Die COVID-19-Pandemie hat Alten- und Pflegeheime in Deutschland und weltweit massiv getroffen und die vorhandenen Schwächen im System offenbart. Studien zeigen, dass die Sterblichkeit unter Pflegeheimbewohnern während der Pandemie deutlich erhöht war, insbesondere bei denjenigen, die aufgrund von COVID-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Gleichzeitig hatten die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, wie Besuchsverbote und Isolation, erhebliche negative Auswirkungen auf die psychische und physische Gesundheit der Bewohner.
Mortalität von Pflegeheimbewohnern mit COVID-19
Eine Analyse von Routinedaten aller AOK-versicherten Pflegeheimbewohner über 60 Jahren (N = 531.533) im Projekt „COVID-Heim“ ergab, dass die 90-Tage-Mortalität aller Pflegeheimbewohner mit einem stationären COVID-19-Krankenhausaufenthalt bei 58,1 % lag. Die Wellen der Pandemie unterschieden sich deutlich voneinander, wobei in der zweiten Welle das höchste Sterberisiko (59,3 %) vorlag, während es in der ersten und dritten Welle mit 53,3 % bzw. 51,6 % geringer war. Im Vergleich dazu lag die Mortalität in den nach Wellen gepoolten Vergleichsstichproben von Pflegeheimbewohnern mit simulierten Krankenhausfällen deutlich niedriger (1. Welle: 8,2 %; 2. Welle: 9,7 %; 3. Welle: 8,1 %).
Eine multivariate Ereigniszeitanalyse der Pflegeheimbewohner mit COVID-19-assoziiertem Krankenhausfall zeigte, dass diejenigen, die während der zweiten Welle der COVID-19-Pandemie ins Krankenhaus kamen, das höchste Mortalitätsrisiko aufwiesen. Männer hatten gegenüber Frauen ein höheres Risiko zu versterben. Jüngere Pflegeheimbewohner hatten im Gegensatz zu den 80- bis 84-Jährigen ein niedrigeres Risiko, während Ältere ein höheres Risiko aufwiesen. Im Vergleich zum Pflegegrad 3 hatten Pflegeheimbewohner mit niedrigerem Pflegegrad ein verringertes Risiko und mit höherem Pflegegrad ein höheres Risiko. Chronische Niereninsuffizienz, Demenz, hämatoonkologische Erkrankungen mit Therapie, immunsuppressive Therapie und Zustand nach Organtransplantation waren mit einem statistisch signifikant erhöhten Sterberisiko assoziiert.
Diese Befunde bestätigen die hohe Mortalitätsrate von im Krankenhaus behandelten Pflegeheimbewohnern mit COVID-19 und unterstreichen die Bedeutung des Infektionsschutzes für Pflegeheimbewohner mit diesen Risiken.
Auswirkungen der Schutzmaßnahmen auf die Gesundheit der Bewohner
Die COVID-Heim-Studie der Charité Berlin und der AOK untersuchte die Situation in deutschen Altenpflegeeinrichtungen während der Coronapandemie. Dafür wurden Heimleitungen und Mitarbeiter anonym online befragt sowie Krankenkassendaten der AOK einbezogen. Das Ergebnis: Über 90 Prozent des Pflegepersonals bestätigten, dass die Schutzmaßnahmen Folgewirkungen für die Heimbewohner hatten. Am häufigsten wurde Einsamkeit genannt (rund 82 Prozent), aber auch Rückzug, Verwirrung, Aggressionen, Desorientierung sowie Depressionen nahmen zu.
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Die Studienautoren wiesen darauf hin, dass auch die Pflegekräfte ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko hätten, in stationären Einrichtungen sogar sechsmal so hoch. Fehlende Schutzausrüstung trug zusätzlich zu den Problemen bei.
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie hatten deutliche gesundheitliche Folgen für die Pflegebedürftigen, insbesondere psychische Belastungen. Der Versuch, Pflegebedürftige vor Corona zu schützen, habe langfristige Auswirkungen, so Adelheid Kuhlmey.
