Das schöpferische Gehirn: Eine Spurensuche nach den neuronalen Grundlagen der Kreativität

Die Kulturgeschichte des Menschen ist untrennbar mit Kreativität verbunden - mit großen Gedanken und genialen Neuerungen, die aus dem Geiste sprudelnder Gehirne entspringen. Die Neurowissenschaften haben sich in den letzten Jahren intensiv damit beschäftigt, die neuronalen Grundlagen dieser menschlichen Fähigkeit zu ergründen. Was geht in Gehirnen vor, wenn sie neue Ideen hervorbringen und verwirklichen? Dieser Artikel beleuchtet die faszinierende Forschungsrichtung der neurobiologischen Kreativitätsforschung und gibt Einblicke in die Funktionsweise des schöpferischen Gehirns.

Kreativität definieren

Was bedeutet es eigentlich, kreativ zu sein? Eine Leistung gilt als kreativ, wenn sie neuartig und angemessen ist, also sinnvoll auf die jeweilige Situation reagiert. Kreativität ist eine wertvolle Fähigkeit und eine wichtige Voraussetzung für neue Ideen, aus denen Innovationen entstehen können.

Um Kreativität zu testen, wurde eine Reihe von Tests entwickelt. Ein Beispiel ist der „Unusual Use“-Test (Ungewöhnlicher-Gebrauch-Test): Dem Probanden wird ein Gegenstand vorgesetzt, und er muss notieren, was man damit machen kann. Je ungewöhnlicher seine Einfälle, desto mehr Punkte bekommt er.

Die Suche nach der Kreativität im Gehirn

Die Suche nach der Kreativität im Gehirn gleicht einer spannenden Spurensuche. Lange Zeit rankten sich Mythen um die Entstehung kreativer Ideen. In der Antike glaubte man, künstlerische Inspiration stamme von den Göttern. Mittlerweile untersuchen Psychologen und Neurowissenschaftler, was im kreativen Kopf vor sich geht.

Die Rolle des Default Mode Network (DMN)

Jüngste Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass das sogenannte Ruhezustandsnetzwerk (Default Mode Network, DMN) eine wichtige Rolle beim kreativen Denken spielt. Dieses Netzwerk verbindet verschiedene Nervenzellen in unterschiedlichen Arealen der Hirnrinde und ist unter anderem beim Nichtstun, Meditieren und Tagträumen aktiv, während unser Gehirn keine spezifische Aufgabe zu lösen hat.

Lesen Sie auch: Faszination Nesseltiere: Wie sie ohne Gehirn leben

Eine Studie mit Patienten, denen Elektroden implantiert wurden, zeigte, dass das DMN in den ersten Millisekunden aktiv war, als die Patienten versuchten, kreativ zu denken. Wurden Teile dieses Netzwerks vorübergehend gedämpft, präsentierten die Testpersonen weniger originelle Einsatzmöglichkeiten für Alltagsgegenstände.

Zusammenspiel beider Hirnhälften

Entgegen der Vorstellung, dass die linke Hirnhälfte für analytisches und rationales Denken zuständig ist, während die rechte Hirnhälfte für Kreativität zuständig ist, zeigen Studien, dass Kreativität beide Hirnhälften in Anspruch nimmt. Eine Studie, bei der Probanden Formen zu Gesichtern zusammensetzen sollten, zeigte, dass sowohl die rechte als auch die linke Hirnhälfte stärker aktiviert waren als bei einer nicht-kreativen Aufgabe.

Der präfrontale Cortex als Schaltzentrale

Der präfrontale Cortex im Stirnhirn scheint eine zentrale Rolle bei der Kreativität zu spielen. Er ist an vielen höheren geistigen Prozessen beteiligt und ermöglicht die flexible Verknüpfung verschiedener Hirnareale. Allerdings ist die genaue Rolle des präfrontalen Cortex noch nicht vollständig geklärt. Eine Studie mit Jazzmusikern zeigte beispielsweise, dass der dorsolaterale präfrontale Cortex seine Aktivität herunterfuhr, als die Musiker improvisierten. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Abschaltung von Kontrollimpulsen den freien Fluss der Ideen fördert.

Die kreative Persönlichkeit

Was zeichnet kreative Menschen aus? Die Forschung hat festgestellt, dass kreative Menschen besonders intelligent und offen für neue Erfahrungen sind. Sie sind unkonventionell, autonom und zweifeln eher an Normen. Gleichzeitig sind sie aber auch impulsiver und feindseliger.

Intelligenz und Kreativität

Obwohl Intelligenz eine wichtige Voraussetzung für Kreativität zu sein scheint, ist sie nicht der alleinige Faktor. Eine hohe Intelligenz scheint für einen großen Erfindungsreichtum zwar notwendig, aber nicht hinreichend zu sein.

Lesen Sie auch: Lesen Sie mehr über die neuesten Fortschritte in der Neurowissenschaft.

Der Schöpfungsdrang

Kreativität besteht zu einem bedeutenden Teil im Gestaltungswillen. Kreative Leistungen brauchen eine möglichst breite Infobasis. Hier ist der präfrontale Cortex (beim Einbezug emotionaler Signale des Körpers besonders das untere Stirnhirn) bedeutend, der die hohe Konnektivität von Hirnarealen gewährleistet. Aber um sich nicht in Details zu verlieren, muss bei kreativen Menschen die Fähigkeit ausgeprägt sein, wieder zur Fokussierung zu wechseln (seitliches Stirnhirn).

Kreativität fördern

Wie kann man die eigene Kreativität entwickeln? Kreative Menschen sind neugierig und suchen kontinuierlich nach einer Herausforderung ihrer Denkgewohnheiten, um dann zu neuen Einsichten befähigt zu werden. Die Einsicht entsteht aus der Konzentration auf die inneren Bilder, das Gehirn braucht Zeit und Ruhe (Infostopp), um sich mit der Menge angehäufter Kenntnisse befassen zu können und diese zu einer überraschenden neuen Einsicht zu verknüpfen.

Divergentes Denken

Eine wichtige Fähigkeit für kreatives Denken ist das divergente Denken. Es produziert eher spontan und experimentell verschiedene Antworten auf ein Problem ohne eindeutige Lösung. Psychologen fragen Probanden beispielsweise, wie man einen Autoreifen alternativ verwenden könnte. Der Erfindungsreichtum bemisst sich dann unter anderem danach, wie viele Ideen jemand produziert und wie originell diese sind.

Starre Denkgewohnheiten aufbrechen

Um neue Einsichten zu gewinnen, ist es wichtig, starre Denkgewohnheiten aufzubrechen. Kreative Menschen sind neugierig und suchen kontinuierlich nach einer Herausforderung ihrer Denkgewohnheiten.

Lesen Sie auch: Tinnitus und Gehirnaktivität: Ein detaillierter Einblick

tags: #das #schöpferische #gehirn #funktion