Chorea Huntington, auch bekannt als Huntington-Krankheit oder Morbus Huntington, ist eine erbliche, neurodegenerative Erkrankung des Gehirns. Sie ist durch unkontrollierte Bewegungen, psychische Veränderungen und den Verlust kognitiver Fähigkeiten gekennzeichnet. Die Erkrankung führt zu einem fortschreitenden Verlust der Unabhängigkeit und einer verkürzten Lebenserwartung.
Was ist Chorea Huntington?
Chorea Huntington ist eine fortschreitende Erkrankung, bei der Nervenzellen im Gehirn absterben. Dies betrifft vor allem Bereiche, die für die Steuerung von Bewegungen, das Verhalten und die Denkfähigkeit zuständig sind. Die Erkrankung wird durch einen Gendefekt verursacht und autosomal-dominant vererbt. Das bedeutet, dass jedes Kind eines Elternteils mit Chorea Huntington ein 50%iges Risiko hat, die Krankheit zu erben.
Ursachen und Risikofaktoren
Chorea Huntington wird durch eine Mutation im Huntingtin-Gen (HTT) verursacht. Dieses Gen enthält die Anleitung zur Herstellung des Huntingtin-Proteins. Bei Menschen mit Chorea Huntington weist das Huntingtin-Gen eine verlängerte CAG-Repeat-Sequenz auf. CAG steht für Cytosin, Adenin und Guanin, die Bausteine der DNA. Eine erhöhte Anzahl von CAG-Wiederholungen führt dazu, dass eine toxische Form des Huntingtin-Proteins produziert wird. Dieses mutierte Protein schädigt die reguläre Funktion von Neuronen und führt zu ihrem vorzeitigen Absterben.
Die Anzahl der CAG-Wiederholungen korreliert mit dem Erkrankungsalter und der Schwere der Symptome. Menschen mit 40 oder mehr CAG-Wiederholungen entwickeln im Laufe ihres Lebens Chorea Huntington. Je höher die Anzahl der Wiederholungen, desto früher beginnt die Erkrankung und desto schneller schreitet sie fort.
Symptome
Die Symptome der Chorea Huntington können sehr unterschiedlich sein und variieren von Person zu Person. Die ersten Symptome treten meist im Alter zwischen 30 und 50 Jahren auf, können aber auch früher (juvenile Form) oder später im Leben auftreten.
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Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Unwillkürliche Bewegungen (Chorea): Dies sind unkontrollierte, zuckende Bewegungen von Kopf, Armen, Beinen und Rumpf. Sie können anfangs leicht sein, werden aber im Laufe der Zeit stärker und beeinträchtigen die Koordination und den Gang.
- Psychische Veränderungen: Viele Betroffene entwickeln psychische Probleme wie Depressionen, Reizbarkeit, Angstzustände, Zwangsstörungen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen. Es kann auch zu Wesensveränderungen, Aggressivität und sozialem Rückzug kommen.
- Kognitive Beeinträchtigungen: Chorea Huntington kann zu Gedächtnisproblemen, Konzentrationsschwierigkeiten, verminderter Urteilsfähigkeit und Schwierigkeiten beim Planen und Organisieren führen. Im späteren Verlauf der Erkrankung kann es zu einer Demenz kommen.
- Weitere Symptome: Weitere mögliche Symptome sind Sprachstörungen, Schluckbeschwerden, Harninkontinenz, vermehrtes Schwitzen und Gewichtsverlust.
Diagnose
Die Diagnose der Chorea Huntington basiert auf der Erhebung der Krankengeschichte, der Familienanamnese und einer körperlichen Untersuchung. Da es sich um eine Erbkrankheit handelt, ist die Familienanamnese von besonderer Bedeutung.
In der körperlichen Untersuchung werden die Patienten hinsichtlich verschiedener Bewegungsstörungen untersucht. Dies umfasst beispielsweise die Augenbewegung und die Auslösung von Muskelreflexen. Ergänzende diagnostische Maßnahmen sind psychologische Untersuchungen, MRT- und CT-Aufnahmen des Gehirns oder sogenannte FDG-PET-Untersuchungen.
