Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, ein natürlicher Supercomputer, der uns ermöglicht zu denken, zu fühlen, zu lernen und zu handeln. Mit rund 86 Milliarden Neuronen (Nervenzellen) und einer ähnlichen Anzahl von Gliazellen ist es die komplexeste anatomische Struktur, die wir kennen. Es verändert sich ständig im Laufe unseres Lebens und ermöglicht es uns, bis ins hohe Alter aktiv zu bleiben und zu lernen.
Das Gehirn als Steuerzentrale
Man kann sich das Gehirn als eine Art Steuerzentrale vorstellen. Seine Hauptaufgabe ist die Regulation überlebenswichtiger Vorgänge wie Atmung, Überleben, Wahrnehmung und Schlaf-Wach-Rhythmus. Das Gehirn ist sehr stoffwechselaktiv und benötigt daher eine hohe Zufuhr von Blutzucker und Sauerstoff. Es verarbeitet Sinneseindrücke und Informationen des Körpers und schickt Botschaften in alle Bereiche des Körpers zurück.
Anatomie des Gehirns: Ein Überblick
Das Gehirn befindet sich im Schädel und besteht aus einer rechten und einer linken Hälfte. Diese beiden Hälften sind durch einen Balken, das Corpus callosum, miteinander verbunden, der dem Austausch von Informationen dient. Das Gehirn wird durch die Schädelknochen und die drei Schichten der Hirnhaut (Dura mater, Arachnoidea und Pia mater) geschützt. Die Dura mater, die äußere Schicht, wirkt wie eine Barriere, um das Gehirn vor äußeren Verletzungen zu schützen.
Grob lässt sich das Gehirn in fünf Hauptbereiche gliedern:
- Großhirn (Cerebrum oder Telencephalon): Nimmt rund 80 Prozent der gesamten Hirnmasse ein und bildet den vordersten Bereich des menschlichen Gehirns.
- Kleinhirn (Cerebellum): Befindet sich im unteren hinteren Bereich des Schädels und enthält die meisten Nervenzellen - rund 70 Milliarden.
- Zwischenhirn (Diencephalon): Enthält den Thalamus, den Hypothalamus und die Zirbeldrüse.
- Hirnstamm (Truncus cerebri): Dient als Verbindung zwischen Rückenmark und Großhirn und besteht aus dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata).
- Mittelhirn (Mesencephalon): Kleinster Abschnitt des Gehirns.
- Nachhirn (Myelencephalon, Medulla oblongata): Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark dar.
Das Großhirn (Cerebrum)
Das Großhirn, auch Telencephalon genannt, ist der größte und schwerste Teil des Gehirns. Mit seinen Falten und Furchen ähnelt es einem Walnusskern. Es besteht aus der Großhirnrinde, dem Kortex, die mit ihren Furchen und Windungen einer Walnuss ähnelt. Der innere Teil des Großhirns, der vom Kortex umgeben ist, wird als weiße Substanz (Substantia alba) bezeichnet. Die Großhirnrinde ist zwei bis fünf Millimeter dick und besteht aus einer äußeren Schicht (Isocortex oder Neocortex) und einer inneren Schicht (Allocortex).
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Die Großhirnrinde besteht aus Nervenzellen und Gliazellen, die den Raum zwischen den Nervenzellen und den Blutgefäßen ausfüllen. Die Nervenzellen verfügen über Fortsätze (Axone), die die weiße Substanz ausmachen und die lokale und überregionale Vernetzung der Gehirnzellen ermöglichen.
Jede Gehirnhälfte des Großhirns ist in vier Bereiche eingeteilt:
- Frontallappen (Stirnlappen): Befindet sich im vorderen Bereich des Großhirns, kontrolliert die Bewegungen und führt kognitive Prozesse aus. Er unterstützt die Kontrolle der Feinmotorik, Gemüt, Zukunftsplanung, Ziel- und Prioritätensetzung.
- Parietallappen (Scheitellappen): Ist ein primär sensorisches Rindenfeld und ist für somatosensorische Funktionen zuständig. Er empfängt und verarbeitet Informationen über Temperatur, Geschmack, Berührung und Bewegung, die vom Rest des Körpers kommen.
- Temporallappen (Schläfenlappen): Hier befindet sich das Sprachzentrum, das für das Verständnis und die Verarbeitung von Sprache eine wichtige Rolle spielt. Der mittlere Teil des Temporallappens enthält den Hippocampus, der für das Gedächtnis von größter Bedeutung ist. Im Hippocampus werden Informationen aus dem Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis überführt.
