Das weibliche Gehirn: Forschung, Unterschiede und Schutzmaßnahmen

Eine wachsende Zahl von Studien befasst sich mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden im Gehirn und deren Auswirkungen auf die Gesundheit, insbesondere im Hinblick auf neurologische Erkrankungen wie Alzheimer. Dieser Artikel beleuchtet die Erkenntnisse der Neurowissenschaftlerin Lisa Mosconi und anderer Forscher, um ein umfassendes Bild des weiblichen Gehirns, seiner Anfälligkeiten und präventiven Maßnahmen zu zeichnen.

Einleitung

Alzheimer ist längst mehr als eine Alterskrankheit. Immer deutlicher zeigt sich: Geschlechtsspezifische Faktoren spielen eine entscheidende Rolle. Frauen sind unverhältnismäßig stark von Alzheimer betroffen, was die Notwendigkeit unterstreicht, die besonderen biologischen Prozesse und Risikofaktoren zu verstehen, die das weibliche Gehirn beeinflussen. Dieser Artikel untersucht die neurophysiologischen Grundlagen, die Veränderungen in der Perimenopause und die Faktoren, die das Risiko für Alzheimer bei Frauen erhöhen.

Geschlechtsspezifische Unterschiede im Gehirn

Obwohl die Gehirne von Männern und Frauen in ihrer Struktur identisch sind, gibt es dennoch wichtige Unterschiede in der Art, wie Nervenzellen verknüpft sind und im Stoffwechsel. Diese Unterschiede können Frauen anfälliger für bestimmte Krankheiten machen.Die Neurologin Prof. Lisa Mosconi forscht dazu und erklärt, wie Frauen das starke, aber verletzliche Hirn resistenter machen können.

Die Rolle von Östrogen

Eine Schlüsselrolle spielt das weibliche Sexualhormon Östradiol, die wirksamste Form des Östrogens. Mit dem Rückgang von Östradiol verändert sich der Glukosemetabolismus, das Gehirn kann seine wichtigste Energiequelle nicht mehr wie gewohnt nutzen. Dieser Prozess kann zu Konzentrationsproblemen, Wortfindungsstörungen und dem Gefühl von "Brain Fog" führen.

Die Menopause und ihre Auswirkungen

Die Menopause, die Übergangsphase im Leben einer Frau, in der die Menstruation endet, bringt hormonelle Veränderungen mit sich, insbesondere einen Abfall des Östrogenspiegels. Dies kann tiefgreifende Auswirkungen auf das Gehirn haben, insbesondere auf Regionen wie den Hippocampus und den präfrontalen Kortex, die für Gedächtnis, Sprache und Entscheidungsfindung wichtig sind.

Lesen Sie auch: Stereotypen und das weibliche Gehirn

Mosconi beschreibt die Veränderungen in der Perimenopause als eine Art Energiekrise im Gehirn.

Alzheimer und das weibliche Gehirn

Frauen erkranken deutlich häufiger an Alzheimer als Männer. So sind ca. zwei Drittel der 1,2 Millionen in Deutschland Erkrankten weiblich. Zwei Drittel aller Alzheimerpatienten sind Frauen. Das Risiko einer Frau, in ihren Sechzigern Alzheimer zu bekommen und daran zu sterben, ist doppelt so hoch wie das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken.

Erklärungen für die höhere Anfälligkeit

Die höhere Lebenserwartung von Frauen wurde lange als Erklärung für die höhere Alzheimer-Rate angeführt. Allerdings greift diese Annahme zu kurz, da die Unterschiede in der Lebenserwartung schrumpfen und das Erkrankungsrisiko hoch bleibt. Stattdessen spielen biologische, hormonelle und strukturelle Faktoren eine entscheidende Rolle. Das Frausein an sich ist also ein Risikofaktor.

