Neurodegenerative Erkrankungen stellen eine wachsende Herausforderung für die moderne Medizin dar. Sie sind eng mit dem Alterungsprozess verbunden und beeinträchtigen zunehmend die Lebensqualität vieler Menschen. In Deutschland sind bereits heute schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen von Demenz betroffen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Symptome und Therapiemöglichkeiten degenerativer Veränderungen im Gehirn, um ein umfassendes Verständnis dieser komplexen Erkrankungen zu ermöglichen.
Was sind neurodegenerative Erkrankungen?
Neurodegenerative Erkrankungen umfassen eine Vielzahl von Krankheitsbildern, bei denen Nervenzellen im Gehirn fortschreitend absterben. Dieser Prozess, die Neurodegeneration, führt zum Verlust von Funktionen in bestimmten Hirnbereichen, was sich in motorischen oder mentalen Beeinträchtigungen äußert. Zu den bekanntesten neurodegenerativen Erkrankungen gehören Demenz, Alzheimer, Parkinson, Chorea Huntington und Amyotrophe Lateralsklerose (ALS).
Die Ursachen für das Absterben der Nervenzellen sind vielfältig und oft nur teilweise bekannt. Genetische Faktoren, die Zusammenlagerung von Eiweißstoffen in den Nervenzellen, Immunprozesse und Umweltfaktoren können eine Rolle spielen. Charakteristisch für neurodegenerative Erkrankungen ist, dass meist nicht das gesamte Gehirn betroffen ist, sondern spezifische Bereiche oder Zelltypen.
Häufige neurologische Erkrankungen
Neurologische Erkrankungen umfassen Störungen bzw. Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks sowie der peripheren Nerven. Die Ursachen bzw. die Pathogenese, die neurologischen Erkrankungen zugrunde liegen, sind zahlreich und teilweise noch nicht vollständig aufgeklärt. Entsprechend der vielfältigen Körperfunktionen, die das Nervensystem steuert, können die Symptome von neurologischen Erkrankungen sehr unterschiedlich sein. Zu den neurologischen Erkrankungen gehören:
- Durchblutungsstörungen des Gehirns
- Autoimmunerkrankungen
- Neurodegenerative Erkrankungen
- Funktionsstörungen der hirnelektrischen Aktivität
- Erkrankungen der peripheren Nerven
- Schlaferkrankungen
- Infektionskrankheiten
- Verletzungen
- Tumorerkrankungen
- Psychiatrische Erkrankungen mit neurologischer Ursache
Ursachen neurodegenerativer Veränderungen
Die Ursachen neurodegenerativer Erkrankungen sind vielfältig und komplex. Während einige Erkrankungen wie Chorea Huntington ausschließlich genetisch bedingt sind, spielen bei anderen Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson verschiedene Faktoren eine Rolle.
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- Genetische Veranlagung: Eine genetische Veranlagung ist ein Risikofaktor für neurodegenerative Erkrankungen. Personen mit neurodegenerativen Erkrankungen in der Familie haben ein erhöhtes Risiko, selbst zu erkranken. Bei Chorea Huntington ist die Erkrankung ausschließlich erblich bedingt.
- Zusammenlagerung von Eiweißstoffen: Bei bestimmten Formen der Parkinson-Erkrankung oder der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung kommt es als Folge einer genetischen Besonderheit zu einer Zusammenlagerung von Eiweißstoffen in den Nervenzellen des Gehirns. Diese Aggregate beeinträchtigen die Funktion der Zellen und führen schließlich zu ihrem Tod.
- Immunprozesse: Neuere wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass auch unser Immunsystem Auswirkungen auf die Entstehung und den Verlauf neurodegenerativer Erkrankungen haben kann. Immunzellen, die den Körper eigentlich schützen sollen, könnten im Gehirn Schäden anrichten und so beispielsweise die Alzheimer-Krankheit antreiben.
- Alterungsprozesse: Im Alter gehen oft Nervenzellen und Zellfunktionen verloren. Da sie eng mit den Alterungsprozessen verbunden sind, gelten neurodegenerative Erkrankungen daher als wichtige medizinische Herausforderung der kommenden Jahrzehnte. Mit der allseits steigenden Lebenserwartung steigt auch das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen im Alter. Das gilt vor allem für die am häufigsten verbreitete Alzheimer-Demenz.
