisten eingesetzt werden.
- Psychosen: Antipsychotika sollten angewendet werden.
Nicht-medikamentöse Therapieformen
Diese Therapien zur Linderung von Huntington-Symptomen umfassen körperliches Training und Krankengymnastik (Physiotherapie). Es ist wichtig, dass diese regelmäßig durchgeführt werden. Man kann damit gar nicht früh genug beginnen.
- Ernährung: Der Stoffwechsel von Patienten mit Chorea Huntington befindet sich in einem katabolen Zustand. Sie benötigen eine hochkalorische Kost mit ggf. sechs bis acht Mahlzeiten am Tag und ggf. eine hochkalorische Nahrungsergänzung. Liegen Schluckstörungen vor, kann das Andicken von Flüssigkeiten hilfreich sein. Je nach Verlauf kann eine frühe PEG-Anlage sinnvoll sein.
- Psychosoziale Maßnahmen: Die Patienten sollten psychologisch, psychosozial, krankengymnastisch, ergotherapeutisch und logopädisch betreut werden.
Forschung
DZNE-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beschäftigen sich intensiv damit, die Mechanismen zu verstehen, die dazu führen, dass eine verlängerte CAG-Region zu fehlerhaftem Huntingtin führen. Ein kausaler Therapieansatz durch den Einsatz von Antisense-Oligonukleotiden wird erforscht. Man versucht, diesen Zellverlust über Transplantation von Stammzellen in das Gehirn hinein auszugleichen. Ein weiterer Ansatz ist die Tiefe Hirnstimulation mit experimenteller Implantation eines Hirnschrittmachers.
Was können Sie selbst tun?
- Führen Sie ein möglichst aktives Leben mit viel Bewegung, das kann den Krankheitsbeginn etwas hinauszögern.
- Nehmen Sie nach Ausbruch der Erkrankung ergänzende Therapien wie Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie in Anspruch. Diese können helfen, Beschwerden zu lindern und im Alltag selbstständig zu bleiben.
- Eine Psychotherapie und ggf. Medikamente können Ihnen helfen, besser mit der Erkrankung umzugehen.
Verlauf und Prognose
Chorea Huntington ist eine fortschreitende Erkrankung, die nicht heilbar ist. Die Symptome verschlimmern sich im Laufe der Zeit. Die Lebenserwartung nach dem Auftreten der ersten Symptome beträgt in der Regel 10 bis 30 Jahre. 15 Jahre nach Erkrankungsbeginn lebt noch ein Drittel der Betroffenen. Bei der juvenilen Form ist die Lebenserwartung geringer: Hier sterben die meisten Erkrankten nach 8 Jahren.
Häufigste Todesursache sind Komplikationen wie Schluckstörungen, die zu Lungenentzündungen führen können, sowie allgemeine körperliche Schwäche und Infektionen.
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