Die alternde Gesellschaft in Deutschland führt zu einem Anstieg der Pflegebedürftigkeit und einer Zunahme altersbedingter Erkrankungen wie Demenz. Dieser Artikel beleuchtet die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen im Zusammenhang mit Demenz in Deutschland angesichts des demografischen Wandels.
Anstieg der Pflegebedürftigkeit und Demenzerkrankungen
In Deutschland steigt die Zahl der pflegebedürftigen Menschen kontinuierlich an. Im Dezember 2019 waren bereits 4,13 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Im Jahr 2023 wurden 4,89 Millionen Pflegebedürftige zu Hause versorgt, was 86 % aller Pflegebedürftigen entspricht. Das Risiko, pflegebedürftig zu werden, nimmt mit dem Alter deutlich zu.
Schätzungsweise erkranken jährlich über 300.000 Menschen in Deutschland neu an Demenz. Da die Gesellschaft immer älter wird, ist zu erwarten, dass die Fallzahlen weiter steigen werden. Unter der Annahme, dass der Anteil der Betroffenen unter den über 65-Jährigen bis 2060 gleich bleibt, würden die Fallzahlen um etwa 28 Prozent steigen.
Demografischer Wandel und Zunahme altersbedingter Krankheiten
Die steigende Lebenserwartung, unter anderem dank medizinischer Fortschritte, führt auch zu einer Zunahme von Krankheiten, die vor allem ältere Menschen betreffen. Neben Demenz könnten auch andere altersbedingte Krankheiten wie Krebs, koronare Herzkrankheit (KHK) und Schlaganfälle bis 2060 deutlich zunehmen. Hochrechnungen zeigen, dass es in dieser Altersgruppe in vierzig Jahren 29 Prozent mehr Krebsneuerkrankungen, 30 Prozent mehr Klinikfälle aufgrund von KHK und 28 Prozent mehr Schlaganfälle geben könnte als heute.
Prävention und Therapie als Lösungsansätze
Angesichts dieser Prognosen stellt sich die Frage, wie wir möglichst lange möglichst gesund leben können. Prävention spielt dabei eine entscheidende Rolle. So gelten beispielsweise rund 70 Prozent aller Schlaganfälle als vermeidbar, da ein gesunder Lebensstil einen bedeutenden Einfluss auf die Risikofaktoren hat. Auch in der Onkologie gehen Fachleute davon aus, dass bereits heute 30 bis 40 Prozent der Krebsfälle durch Prävention und Früherkennung vermeidbar wären.
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Neben der Prävention liegen Hoffnungen auch auf Fortschritten in der Therapie. In den USA wurde kürzlich das erste krankheitsmodifizierende Arzneimittel zur Behandlung der Alzheimer-Demenz zugelassen.
Anstieg der Krankenhausbehandlungen und Todesfälle aufgrund von Alzheimer
Die Zahl der stationären Krankenhausbehandlungen mit der Diagnose Alzheimer ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen, was auch auf den demografischen Wandel zurückzuführen ist. Im Jahr 2021 wurden rund 18.700 Patientinnen und Patienten wegen Alzheimer in Kliniken stationär behandelt, 82 Prozent mehr als 20 Jahre zuvor. Auch die Zahl der Todesfälle infolge der unheilbaren Demenzerkrankung hat sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt (+94 %). Im Jahr 2021 starben mehr als 9.200 Menschen in Deutschland an Alzheimer.
Der langfristige Anstieg sowohl bei den Behandlungs- als auch bei den Todesfällen ist auch auf den demografischen Wandel, also die Alterung der Bevölkerung in Deutschland, zurückzuführen. So hat beispielsweise die Zahl der Menschen ab 65 Jahren gegenüber 2001 um 31 Prozent auf 18,4 Millionen im Jahr 2021 zugenommen. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, an Alzheimer zu erkranken: 2021 waren rund neun von zehn Patientinnen und Patienten (89 %) 70 Jahre oder älter.
Nationale Demenzstrategie
In Deutschland leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Betroffenen voraussichtlich auf 2,8 Millionen steigen. Um dieser Herausforderung zu begegnen und um die Gesellschaft demenzfreundlich zu gestalten, hat die Bundesregierung die Nationale Demenzstrategie verabschiedet. Die Umsetzung hat am 23. September 2020 begonnen.