Eine genetische Untersuchung kann die krankhafte Veränderung des Huntington-Gens nachweisen. Diese Untersuchung darf jedoch erst nach vorhergehender ausführlicher Beratung und frühestens nach Erreichen der Volljährigkeit durchgeführt werden.
Lebenserwartung und Prognose
Chorea Huntington ist eine unheilbare Krankheit, die chronisch fortschreitet. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt bei etwa 15 bis 20 Jahren nach dem Auftreten der ersten Symptome. Die Lebenserwartung hängt maßgeblich vom Alter bei Krankheitsbeginn ab. Das 60. Lebensjahr wird nur von den wenigsten Patienten erreicht.
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Die häufigsten Todesursachen sind Komplikationen wie Lungenentzündung, Herzversagen und Verletzungen durch Stürze. Im Endstadium der Erkrankung sind viele Patienten bettlägerig und auf intensive Pflege angewiesen.
Trotz der fortschreitenden Natur der Erkrankung können ein individuell angepasstes Behandlungsschema und pflegerische Unterstützung im Alltag dazu beitragen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Einflussfaktoren auf die Lebenserwartung
Mehrere Faktoren können die Lebenserwartung bei Chorea Huntington beeinflussen:
- Alter bei Krankheitsbeginn: Je später die ersten Symptome auftreten, desto langsamer schreitet die Krankheit in der Regel fort und desto höher ist die Lebenserwartung.
- Anzahl der CAG-Wiederholungen: Eine höhere Anzahl von CAG-Wiederholungen im Huntingtin-Gen ist mit einem früheren Krankheitsbeginn und einem schnelleren Fortschreiten der Erkrankung verbunden.
- Allgemeiner Gesundheitszustand: Patienten mit Begleiterkrankungen wie Herzerkrankungen, Diabetes oder Lungenerkrankungen haben möglicherweise eine geringere Lebenserwartung.
- Zugang zu medizinischer Versorgung: Eine frühzeitige Diagnose, regelmäßige Kontrollen in spezialisierten Zentren und eine umfassende Behandlung können dazu beitragen, die Symptome zu lindern und Komplikationen zu vermeiden.
- Soziale Unterstützung: Eine gute soziale Unterstützung durch Familie, Freunde und Selbsthilfegruppen kann die Lebensqualität verbessern und die Bewältigung der Erkrankung erleichtern.
Therapie und Rehabilitation
Obwohl Chorea Huntington nicht heilbar ist, gibt es verschiedene Therapie- und Rehamaßnahmen, die dazu beitragen können, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Medikamentöse Therapie
Verschiedene Medikamente können zur Linderung der Symptome eingesetzt werden. Die medikamentöse Therapie zielt vor allem darauf ab, die unwillkürlichen Bewegungen und die psychischen Symptome zu reduzieren.
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- Tetrabenazin und Deutetrabenazin: Diese Medikamente können die unwillkürlichen Bewegungen (Chorea) reduzieren. Sie wirken, indem sie die Menge an Dopamin im Gehirn verringern.
- Antipsychotika: Diese Medikamente können bei psychischen Symptomen wie Depressionen, Angstzuständen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen helfen.
- Antidepressiva: Diese Medikamente können zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden.
Es ist wichtig, die medikamentöse Therapie regelmäßig hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu beurteilen und gegebenenfalls anzupassen.
Begleitende Therapien
Neben der medikamentösen Therapie profitieren viele Betroffene von begleitenden Therapien wie:
- Physiotherapie: Physiotherapie kann helfen, die Muskelkraft, Koordination und das Gleichgewicht zu verbessern.
- Ergotherapie: Ergotherapie kann helfen, die Fähigkeiten im Alltag zu erhalten und zu verbessern, z. B. beim Anziehen, Essen und Schreiben.
- Logopädie: Logopädie kann bei Sprach- und Schluckbeschwerden helfen.
- Psychotherapie: Psychotherapie kann Betroffenen und ihren Familien helfen, mit der Erkrankung besser umzugehen.
Rehabilitation
Viele Patienten mit Chorea Huntington profitieren von Rehabilitationsmaßnahmen, im Rahmen derer die körperliche und psychische Gesundheit sowie der Umgang mit der Erkrankung im Vordergrund stehen.