- Weitere zelluläre Mechanismen: Störungen der Proteinhomöostase (Amyloid- und Tau-Ablagerungen bei Alzheimer, Synuclein bei Parkinson und Huntingtin bei Chorea Huntington), Mutationen in Hitzeschockproteinen und Chaperonen, erhöhter oxidativer Stress, Störungen der Mitochondrien oder des intrazellulären Transports und Entzündungsreaktionen tragen zur Zellschädigung bei.
- Risikofaktoren: Schwerhörigkeit, Schlafmittel, Säureblocker, Vitamin-D-Mangel, Stress, instabile Persönlichkeit, Einsamkeit, Diabetes, Bluthochdruck, Rauchen, Luftverschmutzung, Gewicht und Depressionen können das Demenzrisiko erhöhen.
Symptome neurodegenerativer Veränderungen
Die Symptome neurodegenerativer Erkrankungen sind vielfältig und hängen davon ab, welche Bereiche des Gehirns betroffen sind. Da unterschiedlichen Bereiche des Gehirns für unterschiedliche Prozesse im Gehirn und Körper zuständig sind, können die Ausfallerscheinungen sowohl körperlich als auch mental sein.
- Demenz und Alzheimer: Bei der frontotemporalen Demenz treten schon im frühen Stadium Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen auf. Bei Alzheimer sind vor allem das Gedächtnis und die Orientierung gestört. Die ersten Anzeichen treten üblicherweise im Alter zwischen 50 und 60 Jahren auf. Wichtige Teile der Großhirnrinde werden nach und nach zerstört. Die Folge sind Gedächtnisschwund, Sprachstörungen und motorische Störungen.
- Parkinson: Bei Parkinson, Chorea Huntington und ALS ist vor allem die Motorik betroffen. Ein Zittern im Ruhezustand gehört zu den typischen Symptomen der Parkinson-Krankheit. Bei den meisten Menschen treten die ersten Anzeichen ab dem 50. Lebensjahr auf. Die Bewegungen verlangsamen sich, die Extremitäten werden steif und die Muskeln zittern im Ruhezustand vor allem in den Händen.
- Chorea Huntington: Die Betroffenen zeigen ausladende Bewegungen, die wie ein Tanz wirken können. Da viele Hirnbereiche an mehr als nur einer Aufgabe beteiligt sind, verändert sich bei der Huntington-Krankheit oft auch das Sozialverhalten der Betroffenen.
- ALS: Das Gehirn kann die Muskulatur nicht mehr ansteuern. Das führt zu Lähmungen, die im fortgeschrittenen Stadium auch die Atemmuskulatur betreffen können und zum Tode führen. ALS tritt üblicherweise zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf.
- Vaskuläre Demenz: Bei vaskulärer Demenz können zu Beginn vor allem Probleme mit Aufmerksamkeit, verlangsamtem Denken sowie Persönlichkeitsveränderungen auftreten. Dazu können Gangstörungen oder Kontrollverluste der Blase sowie Probleme mit der Sprache kommen. Auch Gedächtnisstörungen können auftreten, stehen aber zu Beginn nicht immer im Vordergrund. Je nach Ursache können die Symptome plötzlich, schleichend oder schrittweise auftreten. Dazwischen kann es auch längere stabile Phasen geben.
Diagnose neurodegenerativer Veränderungen
Die Diagnose neurodegenerativer Erkrankungen ist oft komplex und erfordert eine sorgfältige Anamnese, neurologische Untersuchungen und bildgebende Verfahren. Spezialisierte Ärztinnen und Ärzte können anhand der Symptome erkennen, um welches neurodegenerative Störungsbild es sich handeln könnte. In allen Fällen sind weitere Tests nötig.
- Anamnese: Am Anfang der Diagnostik steht das ärztliche Gespräch über die persönliche Krankengeschichte. Besonders wichtig sind dabei frühere oder aktuelle Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Hirngefäße, Bluthochdruck und Diabetes. Die Ärztin oder der Arzt erkundigt sich nach Beschwerden und Problemen im Alltag, nach Stimmungsschwankungen sowie nach den Lebensumständen.
- Körperliche Untersuchung: Nach dem Gespräch folgt eine körperliche Untersuchung, um festzustellen, ob Durchblutungsstörungen vorliegen. Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.
- Bildgebende Verfahren: Bildgebende Verfahren wie ein MRT des Gehirns können schon in früheren Phasen anzeigen, in welchen Bereichen die Nervenzellen verloren gehen. Bei Parkinson beginnt der Verfall der Nervenzellen im Mittelhirn. Bei Alzheimer ist der Hippocampus betroffen.
