Bei Frauen in den Wechseljahren kommt es zu erheblichen hormonellen Veränderungen, die nicht nur den Körper, sondern auch das Gehirn beeinflussen. Der sinkende Östrogenspiegel kann eine Reihe von körperlichen, psychischen und kognitiven Symptomen auslösen. Dieser Artikel beleuchtet die Auswirkungen der Menopause auf das Gehirn, die zugrunde liegenden Mechanismen und mögliche Strategien zur Bewältigung der damit verbundenen Beschwerden.
Hormonelle Veränderungen und ihre Auswirkungen auf das Gehirn
Während der Wechseljahre nimmt der Spiegel des Hormons Östrogen ab. Hormone aus der Klasse der Östrogene erfüllen im Körper zahlreiche Funktionen: Zum einen steuern sie den weiblichen Menstruationszyklus und sind damit entscheidend für die Fortpflanzung. Zum anderen wirken sie sich auch unabhängig von der Fortpflanzung auf Stoffwechselprozesse aus. Insbesondere die biologisch aktivste Form, Östradiol, kann zudem über Rezeptoren im Gehirn unsere Stimmung und kognitive Leistungsfähigkeit beeinflussen. Wenn der Östrogenspiegel während der Wechseljahre sinkt, erleben viele Frauen nicht nur körperliche, sondern auch psychische und kognitive Symptome.
Diese hormonelle Umstellung kann zu einer Vielzahl von Symptomen führen, darunter:
- Körperliche Symptome: Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Gelenk- und Muskelschmerzen.
- Psychische Symptome: Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Angstzustände, depressive Verstimmungen.
- Kognitive Symptome: Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Verwirrtheit, Wortfindungsstörungen.
Veränderungen im Gehirn während der Menopause
Eine Studie hat nun sichtbar gemacht, wie die Menopause das Gehirn verändert. Hirnscans zeigen, dass die Anzahl der Östrogenrezeptoren in zahlreichen Hirnregionen zunimmt und auch nach den Wechseljahren hoch bleibt. Eine hohe Dichte an Rezeptoren ist dabei mit typischen Beschwerden der Wechseljahre assoziiert.
Ein Team um Lisa Mosconi von der Weill Cornell Medicine in New York hat nun eine Technik entwickelt, mit der sich die Östrogenrezeptoren im Gehirn zu untersuchen lassen. In einer Proof-of-Concept-Studie scannten die Forschenden die Gehirne von jeweils 18 gesunden Frauen vor, während und nach der Menopause mit Hilfe der sogenannten Positronen-Emissions-Tomographie (PET). Um die Östrogenrezeptoren im Gehirn sichtbar zu machen, spritzte das Team den Probandinnen einen sogenannten Tracer, der an die Rezeptoren bindet und im Hirnscan aufleuchtet. „Mit dieser Methode konnten wir zum ersten Mal die Aktivität der Östrogenrezeptoren im Gehirn messen und potenzielle Prädiktoren für einige häufige Symptome der Wechseljahre identifizieren“, sagt Mosconi.
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So stellten die Forschenden fest, dass die Dichte der Östrogenrezeptoren mit dem Fortschreiten der Wechseljahre zunimmt und auch ein Jahrzehnt nach Ende der Wechseljahre noch hoch ist. „Wahrscheinlich handelt es sich dabei um einen kompensatorischen Mechanismus, ausgelöst durch den sinkenden Östrogenspiegel“, erklärt das Team. Der Unterschied in der Rezeptorzahl zwischen Frauen vor und nach der Menopause war so deutlich, dass sich allein mit Blick auf die Östrogenrezeptoren in vier Schlüsselregionen des Gehirns - der Hypophyse, dem Nucleus caudatus, dem posterioren cingulären Kortex und dem mittleren frontalen Kortex - mit 100-prozentiger Genauigkeit voraussagen ließ, ob der entsprechende Hirnscan von einer Frau vor oder nach den Wechseljahren stammte. „Die Effekte waren unabhängig vom Alter, dem Östradiol-Spiegel im Blutplasma oder dem Transportprotein für Sexualhormone“, berichtet das Team.
Der Abgleich der Hirnscans mit den Ergebnissen der kognitiven Tests sowie den selbstberichteten Beschwerden enthüllte deutliche Assoziationen: „Eine höhere Östrogenrezeptor-Dichte in den Zielregionen war bei Frauen während und nach den Wechseljahren mit einer schlechteren Gedächtnisleistung verbunden und sagte das Vorhandensein von selbstberichteten Stimmungsschwankungen und kognitiven Symptomen nach der Menopause voraus“, berichten die Forschenden.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Gehirn versucht, den sinkenden Östrogenspiegel durch eine Erhöhung der Rezeptordichte auszugleichen. Dieser kompensatorische Mechanismus scheint jedoch nicht immer erfolgreich zu sein und kann sogar zu den typischen Beschwerden der Wechseljahre beitragen.
Kognitive Veränderungen: Vergesslichkeit und Konzentrationsschwierigkeiten
Nicht wenige Frauen beklagen sich in den Wechseljahren über Veränderungen. Viele davon sind physischer Natur, doch auch unser Gehirn verändert sich in dieser Zeit. Eine verhältnismäßig häufige Beschwerde betrifft kognitive Störungen, wie Probleme bei der Konzentration und/oder Vergesslichkeit.