Ziel der Strategie ist, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen in Deutschland zu verbessern und ein offenes Klima für den Umgang mit Betroffenen zu schaffen. Dafür enthält die Nationale Demenzstrategie über 160 konkrete Maßnahmen, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen.
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Die Strategie definiert dafür vier Handlungsfelder:
- Strukturen zur gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Demenz an ihrem Lebensort aus- und aufbauen
- Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen unterstützen
- Medizinische und pflegerische Versorgung von Menschen mit Demenz weiterentwickeln
- Exzellente Forschung zu Demenz fördern
Die Umsetzung der Nationalen Demenzstrategie wird von einem breiten gesellschaftlichen Bündnis begleitet. Die Partnerinnen und Partner des Bündnisses sind in unterschiedlichen Lebensbereichen aktiv. Sie setzen sich mit der Initiative "Teamgeist für Menschen mit Demenz" für ein neues Bewusstsein in der Gesellschaft ein.
Aktuelle Zahlen und Prognosen zur Demenz in Deutschland
Nach neuesten Berechnungen leben in Deutschland derzeit rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Die meisten von ihnen sind von der Alzheimer-Krankheit betroffen. Im Laufe des Jahres 2021 sind etwa 440.000 Menschen neu an einer Demenz erkrankt. Infolge der demografischen Veränderungen kommt es zu weitaus mehr Neuerkrankungen als zu Sterbefällen unter den bereits Erkrankten. Aus diesem Grund nimmt die Zahl der Demenzerkrankten kontinuierlich zu. Je nachdem, wie sich die Altersstruktur der Bevölkerung insgesamt entwickelt, wird sich die Zahl der Menschen mit Demenz über 65 Jahren bis zum Jahr 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen erhöhen.
Demenz betrifft auch jüngere Menschen
Zwar tritt Demenz in der großen Mehrheit der Fälle erst im späten Erwachsenenalter auf, jedoch können auch jüngere Menschen erkranken. Schätzungen zufolge leben in Deutschland derzeit mehr als 100.000 Menschen unter 65 Jahren mit Demenz. Dies macht den Bedarf an Unterstützung für jüngere Menschen mit Demenz und ihre Familien noch einmal drängender.
Kosten von Demenz
Die Kosten für Demenz in Deutschland werden für das Jahr 2020 mit rund 83 Milliarden Euro beziffert. Nach Prognosen könnten diese Kosten im Jahr 2040 auf rund 141 Milliarden Euro, im Jahr 2060 auf rund 195 Milliarden Euro anwachsen.
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Todesursache Demenz
Die Zahl der Menschen, die in Deutschland an Demenz sterben, steigt weiter an. Im vergangenen Jahr wurden 61.927 Sterbefälle durch eine Demenzerkrankung registriert, 4,4 Prozent mehr als im Vorjahr 2023 und 23,2 Prozent mehr als im zehnjährigen Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2024. Demenz gehört seit Jahren zu den häufigsten Todesursachen bei Frauen, doch auch bei Männern steigen die Zahlen stetig.
Innovative Versorgungsansätze für Menschen mit Demenz
Da Symptomatik und Schweregrad von Demenzerkrankungen sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können, besteht ein Bedarf an Versorgungsansätzen, welche die individuellen Bedürfnisse der Erkrankten selbst aber auch die Bedürfnisse ihrer pflegenden Angehörigen oder des Pflegepersonals berücksichtigen. Neuartige Versorgungsansätze zeigen vor allem bei den untersuchten Outcomes in Bezug auf Menschen mit Demenz wie beispielsweise ihre Lebensqualität positive Effekte. Insbesondere eine personenzentrierte Pflege, die auf die Bedürfnisse der einzelnen Erkrankten eingeht, sowie Ansätze, die einen normalen Tagesablauf mit Unterstützung durch Angehörige oder Pflegepersonal ermöglichen, können die Lebensqualität von Menschen mit Demenz positiv beeinflussen. Positive Effekte bei den untersuchten Outcomes in Bezug auf pflegende Angehörige zeigen sich für das sogenannte Dementia Care Management.
Formen von Demenz
Es gibt nicht DIE Demenz, sondern tatsächlich viele Formen davon. Demenz ist ein Überbegriff: Diverse Erkrankungen, die sich auf das Gehirn auswirken, können Demenz auslösen. Die bekannteste und bei weitem häufigste dieser Demenzerkrankungen ist Alzheimer, die bis zu 2/3 aller Demenzerkrankungen ausmacht. Weitere sind zum Beispiel die Lewy-Körperchen-Demenz, die Vaskuläre Demenz und die Frontotemporale Demenz.