- Okzipitallappen (Hinterhauptlappen): Ist der hinterste und kleinste der vier Hirnlappen.
Das Kleinhirn (Cerebellum)
Das Kleinhirn, auch Cerebellum genannt, befindet sich im unteren hinteren Bereich des Schädels. Obwohl es im Vergleich zum Großhirn wesentlich kleiner ist, enthält es die meisten Nervenzellen - rund 70 Milliarden. Genau wie das Großhirn verfügt auch das Kleinhirn über eine Hirnrinde und ist in eine rechte und eine linke Hälfte geteilt.
Die Hauptaufgabe des Kleinhirns besteht darin, Bewegungsabläufe zu steuern und zu koordinieren. Es sorgt für unser Gleichgewicht und die Aufrechterhaltung der Körperhaltung. Jede Bewegung unseres Körpers wird vom Kleinhirn blitzschnell analysiert. Es ist vor allem für das Gleichgewicht und die Steuerung von erlernten Bewegungsabläufen verantwortlich.
Das Zwischenhirn (Diencephalon)
Das Zwischenhirn enthält den Thalamus, den Hypothalamus und die Zirbeldrüse. Es filtert eingehende Informationen, bevor es sie an das Großhirn weiterleitet.
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- Thalamus: Beinhaltet graue Substanz und ist für die Sammlung von Sinneswahrnehmungen zuständig, die er an den Parietallappen des Großhirns weiterleitet. Er ist die wichtigste Schaltstation für Informationen aus den Sinnesorganen. Äußere Sinneseindrücke wie Sehen, Hören oder Tasten gehen hier ein, werden verarbeitet und bewertet.
- Hypothalamus: Steuert den Hormonhaushalt und agiert als Brücke zwischen Hormon- und Nervensystem. Er übernimmt die Steuerung von Funktionen wie Schlaf-Wach-Rhythmus, Körpertemperatur und Sexualverhalten. Der Hypothalamus ist mit der Hypophyse verbunden, die die Ausschüttung von Hormonen im Körper reguliert. Er reguliert zahlreiche automatische Vorgänge im Körper, wie die Körpertemperatur, Wasser- und Salz-Haushalt oder auch die Magen-Darm-Funktion, und ist am Entstehen des Durst-, Hunger- und Sättigungs-Gefühls beteiligt.
- Hypophyse: Die Hormondrüse am Gehirn.
Der Hirnstamm (Truncus cerebri)
Der Hirnstamm dient als Verbindung zwischen Rückenmark und Großhirn. Er besteht aus dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata) und ist für eine Vielzahl überlebenswichtiger Funktionen zuständig. Er koordiniert automatische Abläufe wie die Atmung und den Herzschlag und kontrolliert Reflexe wie Husten, Harndrang, Erbrechen und Schlucken.
- Mittelhirn (Mesencephalon): Kleinster Abschnitt des Gehirns.
- Brücke (Pons): Beinhaltet Zentren zur Kontrolle lebenswichtiger Funktionen wie Atmung und Herz-Kreislauf-System und ist an der Koordination der Augenbewegung und dem Gleichgewicht beteiligt.
- Verlängertes Mark (Medulla oblongata): Beinhaltet die Zentren für lebenswichtige Funktionen wie Herzschlag, Atmung, Blutdruck und Schlucken.
Wie funktioniert das Gehirn?
Über die Synapsen tauschen die Gehirnzellen im Kopf untereinander Informationen aus. Synapsen sind die Kontaktstellen zwischen den Neuronen, an denen Neurotransmitter (chemische Botenstoffe) die Informationen übertragen. Man geht von rund 100 Milliarden Synapsen im menschlichen Gehirn aus. Statistisch wäre somit jedes Neuron mit 1.000 anderen verbunden und von jedem anderen Neuron aus in nur vier Schritten zu erreichen.
Nicht nur die Neuronen sind an der Weitergabe von Informationen beteiligt, auch die sie umgebenden Gliazellen spielen hierbei eine wichtige Rolle, indem sie Nährstoffe bereitstellen und verschüttete Neurotransmitter absorbieren. Rund die Hälfte der gesamten Hirnmasse besteht aus Gliazellen.