- Psychologische Tests: Zusätzlich kommen bei den unterschiedlichen Formen der Demenz psychologischen Tests, neurologischen Untersuchungen und Bluttests zum Einsatz. Medizinische Demenztests dienen der Beurteilung der geistigen Leistungsfähigkeit. Dabei werden bestimmte geistige Leistungsbereiche, wie Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit getestet.
MRT bei neurodegenerativen Erkrankungen
Die Magnetresonanztomographie (MRT) spielt eine wichtige Rolle bei der Diagnose und Beurteilung neurodegenerativer Erkrankungen. Sie ermöglicht eine hoch aufgelöste Darstellung von Weichgewebe und kann Veränderungen in der Anatomie des Gehirns sichtbar machen.
- Strukturelle Bildgebung: Die strukturelle Bildgebung mittels MRT konzentriert sich auf die anatomische Darstellung des Gehirns, um Veränderungen zu erkennen, die durch neurodegenerative Erkrankungen hervorgerufen werden. Die Radiologie wendet in diesem Zusammenhang Untersuchungsmethoden an, mit denen sich beispielsweise die pathologischen Volumenänderungen bestimmter Gehirnregionen präzise darstellen und beurteilen lassen.
- Funktionelle Bildgebung: Mithilfe der funktionellen MRT-Bildgebung lässt sich die Aktivität des Gehirns sichtbar machen. Auf diese Weise kann die Medizin krankheitsspezifische Veränderungen innerhalb der neuronalen Netzwerke erkennen und analysieren.
- Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI): Die Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI) ist eine spezielle Form der diffusionsgewichteten MRT und bestimmt die Diffusion von Wassermolekülen im Gewebe. Mit deren Hilfe lassen sich detaillierte Informationen zur Integrität der weißen Substanz gewinnen.
Therapie neurodegenerativer Veränderungen
Bisher ist keine Heilung für neurodegenerative Erkrankungen möglich. Eine Therapie kann die Ursache also nicht beheben. Es ist aber möglich, den Verlauf der meisten Erkrankung zu verlangsamen oder die Symptome zu lindern, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
- Medikamentöse Therapie: So wird beispielsweise bei Parkinson eine Form von Dopamin als Medikament verabreicht, um den Dopaminverlust auszugleichen. Auch bei Alzheimer lindern Medikament die Symptome. Bei der vaskulären Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt. So kann weiteren Schlaganfällen vorgebeugt werden. Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker können ebenfalls medikamentös behandelt werden.
- Nicht-medikamentöse Therapie: Darüber hinaus hilft den Betroffenen unter anderem eine Psychotherapie für einen besseren Umgang mit der Erkrankung sowie Physiotherapie für eine bessere Mobilität. Behandlungsmöglichkeiten wie Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und somit die Lebensqualität der Patientin oder des Patienten zu verbessern. Auch Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik können Betroffenen helfen. Vaskuläre Demenz kann mit Gesprächen (kognitive Stimulation) oder Erinnerungsarbeit (autobiographische Arbeit) behandelt werden. Körperliche Betätigung oder Kunsttherapie können geeignete Behandlungsmethoden darstellen.
- Forschung: Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und viele weitere Einrichtungen in Deutschland und weltweit forschen an den Ursachen, um irgendwann vielleicht eine Möglichkeit zu finden, neurodegenerative Krankheiten zu heilen.
Prävention neurodegenerativer Veränderungen
Obwohl neurodegenerative Erkrankungen nicht vollständig verhindert werden können, gibt es Möglichkeiten, das Risiko zu reduzieren und den Verlauf zu verlangsamen.
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- Gesunder Lebensstil: Keine Zigaretten, kein Alkohol, eine gesunde Ernährung, Normalgewicht und Bewegung - diese fünf Lebensstilregeln stärken nicht nur die körperliche, sondern auch die geistige Gesundheit.
- Behandlung von Risikofaktoren: Bluthochdruck, erhöhter Cholesterinspiegel und erhöhter Blutzucker sollten behandelt werden, um das Risiko für vaskuläre Demenz zu senken.
- Soziale Kontakte: Wer einsam ist, leidet darunter, dass er alleine ist. Genau dieses Gefühl ist offenbar auch ein Risikofaktor für eine Demenz. Hier hilft rechtzeitiges Gegensteuern, zum Beispiel, indem man versucht, sein soziales Netz zu festigen und auszubauen.
- Hörgeräte: Schwerhörigkeit nicht auf die leichte Schulter nehmen und lieber früh auf ein Hörgerät setzen.
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