Circulus arteriosus Willisii: Anatomie und Blutversorgung des Gehirns

Das Gehirn ist ein komplexes Organ, das auf eine ständige und zuverlässige Blutversorgung angewiesen ist, um seine vielfältigen Funktionen zu erfüllen. Diese Versorgung wird durch ein Netzwerk von Arterien und Venen gewährleistet, wobei der Circulus arteriosus Willisii eine zentrale Rolle spielt. Dieser Artikel beleuchtet die Anatomie des Circulus arteriosus Willisii, seine Funktion bei der Blutversorgung des Gehirns und die klinische Bedeutung von Erkrankungen, die dieses Gefäßsystem betreffen können.

Einführung in die Blutversorgung des Gehirns

Das Gehirn wird von vier Hauptarterien versorgt: den beiden Arteriae carotides internae (inneren Halsschlagadern) und den beiden Arteriae vertebrales (Wirbelarterien). Diese Arterien treten in die Schädelgrube ein und bilden an der Hirnbasis einen geschlossenen arteriellen Ring, den Circulus arteriosus Willisii. Dieses System ist von entscheidender Bedeutung, da es eine kontinuierliche Blutversorgung des Gehirns gewährleistet, selbst wenn eine der zuführenden Arterien beeinträchtigt ist.

Anatomie des Circulus arteriosus Willisii

Der Circulus arteriosus Willisii, auch bekannt als Willis-Kreis, ist ein arterieller Gefäßring an der Basis des Gehirns. Er wird von folgenden Gefäßen gebildet:

  • Arteria carotis interna (ACI): Die innere Halsschlagader, die sich in die Arteria cerebri media fortsetzt und die Arteria cerebri anterior abgibt.
  • Arteria cerebri anterior (ACA): Eine der Hauptarterien, die das Gehirn mit Blut versorgt. Sie entspringt der Arteria carotis interna und verläuft entlang der medialen Oberfläche der Gehirnhalbkugeln.
  • Arteria communicans anterior (ACoA): Verbindet die beiden Arteriae cerebri anteriores der linken und rechten Hirnhälfte miteinander.
  • Arteria cerebri posterior (ACP): Entsteht aus der Arteria basilaris und versorgt den hinteren Teil des Gehirns.
  • Arteria communicans posterior (ACoP): Verbindet die Arteria carotis interna mit der Arteria cerebri posterior.

Variantenreiche Anatomie

Es ist wichtig zu beachten, dass der Circulus arteriosus Willisii eine sehr variantenreiche Anatomie aufweist. Die "Normalform" mit einer ACoA findet sich beispielsweise nur in etwa 60 Prozent aller Fälle. Auch die ACoP ist nur zu 50 bis 60 Prozent beidseits voll ausgeprägt. Diese anatomischen Variationen können die Anfälligkeit für bestimmte Gefäßerkrankungen beeinflussen.

Funktion des Circulus arteriosus Willisii

Der Circulus arteriosus Willisii spielt eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung einer konstanten und gleichmäßigen Blutversorgung des Gehirns. Er fungiert als Kollateralkreislauf, der Drücke zwischen den verschiedenen Stromgebieten ausgleichen kann. Dies ermöglicht es, langsam fortschreitende Einengungen der zuführenden Gefäße bis zu einem gewissen Grad zu kompensieren. Wenn beispielsweise eine der Arteriae carotides internae verengt ist, kann das Blut über den Circulus arteriosus Willisii umgeleitet werden, um die Durchblutung des Gehirns aufrechtzuerhalten.

Lesen Sie auch: Prävention von Schlaganfällen durch Verständnis des Circulus arteriosus Willisii

Blutversorgung des Gehirns durch die Hauptarterien

Die Hauptarterien, die aus dem Circulus arteriosus Willisii hervorgehen, versorgen spezifische Bereiche des Gehirns:

  • Arteria cerebri anterior (ACA): Versorgt hauptsächlich die medialen Anteile des Frontal- und Parietallappens, insbesondere den primären motorischen und somatosensorischen Cortex, der für die Steuerung und Wahrnehmung der unteren Extremitäten zuständig ist. Zudem versorgt sie das Corpus callosum, das für die Kommunikation zwischen den beiden Gehirnhälften eine entscheidende Rolle spielt, sowie den Gyrus cinguli, der an Emotionen, Motivation und Gedächtnis beteiligt ist. Auch der präfrontale Cortex (mediale Anteile), der für exekutive Funktionen wie Planung, Entscheidungsfindung und Sozialverhalten verantwortlich ist, erhält Blut aus der ACA. Darüber hinaus versorgt die ACA über ihre tiefen perforierenden Äste Teile der Basalganglien und des vorderen Hypothalamus, die für Bewegungssteuerung und autonome Funktionen eine Rolle spielen.
  • Arteria cerebri media (ACM): Versorgt weite Teile des Gehirns, insbesondere die laterale Oberfläche des Frontal-, Parietal- und Temporallappens. Eine Minderdurchblutung dieser Arterie hat entsprechend weitreichende Folgen für die Gesundheit.
  • Arteria cerebri posterior (ACP): Versorgt den Okzipitallappen (Sehzentrum) sowie Teile des Temporallappens und des Hirnstamms.

