Corona-Impfung und das Alzheimer-Risiko: Was Sie wissen sollten

Die COVID-19-Pandemie hat viele gesundheitliche Aspekte in den Fokus gerückt, darunter auch die langfristigen Auswirkungen der Erkrankung und die Rolle von Impfungen. Spätestens seit den ersten Berichten zur Long-Covid-Thematik war klar, dass man diese Erkrankung möglichst vermeiden möchte, insbesondere im Hinblick auf das Gehirn. Ein wichtiger Aspekt ist der mögliche Einfluss von COVID-19 und seinen Impfungen auf das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu diesem Thema.

COVID-19 und mögliche Auswirkungen auf das Gehirn

COVID-19 kann nicht nur die Atemwege betreffen, sondern auch neurologische Symptome verursachen. Forschende der New York University haben beobachtet, dass eine COVID-19-Erkrankung möglicherweise zu einem Rückgang der kognitiven Fähigkeiten beitragen kann. In ihrer Studie wurden 251 Patientinnen im Durchschnittsalter von 71 Jahren untersucht, bei denen vor der Einlieferung ins Krankenhaus keine kognitiven Beeinträchtigungen festgestellt wurden. Während der akuten COVID-19-Erkrankung wurden die Patientinnen in Gruppen mit und ohne neurologische Symptome unterteilt. Die Forschenden fanden heraus, dass Patientinnen mit neurologischen Symptomen höhere Konzentrationen von sieben Markern für Gehirnschäden aufwiesen als Patientinnen ohne diese Symptome.

Ein Teil der Marker war bei Personen, die mit COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, kurzfristig sogar signifikant höher als bei Personen, bei denen Alzheimer diagnostiziert wurde. Neurologin Jennifer A. betont: "Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patientinnen und Patienten, die wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert wurden, und insbesondere solche, die während ihrer akuten Infektion neurologische Symptome haben, ein Niveau an Hirnverletzungsmarkern aufweisen können, die so hoch oder höher sind als diejenigen, die bei Patientinnen und Patienten mit Alzheimer beobachtet werden."

Es ist wichtig zu betonen, dass diese Hirnverletzungen nicht zwangsläufig bedeuten, dass die Betroffenen später Alzheimer entwickeln, sondern lediglich das Risiko dafür erhöhen, wie Mitautor Thomas M. Wisniewski erklärt.

Grippeimpfung und Alzheimer-Risiko: Eine schützende Wirkung?

Eine Studie von Forschern der Universität Texas und Houston deutet darauf hin, dass eine regelmäßige Impfung gegen Atemwegserkrankungen wie die Grippe ältere Menschen in einem gewissen Maß vor Alzheimer schützen kann. Das Team um Avram Bokhbinder, Yaobin Ling und Omar Hasan verglich die Daten von knapp einer Million gegen Grippe geimpfter Senioren mit denen von rund einer Million Ungeimpften. Die Auswertung der Gesundheitsdaten einer Krankenkasse aus den Jahren 2009 bis 2019, konzentriert auf über 65-Jährige, ergab, dass eine Grippeimpfung das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, für mehrere Jahre reduzieren kann. Avram Bokhbinder betont: "Unseren Erkenntnissen zufolge kann eine Grippe-Impfung bei älteren Erwachsenen das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, für mehrere Jahre reduzieren. Dieser schützende Effekt wurde noch stärker, je regelmäßiger eine Person die jährliche Grippe-Impfung empfangen hatte."

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Die Forscher weisen jedoch darauf hin, dass die Gründe für diesen Zusammenhang aus den Daten nicht hervorgehen. Es wird vermutet, dass das Immunsystem eine wichtige Rolle spielt. Paul Schulz, Professor für Neurologie, erklärt: "Veränderungen, wie eine Lungenentzündung, können es in einer Weise aktivieren, die eine Alzheimer-Krankheit verschlimmert. Andere Impulse, die das Immunsystem aktivieren, stoßen aber offenbar andere Abläufe an, die vor der Alzheimer-Krankheit schützen."

Corona-Infektion und erhöhtes Alzheimer-Risiko?

