Das menschliche Gehirn ist ein komplexes und empfindliches System, das bei manchen Menschen durch genetische oder umweltbedingte Faktoren aus dem Gleichgewicht geraten kann. Neuropsychiatrische Syndrome, wie Chorea Huntington, können das Verhalten der Betroffenen stark verändern und Wahnvorstellungen hervorrufen.
Was ist Chorea Huntington?
Chorea Huntington, auch Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington genannt, ist eine vererbbare Erkrankung des Gehirns. Sie ist nach dem US-amerikanischen Arzt George Huntington benannt, der sie 1872 erstmals wissenschaftlich beschrieb. Die Krankheit ist durch unwillkürliche, zuckende Bewegungen von Kopf, Armen, Beinen, Händen und Rumpf gekennzeichnet, die zu einem charakteristischen tänzelnden Gang führen. Im Mittelalter wurde die Krankheit daher auch als Veitstanz bezeichnet.
Symptome und Verlauf
Die ersten Symptome von Chorea Huntington treten meist im Alter von 35 bis 50 Jahren auf, seltener auch schon früher oder später. Zu den unspezifischen Frühsymptomen gehören Verhaltensauffälligkeiten und psychische Veränderungen wie Reizbarkeit, Aggressivität, Depressionen, Ängstlichkeit oder Enthemmung. Typisch sind Wutausbrüche und Verletzungen anderer ohne ersichtlichen Grund, sowie Misstrauen und Kontrollzwang.
Die Bewegungsstörungen äußern sich in unwillkürlichen Bewegungen von Kopf, Händen, Armen, Beinen und Rumpf, sowie Tic-artigen Muskelzuckungen. Der tänzelnde Gang ist charakteristisch. Im weiteren Verlauf wird es für die Betroffenen immer schwerer, Bewegungsabläufe zu koordinieren und zu bewältigen. Bei einem kleinen Teil der Patienten kommt es statt der chaotischen Bewegungen zu Muskelsteifheit und Bewegungshemmung.
Weitere Symptome sind hastiges Essen, Schluckbeschwerden, Sprachstörungen, Interessensverlust, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit und eine schwindende Urteilsfähigkeit. Im fortgeschrittenen Stadium der Krankheit gehen auch geistige Fähigkeiten verloren, was sich individuell unterschiedlich äußern kann.
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Ursachen und Vererbung
Ursache der Erkrankung ist ein Gendefekt auf Chromosom Nummer vier. In einem bestimmten Bereich des Chromosoms wiederholen sich die DNA-Bausteine CAG (Cytosin, Adenin und Guanin) mehrfach. Bei gesunden Menschen liegt die Anzahl der Wiederholungen zwischen 10 und 30 Mal. Bei Betroffenen von Chorea Huntington ist die Anzahl der Wiederholungen jedoch erhöht, ab etwa 36 Wiederholungen bricht die Krankheit aus. Je mehr CAGs vorhanden sind, desto früher bricht die Krankheit aus und desto schneller schreitet sie voran.
Die Huntington-Krankheit wird autosomal dominant vererbt. Das bedeutet, dass Kinder eines Elternteils, das das veränderte Gen trägt, mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent ebenfalls erkranken. Bei etwa einem bis drei Prozent aller Betroffenen sind keine Fälle von Chorea Huntington in der Familie bekannt. In diesen Fällen handelt es sich um eine neu aufgetretene Veränderung im Erbgut.
Der verlängerte DNA-Abschnitt führt dazu, dass ein Eiweißstoff namens Huntingtin nicht korrekt hergestellt wird. Die veränderte Form des Huntingtin ist giftig und führt zum Absterben von Nervenzellen im Gehirn.
Diagnose und Therapie
Die Diagnose von Chorea Huntington erfolgt in der Regel durch einen Gentest, bei dem eine Blutprobe des Patienten auf die Anzahl der CAG-Wiederholungen untersucht wird.
Bislang ist Chorea Huntington nicht heilbar. Die Behandlung konzentriert sich auf die Linderung der Symptome. Überbewegungen können mit Medikamenten wie Dopaminrezeptorantagonisten oder Dopamin-entspeicherern behandelt werden. Minderbewegungen können mit Parkinson-Medikamenten gelindert werden. Depressionen, Reizbarkeit, Aggressivität und Psychosen können mit Antidepressiva oder Neuroleptika behandelt werden.