Venöse Drainage des Gehirns

Das venöse System des Gehirns dient dazu, das verbrauchte Blut abzutransportieren. Die oberflächlichen und tiefen Hirnvenen sammeln das Blut und leiten es in die Sinus durae matris, große venöse Kanäle innerhalb der harten Hirnhaut. Von dort fließt das Blut über die Venae jugulares internae zurück zum Herzen. Es ist wichtig zu beachten, dass die Hirnvenen keine Venenklappen besitzen, was unter bestimmten Umständen zu einer Strömungsumkehr im Venensystem führen kann.

Oberflächliches Venensystem

Das oberflächliche Venensystem (Vv. cerebri superiores und Vv. cerebri inferiores) sammelt das Blut von der Gehirnoberfläche und mündet in den Sinus sagittalis superior und inferior.

Tiefes Venensystem

Das tiefe Venensystem (Vv. profundae) drainiert das Blut aus dem Zwischenhirn, den tief liegenden Strukturen der Großhirnhälften und der weißen Substanz des Großhirns. Die Vena basilaris entsteht durch den Zusammenschluss der Vena anterior cerebri mit der Vena cerebri media profunda. Weitere venöse Drainage erfolgt über die paarige Vena interna cerebri sowie die paarige Vena basilaris in die Vena magna cerebri (Gallen).

Sinus durae matris

Die Sinus durae matris sind venöse Kanäle, die zwischen den Schichten der harten Hirnhaut verlaufen. Sie nehmen das Blut aus den Hirnvenen auf und leiten es in die Venae jugulares internae. Zu den wichtigsten Sinus gehören der Sinus sagittalis superior und inferior, der Sinus rectus und der Sinus transversus. Der Confluens sinuum ist ein Auffangbecken für das Blut kleinerer Venen und steht in Verbindung mit den Venen des Wirbelkanals.

Lesen Sie auch: Funktion der Gehirn-Blutversorgung

Klinische Bedeutung des Circulus arteriosus Willisii

Erkrankungen, die den Circulus arteriosus Willisii oder die von ihm abgehenden Arterien betreffen, können schwerwiegende neurologische Folgen haben. Zu den häufigsten Erkrankungen gehören:

  • Schlaganfall (Apoplex): Ein Schlaganfall tritt auf, wenn die Blutversorgung des Gehirns unterbrochen wird, entweder durch eine Verstopfung (ischämischer Schlaganfall) oder durch eine Blutung (hämorrhagischer Schlaganfall). Ein Verschluss einer der Arterien des Circulus arteriosus Willisii kann zu einem ischämischen Schlaganfall führen, dessen Symptome je nach betroffenem Hirnareal variieren.
  • Zerebrale Aneurysmen: Zerebrale Aneurysmen sind Aussackungen der Arterienwand im Gehirn, die häufig im Bereich des Circulus arteriosus Willisii auftreten. Wenn ein Aneurysma platzt, kann es zu einer Subarachnoidalblutung (SAB) kommen, einer lebensbedrohlichen Erkrankung.
  • Arterielle Dissektionen: Arterielle Dissektionen treten auf, wenn die Intaktheit der Arterienwandstruktur verloren geht, was zu einer intramuralen Hämatombildung und einem falschen Lumen zwischen der Tunica media und den Tunica Adventitia führt. Dieser Vorgang kann zu einem Aneurysma, einer Stenose oder einem Verschluss führen.
  • Subclavian-Steal-Syndrom: Tritt auf, wenn eine Verengung/Verschluss der A. subclavia proximal des Ursprungs der A. vertebralis eine Umkehr des Blutflusses in der A. vertebralis ipsilateral bewirkt, um den ipsilateralen Arm weiter zu durchbluten. Die häufigste Ursache des Subclavian-Steal-Syndroms ist die Arteriosklerose.

Symptome bei Verschluss der Arteria cerebri anterior (ACA)

Ein Verschluss der Arteria cerebri anterior ist mit etwa 5 % aller Hirninfarkte relativ selten, kann jedoch charakteristische neurologische Ausfälle verursachen. Da ihr Versorgungsgebiet den prä- und postzentralen Gyrus im Bereich der Mantelkante einschließt, führt ein Infarkt typischerweise zu einer beinbetonten sensomotorischen Hemiparese kontralateral zur Läsion. Zusätzlich können Antriebsstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite und eine Apathie auftreten, da auch präfrontale Strukturen betroffen sein können.

Diagnostische Verfahren

Zur Beurteilung des Circulus arteriosus Willisii und der Hirngefäße stehen verschiedene diagnostische Verfahren zur Verfügung:

  • Gefäßdarstellungen: Insbesondere vor der Entfernung von stark durchbluteten Tumoren werden oft Gefäßdarstellungen durchgeführt, um die genaue Lage und Beschaffenheit der Blutgefäße zu beurteilen.
  • Ultraschalluntersuchung: Die Ultraschalldiagnostik der hirnversorgenden Arterien ist eine nicht-invasive Methode zur Beurteilung der Blutströmung und zum Nachweis von Verengungen oder Verschlüssen.

Lesen Sie auch: Anatomie der Gehirnblutversorgung

tags: #circulus #arteriosus #willisii #blutversorgung #gehirn #anatomie