Chorea Huntington: CAG-Wiederholungen, Genetik und Auswirkungen

Die Chorea Huntington (Huntington-Krankheit, HK) ist eine erbliche, neurodegenerative Erkrankung des Gehirns, die durch eine verlängerte CAG-Wiederholungssequenz im HTT-Gen verursacht wird. Diese Mutation führt zu einem fortschreitenden Abbau von Nervenzellen, was sich in Bewegungsstörungen, kognitiven Einschränkungen und psychiatrischen Symptomen äußert.

Grundlagen der Chorea Huntington

Die Huntington-Krankheit (HK) ist eine der häufigsten autosomal-dominant vererbten monogenetischen Erkrankungen des Erwachsenenalters. Die Prävalenz beträgt weltweit etwa 4-10 pro 100.000 Personen, was bedeutet, dass es in Europa etwa 30.000 bis 40.000 Betroffene gibt (in Deutschland geht man von etwa 10.000 Betroffenen aus). Die klassische Beschreibung der HK stammt von dem US-amerikanischen Arzt George Huntington, der 1872 bereits die entscheidenden klinischen Merkmale (Bewegungsstörung, dementielle Entwicklung, psychiatrische Auffälligkeiten) erfasste und das autosomal-dominante Vererbungsmuster erkannte [1]. Letzteres ist umso bemerkenswerter, als die Mendelschen Gesetzmäßigkeiten seinerzeit noch nicht bekannt waren.

Genetische Ursache: Das HTT-Gen und CAG-Wiederholungen

Die HK wird durch eine Mutation im HTT-Gen, welches auf dem kurzen Arm von Chromosom 4 (4p16.3) lokalisiert ist, verursacht. Bei dieser Mutation handelt es sich um eine über das Normalmaß hinaus verlängerte, instabile Cytosin-Adenin-Guanin (CAG)-Wiederholungssequenz, die dann im Genprodukt, dem Huntingtin-Protein (HTT), zu einer verlängerten Polyglutaminsequenz (PolyQ) translatiert wird [7]. Damit zählt die HK zu den Trinukleotidexpansionserkrankungen. Das HTT-Gen enthält 67 Exone, die sich über 180 kb verteilen, das CAG-Repeat befindet sich in Exon 1 an Aminosäureposition 18.

CAG-Wiederholungen: Normalbereich, Graubereich und Erkrankung

Jeder Mensch hat dieses Basentriplett, aber alle Menschen mit der Huntington-Krankheit haben eine höhere Anzahl an CAG-Wiederholungen (CAG repeats) in diesem Huntingtin-Gen. Diese Anzahl an CAG-Wiederholungen ist es, die im Rahmen einer genetischen Untersuchung ermittelt wird. Das Ergebnis der genetischen Untersuchung wird in vier Kategorien unterteilt:

  • <= 25 Wiederholungen: negativ. Die Krankheit tritt nicht auf, Normalbereich, gesund
  • 26 bis 35 Wiederholungen: Graubereich. Mit dieser CAG-Zahl wird man höchstwahrscheinlich nicht Huntington-krank, aber die eigenen Ei- oder Samenzellen können höhere CAG-Zahlen aufweisen. So entstehen „Neumutationen“ in der nachfolgenden Generation. Es besteht also ein Risiko für Nachkommen, insbesondere weil sich diese CAG-Wiederholung von Generation zu Generation verändern kann. Irgendwann könnte der Wert von 40 CAGs erreicht und /oder überschritten werden.
  • 36 bis 39 Wiederholungen: positiv. Bereich der verminderten Penetranz. Mit dieser CAG-Zahl tritt die Huntington-Krankheit üblicherweise erst im hohen Alter auf und verläuft mild. So wird sie oft nicht diagnostiziert.
  • >= 40 Wiederholungen: positiv. Die Krankheit tritt irgendwann auf.