Dänische Forscher haben Daten vorgelegt, die einen möglichen Zusammenhang zwischen einer Corona-Infektion und einem erhöhten Alzheimer-Risiko nahelegen. Sie verglichen das Risiko verschiedener Erkrankungen bei einer Gruppe von 919.731 Personen, die einen Corona-Test gemacht hatten. Bei den 43.375 Personen mit einem positiven Testergebnis war das Risiko, innerhalb eines Jahres eine Alzheimer-Diagnose zu bekommen, um das 3,5-fache erhöht.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass auch diese Studie keinen ursächlichen Zusammenhang beweisen kann. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), merkt an, dass äußere Faktoren dazu führen könnten, dass sich eine bereits bestehende Alzheimer-Erkrankung manifestiert. Trotzdem ist ein direkter Zusammenhang nicht auszuschließen.

Herausforderungen für Angehörige von Demenzerkrankten in der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie stellt Angehörige von Menschen mit Demenz vor besondere Herausforderungen. Da der größte Teil der Demenzerkrankten hochaltrig ist und oft an weiteren Erkrankungen leidet, sind sie durch das Coronavirus besonders gefährdet.

Es ist wichtig, die Kommunikation an die kognitiven Fähigkeiten des Betroffenen anzupassen und gewohnte Routinen beizubehalten. Veränderungen im Tagesablauf können Verunsicherung auslösen. Stattdessen können gemeinsame sportliche Aktivitäten in der Wohnung eingeführt werden, da Besuche von Gymnastikgruppen oder Cafés derzeit nicht möglich sind. Auch Spaziergänge an der frischen Luft sind weiterhin empfehlenswert.

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In der Wohnung gibt es viele Möglichkeiten der Beschäftigung, wie Gesellschaftsspiele, Kreuzworträtsel, gemeinsames Singen oder Musikhören. Das Internet bietet zudem virtuelle Rundgänge durch Museen und frei zugängliche Filme.

Das Tragen von Masken kann für Menschen mit Demenz problematisch sein, da sie oft nicht verstehen, warum sie eine Maske tragen sollen. In solchen Fällen sollten Besuche von Geschäften und Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln vermieden werden. Verständniskärtchen können helfen, die Situation zu erklären.

Anträge auf einen Pflegegrad oder eine Höherstufung werden weiterhin bearbeitet, und persönliche Begutachtungen finden wieder statt. Zur Vorbereitung kann der „Selbsteinschätzungsbogen für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz zur Vorbereitung auf die Begutachtung zum Pflegegrad“ genutzt werden.

Wenn Symptome einer akuten Atemwegsinfektion auftreten, sollten zusätzliche Schutzmaßnahmen ergriffen und ein Mundschutz getragen werden. Im Falle einer Erkrankung ist es wichtig, einen Notfallplan zu haben, der Informationen zum Hausarzt, Medikamentenbedarf und Ansprechpartnern enthält.

Die Bundesregierung hat im „2. Bevölkerungsschutzgesetz“ Regelungen für Freistellungen von der Arbeit und Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige geschaffen.

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Es ist entscheidend, dass Angehörige auch für sich selbst sorgen, um ihre Kräfte zu schonen. Unterstützung von außen sollte auf ein Mindestmaß beschränkt werden, aber soziale Kontakte können über verschiedene Kommunikationskanäle gepflegt werden. Der Austausch mit anderen Angehörigen in Gruppen oder Foren kann ebenfalls hilfreich sein.

Gürtelrose-Impfung und Demenzrisiko: Ein möglicher Zusammenhang

Eine weitere interessante Beobachtung betrifft den Zusammenhang zwischen der Gürtelrose-Impfung und dem Demenzrisiko. Die Gürtelrose wird durch dasselbe Virus verursacht wie die Windpocken (Varizella-Zoster). Nach einer Windpockeninfektion versteckt sich das Virus lebenslang in den Nervenzellen und kann bei älteren oder immungeschwächten Menschen wieder aktiv werden.

Seit etwa 20 Jahren gibt es eine Impfung gegen die Gürtelrose, die Menschen über 60 Jahren empfohlen wird. In früheren Studien fiel auf, dass geimpfte Personen seltener an Demenz erkrankten. Allerdings war es unklar, ob dies auf einen tatsächlichen ursächlichen Zusammenhang oder auf andere gesundheitsbewusste Verhaltensweisen der Geimpften zurückzuführen ist.