Lateralisation
Bei der Gehirnfunktion spielt die Lateralisation eine wichtige Rolle. Dies bedeutet, dass bestimmte Prozesse bevorzugt in einer der beiden Gehirnhälften des Organismus stattfinden. So ist beispielsweise die linke Gehirnhälfte bei der Sprachproduktion sowie beim Lösen mathematischer Aufgaben ausschlaggebend, während die rechte Gehirnhälfte bei der räumlichen Wahrnehmung und der Gesichtserkennung dominiert. Die rechte Gehirnhälfte steuert die linke Körperseite, die linke Hälfte ist für die rechte Seite zuständig.
Blutversorgung des Gehirns
Das Gehirn muss ständig mit genügend Sauerstoff, Glukose und weiteren Nährstoffen versorgt werden und ist deshalb besonders gut durchblutet. Die vordere Hirnarterie (Arteria cerebri anterior) versorgt das Gewebe hinter der Stirn und im Bereich des Scheitels, während die mittlere Hirnarterie (Arteria cerebri media) für die Seite und weiter innen liegende Gehirnbereiche wichtig ist. Die hintere Hirnarterie (Arteria cerebri posterior) versorgt den Hinterkopf und den unteren Bereich des Gehirns sowie das Kleinhirn.
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Die feinsten Aufzweigungen (Kapillaren) der Hirnarterien geben Sauerstoff und Nährstoffe aus dem Blut an die Gehirnzellen ab, sind aber für andere Stoffe weniger durchlässig als vergleichbare Blutgefäße im übrigen Körper. Diese Eigenschaft wird als "Blut-Hirn-Schranke" bezeichnet und schützt das empfindliche Gehirn vor im Blut gelösten Schadstoffen.
"Verbrauchtes" - also sauerstoffarmes - Blut wird über die Gehirnvenen abtransportiert, die es in größere Blutgefäße, die sogenannten Sinusse, leiten.
Energieverbrauch und Gehirnkapazität
Der Energieverbrauch des Gehirns ist enorm hoch. Fast ein Viertel des Gesamtenergiebedarfs des Körpers entfällt auf das Gehirn. Die Glukosemenge, die täglich mit der Nahrung aufgenommen wird, wird bis zu zwei Drittel vom Gehirn beansprucht.
Die Gehirnkapazität ist deutlich größer als die, die wir im Alltag tatsächlich nutzen. Das bedeutet, dass ein Großteil unserer Gehirnkapazität ungenutzt ist.
Gedächtnis
Eine sehr wichtige Funktion des Gehirns ist das Gedächtnis, das in Ultrakurzzeit-, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis unterteilt wird:
- Ultrakurzzeitgedächtnis: Filtert und speichert Sinneseindrücke (z.B. Weg und Umgebung kennen, obwohl man kurz die Augen schließt). Die Speicherdauer beträgt 0,5 bis 2 Sekunden.
- Kurzzeitgedächtnis: Filtert, was ins Langzeitgedächtnis kommt. Es hat eine geringe Speicherkapazität und die Wahl zwischen Vergessen und Langzeitgedächtnis. Die Speicherdauer beträgt 20 Sekunden bis 1 Stunde.
- Langzeitgedächtnis: Hat eine kurze Abrufdauer und unbegrenzte Speicherkapazität. Die Speicherdauer beträgt über 1 Stunde (unbegrenzt).
Die synaptische Plastizität, die Fähigkeit, Signale zur Übertragung von Informationen zwischen zwei Nervenzellen variieren zu können, gilt als Grundlage von Gedächtnis und Lernen. Bei der Übertragung von Informationen kann die Synapse mehr oder weniger Botenstoffe ausschütten, um die Stärke der Signale zu regulieren. Im erwachsenen Gehirn werden fortlaufend neue Synapsen gebildet.
Erkrankungen des Gehirns
Das Gehirn ist zwar durch die Schädelknochen geschützt, aufgrund seiner Empfindlichkeit jedoch auch sehr anfällig für Erkrankungen.
- Schlaganfall: Ist die am häufigsten auftretende Erkrankung des Gehirns. Er entsteht dadurch, dass eine Region des Gehirns durch den Verschluss eines Hirngefäßes nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgt werden kann.
- Gehirnerschütterung: Die leichteste Form der Gehirnerkrankung.
- Parkinson: Entsteht dadurch, dass bestimmte Hirnzellen im Gehirn absterben. Es kommt zu einer verminderten Ausschüttung des Botenstoffes Dopamin, was zu einer Störung der Motorik führt.
- Demenz: Eine Verminderung der kognitiven Leistungen, die durch Veränderungen im Gehirn entsteht. Am weitesten verbreitet ist die Alzheimer-Krankheit.
- Gehirntumore: Können in jedem Alter auftreten und gut- oder bösartig sein.