Gesunde Personen weisen in der Regel 6 bis 35 CAG-Repeats auf, während bei Huntington-Patienten 36 bis über 200 Repeats zu finden sind [8]. Allele zwischen 27 und 35 CAG-Repeats sind daher nicht mit Krankheitssymptomen assoziiert (sog. Intermediärallele), jedoch besteht für Nachkommen ein erhöhtes Risiko einer Expansion in den pathologischen Bereich (Antizipation) [9]. Eine unvollständige Penetranz liegt im Bereich von 36 bis 39 CAG-Repeats vor, d. h. nicht alle dieser Patienten entwickeln im Laufe des Lebens Symptome [10]. Beim Großteil der HK-Patienten liegt die Länge der CAG-Region bei über 39 Wiederholungen, welche mit einer vollständigen Penetranz einhergehen.

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Auswirkungen der CAG-Wiederholungsanzahl

Krankheitsbeginn und -verlauf

Wissenschaftliche Arbeiten zeigen einen generellen Zusammenhang zwischen dem CAG-Wert und dem Alter bei Ausbruch der Erkrankung sowie dem Fortschreiten der Huntington-Krankheit. Dies ist eine allgemeine Darstellung und sagt nichts für den individuellen Fall aus. Die Huntington-Krankheit verläuft bei jedem unterschiedlich. Neben der Huntington-Mutation spielen auch andere Gene und Umweltfaktoren eine Rolle. Selbst bei eineiigen Zwillingen können das Alter bei Ausbruch und der Verlauf der Krankheit unterschiedlich sein.

Wie oben beschrieben, wird eine Antizipation bei der HK beobachtet, was auf eine Instabilität der CAG-Wiederholungen während der Meiose zurückgeführt wird. Diese Instabilität kann insbesondere bei der paternalen Vererbung zu einer Expansion, seltener zu einer Retraktion, der CAG-Repeats führen [12]. Dies kann für die genetische Beratung der Patienten wichtig sein, da die CAG-Wiederholungen maßgeblich verantwortlich für die Ausprägung der Erkrankung sind. Zu etwa 42 bis 73 % bestimmen sie das Erkrankungsalter [13, 14]. Dabei korreliert das Erkrankungsalter invers mit der Anzahl der CAG-Wiederholungen. Je länger die CAG-Repeatsequenz, desto früher zeigen sich bei Huntington-Patienten die ersten Symptome.

Weitere Faktoren, die den Krankheitsverlauf beeinflussen

Die restlichen 27 bis 58 % der Varianz im Erkrankungsalter werden von weiteren Faktoren bestimmt oder modifiziert. Hierfür kommen sowohl genetische Faktoren, aber auch Umwelteinflüsse infrage. Eine Reihe von potenziellen genetischen Modifikatoren wurde über einen Kandidatengen-Ansatz nachgewiesen. Zuletzt konnten über GWAS-Studien in einer großen Kohorte mit mehr als 4000 HK-Patienten 3 Loci identifiziert werden, die signifikant mit einem früheren (durchschnittlich 1,5 Jahre) oder späteren (durchschnittlich 6 Jahre) Ausbruch der HK korrelierten [15].

Symptome und Diagnose

Klinische Merkmale

Klinisch ist die HK klassischerweise durch eine Kombination aus Bewegungsstörung, kognitivem Abbau und psychiatrischen Auffälligkeiten gekennzeichnet. Im Gegensatz zu den kognitiven und psychiatrischen Symptomen sind die motorischen Symptome recht spezifisch für die HK. Für die klinische Diagnosestellung der HK wird daher der Nachweis eindeutiger motorischer Symptome gefordert, auch wenn sich vorher in der Regel unspezifische motorische und nicht motorische Symptome als Ausdruck eines Prodromalstadiums manifestieren, welche 12-15 Jahre vor eindeutig motorischen Symptomen auftreten können [3]. Außerdem kann zur differentialdiagnostischen Diagnosesicherung bei der betreffenden Person die Huntington-Genmutation nachgewiesen werden. Bei einer positiven Familienanamnese, wie sie in >90 % der HK-Fälle vorliegt, ist die Diagnose auch als gesichert anzusehen, wenn bei mindestens einem Familienmitglied eine entsprechende Mutation nachgewiesen wurde.