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Weitere wichtige Maßnahmen sind eine hochkalorische Ernährung, Physiotherapie, Logopädie und Ergotherapie. Psychologische und psychosoziale Unterstützung ist ebenfalls von großer Bedeutung.
In experimentellen Ansätzen wird versucht, den Zellverlust im Gehirn durch die Transplantation von Stammzellen oder die tiefe Hirnstimulation zu verlangsamen oder aufzuhalten.
Historische Aspekte und Forschung
Die Huntington-Krankheit wurde bereits im Mittelalter unter dem Namen Veitstanz erwähnt. Der Zusammenhang mit den großen europäischen Tanz-Epidemien des 14., 15. und 16. Jahrhunderts ist jedoch nicht eindeutig belegt.
Im 19. Jahrhundert erkannten einige betroffene Familien und Gemeinden, dass die Erkrankung erblich ist. Der US-amerikanische Arzt George Huntington beschrieb die Krankheit 1872 erstmals wissenschaftlich und erkannte das Vererbungsmuster.
In den 1980er Jahren gelang es Forschern, den DNA-Marker für die Erbkrankheit zu lokalisieren und einen Gentest zu entwickeln. Seitdem wird intensiv an der Entwicklung von Therapien geforscht, die den Verlauf der Krankheit aufhalten oder sogar heilen können.
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Chorea Huntington in der Öffentlichkeit: Berühmte Persönlichkeiten und ihre Geschichten
Obwohl die Huntington-Krankheit eine seltene Erkrankung ist, gibt es einige berühmte Persönlichkeiten, die entweder selbst betroffen sind oder deren Familienangehörige an der Krankheit leiden. Diese Geschichten tragen dazu bei, das Bewusstsein für die Krankheit zu schärfen und die Stigmatisierung der Betroffenen zu verringern.
Marco Schreyl
Der deutsche TV- und Radiomoderator Marco Schreyl machte 2023 seine Familiengeschichte öffentlich und veröffentlichte ein Buch über seine Erfahrungen mit der Huntington-Krankheit seiner Mutter. Seine Mutter erhielt 2015 die Diagnose Chorea Huntington und starb 2021 im Alter von 65 Jahren an den Folgen der Krankheit. Zuvor war bereits sein Vater an einer vererbbaren Herzerkrankung gestorben. Schreyl selbst trägt eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, das Huntington-Gen geerbt zu haben, hat sich aber noch nicht testen lassen.
In seinem Buch "Alles gut? Das meiste schon!" beschreibt Schreyl die schwierige Zeit der Erkrankung seiner Mutter, die Veränderungen in ihrer Persönlichkeit und die Herausforderungen, mit denen er und seine Familie konfrontiert waren. Er kritisiert auch das Gesundheitssystem und fordert eine bessere Unterstützung für Betroffene und ihre Angehörigen.
Schreyls Offenheit hat dazu beigetragen, das Thema Huntington-Krankheit in die Öffentlichkeit zu bringen und die Diskussion über die Krankheit anzuregen.
Nancy Wexler
Die US-amerikanische Neuropsychologin Nancy Wexler hat einen entscheidenden Beitrag zur Erforschung der Huntington-Krankheit geleistet. Wexler verlor ihre Mutter, ihre Onkel und ihren Großvater an Huntington und engagierte sich frühzeitig in der Huntington-Forschung.
In den 1980er Jahren leitete Wexler ein Team von internationalen Wissenschaftlern, das in einem kleinen Fischerdorf in Venezuela Blutproben von Menschen sammelte, die an Huntington erkrankt waren. In dieser Region lebten besonders viele Menschen mit der Krankheit. Dank der gesammelten Proben gelang es 1983, den DNA-Marker für die Erbkrankheit grob zu lokalisieren. Ab 1986 konnte man sich darauf testen lassen. Seit 1993 - das Gen wurde an der Spitze von Chromosom Vier entdeckt - ist der Gen-Test zu hundert Prozent sicher.
Wexlers Arbeit war von unschätzbarem Wert für die Entwicklung des Gentests und die weitere Erforschung der Huntington-Krankheit.
Weitere Persönlichkeiten
Neben Marco Schreyl und Nancy Wexler gibt es weitere Persönlichkeiten, die sich öffentlich zu ihrer Beziehung zur Huntington-Krankheit geäußert haben. Diese Geschichten tragen dazu bei, das Bewusstsein für die Krankheit zu schärfen und die Stigmatisierung der Betroffenen zu verringern.
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