C3-Protein und Alzheimer

Forscher der chinesischen Changchun Universität identifizierten ein bestimmtes mutiertes Protein, das um ein Vielfaches mehr bei Frauen als bei Männern vorhanden war. Das Protein, um das es geht, heißt schlicht C3. Es hat eigentlich die Aufgabe am intakten Immunsystem mitzuwirken und etwa schädliche Erreger auszumachen. Die Rolle von C3 bei der Entwicklung von Alzheimer ist in der Forschung bereits bekannt. Neu sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede. So war im Vergleich zu weiblichen Nicht-Alzheimer-Gehirnen ein 34,2-facher Anstieg des mutierten Proteins in weiblichen Alzheimer-Gehirnen zu verzeichnen.

Kompensationsmechanismen im weiblichen Gehirn

Merkwürdigerweise ist das Gegenteil der Fall: Bei kognitiven Tests schneiden Frauen besser ab als Männer. Auch unter Alzheimerpatienten: Bei gleichem Alter, gleicher Diagnose, gleicher Symptomatik sind Frauen bei den üblichen Tests von Erinnerung, Sprache, Aufmerksamkeit besser als Männer. Es scheint im weiblichen Hirn eine besondere Art von Kompensationsfähigkeit zu geben, zumindest bis zu einem gewissen Punkt.

Lesen Sie auch: Forschungsfeld: Das weibliche Gehirn

Präventive Maßnahmen für die Gehirngesundheit von Frauen

Obwohl das Frausein an sich ein Risikofaktor für Alzheimer ist, gibt es viele Dinge, die Frauen tun können, um ihre Gehirngesundheit zu schützen und das Risiko einer Erkrankung zu verringern.

Ernährung

Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend für die Gehirngesundheit. Mosconi empfiehlt eine Ernährung, die reich an Ballaststoffen, Antioxidantien und Phytoöstrogenen ist. Ballaststoffe und Phytoöstrogene sollen ausgleichend auf den Östrogenspiegel wirken. Antioxidantien bekämpfen freie Radikale und verlangsamen so den körperlichen Alterungsprozess. Es ist ratsam, auf industriell verarbeitete Lebensmittel zu verzichten, die oft schädliche Transfette und Chemikalien enthalten.

Bewegung

Regelmäßige körperliche Aktivität, insbesondere aerobes Training, fördert die Durchblutung und versorgt das Gehirn mit Sauerstoff und Nährstoffen. Sport stärkt auch das Immunsystem und hilft dem Gehirn, sich gegen Krankheiten wie Alzheimer zu wehren. Studien belegen, dass schon vier Stunden Sport die Woche das spätere Demenzrisiko um 35 Prozent verringern können.

Stressmanagement

Stress kann das weibliche Gehirn anders beeinflussen als das männliche. Es ist wichtig, individuelle Wege zu finden, Stress abzubauen, um das Gehirn vor kognitiven Schäden zu schützen. Entspannungstechniken wie Digital Detox, Atemübungen und Meditation sowie Zeit mit Freunden und Familie können helfen, Stress abzubauen und das Demenzrisiko zu reduzieren.

Schlaf

Ausreichend Schlaf ist essenziell für die Gesundheit des Gehirns. In der Tiefschlafphase wird neurotoxisches Beta-Amyloid abgebaut, aus dem Alzheimer-Plaques bestehen. Es ist wichtig, alles zu tun, um den eigenen Schlaf zu verbessern.

Lesen Sie auch: Geschlechterunterschiede im Gehirn

Geistige Aktivität

Geistige Aktivität, wie tägliches Zeitungslesen, soziale Aktivitäten und das Erlernen neuer Fähigkeiten, stärkt die Verbindungen zwischen den Zellen im Gehirn und hält es fit.

Hormonersatztherapie: Eine mögliche Option?

Alle klinischen Studien zu Hormonersatztherapien zeigen, dass sie zu Beginn der Wechseljahre die typischen Beschwerden mildern können. Aber können sie auch das Demenzrisiko senken? Wir brauchen viel mehr Studien, um das herauszufinden. Nur so viel ist sicher: Das Gehirn ist ein System. In mittleren Lebensjahren verändert sich dieses System durch das Absinken des Östrogenspiegels. Dieses System spricht mit wachsendem Alter kaum auf die Hormongabe von außen an.

tags: #das #weibliche #gehirn #mosconi #studien