Symptombeginn und Verlauf

Der Symptombeginn der HK ist schleichend und setzt typischerweise zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr ein. Es sind allerdings erhebliche Abweichungen möglich, so gibt es Fallberichte über Erstmanifestationen vom ersten bis zum 80. Lebensjahr, wobei es sich bei den juvenilen Erkrankungsfällen in der Regel um paternal vererbte Mutationen handelt [11]. Der Verlauf selbst zieht sich meist über 15-20 Jahre hin und ist von schweren und zunehmenden körperlichen und geistigen Einschränkungen gekennzeichnet.

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Neuropathologische Veränderungen

Neuropathologisch ist die HK durch eine globale Hirnatrophie gekennzeichnet, die striatal und kortikal besonders akzentuiert ist [4]. Auf neuronaler Ebene sind charakteristischerweise die striatalen Projektionsneurone und die striatalen Interneurone besonders betroffen.

Motorische Symptome

Als neurologisches Kardinalsymptom wird häufig die Chorea angeführt, eine hyperkinetische Bewegungsstörung aus abrupt einsetzenden, kurzzeitigen, unregelmäßigen, distal betonten Entäußerungen, die anfangs oft in Verlegenheitsbewegungen eingebaut werden. Chorea ist jedoch kein obligates Symptom der HK, weshalb der veraltete Begriff „Chorea“ Huntington irreführend ist und nicht mehr verwendet werden sollte [6]. Im Krankheitsverlauf wandelt sich das motorische Bild meist in eine Hypo- und Bradykinesie mit Rigor.

Psychiatrische Symptome

Die psychiatrischen Symptome sind in Schwere und Ausprägung sehr vielfältig und reichen von Reizbarkeit über Akzentuierung der Primärpersönlichkeit zu Depressivität, Zwangsstörungen und psychotischen Zuständen. Die psychiatrischen Symptome gehen den motorischen oft um Jahrzehnte voran und verursachen initial im Allgemeinen wesentlich mehr Leidensdruck als die Bewegungsstörung.

Juvenile und späte Formen

Treten HK-Symptome vor dem 16. Lebensjahr auf, spricht man von juveniler HK (Westphal-Variante). Auch bei adult Erkrankten finden sich allerdings Patienten mit vorwiegend bradykinetisch, dystonen Bewegungsstörungen oder Patienten, bei denen ein kognitiver Phänotyp im Vordergrund steht. Analog dazu gibt es auch die Spätform der HK, die mit ca. 20 % der Fälle etwas häufiger ist und einen vergleichsweise milden Verlauf zeigt.

Funktion von Huntingtin und Pathogenese

Obwohl das HTT-Gen vor 25 Jahren entdeckt wurde, ist über die genaue Funktion und Wirkungsweise von Huntingtin noch vieles nicht bekannt. HTT wird ubiquitär exprimiert. Seine stärkste Expression findet sich aber im Gehirn und im Hoden. Ein kompletter Knockout von HTT ist in Mäusen bereits in der Embryonalphase letal, sodass es vital wichtige Funktionen während der Embryonalentwicklung haben muss.

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HTT besitzt neben der PolyQ-Kette auch eine PolyProlin-Domäne, nukleäre Import- und Exportsignale, multiple HEAT-Domänen und Aggregationsmotive. HTT ist hauptsächlich im Zytoplasma, aber auch in Zellmembranen (mit Assoziation zum Endoplasmatischen Retikulum und Golgi-Apparat) und im Nukleus zu finden.

Eine Reihe von Mechanismen wurde mit der HK-Pathogenese in Verbindung gebracht, darunter DNA-Reparatur, transkriptionelle Dysregulation, Mitochondriendysfunktion und Energiehaushalt, Autophagie, proteolytische Spaltung des HTT, intrazellulärer Transport von Vesikeln und Organellen und synaptische Transmission. Alle diese Mechanismen sind von großem Interesse in der HK-Forschung, sind aber bisher noch nicht ausreichend untersucht, um eine effektive, zielgerichtete Therapie zu entwickeln [16]. Neue Gesichtspunkte ergeben sich aus der Entdeckung, dass pathologische Repeatexpansionen zur ATG-unabhängigen Initiation der Transkription („repeat-associated non-ATG translation“, RAN-translation) von kurzen Mono- bis Oligopeptiden führen, den sogenannten RAN-Peptiden.