Rund 60 % aller Frauen beklagen sich über Konzentrations- und Erinnerungsschwierigkeiten in dieser Zeit. Langfristig, so wird vermutet, könnte sich dies auf die Entwicklung von Alzheimer auswirken.
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Bei Vergesslichkeit während der Wechseljahre sind in der Regel Dinge aus dem Alltag betroffen. Das Langzeitgedächtnis bleibt offenbar unangetastet, sodass etwa Name, Beruf, Familie und ähnliche wichtige Informationen nicht vergessen werden. Stattdessen liegt der Fokus auf typischen Alltagssituationen: Wo habe ich meine Brille hingelegt? Wo finde ich die Autoschlüssel? Mit wem wollte ich mich heute treffen? Ich wollte doch etwas einkaufen - aber was? Diese Form der Vergesslichkeit ist somit nicht bedrohlich und sollte nicht mit einem „echten“ Gedächtnisverlust verglichen werden.
Dennoch können diese Erinnerungslücken im Alltag stark einschränkend und lästig wirken. Zudem entwickeln viele Frauen den Glauben, dass dieser Zustand nun dauerhaft ist. Dies kann psychische Belastungen hervorrufen, wodurch der Stresspegel steigt. Das wiederum kann sich negativ auf praktisch alle Lebensbereiche auswirken und weitere, typische Wechseljahresbeschwerden hervorrufen.
Die abnehmende Produktion von Östrogen während der Wechseljahre hat zahlreiche, meist negative Auswirkungen. Frauen beklagen sich etwa über eine Gewichtszunahme ohne Veränderung der Essgewohnheiten, einer leichten Reizbarkeit, Hitzewallungen ohne erkennbaren physischen Anlass und ähnliche Probleme.
Ebenfalls bemängelt wird eine verminderte Gedächtnisleistung. Meist werden nur Kleinigkeiten vergessen und ein allgemeiner Zustand der Verwirrtheit, wie es bei Alzheimer der Fall sein kann, tritt nicht auf. Trotzdem gelangen einige Frauen zu der (wesentlich verfrühten) Angst vor dem Beginn typischer Alterskrankheiten wie Alzheimer oder Demenz. Die Vergesslichkeit während der Menopause hat mit diesen deutlich schlimmeren Krankheiten jedoch nichts zu tun.
Stattdessen kommt es zu Veränderungen in der Art, wie unser Gehirn Informationen und Daten überträgt und speichert.
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Östrogene und deren Wirkung im Gehirn: Während der Menopause wird die Östrogenproduktion langsam vermindert. Dies stellt auch für das Gehirn eine Herausforderung dar, auch wenn es sich dabei um ein Sexualhormon handelt. Denn Östrogen beeinflusst auch Areale des Gehirns - wie den Hippocampus. Dieser steuert unter anderem Aspekte des Erinnerungsvermögens. Außerdem nimmt Östrogen Einfluss auf einige Aufgaben bei der Übermittlung von Informationen.
Östrogen verhindert zusätzlich die Bildung von Eiweißablagerungen, die direkt in den Neuronen stattfinden. Forscher vermuten, dass diese Ablagerungen zumindest teilweise einen Einfluss auf die Entwicklung von Alzheimer ausüben können. Sammelt sich dort mehr Eiweiß, weil Östrogen dies nicht mehr verhindern kann, steigt somit das Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Zudem existieren aktuelle Untersuchungen, die darauf hindeuten, dass unsere Nervenzellen durch Östrogen zum Wachstum angeregt werden. Sinkt nun der Östrogenspiegel im Körper, wird der Wachstum neuer Nervenzellen gehemmt und hat den Abfall der geistigen Leistungsfähigkeit zur Folge.
Diese Auswirkungen ergeben in der Summe eine schlüssige Aussage darüber, warum Frauen während der Wechseljahre vergleichsweise häufig unter einer Vergesslichkeit leiden, die vorher in ihrem Leben nie aufgetreten war. Gleichzeitig ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Symptome nur vorübergehend sind.
Viele Symptome der Menopause lassen allmählich wieder nach, wie etwa die eingangs erwähnten Hitzewallungen oder eine übermäßige Gewichtszunahme. Glücklicherweise trifft dies auch auf die Vergesslichkeit zu. Der Körper wird in dieser Phase jedoch einige Jahre benötigen, bis er sich daran gewöhnt, dass die Östrogenproduktion nachlässt.
Er entwickelt andere Strategien, um die geistige Leistung dennoch auf einem hohen Niveau zu halten. Aus diesem Grund berichten Frauen wahrscheinlich auch, dass die Probleme im ersten Jahr nach Einsetzen der Menopause am stärksten ausgeprägt sind. Die geistige Leistungsfähigkeit kehrt jedoch wieder vollständig zurück, sofern in diesem Zeitraum keine anderen Erkrankungen auftreten.
Zusätzlich darf nicht der Fehler gemacht werden, dass eine Erinnerungsschwäche während der Menopause automatisch auf diese zurückzuführen ist. Ein schwaches Gedächtnis kann auch andere Ursachen haben. Es liegt in diesen Fällen an kompetenten Ärzten, um herauszufinden, ob die Menopause Auslöser ist oder nicht.