Natürliches Experiment in Wales

Ein Forschungsteam um Dr. Min Xie entdeckte in Wales ein „natürliches Experiment“, das es ermöglichte, die Wirkung des Impfstoffs isoliert zu betrachten. In Wales begann am 1. September 2013 ein Impfprogramm, bei dem jeder, der zu diesem Zeitpunkt 79 Jahre alt war, ein Jahr lang Anspruch auf den Impfstoff gegen Gürtelrose hatte. Personen, die 78 Jahre alt waren, hatten im nächsten Jahr Anspruch darauf usw. Menschen, die am 1. September 2013 80 Jahre oder älter waren, hatten keinen Anspruch auf den Impfstoff.

Diese Regelung ermöglichte es, die Gesundheitsdaten von Personen zu vergleichen, die kurz vor und kurz nach der Anspruchsgrenze geboren wurden. Da sich diese Kohorten nur um eine Woche im Alter unterschieden, waren sie in ihren Gesundheits- und Verhaltenscharakteristiken vergleichbar.

Die Analyse der Daten von mehr als 280.000 älteren Erwachsenen aus Wales zeigte, dass der Impfstoff das Auftreten der Gürtelrose bei den Geimpften über einen Zeitraum von sieben Jahren um etwa 37 % senken konnte. Zudem wurde bei weniger geimpften älteren Erwachsenen eine Demenz diagnostiziert.

Die Wissenschaftler prüften die Gesundheitsdaten auf mögliche Faktoren, die ihre Analyse verfälschen könnten, fanden jedoch keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Gruppen. Ein wichtiges Ergebnis war, dass der Schutz vor Demenz durch die Impfung bei Frauen stärker ausgeprägt war als bei Männern.

Es ist jedoch noch unklar, wie der Impfstoff vor Demenz schützt. Möglicherweise kurbelt er das Immunsystem insgesamt an oder verhindert, dass das schlummernde Varizella Zoster Virus reaktiviert wird.

Weitere Forschung notwendig

Um den endgültigen Beweis zu liefern, wäre eine große randomisierte, kontrollierte Studie erforderlich. Eine solche Studie könnte zeigen, ob der Impfstoff gegen Gürtelrose tatsächlich einen Schutz vor Demenz bietet.

Langfristige neurologische Folgen von COVID-19

Eine Studie von Helmholtz Munich und der Ludwig-Maximilians-Universität München hat gezeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleiben kann. Dies könnte zu chronischen Entzündungen führen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson erhöhen.

Die Forschenden entdeckten eine bisher nicht festgestellte Ablagerung des Spike-Proteins in Gewebeproben von Menschen mit COVID-19 sowie Mäusen. Interessanterweise stellten sie fest, dass der mRNA-COVID-19-Impfstoff von BioNTech/Pfizer die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn um 50 Prozent reduziert.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass mRNA-Impfstoffe das Risiko langfristiger neurologischer Folgen erheblich senken können.

COVID-19 und die Beschleunigung von Alzheimer

Eine Studie in Nature Medicine hat untersucht, ob COVID-19 die Ablagerung von Beta-Amyloiden und Tau-Fibrillen im Gehirn fördern kann, die Kennzeichen des Morbus Alzheimer sind. Die Forscher verglichen Blutproben und MRT-Aufnahmen von Personen, die an COVID-19 erkrankt waren, mit denen von Personen, die sich nicht erkennbar mit SARS-CoV-2 infiziert hatten.

In den Blutproben wurde ein Abfall des Quotienten aus Abeta42 und Abeta40 festgestellt, der einem Anstieg des Alters um 4 Jahre entsprach. Bei älteren Menschen und solchen mit einer erhöhten Vulnerabilität fiel auch die Abeta42-Konzentration insgesamt ab und die pTau-181-Konzentration nahm zu.

Die Auswirkungen von COVID-19 auf die Biomarker waren besonders deutlich bei Patienten, die wegen COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden, oder bei solchen, die eine Hypertonie in der Vorgeschichte hatten.

Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Infektion mit SARS-CoV-2 zwar keinen Morbus Alzheimer auslöst, den jahrzehntelangen Verlauf der Erkrankung jedoch beschleunigen könnte.

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