Die Rolle von Demenz im Kontext von Corona und Isolation
Ältere Menschen wie die Mutter von Susanne Hermanns haben ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf bei einer Corona-Infektion: Deshalb sollen sie vor einer Ansteckung möglichst gut geschützt werden - auch in stationären Pflegeeinrichtungen. Das galt insbesondere, als es noch keine Impfung gab.
In dieser Gruppe sind viele Menschen an Demenz erkrankt. Für sie sind Schutzregeln wie etwa Abstandhalten meist nicht nachvollziehbar. Und gerade Körperkontakt kann bei einer schweren Demenz ein wichtiges Kommunikationsmittel sein.
Angstzustände, Apathie oder sogar Delir - für Demenzpatienten können schon wenige Tage Isolation gravierende Folgen haben. In Alten- und Pflegeheimen stand sie dennoch in der Corona-Zeit auf der Tagesordnung.
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Grundsätzlich bedeute es eine Gefahr, jemanden mit einer Demenz aus dem gewohnten Umfeld herauszureißen und für längere Zeit allein unterzubringen. Die kognitive Leistungsfähigkeit stagniere. Einige Erkrankte würden apathisch, andere entwickelten eine starke Unruhe. Auch ein Delir sei möglich, ein Verwirrungszustand, der über Wochen anhalten kann.
Dementia Care Management als Lösungsansatz
Speziell qualifizierte Pflegefachkräfte mit erweiterten Kompetenzen - sogenannte Dementia Care Manager - können die Versorgung von Menschen mit Demenz, die zu Hause leben, messbar verbessern. Zu diesem Fazit kommt eine Studie des DZNE gemeinsam mit zahlreichen Partnern aus dem Medizin- und Gesundheitsbereich. Die Betreuung durch Dementia Care Manager schloss Versorgungslücken wirksamer als die übliche Routineversorgung und steigerte die Lebensqualität der Betroffenen. Das innovative Versorgungskonzept wurde vom DZNE entwickelt.
Die Aufgaben und Befugnisse dieser speziell geschulten Pflegefachkräfte umfassten damit auch erstmalig „heilkundliche Tätigkeiten“, die sonst ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind. Die Ausbildung beeinhaltete auch eine staatliche Abschlussprüfung. Zu den erweiterten Aufgaben gehörten unter anderem das Verabreichen von Spritzen, die Verordnung von Pflegehilfsmitteln sowie die Versorgung komplexer Wunden. „Durch den erweiterten Kompetenzbereich konnten die Care Manager eine umfassendere Versorgung leisten, als es in der Routineversorgung möglich ist“, so Dr. Anika Rädke, Forscherin am DZNE und Erstautorin der Fachveröffentlichung zur aktuellen Studie.
Das Dementia Care Management konnte Defizite in der Versorgung effizienter beheben als die herkömmliche Vorgehensweise. Es wurde den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz also besser gerecht.
Soziale Beziehungen und Corona-Sorgen im Pflegeheim
Eine repräsentative Befragung von 259 Pflegeheimbewohnern in Österreich untersuchte den Einfluss der sozialen Beziehungen auf die Corona-Sorgen während des ersten Lockdowns und des Sommers 2020. Die Daten verdeutlichen, dass die Lebenswelten der befragten Pflegeheimbewohner im ersten Lockdown und im Sommer 2020 von emotionaler Einsamkeit und Sorgen geprägt waren. Die Mehrheit der Befragten gab an, sich Sorgen über das Virus zu machen und sich emotional einsam zu fühlen.
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Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der emotionalen Einsamkeit und der Corona-Sorge, jedoch nicht zwischen der sozialen Einsamkeit und der Corona-Sorge. Lediglich die emotionale Verbundenheit mit dem sozialen Umfeld hat eine protektive Wirkung gegenüber Corona-Sorgen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Besuchsverbote für Angehörige sich v. a. auf die emotionale Einsamkeit ausgewirkt haben.
Ein intensiver telefonischer und/oder persönlicher Kontakt zu Angehörigen hängt ebenfalls mit höheren Corona-Sorgen zusammen. Dies könnte daran liegen, dass Personen, die sich Sorgen machen, sich auch eher an ihre Angehörigen wenden, um mit diesen Sorgen umgehen zu können.