Tiermodelle in der Huntington-Forschung

Die Entdeckung der ursächlichen Mutation hat zur Entwicklung einer Reihe von Maus- und Rattenmodellen für die HK geführt und ermöglichte so die Aufdeckung potenzieller Pathogenesemechanismen (s. oben) und mögliche Ansatzpunkte für eine Therapie. Die meisten dieser transgenen Tiermodelle haben große CAG-Repeats (>80 CAGs), die beim Menschen mit der juvenilen Form der HK einhergehen. Die R6/2 Maus gehört in diese Kategorie und exprimiert ein kurzes N‑terminales Fragment von Huntingtin mit ca. 150 CAG-Wiederholungen [19]. Aufgrund seines sehr schnell auftretenden und fulminanten, aber gut reproduzierbaren Phänotyps, ist dieses HK-Modell das am häufigsten verwendete für präklinische und pathogenetische Studien.

Mausmodelle mit CAG-Repeats im Bereich der häufigsten adulten Form der HK und sogenannte Knock-in-Modelle, die das mutierte HTT im endogenen Lokus tragen und damit genetisch gesehen exakter sind, entwickeln hingegen nur wenige oder gar keine Symptome wie motorische Defizite oder neuropathologische Veränderungen.

Um Tiermodelle zu entwickeln, die möglichst nahe die menschliche Erkrankung widerspiegeln, wurden daher auch transgene Tiermodelle in anderen Spezies generiert. So hat die Ratte z. B. einige Vorteile gegenüber der Mause (u. a. besser geeignet für Bildgebung und neurophysiologische Untersuchungen), und es wurden bisher zwei Rattenmodelle für die HK veröffentlicht, u. a. ein transgenes Rattenmodell, welches Volle-Länge mutiertes HTT exprimiert. Dieses Rattenmodell zeigt einen HK-ähnlichen Phänotyp mit motorischen und kognitiven Defiziten sowie charakteristischen neuropathologischen Auffälligkeiten [20].

Da die bisherigen Nagermodelle aber keine deutliche Neurodegeneration aufweisen (möglicherweise aufgrund ihrer kurzen natürlichen Lebensspanne) und beträchtliche physiologische Unterschiede allein in der Größe des Gehirns zum Menschen bestehen, wurden größere Tiermodelle für die HK u. a. im Schwein, Schaf und nicht humanen Primaten entwickelt [21]. Bemerkenswerterweise zeigte ein vor Kurzem generiertes Knock-in Minipig-Modell für die HK eine selektive Neurodegeneration im Striatum [22].

Prädiktive Diagnostik und genetische Beratung

Grundsätzlich besteht seit der praktischen Verfügbarkeit des molekulargenetischen Nachweises der HK-Mutation auch die Möglichkeit asymptomatische Personen prädiktiv zu testen. Da die prädiktive Diagnostik derzeit reinen Informationscharakter und keine therapeutischen Konsequenzen hat, werden besondere Anforderungen gestellt, die vor einer genetischen Untersuchung erfüllt sein sollten und dies ist in Deutschland seit 2010 im Gendiagnostikgesetz (GenDG) geregelt.

In 1994 wurden erstmalig Richtlinien durch die „International Huntington Association and the World Federation of Neurology Research Group on Huntington’s Chorea“ für die prädiktive Testung aufgestellt und in einem Dokument des Europäischen Huntington Netzwerks revidiert [23]. So sollte eine psychotherapeutische Betreuung am besten bei einem hierfür geschulten Therapeuten gewährleistet sein, sie muss aber vom Ratsuchenden nicht in Anspruch genommen werden. Und es sollte eine begleitende Vertrauensperson benannt werden. Darüber hinaus kann es unter Umständen sinnvoll sein, vor Durchführung einer Diagnostik auf Anlageträgerschaft eine neurologische Untersuchung durchführen zu lassen, um zu klären, ob der Ratsuchende symptomatisch oder asymptomatisch ist. Diese neurologische Untersuchung kann dem Ratsuchenden bei der Entscheidung für oder gegen eine prädiktive Testung eine Hilfe sein, sollte aber eine Einzelfallentscheidung bleiben. Bei möglichen Problemen wie z. B. einer Diagnoseverschleppung mit weitreichenden Folgen oder einer Anosognosie des Ratsuchenden gegenüber bereits vorliegenden Symptomen sollten diese im Rahmen eines interdisziplinären Kolloquiums mit Humangenetikern, Neurologen und Psychologen besprochen werden. Dies erfolgt z. B.