Regionale Unterschiede und Rückgang von Demenzdiagnosen
Die Verteilung von Menschen mit Demenz ist in Deutschland regional sehr unterschiedlich, was auf die Altersstruktur der lokalen Bevölkerung zurückzuführen ist. In den Jahren 2015 bis 2022 ist die Anzahl der dokumentierten Demenzdiagnosen in deutschen Arztpraxen zurückgegangen. Dieser Trend ist von den Hausarztpraxen geprägt. Bei den niedergelassenen Fachärzten sind die Demenzdiagnosen hingegen gestiegen. Die Ursachen sind aktuell unklar.
Europa und Weltweit
In der EU (inklusive UK) lebten im Jahr 2018 schätzungsweise rund 8,9 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 30 Jahren), in der Altersgruppe ab 65 Jahren waren es ca. 8,4 Millionen. Weltweit gab es im Jahr 2019 schätzungsweise mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz (im Alter ab 40 Jahren), in der Altersgruppe ab 65 Jahren waren es rund 48 Millionen.
Demenz bei Menschen mit Migrationshintergrund
In der EU sowie UK, Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz leben schätzungsweise mehr als eine halbe Million Menschen mit Demenz mit Migrationshintergrund. Für diese Personen kann sich der Zugang zu medizinischen Informationen, ärztlicher Betreuung und Versorgungsangeboten aufgrund von Sprachbarrieren und kulturellen Unterschieden zur einheimischen Bevölkerung als schwierig erweisen.
Lebenserwartung und Todesursachen bei Demenz
Menschen mit Demenz haben eine verkürzte Lebenserwartung. Bei fortgeschrittener Demenz leidet dann auch der allgemeine Gesundheitszustand, insbesondere werden die betroffenen Personen anfälliger für Infektionen. Viele Menschen mit Demenz versterben daher an einer Lungenentzündung.
Risikofaktoren und Prävention
Bislang sind 14 Risikofaktoren für Demenz bekannt, die prinzipiell modifizierbar sind und durch medizinische Vorsorge und gesunde Lebensgewohnheiten zum Teil persönlich beeinflusst werden können. Dazu gehören unter anderem Bluthochdruck, Übergewicht, Diabetes, Schwerhörigkeit, Luftverschmutzung, geringe Bildung und soziale Isolation.
Rückgang der Inzidenz und Prävalenz von Demenzdiagnosen in Deutschland
Eine Analyse von Abrechnungsdaten der vertragsärztlichen Versorgung im Zeitraum von 2015-2022 zeigt, dass die Inzidenz und Prävalenz von diagnostizierten Demenzfällen in deutschen Hausarztpraxen zurückgegangen ist. Die Inzidenz sank um 26 % von 2.020 pro 100.000 Versicherte im Jahr 2015 auf 1.500 pro 100.000 Versicherte im Jahr 2022. Die Prävalenz verringerte sich im selben Zeitraum um 18 % von 10.380 auf 8.470 pro 100.000 Versicherte. Die Anzahl der diagnostizierten Demenzerkrankungen fiel von 1,56 Millionen im Jahr 2015 auf 1,43 Millionen im Jahr 2022, was einem Rückgang von 8,4 % entspricht.
Diskussion der Studienergebnisse
Die meisten Prognosemodelle erwarten zwischen 2020 und 2023 einen Anstieg der Prävalenz der Menschen mit Demenz zwischen 11 und 25 %. Auch wenn Studien steigende Trends der Prävalenz um 1-2 % sowie der Inzidenz um 4-6 % aufzeigen, wurden vermehrt Studien publiziert, die über sinkende Tendenzen, vor allem der Inzidenz während der letzten Jahre (bis zu 8 %) aber auch der Prävalenz berichten.
Modifizierbare Risikofaktoren, wie eine geringe Bildung und Rauchen, könnten über die letzten Jahrzehnte seltener aufgetreten sein und das Demenzrisiko reduziert haben. Eine verbesserte Kontrolle und medizinische Versorgung dieser Risikofaktoren kann das Demenzrisiko insgesamt jedoch reduziert haben.
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