Ernährung
Da der unwillkürliche Bewegungszwang zu einem sehr hohen Energieverbrauch führt und die Erkrankung zu Schluckstörungen führen kann, sollten die meisten Patienten eine spezielle hochkalorische Diät erhalten, um Untergewicht zu vermeiden. In späten Krankheitsstadien kann die Anlage einer Magensonde (perkutane endoskopische Gastrostomie (PEG)) unumgänglich sein.
Unterstützung im Alltag
Studien konnten zeigen, dass ein erhöhtes Stresslevel mit einem vermehrten Fortschreiten der Erkrankung einhergeht. Daher ist es besonders wichtig, den Betroffenen eine umfangreiche Unterstützung im Alltag anzubieten und so zu einer möglichst hohen Lebensqualität beizutragen. Dabei können Selbsthilfegruppen oder Vereine eine wichtige Stütze für Betroffene und Angehörige darstellen.
Forschung und neue Therapieansätze
Die Forschung zur Chorea Huntington hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Es gibt mehrere vielversprechende neue Therapieansätze, die derzeit in klinischen Studien erprobt werden.
Gentherapie
Die Gentherapie zielt darauf ab, die Ursache der Chorea Huntington zu behandeln, indem sie das mutierte Huntingtin-Gen ausschaltet oder seine schädlichen Auswirkungen reduziert. Ein vielversprechender Ansatz ist die Verwendung von Antisense-Oligonukleotiden (ASOs), die die Produktion des mutierten Huntingtin-Proteins reduzieren können.
Andere Therapieansätze
Weitere Therapieansätze, die derzeit erforscht werden, umfassen:
- HDAC-Inhibitoren: Diese Medikamente können die Genexpression beeinflussen und die schädlichen Auswirkungen des mutierten Huntingtin-Proteins reduzieren.
- Immuntherapie: Die Immuntherapie zielt darauf ab, das Immunsystem zu stimulieren, um das mutierte Huntingtin-Protein abzubauen.
- Stammzelltherapie: Die Stammzelltherapie könnte in der Zukunft dazu verwendet werden, geschädigte Nervenzellen im Gehirn zu ersetzen.
Es ist wichtig zu beachten, dass diese neuen Therapieansätze noch in der Entwicklung sind und noch nicht für die breite Anwendung zugelassen sind.
Leben mit Chorea Huntington
Das Leben mit Chorea Huntington kann für Betroffene und ihre Familien eine große Herausforderung sein. Es ist wichtig, sich frühzeitig über die Erkrankung zu informieren, sich professionelle Hilfe zu suchen und sich mit anderen Betroffenen auszutauschen.
Tipps für Betroffene
- Nehmen Sie regelmäßig an Kontrolluntersuchungen in einem spezialisierten Huntington-Zentrum teil.
- Befolgen Sie die Empfehlungen Ihres Arztes bezüglich der medikamentösen Therapie und der begleitenden Therapien.
- Achten Sie auf eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung.
- Suchen Sie sich Unterstützung bei Familie, Freunden und Selbsthilfegruppen.
- Planen Sie Ihre Zukunft und treffen Sie rechtzeitig Entscheidungen bezüglich Ihrer finanziellen Absicherung und Ihrer Pflege.
Tipps für Angehörige
- Informieren Sie sich umfassend über die Erkrankung.
- Seien Sie geduldig und verständnisvoll.
- Unterstützen Sie den Betroffenen bei der Bewältigung des Alltags.
- Nehmen Sie sich Zeit für sich selbst und suchen Sie sich Unterstützung, wenn Sie diese benötigen.
- Tauschen Sie sich mit anderen Angehörigen in Selbsthilfegruppen aus.
Spezialisten und Anlaufstellen
Für die Diagnostik und Therapie der Chorea Huntington sind Fachärzte für Neurologie spezialisiert. Es gibt in Deutschland mehrere Huntington-Zentren, die eine umfassende Betreuung und Behandlung anbieten.
Weitere Anlaufstellen:
- Deutsche Huntington-Hilfe e.V.: www.huntington-hilfe.de
- European Huntington’s Disease Network (EHDN): www.euro-hd.net
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