Die prädiktive Diagnostik verläuft in mehreren Abschnitten (Erstberatung und ggf. weitere Nachberatungen, Blutabnahme und Ergebnismitteilung), wobei zwischen den einzelnen Abschnitten ausreichend Bedenkzeit (in der Praxis jeweils mindestens vier Wochen) und damit die Möglichkeit, vom Test Abstand zu nehmen, für den Ratsuchenden liegen sollte. Patientenautonomie ist eines der höchsten Güter in der Medizin, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasst neben dem Recht auf Wissen auch ein Recht auf Nichtwissen [24]. Im GenDG ist dies unter § 1 und § 9 festgeschrieben. In der Praxis ist es ist für den Arzt oft sehr schwierig, das Recht auf Wissen und das Recht auf Nichtwissen miteinander zu vereinbaren. Oft wird das Wissen, dass überhaupt ein Risiko besteht, von den Betroffenen als wesentlich belastender erfahren als die Größe des Risikos selbst. In der Praxis hat sich hier eine non-direktive Gesprächsstrategie bewährt, bei welcher der beratende Arzt nicht unidirektional Informationen kommuniziert, sondern ergebnisoffen aufklärt und dabei aufmerksam, entsprechend dem Bedarf des Ratsuchenden, dosiert. Dies erfordert neben einem vielseitig und gut informierten Arzt ausreichend Zeit.

Eine pränatale Diagnostik auf spätmanifestierende Erkrankungen ist in Deutschland nicht erlaubt (§ 15 Abs. 2 GenDG), dies schließt im Regelfall auch die Huntington-Erkrankung ein (allerdings ohne dass das Gesetz die Huntington-Krankheit speziell benennt). Unklar bleibt auch nach Ansicht der Leitlinien der DGN die rechtliche Situation bei möglicher Frühmanifestation und hinsichtlich eines Prodromalstadiums der Erkrankung [26].

Therapieansätze und aktuelle Forschung

Trotz großer Fortschritte beim Verständnis der zugrunde liegenden pathologischen und genetischen Mechanismen ist die HK bislang nicht heilbar und die Interventionsmöglichkeiten beschränken sich auf Symptomkontrolle und palliative Maßnahmen [3, 26]. Da die genetische Ursache der HK eindeutig geklärt ist, stellen Strategien zur Hemmung der Bildung von Huntington-Genprodukten besonders vielversprechende Therapieperspektiven dar [25]. Eine erste entsprechende klinische Phase I/IIa ASO-Studie hat aktuell sehr ermutigende Ergebnisse gezeigt, weitere Entwicklungen werden von Patienten und Angehörigen verständlicherweise sehr aufmerksam verfolgt und diskutiert (www.​hdbuzz.​net). Am weitesten entwickelt ist zurzeit die nicht allelspezifische „Stummschaltung“ („silencing“) des Huntingtin-Genlokus mittels intrathekaler Gabe von Antisense-Oligonukleotiden (www.​clinicaltrials.​gov Identifikationsnummer: NCT02519036). Die Ergebnisse dieser Phase I/II-Studien sind noch nicht im Peer-Review-Prozess publiziert worden, aber in Pressemitteilungen wurde mitgeteilt, dass eine Senkung der Huntingtin-Spiegel im Liquor erreicht wurde. Die Sicherheits- und Verträglichkeitsdaten haben dazu geführt, dass eine Phase-III-Wirksamkeitsstudie aufgelegt wird. Die Behandlung monogenetischer Erkrankungen im Allgemeinen und der Huntington-Krankheit im Speziellen steht durch die Entwicklung von genspezifischen Therapieansätzen vor einem möglichen Umbruch.

Neue Forschungsergebnisse: CHCHD2-Gen und mitochondriale Funktion

Erstmals haben Forschende das Gen CHCHD2 mit Chorea Huntington - einer unheilbaren, genetisch bedingten neurodegenerativen Erkrankung - in Verbindung gebracht und das Gen als mögliches therapeutisches Ziel identifiziert. An der Studie waren sechs verschiedene Labore des Max Delbrück Center unter der Leitung von Dr. Jakob Metzger von der Arbeitsgruppe „Quantitative Stammzell-Biologie“ und die Arbeitsgruppe „Stem Cell Metabolism“ von Prof. Dr. Alessandro Prigione an der Medizinischen Fakultät der HHU beteiligt.

„Es hat uns überrascht, dass Chorea Huntington die frühe Entwicklung des Gehirns durch Defekte, die mit mitochondrialer Fehlfunktionen zusammenhängen, beeinträchtigen kann,“ sagt Dr. Pawel Lisowski, ein Erstautor aus der Arbeitsgruppe von Dr. Metzger beim Max Delbrück Center. „Das Organoidmodell deutet darauf hin, dass HTT-Mutationen die Gehirnentwicklung noch vor dem Auftreten klinischer Symptome schädigen. Es ist also sehr wichtig, diese spät auftretende neurodegenerative Erkrankung früh zu erkennen“, führt Selene Lickfett, ebenfalls Erstautorin der Studie und Doktorandin an der HHU aus der Arbeitsgruppe von Prof.

Die Forschenden konnten die schädigende Wirkung auf die neuronalen Zellen rückgängig machen, wenn sie die Funktion des CHCHD2-Gens wiederherstellten. „Das war überraschend“, sagt Selene Lickfett. „Außerdem traten Defekte in neuronalen Vorläuferzellen und Hirnorganoiden auf, bevor sich potenziell toxische Aggregate des mutierten Huntingtin-Proteins gebildet hatten“, fügt Metzger hinzu. „Die vorherrschende Meinung ist, dass die Krankheit als Degeneration reifer Neuronen verläuft“, sagt Prigione. „Unsere Strategien zur Genomeditierung, vor allem, wenn sie die CAG-Wiederholungen im Huntington-Gen entfernen, sind sehr vielversprechend und konnten einige dieser Entwicklungsdefekte rückgängig machen. Das ebnet den Weg für eine potenzielle Gentherapie,“ sagt Prigione. „Die Ergebnisse könnten auch breitere Anwendung bei anderen neurodegenerativen Krankheiten finden“, sagt Prigione.

George Huntington: Der Entdecker der Krankheit

George Huntington (1850-1916) war gerade einmal acht Jahre alt, als er erstmals zwei Frauen begegnete, die an einer Krankheit litten, die später nach ihm benannt werden sollte. Huntington hatte seinen Vater begleitet, der als Allgemeinarzt auf Long Island im Bundesstaat New York tätig war. Die beiden Patientinnen - Mutter und Tochter - waren nur noch Haut und Knochen. Sie bewegten sich in gebeugter Haltung und sich windend fort, schnitten Grimassen.

Nach Abschluss seines Medizinstudiums stürzte sich der junge Huntington auf die Patientenakten seines Vaters und seines Großvaters, studierte deren Aufzeichnungen über die Krankheit und erkannte unter anderem als erster das Vererbungsmuster. Er selbst glaubte zu dieser Zeit noch, es handle sich um eine lokale beschränkte Rarität - auf Long Island oftmals verschämt als „jene Störung“ bezeichnet. Die Leistung des Arztes bestand insbesondere darin, dass er Chorea Huntington als eigenständige, erblich bedingte Erkrankung erkannte und von anderen Chorea-Formen, die beispielsweise nach einer Infektion auftreten können, abgrenzte. Huntington entschied sich für eine Laufbahn als traditioneller Hausarzt. Seine Untersuchungen zu der nach ihm benannten Krankheit vertiefte er später nicht weiter.

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